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Elections

26.05.2001

Es geht um die Preisgabe der Neutralität

Interview mit dem Bündner Tagblatt vom 26. Mai 2001 Bei den Militärvorlagen gehe es nur vordergründig um Bewaffnung oder militärische Zusammenarbeit. Ziel sei die Annäherung und Unterstellung unter die Nato, und damit die Preisgabe der Neutralität, betont Nationalrat Christoph Blocher. Interview Claudio Willi Soldaten sind per Definition bewaffnet - warum sollen Schweizer Soldaten nicht zum Selbstschutz im Ausland bewaffnet sein dürfen? Christoph Blocher: Der Soldat ist immer bewaffnet und er ist eine Person, die geschult wird, Krieg zu führen. Krieg aber führt man nur zur Verteidigung der eigenen Freiheit und Unabhängigkeit. Wenn man als Soldat ins Ausland geht, wird man Partei, verstösst gegen unsere Neutralität. Deshalb haben Schweizer Soldaten im Ausland nichts verloren. Aber schon heute sind Schweizer Soldaten im Ausland, und zum Teil bewaffnet... Blocher: Warum muss man denn das Gesetz ändern, wenn sie zum Teil schon bewaffnet sind? Das zeigt doch nur: Es geht um eine Eskalation. Jetzt sollen auch die Schützenpanzer mit Geschützen bestückt werden. Schweizer Soldaten haben im Ausland nichts zu suchen, bewaffnet oder unbewaff-net, mit ganz wenigen Ausnahmen wie im Koreakrieg, wo beide Seiten es so wollten. Ist es denn richtig, dass nur andere Länder die militärischen Kastanien aus dem Feuer holen? Blocher: Die Schweiz soll humanitäre Hilfe leisten. Es nützt wenig, wenn auch noch Schweizer Solda-ten das Gleiche machen wie die anderen. Wer das Gebiet besetzt - bombardiert, wie die Nato - hat das Machtmonopol und muss Ordnung und Sicherheit gewährleisten. Die Mächte haben Verantwor-tung und tragen sie auch, weil es auch ihren Interessen entspricht. Die Schweiz soll also wieder einmal abseits stehen? Blocher: Ich will nicht, dass wir völlig abseits stehen, aber ich will, dass wir etwas machen, was die andern nicht machen. Die Schweiz soll humanitäre Hilfe leisten, und zwar unbewaffnet, unparteiisch und neutral, auf beiden Seiten - das ist die Stärke der Schweiz, so ist auch das Rote Kreuz entstan-den. Die SVP will ein humanitäres Korps schaffen, wie das Katastrophenhilfskorps, aber Bern ist dagegen. Das Motiv der beiden Militärvorlagen aber ist, die Schweiz auch im Ausland einzusetzen. Bern will in die internationalen Strukturen und Organisationen: Die ganze Armee wird auf Nato-Standard umgemodelt, damit man mit anderen Armeen zusammen auch Krieg führen kann. Das ist unakzeptabel. Stichwort militärische Zusammenarbeit: Die gibt es doch bereits heute, die Flugwaffe beispielsweise übt auf Sardinien, in Norwegen. Warum nicht? Blocher: Heute ist dies schon möglich, das zeigt, es brauchte gar keine neuen Gesetze. Aber heute üben wir im Ausland nur für unsere Bedürfnisse, damit wir besser ausgebildet sind, um unsere Freiheit und Unabhängigkeit zu verteidigen, wenn es notwendig sein sollte. Und streng verboten ist eine Ko-operation mit einer anderen Armee, um Krieg führen zu können, weil das gegen die Neutralität ver-stösst. Das soll jetzt neu geändert werden, Rahmenabkommen sollen ermöglichen, Ausbildung zu betreiben, mit dem Ziel, mit anderen Armeen im Ernstfall in