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26.02.2007
04.02.2007
«Wir brauchen Prävention gegen Gewalt in den Schulen»
«Bundesrat Christoph Blocher über jugendliche Täter und die Rolle von Lehrern und Eltern» 04.02.2007, Sonntagszeitung, Christoph Lauener und Denis von Burg Herr Blocher, Bundesrat und Parteien wollen über Jugendgewalt sprechen. Ist das nötig, obwohl wir das Jugendstrafrecht bereits verschärft haben? Das Problem Jugendgewalt geht über das Strafrecht hinaus. Seit Dezember 2006 ist unter meinem Vorsitz mit den Ämtern Justiz, Migration und Polizei eine Arbeitsgruppe intensiv an der Arbeit. Mehrere Aussprachen sind erfolgt, so auch letzte Woche mit rund 30 Fachleuten, die sich in ihrer täglichen Arbeit mit Jugendgewalt befassen. Bei diesem und anderen Treffen wurde klar: Es besteht Handlungsbedarf. Die Jugendgewalt hat massiv zugenommen. Gibt es konkrete Zahlen? Es gibt Zahlen, soweit sich diese polizeilich erfassen lassen. Doch die Dunkelziffer ist relativ hoch. Einerseits stellt man fest, dass die Opfer sich aus Furcht vor Repressalien oft nicht getrauen, die Polizei einzuschalten. Andererseits bestehen namentlich in Schulen Hemmungen, die Polizei einzuschalten. Raufereien gab es immer. Das stimmt. Zugenommen hat nicht nur das Ausmass. Beängstigend ist, dass die Gewalt härter und brutaler geworden ist. Es wird auf Schwache eingeprügelt, auch wenn die Opfer bereits wehrlos am Boden liegen. Und es gibt immer mehr auch organisierte Gewalt durch Gruppen und Banden, die sich oft ad hoc zusammensetzen und aktiv werden. Was sind die Motive? Wir sind daran, das zu ergründen. Wir sollten das Problem nicht durch zu rasche Erklärungen relativieren. Grundsätzlich stellen wir fest, dass die Hemmschwelle bei Jungen stark gesunken ist; sie schlagen schneller zu. Dabei spielt zum Teil übertriebener Alkoholgenuss eine Rolle, aber auch die omnipräsenten Gewaltdarstellungen im Alltag. Die Ausländerfrage spielt mit hinein. Schweizer Kinder prügeln nicht? Doch, natürlich. Aber die Zahlen und die Erfahrungen der Fachleute sprechen ein klare Sprache: Auffallend hoch ist der Anteil von Tätern mit „Migrationshintergrund“. Und dort wieder vor allem aus dem Balkan. Das ist die übereinstimmende Aussage der Verantwortlichen. Sie sagen, junge Leute aus dem Balkan neigen grundsätzlich zu Gewalt. Das ist eine gefährliche Aussage. Das ist eine böswillige Unterstellung. Aber ihr Anteil ist überproportional. Dabei handelt sich vor allem um Jugendliche mit Identitätsproblemen. Das führt zu Unsicherheit und Minderwertigkeitsgefühlen. Vielleicht, weil diese Jugendliche zwei Kulturen in sich tragen. Die Unsicherheit wird dann durch Gewaltanwendung kompensiert. Wenn wir die Probleme lösen wollen, muss man sie ansprechen dürfen, ohne dass einem Rassismus vorgeworfen wird. Durch Verdrängen löst man keine Probleme. Wo sieht der Justizminister Lösungsmöglichkeiten? Warten wir damit noch etwas zu. Ein Missstand ist, dass die Strafverfolgung nicht immer effizient funktioniert. Es scheint nicht in erster Linie ein Problem der Gesetze zu sein, sondern des Vollzugs. Die Verfahren dauern zu lange, die angeordneten Sanktionen greifen oft zu kurz, die Koordination staatlicher Tätigkeiten ist mangelhaft. Die Folgen sind gravierend: Polizisten und andere Vollzugsleute sind frustriert, weil sie sehen, dass nichts passiert. Das lähmt die Arbeit. Resignation ist weit verbreitet. Auch bei Lehrern. Vielleicht sind die Strafverfolgungsbehörden überlastet. Wenn es so wäre, müsste man sie unterstützen. Tatsache ist aber, dass die Behörden zu wenig gut vernetzt sind; oft weiss die eine Behörde nicht, was die andere tut. Migrations-, Einbürgerungs- und Polizei-, Zivilstands- und Schulämter müssen besser zusammenarbeiten und gemeinsame Ziele haben. Beginnen die Probleme nicht schon viel früher? In der Kindheit? Damit schneiden Sie die