den Krieg zu ziehen. Das ist ein massiver Durchbruch, das ist gefährlich und hat Konsequenzen. Der Kampf wird auch nicht mehr an der Gren-ze, sondern im operativen Vorgelände, also im Raum München bis ans Mittelmeer hinunter geplant. Wenn man sich vorstellte, was eine solche Verteidigung im Zweiten Weltkrieg gebracht hätte: Unser Land wäre überrannt worden, die Schweiz wäre Kampfplatz geworden, mit Tod, Elend und Verwüs-tung, und Soldatenfriedhöfe wären Realität geworden. Es geht nicht einfach um etwas mehr Bewaff-nung von Soldaten zum Selbstschutz, sondern um eine Unterstellung un- serer Armee unter die Nato. Aber die Schweizer Armee kann doch auch nicht allein auf sich gestellt bestehen? Blocher: Ich kann es gar nicht verstehen, dass man dies heute so sagt. Haben wir dies nicht über 200 Jahre machen können? Und es gab schon gefährlichere Zeiten als heute. Für künftige Konflikte kann die Schweizer Armee sich sehr wohl behaupten, und erst noch billiger. Die Schweiz aber hat die Er-fahrung gemacht, wenn man neutral ist, holt man die Konflikte nicht ins eigene Land. Fremde Händel soll die Armee deshalb auch künftig bleiben lassen. Aber technische Kooperation mit der Nato ist sinnvoll? Blocher: Kauf und Erneuerung von Waffen im Ausland verletzt unsere Neutralität nicht. Damit opfern wir auch nicht Soldaten für Kriegsspiele im Ausland. Das eine bedeutet Schutz, das andere ist für eine Offensivarmee im europäischen Raum gedacht. Das sind höchst verschiedene Motive. Wer das be-treibt, denen ist die Schweiz verleidet. Der EU-Beitritt ist nicht gelungen, jetzt wird der Weg über die Armee gesucht. Wir aber haben viel zu verlieren. Wäre Mitmachen statt Rosinenpicken nicht auch ein Solidaritätsbeitrag an eine Wertegemeinschaft? Blocher: Diese Musik hören wir nun schon seit zwanzig Jahren. Man müsse mitmachen, sonst sei man isoliert, heisst es. Das Volk glaubt das langsam aber sicher nicht mehr. Alle Staaten nehmen ihre Interessen wahr. Wer sich auf Illusionen stützt, täuscht sich, läuft in die Falle. Wäre eine offene Abstimmung über eine Zusammenarbeit mit der Nato ehrlicher? Blocher: Eindeutig. Jetzt soll es eine Annäherung an die Nato geben. Und später wird es heissen: Jetzt müssen wird doch in die Nato, da wir mit ihr schon eng zusammenarbeiten. Das ist der Zweck der Übung! Aber das ist hinterhältig. Da wird das Volk zum Narren gehalten. Aber es gibt immer mehr Leute, die merken, was hier abläuft. Kampflos geben wir die Neutralität nicht preis. Was gewinnt die Schweiz mit 2x Ja? Blocher: Da sehe ich keinen Nutzen, sondern nur Nachteile. Bei 2x Ja verliert die Schweiz sehr viel. Sie verliert ihre zweihundertjährige Friedenspolitik, die dazu geführt hat, trotz grosser internationaler Auseinandersetzungen der Schweiz Frieden, Freiheit und Unabhängigkeit zu erhalten. Kein Land in Europa hat eine solche Tradition. Wenn wir in den europäischen Raum gehen, verlieren wir an Sicherheit, verlieren an Freiheit und Selbstbestimmung, bei internationalen Konflikten sind wir nicht mehr neutral und werden auch nicht mehr als neutral angesehen. Die Preisgabe der Neutralität aber wäre ein grosser Verlust. Deshalb ist jetzt eine solche Weichenstellung hin zur Nato durch 2xNein dringend zu verhindern.