Erziehung an. Es beginnt schon damit, dass nicht mehr feststeht, wer verantwortlich für die Erziehung ist. Ist es die Schule? Sind es die Eltern? Eltern haben begonnen, einen Teil der Erziehung an die Schule auszulagern – das überfordert die Lehrer. Man kann nicht verlangen, dass die Schule allein für die Erziehung verantwortlich ist. Fachleute sprechen von einer eigentlichen „Erziehungsverweigerung“ der Eltern. Bei aller Idealisierung der externen Kinderbetreuung: Die Eltern sind verantwortlich für das, was ihre Kinder tun. Sie sind auch in die Pflicht zu nehmen. Wenn ein Jugendlicher prügelt und zerstört, sollen also die Eltern büssen? Ja, denn sie haben die Verantwortung! Wie jeder Obhutspflichtige sollen auch Eltern zur Rechenschaft gezogen werden können: Mit Schadenersatzzahlungen, bei ausländischen Kindern bis hin zur Ausweisung der ganzen Familie. Die Schule bleibt aber wichtiger Wertevermittler. Was kann sie tun? Natürlich kann sich auch die Schule nicht aus der Erziehungsaufgabe abmelden. Die Lehrpersonen brauchen darin aber Unterstützung, was oft fehlt. In schweren Fällen hat die Schule mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Lange Zeit hatten die Lehrer ein gestörtes Verhältnis zur Polizei; sie duldeten keine Polizei im Schulumfeld. Erste Versuche zeigen, dass wir Gewaltprävention auch in den Schulen brauchen: Erziehung zum gewaltfreien Zusammenleben auch an Schulen durch dafür ausgebildete Personen wie etwa Polizisten, ähnlich der Verkehrserziehung. Sollen Lehrer vermehrt auch die Polizei rufen, wenn sie überfordert sind? Ja. Passieren Straftaten auf den Pausenplätzen, muss die Schule die Polizei rufen: Verletzung von Regeln ist zu sanktionieren. Dort wo die Situation sehr problematisch ist, sind regelmässige Polizeipatrouillen sinnvoll. Sie geben viele Empfehlungen, aber eigentlich haben Sie als Justizminister keine Kompetenzen; die haben die Richter und Kantone. Das mag sein. Zunächst ist wichtig, dass die Probleme offen gelegt werden, das ist der Anfang der Problemlösung. Wir leiden heute unter den Spätfolgen antiautoritärer Erziehungsformen. Die Kinder spüren Grenzen und Schranken zu spät. Oft erst wenn sie am Rand der Kriminalität stehen.
04.02.2007
15 Jahre sind zu lang
Bundesrat Christoph Blocher über neue AKW und Bewilligungsverfahren 04.02.2007, Sonntagszeitung, Denis von Burg und Christoph Lauener Herr Blocher, Sie waren dafür verantwortlich, dass das AKW Kaiseraugst nicht gebaut wurde. Soll jetzt wieder ein Atomkraftwerk gebaut werden? Das soll nicht der Staat entscheiden. Strom wird von der Privatwirtschaft geliefert. Also soll die Wirtschaft auf der Basis der Marktsituation entscheiden, ob sie Gas- oder Atomkraftwerke oder beides bauen will. Aber der Staat soll ihnen die Möglichkeit geben. Obwohl die Energieversorgung von strategischer Bedeutung für das Land ist ? Vieles ist von strategischer Bedeutung! Die Lebensmittelversorgung, die Wohnungen, die Kreditversorgung etc. So auch die Energieversorgung. Dafür ist überall die Privatwirtschaft zuständig. Darum funktioniert es. Aber der Staat gibt die Rahmenbedingungen. Und die stimmen für die Atomkraft? Nein, es kann nicht sein, dass die Planung eines Atomkraftwerks wegen der Bewilligungsverfahren 15 Jahre oder mehr dauert. Das verhindert den Bau neuer AKWs zum vornherein. Das können wir uns nicht leisten. Wir müssen der Energiewirtschaft die Möglichkeiten geben, Stromerzeugungsanlagen bauen zu können, das gilt auch für die Kernenergie. Klar ist: Wir brauchen in Zukunft mehr Strom. Wir müssen es der Energiewirtschaft ermöglichen, neue Kraftwerke unter Einhaltung der Umweltvorschriften zu bauen. Sollen auch die CO2-Vorschriften für Gaskraftwerke gelockert werden ? Sie müssen gleich behandelt werden wie andere energieintensive Betriebe. Weiter möchte ich nicht darauf eingehen, bevor der Bundesrat beschlossen hat.