11.05.2001

«Herr Blocher, was verstehen Sie unter Neutralität?»

Boris Banga (SP/ Solothurn), Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission, befragt den Zürcher SVP-Nationalrat Streitgespräch mit Nationalrat Boris Banga im Blick vom 11. Mai 2001 Heisst Neutralität, dass die Schweiz Kriegsverbrecher wie Slobodan Milosevic gewähren lassen muss? Wie ernst ist es den Gegnern von Auslandeinsätzen der Armee mit ihrem verstärkten Engagement in der zivilen Hilfe? SP-Nationalrat Boris Banga (51), Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission, fühlt für BLICK Christoph Blocher (60) auf den Zahn Heute geht es nur um die Bewaffnung. Warum haben Sie das Referendum nicht ergriffen, als Aus-landeinsätze 1995 mit einer Militärgesetzrevision ermöglicht wurden? Christoph Blocher: Unbewaffnete Soldaten, das ist ein Widerspruch. Doch der Bundesrat gab 1995 zur Antwort, es gehe nur um Einsätze, die keine Waffen brauchen. Zum Beispiel Hilfeleistung durch Genie- und Rettungstruppen in Erdbebengebieten. Was hat der Bundesrat getan? Einmal mehr wur-den wir über den Tisch gezogen, es wurden unbewaffnete Soldaten in Kriegsgebiete geschickt. Dort haben Schweizer Soldaten - weder bewaffnet noch unbewaffnet - nichts zu suchen. Sie behaupten, Auslandeinsätze würden die humane Solidarität verhindern. Verstehen Sie mehr da-von als IKRK-Präsident Jakob Kellenberger, der das Gegenteil sagt? Blocher: International anerkannte Experten halten die Idee der bewaffneten Einsätze heute für einen Fehler und verlangen die Trennung von militärischen Aktionen und ziviler Aufbauhilfe. Als EU-Turbo unterstützt Jakob Kellenberger die Internationalisierung der Verteidigungspolitik, um die es wirklich geht. Wir gefährden den seit 150 Jahren andauernden Frieden in unserem Land und werden unsere Soldaten für fremde Händel opfern. Sie haben die Liebe zur Entwicklungszusammenarbeit und ziviler humanitärer Hilfe entdeckt. Sind Sie auch bereit, mehr Geld dafür zur Verfügung zu stellen? Blocher: Die SVP ist schon lange für die Schaffung eines humanitären Korps für zivile Zwecke. Und das kostet wesentlich weniger als die Rüstungspläne der Generäle, die sich von der Widerstandsar-mee verabschieden wollen. Ich kann nicht begreifen, dass Sie als Sozialdemokrat die Ausrichtung auf die Nato mitmachen. Früher konnten wir uns wenigstens noch darauf einigen, dass der Anschluss an ein Militärbündnis nicht in Frage kommt. Der Nato-Beitritt steht nicht zur Diskussion. Ich stelle aber fest, Sie befürworten keine zusätzlichen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit. Blocher: Ich befürworte von Fall zu Fall den Einsatz eines humanitären Korps für die zivile Aufbauhil-fe. Ein Swisscoy-Soldat kostet monatlich 42000 Franken, ein Mann des Katastrophenhilfekorps nur 12000 Franken. Die Mittel für die zivile Aufbauhilfe könnten viel effizienter eingesetzt werden. Sie sehen die Neutralität in Gefahr. Was verstehen Sie überhaupt darunter? Blocher: Glaubwürdige Neutralität bedeutet, keine Partei zu ergreifen in internationalen Auseinandersetzungen. Neutralität ist ein Friedensgarant für den Kleinstaat Schweiz. Sie hat uns über 150 Jahre vor Kriegen bewahrt. Ein Soldat, der im Ausland eingesetzt wird und von seiner Waffe Gebrauch macht, ergreift Partei. Sie sehen die Schweiz also genau in der Mitte zwischen Saddam Hussein und der Uno oder Slobodan Milosevic und der Nato. Was soll es für die neutrale Schweiz zwischen Kriegsverbrechern und der Staatengemeinschaft zu vermitteln geben? Blocher: So einfach liegen die Dinge nie. Denken Sie an den Konflikt zwischen Israel und den Paläs-tinensern. Unrecht gibt es stets auf beiden Seiten, aber auch Elend. Zur Ausbildungszusammenarbeit schreiben Sie "Warum sollen wir fremden Truppen unseren starken Trumpf, unser Gelände preisgeben?" Und "fremde Truppen wird man so leicht nicht mehr los". Glauben Sie im Ernst, dass der nächste Krieg gegen Frankreich geführt wird oder ausländische Soldaten in Thun oder Payerne die Schweiz besetzen wollen? Blocher: Ich glaube nicht an einen Krieg. Ich weiss nur eines: Es gibt nichts Wechselhafteres als in-ternationale Lagen. Die Armee ist dazu da, unser Territorium, unser Land, unser Volk und unsere Freiheit zu verteidigen. Unsere Stärke dabei ist das Gelände. Wer behauptet, die autonome Verteidi-gung des eigenen Territoriums sei für ein kleines Land nicht möglich, leidet an Grössenwahn. Ich will keine fremden Truppen, die in unserem Land mit unserer Armee Übungen durchführen und keine Manöver unserer Armee im Ausland, weil das den Zweck der gemeinsamen Kriegsführung hat. Das läuft auf eine der Nato unterstellte Angriffsarmee statt einer Widerstands- und Verteidigungsarmee hinaus.

05.03.2001

«Jetzt bodige ich auch noch die Uno»

Blocher nach dem Sieg in der EU-Abstimmung Interview mit dem Blick vom 5. März 2001 Blocher will den aussenpolitischen Durchmarsch: Der Zürcher SVP-Chef möchte den Schwung des Europa-Neins vom Sonntag ausnützen, um auch die Uno zu bodigen. "Vorher höre ich nicht auf!", sagt Nationalrat Blocher im BLICK-Interview. Von Georges Wüthrich Herr Blocher, ist der EU-Beitritt jetzt vom Tisch? Christoph Blocher: Er ist für den Moment vom Tisch. Wie lange? Blocher: In den nächsten zehn Jahren kommt der Beitritt nicht mehr in Frage. Was muss der Bundesrat jetzt machen? Blocher: Er hätte klar sagen müssen, dass er dieses Resultat in dieser Klarheit auch nicht wollte. Er muss jetzt einsehen, dass das Schweizer Volk nicht in die EU will, auch die Westschweizer nicht. Den EU-Mitgliedstaaten muss er jetzt reinen Wein einschenken und das Beitrittsgesuch zurückziehen. Nützen Sie den Schwung gegen die Bewaffnungs-Abstimmung im Juni und gegen den Uno-Beitritt im nächsten Jahr aus? Blocher: Wir werden den Kampf nahtlos fortsetzen. Im Juni geht es um den Nato-Beitritt, und die Uno widerspricht unserer Neutralität. Dummes Zeug. Im Juni geht es nur um die Bewaffnung in Friedenseinsätzen zum Selbstschutz. Blocher: Das sagt man immer. Bei der EU hat man gesagt, es gehe nur um sofortige Beitritts-Verhandlungen, in Wirklichkeit ging es um den Beitritt. Beim Militärgesetz sagt man jetzt, es geht nur um ein wenig Bewaffnung, dabei will man den Nato-Beitritt. Ich bin gegen die Auslandeinsätze, wir haben uns nicht in fremde Händel einzulassen. Sollen Bundesrat und Parlament die Uno-Frage zurückstellen? Blocher: Ich würde mindestens raten, die Sache nochmals anzuschauen. Wie viel Geld hat die SVP gegen die EU-Initiative aufgewendent? Blocher: Es war relativ einfach, die Sache noch zu kehren, weil die riesigen Nachteile der EU immer sichtbarer werden. Ungefähr eine Million Franken. Sie könnten auf dem Höhepunkt des Triumphs jetzt zurücktreten. Blocher: Ich höre erst dann auf, wenn meine Aufgaben gemacht sind: Wenn die Uno gebodigt ist und die Steuern in unserem Land etwa halbiert sind. Macht Sie der Erdrutschsieg im Kanton Aargau rundum glücklich? Blocher: Ein solch erfreulicher Zuwachs birgt auch Gefahren. Die Aargauer müssen jetzt wahnsinnig aufpassen, dass sie nicht übermütig werden und dass sie ihre Arbeit recht machen. Ich hatte als Zürcher Präsident immer Angst vor solchen Zuwächsen.