30.01.2007
Der Kampf gegen Fälschung und Piraterie: Geteilte Herausforderungen – gemeinsame Ziele
Eröffnungsrede von Bundesrat Christoph Blocher am Third Global Congress on Combating Counterfeiting and Piracy vom 30. Januar 2007, in Genf 30.01.2007, Genf Am Third Global Congress on Combating Counterfeiting and Piracy machte Bundesrat Christoph Blocher deutlich, wie wichtig internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Fälschung und Piraterie ist. Diese stellten ein weltweites Problem dar und beträfen jeden Wirtschaftssektor. 1. Begrüssung Herr Generaldirektor, meine Damen und Herren, Sie haben als Tagungsort Genf gewählt. Genf ist nicht nur eine schweizerische Stadt mit internationaler Ausstrahlung, sondern auch der Sitz der Weltorganisation für Geistiges Eigentum. Es ist mir eine grosse Ehre, Sie im Namen der Schweizer Regierung zum Third Global Congress on Combating Counterfeiting and Piracy willkommen heissen zu dürfen. Das Interesse und die Teilnahme von Entscheidungsträgern aus allen Bereichen und allen Regionen der Welt zeigen: 2. Fälschung und Piraterie heute Fälschung und Piraterie sind ein Verbrechen mit Opfern. Die Opfer sind zahlreich: Unternehmen und Arbeitsplätze sind davon betroffen. Fälschungen und Piraterie sind Betrug und Diebstahl von Eigentum. Sie schaden! Aber auch die Volkswirtschaften sind betroffen. Nicht zuletzt aber die Konsumenten auf der ganzen Welt. Die Konsumenten erhalten ein qualitativ minderwertiges Produkt, das sogar ihre Sicherheit und Gesundheit gefährden kann. Betroffen ist heute jeder Sektor der Wirtschaft: Das bekommen nicht mehr nur die grossen Unternehmen zu spüren, denn auch die Produkte von innovativen kleinen und mittleren Unternehmen werden kopiert. Es gibt aber auch kaum mehr ein Land, das von dem Problem verschont bleibt. Fälschung und Piraterie kennt keine Landesgrenzen. Weite Teile des Handels mit Piraterieprodukten sind in den Händen gut organisierter Banden. Sie sind weltweit tätig und nutzen geschickt Handelswege und Kommunikationsmittel einer globalisierten Wirtschaft. Länder sind betroffen als Ursprungsland, als Absatzmarkt oder als Transitland. 3. Erfolg braucht Zusammenarbeit Meine Damen und Herren: Dieser Kongress steht unter dem Thema "Geteilte Herausforderungen, gemeinsame Ziele". Fälschung und Piraterie ist in der Tat eine Herausforderung für alle: Für die betroffenen Unternehmen, für Polizei- und Zollbehörden, für die Konsumenten, für die internationale Staatengemeinschaft. Dieser Herausforderung können wir nur gemeinsam begegnen. Ein wirksamer Kampf braucht deshalb Zusammenarbeit: * Zusammenarbeit zunächst unter den betroffenen Unternehmen und Branchen der Wirtschaft. * Zusammenarbeit ist aber auch nötig zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor. * Schliesslich braucht es aber auch eine Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg. Gefordert sind dabei zuerst die Gesetzgeber. * Es braucht weltweit einen hohen Standard für den Schutz von Geistigem Eigentum. Fälschungen sind Diebstahl Geistigen Eigentums. Dieser verursacht enorme Schäden – Schäden, die bei weitem nicht nur wirtschaftlicher Natur sind. Wenn Medikamente, Maschinen und Ersatzteile gefälscht werden, wird allzu oft auch die Gesundheit und Sicherheit von Menschen gefährdet. Doch die besten Gesetze nützen nichts, wenn die Durchsetzung des Rechts mangelhaft ist. Nötig ist deshalb auch eine internationale Zusammenarbeit zwischen den Rechtsverfolgungsbehörden. 4. Massnahmen in der Schweiz: Revision der Immaterialgüterrechtsgesetze Die Schweiz ist bestrebt, national wie international einen hohen Standard zum Schutz des Geistigen Eigentums vorzusehen. Zurzeit berät das Schweizer Parlament Vorschläge für eine Revision der Immaterialgüterrechtsgesetze. * Erstmals werden nicht nur Ein- und Ausfuhr von Piraterieprodukten, sondern auch der Transit erfasst. * Sodann werden die Kompetenzen des Zolls ausgeweitet. * Schliesslich sollen in der Schweiz auch die Strafen für eine gewerbsmässige Verletzung von Rechten des Geistigen Eigentums deutlich erhöht werden. 5. Massnahmen in der Schweiz: Public Private Partnership "STOP PIRACY" Ich habe es erwähnt: Gesetze allein genügen nicht. Deshalb haben sich Behörden und private Unternehmen in der Schweiz zu einer Public Private Partnership zusammengeschlossen. Ziel dieser Partnerschaft ist eine verbesserte Kooperation und Koordination zwischen Polizei, Zoll und anderen Behörden einerseits und den privaten Unternehmen anderseits. Vor zwei Wochen lancierten Staat und Privatwirtschaft auch eine Öffentlichkeitskampagne mit dem Titel "STOP PIRACY". 6. Schlusswort "Geteilte Herausforderungen, gemeinsame Ziele", weil Fälschung und Piraterie zu einem gemeinsamen Problem geworden sind. Deshalb sind internationale Foren wie der Global Congress on Combating Counterfeiting and Piracy wichtig. Nur wenn wir die Herausforderungen annehmen und sie gemeinsam beantworten, können wir auch die gemeinsamen Ziele erreichen. Für Ihr Engagement zugunsten der Bekämpfung von Fälschung und Piraterie danke ich Ihnen bestens!
19.01.2007