08.12.2000

«Jeder Führungskraft liegt doch die eigene Heimat am nächsten»

Christoph Blocher über den Axantis-Deal, seine Nachfolge und die von ihm befürchtete Rezession. Interview mit CASH vom 8. Dezember 2000 Chefstratege Christoph Blocher schwimmt wieder obenauf - als Unternehmer, nicht aber als Politiker. Relaxed geht er auf den Axantis-Deal ein und schildert, wie seine Nachfolge geregelt werden könnte. Er befürchtet, dass eine Rezession vor der Tür steht. Vom neuen SVP-Bundesrat Samuel Schmid distanziert er sich. Autor: Victor Weber, Marcel Odermatt Ist das nun ein verspätetes Geschenk zu Ihrem Geburtstag oder ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk, das Sie sich da gemacht haben? Christoph Blocher: Nun, wenn Sie damit die Chance meinen, Axantis zu übernehmen, so wäre dies ein teures Geschenk. Zum 60. Geburtstag darfs ja wohl ein grosszügiges Geschenk sein. Blocher: Sagen wir es so: Gelingt der Plan, die ehemalige Attisholz zu übernehmen, geht ein alter Wunsch in Erfüllung. Schon zu Beginn der Neunzigerjahre versuchten wir, der damaligen Führung eine neue Strategie schmackhaft zu machen. Vergebens. Erst Jahre später ist eine neue Strategie verwirklicht worden. Jetzt könnten wir mit unserem Knowhow und mit unseren Managementkapazitäten helfen, den eingeleiteten Wandel zu vollenden, nämlich vom traditionellen Hersteller von Zellulose für die Papierindustrie hin zum spezialisierten Produzenten polymerer Werkstoffe auf der Basis von Zellulose. Wie kommen Sie darauf, von einem teuren Geschenk zu reden? Bei Ihrer Offerte gehen Sie von einem Firmenwert von 570 Millionen Franken aus. Da Axantis 400 Millionen an liquiden Mitteln besitzt, kommen Sie zum Schnäppchenpreis von netto 170 Millionen zu den modernsten Anlagen dieser Art in der Schweiz. Blocher: 170 Millionen Franken sind viel. Man muss bedenken, dass Axantis eben erst mit der Herstellung der neuen Produkte angefangen hat und dass in den nächsten drei Jahren noch Investitionen von insgesamt 50 Millionen nötig sind, um die Umstellungen auf Zellulosespezialitäten abzuschliessen. Zudem ist das Risiko des Scheiterns gross. So gross kann das Risiko nicht sein, sonst würden Sie als gewiefter Unternehmer keine Offerte unterbreiten. Blocher: Wenn es um neue Produkte geht, stehen die Chancen immer 50 zu 50. Kommt hinzu, dass es in der Regel doch immer länger geht und teurer wird, als ursprünglich angenommen. Der Substanzwert wird gross sein. Blocher: Was heisst da Substanzwert? Da sind die alten Anlagen ... ... und daneben die nagelneuen ... Blocher: Die sind aber erst angefahren worden und nur um die 100 Millionen Franken wert - vorausgesetzt, sie bringen das, was man von ihnen erwartet. Ein hoher Preis, ein hohes Risiko - warum sind Sie denn heute Morgen so gut gelaunt? Blocher: Wir Industrielle sind uns das Risiko gewohnt. Ohne Risiko keine Chance. Ich freue mich auf die schwierige Aufgabe. Sie müssten Daniel Model eigentlich dankbar sein. Erst sein feindlicher Versuch, Axantis einzusacken, hat für Sie eine günstige Konstellation geschaffen. Blocher: Vielleicht. Ich bin aber gezwungen, sein Angebot von 310 Franken pro Aktie auf 330 zu erhöhen. Ich bin ihm aber darob nicht bös. Das Gespräch zwischen uns verlief denn auch ruhig. War das ein abgekartetes Spiel zwischen Ihnen und Daniel Model, wie manche argwöhnen? Blocher: Nein. Ich habe ihn zu seiner Überraschung angerufen und unsere Strategie dargelegt. Wir sind dann schnell einig geworden. Ende September verpassten Sie der Ems-Gruppe eine neue Führungsstruktur und gliederten den Bereich Ems-Chemie in verschiedene Profitcenters auf. Das liess sich als Indiz für eine bevorstehende Weichenstellung deuten. Blocher: Damals war Attisholz noch kein Thema. Heute ist aber klar, dass alles etwas einfacher ist: Axantis kommt als zusätzlicher selbständiger Unternehmensbereich zur Ems-Gruppe hinzu - sofern wir die Mehrheit bekommen. Der Deal muss demnach sehr schnell abgewickelt worden sein. Blocher: Am Mittwoch vorletzter Woche trat Axantis-Präsident Guido Patroncini an mich heran und sagte, dass ein 10-Prozent-Paket zu haben sei. Wer wollte verkaufen? Blocher: Das weiss ich nicht. Auf jeden Fall bin ich so auf die Gelegenheit erst richtig aufmerksam geworden. Ich sagte ihm, dass ich nicht ein Paket, sondern die Mehrheit des Unternehmens übernehmen möchte. Ich würde aber erst handeln, wenn die Aussicht bestünde, eine Zweidrittelmehrheit zu erwerben - zumal ich überzeugt bin, dass wir für Axantis das bessere Konzept haben als Daniel Model, der zur ehemaligen Zwei-Pfeiler-Strategie zurückkehren wollte, also zu etwas, das Attisholz mit dem Verkauf des Hygienepapiergeschäftes - Hakle und Tela - abgestreift hatte. Am Freitag letzter Woche konnte ich dann von der Bank Julius Bär ein 10-Prozent-Paket kaufen. Könnte es sich dabei um das gleiche Paket gehandelt haben, das Sie zuerst ausgeschlagen haben? Blocher: Das kann ich nicht ausschliessen. Ihre Übernahmeofferte ist in den Medien sehr gut aufgenommen worden. Jetzt sind Sie geadelt worden, indem die Kommentatoren Sie zum weissen Ritter geschlagen haben, welcher der bedrängten Axantis zur Hilfe eilt. Blocher: Mal ist man weisser Ritter, dann plötzlich wieder schwarzer Ritter. Ich kann darum solche Etiketten nicht ernst nehmen. Anderseits macht die breite Zustimmung die Sache einfacher. Lonza hat in aller Stille eine ähnliche Reorganisation durchgeführt wie Ems. Sie sagen zwar, dass ein Zusammengehen von Lonza und Ems keinen Sinn ergeben würde. Doch sind Sie allenfalls an einzelnen Sparten von Lonza interessiert, etwa an den polymeren Zwischenprodukten und Additiven? Blocher: Nein, die kommen für uns nicht in Frage, da wir uns mit unseren polymeren Stoffen auf einer höheren Spezialisierungsstufe bewegen. Und die biochemischen Wirkstoffe? Blocher: Auch nicht. Axantis ist für uns auch darum interessant, weil sie in den Bereich der biochemischen Werkstoffe vordringen will, doch das ist etwas ganz anderes als biochemische Wirkstoffe für die Pharma. Haben Sie Ihre Nachfolge geregelt? Blocher: Meine älteste Tochter, Ökonomin und bei Rivella zur Marktingexpertin gereift, nimmt im Januar ihre Arbeit in der Ems-Gruppe auf. Mein Sohn hat Chemie studiert und sammelt nun nach seinem Doktorat bei McKinsey Erfahrungen. Eine Tochter ist als Lebensmittelingenieurin bereits in der Industrie tätig. Und die Jüngste studiert Ökonomie in St. Gallen. Doch Privilegien gibt es auch für meine älteste Tochter nicht. Sie wird sich wie alle anderen Mitarbeiter bewähren müssen. Bereits im letzten Sommer kündigten Sie an, dass Sie die Ems-Gruppe mit einem Kostentrimmprogramm und einem antizyklischen Investitionsverhalten auf die nächste Rezession vorbereiten wollen. Wie beurteilen Sie die Konjunkturlage heute? Blocher: Die Situation sieht nun noch schlechter aus, als ich sie damals einschätzte. Damals sagte ich, die nächste Krise komme nicht vor 2002/2003. Jetzt beurteile ich dies pessimistischer. Warum? Blocher: Die unerwartet hohen Ölpreise wirken sich negativ aus. Da sind Konjunktur-Frühwarnindikatoren wie die rückläufigen Autoverkäufe in den USA und das lahmende Textilgeschäft, die auf eine baldige Rezession hinweisen. Ihr Unternehmen ist also bereits für den kommenden Wirtschaftsrückgang vorbereitet? Blocher: Wir haben den Personalausbau weniger stark forciert, als nötig gewesen wäre. Ausserdem lancierten wir ein Kostensenkungsprogramm. Sehen Sie: Rechnen wir bei einer schweren Rezession mit einem Umsatzrückgang von 20 Prozent, müssen wir die Kosten ebenfalls um 15 bis 20 Prozent runterfahren können. Und Kostensenkungsprogramme müssen sinnvollerweise noch in der Hochkonjunktur-Phasen eingeleitet werden. Die können nicht auf einen Schlag realisiert werden. Wir befinden uns erst seit vier Jahren in einer Aufschwungphase. Und jetzt droht bereits wieder eine Rezession. Die USA dagegen erleben das zwölfte Jahr einer Hochkonjunktur. Was machen die Schweizer falsch? Blocher: Wir haben in den letzten Jahren die Staatsquote wie kein anderes Land erhöht. Und der Grossteil der neuen Steuern wie der CO2-Abgabe oder der LSVA kommen erst noch auf uns zu. Das lähmt unsere Wirtschaft. Und wie sieht das blochersche Wirtschaftsprogramm aus, um uns die nächste Rezession zu ersparen? Blocher: Die Staatsquote und die Steuern müssen gesenkt werden. Zudem sollten wir den ganzen Staatsinterventionismus minimieren. Und der Bund sollte alle seine Beteiligungen, wie die an der der Swisscom, sofort verkaufen. Was hat die Mehrheitsbeteiligung des Bundes mit einer sich anbahnenden Rezession zu tun? Blocher: In allen liberalisierten Märkten muss der Staat seine Betriebe in die Freiheit entlassen. Der Bund schränkt die unternehmerische Freiheit der Swisscom ein. Ausserdem wissen die Manager, dass bei einem Versagen ihrerseits der Bund helfen würde. Sie predigen wirtschaftlichen Liberalismus. Ihnen wäre es wohl auch egal, wenn die Swissair von einer ausländischen Gesellschaft übernommen würde. Blocher: Was die Schweiz braucht, sind gute Verkehrsverbindungen und gute Gesellschaften, die die Schweiz anfliegen. Ob das mit oder ohne Swissair passiert, ist eigentlich egal. Der Flughafen Zürich ist auch für ausländische Fluggesellschaften eine attraktive Destination. Doch gerade die Swissair wird als nationales Symbol empfunden. Kommt da der bekennende Patriot Blocher nicht in den Clinch mit seinen Wählern? Blocher: Seit zwanzig Jahren heisst es immer wieder, ich hätte Probleme mit meinen Wählern. Trotzdem erzielte ich im letzten Jahr das beste Resulat aller Nationalräte. Trotzdem: Unternehmen wie die SBB, die Swissair und die Post wirken auch identitätsstiftend. Blocher: Das stimmt. Obwohl die Swissair nicht mehr in Staatsbesitz ist, haben immer noch viele Schweizer das Gefühl, das sei "ihre" Fluggesellschaft. Eine privatisierte Post würde kaum Briefe in die entlegenen Regionen des Landes senden, oder doch nur zu massiv höheren Preisen. Blocher: Diesen Service public können wir uns leisten. Das ist kein Problem. Da sehe ich keinen Widerspruch zu meiner Haltung. Viele Schweizer Traditionsunternehmen wurden in den letzten Jahren ins Ausland verkauft, wie kürzlich Feldschlösschen an den dänischen Bierbrauer Carlsberg. Was machen Schweizer Manager falsch? Blocher: Feldschlösschen wurde ein Opfer des Bierkartells. Diese Firma war es sich nicht gewohnt, sich in einem hart umkämpften Markt durchzusetzen. Fliegt ein Kartell auf, kommt es zu Zusammenbrüchen. Das erlebten wir früher in der Uhrenindustrie und heute in der Strombranche. Ganz klar, dass aus kartellisierten Bereichen keine starken Managerpersönlichkeiten kommen können. Ich glaube aber nicht, dass Schweizer Manager schlechter sind als andere. Die Schweiz ist hoch industrialisiert, hat viele potente Firmen und braucht entsprechend viele Führungskräfte. Erleben wir im Moment in wirtschaftlicher Hinsicht den Ausverkauf der Heimat? Blocher: Nein. Alle ins Ausland verkauften Firmen haben weiterhin die Schweiz als Basis. Kein Manager gibt es zwar zu, aber jeder Führungskraft liegt doch die eigene Heimat am nächsten. Als Unternehmer argumentieren Sie in neoliberaler Art rein rational und gefühlskalt, als Politiker appellieren Sie ans Heimatgefühl und damit an die Solidarität. Zwei Seelen wohnen in Ihrer Brust. Blocher: Ich bin liberal. Im Beruf, der Wirtschaft und der Politik haben Gefühl und Emotionen viel Platz. Auch Nationalgefühl hat bei einer weltweit tätigen Firma Platz

08.12.2000

Christoph Blocher über die Bundesratswahl

Interview mit CASH vom 8. Dezember 2000 Mit Samuel Schmid ist bei den Bundesratswahlen kein offizieller SVP-Kandidat gewählt worden. Was bedeutet das für die Konkordanz? Christoph Blocher: Wenn ein Kandidat oder eine Kandidatin gewählt wird, der oder die von der Partei vorgeschlagen ist, so sind die Loyalität und die Kompromissbereitschaft natürlich wesentlich grösser. Das liegt in der Natur der Sache. Haben Sie als Taktiker in Wahrheit nicht sogar darauf gesetzt, dass Samuel Schmid gewählt wird, weil Sie damit Ihre erfolgreiche Politik zwischen Regieren und Opponieren auch in Zukunft besser rechtfertigen können? Blocher: Das ist gesucht. Nein, das haben wir nicht getan, aber wir haben erwartet, dass Schmid gewählt würde. Die Positionen, welche Herr Schmid vertritt, stimmen mit meinen nicht überein, deshalb habe ich mich nicht für ihn eingesetzt. Der gemässigte Berner Flügel ist gestärkt worden durch die Wahl von Samuel Schmid. Erwarten Sie jetzt innerhalb ihrer Partei die Forderung nach einem Kurswechsel der Gesamtpartei? Blocher: Bis jetzt ist diese Forderung nicht gekommen. Eine Minderheit soll ihre Minderheitsposition vertreten, und wenn sie zur Mehrheit wird, wird sie zur Mehrheit. Ich habe diesbezüglich keine Bedenken. Ich merke in der Fraktion nicht, dass hier eine solche Bewegung stattfindet. Die Sitzungen in unserer Fraktion finden eigentlich in recht harmonischem Klima statt. War die Wahl von Samuel Schmid ein Schuss vor den Bug der SVP? Blocher: Ich weiss es nicht, ich habe es jedenfalls nicht so empfunden. Und Schüsse vor den Bug, von denen man nichts merkt, nützen wenig. Aber es ist klar: Die SVP ist in den Wahlen derart erfolgreich, das man uns mit allen Mitteln stoppen will. Ob es die richtigen Mittel sind, weiss ich nicht. Wenn ich auf der Gegenseite wäre, würde ich etwas anderes tun. Die SP hat die SVP in diesen Bundesratswahlen angegriffen. Werden Sie ihrerseits bei den nächsten Wahlen um einen frei werdenden SP-Sitz wieder einen eigenen Kandidaten vorschlagen? Blocher: Wir sind der Meinung, dass es nicht einzusehen ist, weshalb die SP zwei und die SVP nur einen Sitz haben soll. Seit die CVP mehr Sitze hat, als ihr gemäss Wähleranteil zustehen, wird die Konkordanz nicht mehr eingehalten. Ich gehe deshalb davon aus, dass wir bei einem Rücktritt von Bundesrätin Dreifuss einen eigenen Kandiaten aufstellen werden.