«Ich bin kein Brandstifter»

«Blocher erklärt das Problem der Jugendgewalt zur Chefsache. Nicht wegen des Wahlkampfs, sagt er. Die Zeit der antiautoritären Erziehung sei definitiv vorbei.»

02.03.2007, Neue Luzerner Zeitung, Eva Novak und Raphael Prinz

Christoph Blocher, ist die Zunahme der Jugendgewalt zurzeit Ihr grösstes Sorgenkind?

Wir sind im Departement häufig mit dem Problem konfrontiert, ja. Es wird von aussen an uns herangetragen, von Lehrern, Gemeinden, Schulpsychologen und Leuten aus dem Strafvollzug, dass die Jugendgewalt stark zugenommen hat. Viele fühlen sich überfordert. Deshalb haben wir eine Arbeitsgruppe mit Fachleuten aus verschiedenen Gebieten gebildet, die sich des Problems annimmt.

Sie haben es sogar zur Chefsache erklärt.
In einem ersten Schritt haben wir abgeklärt, wie gross das Problem wirklich ist. Dabei haben wir festgestellt, dass vor allem eine Radikalisierung stattgefunden hat. Jugendgewalt gab es immer schon. Heute ist sie ein Problem einer Gruppe von 10 Prozent der Jugendlichen. Das ist viel. Schlimmer geworden ist zudem die Art der Gewalt: Schwere Verletzungen werden bewusst in Kauf genommen und ein Opfer auch dann noch getreten, wenn es bereits wehrlos am Boden liegt. Dazu kommt das Vorgehen der Jugendlichen in Banden. All diese Feststellungen haben dazu geführt, dass ich mich der Sache selbst angenommen habe.

Indem Sie die Jugendgewalt in der Öffentlichkeit immer wieder thematisieren, helfen Sie auch Ihrer Partei, die weitgehende Forderungen zum Thema aufgestellt hat. Sind Sie Brandstifter anstatt Feuerwehrmann?
Das sind die Vorwürfe eines Wahljahres. Es ist in der Politik immer so: Wenn man ein Problem aufgreift, passt es den einen, während die andern finden, dass Problem existiere gar nicht. Ich bin jedenfalls froh, dass breit über die Jugendgewalt diskutiert wird, so kann man auch Lösungen finden. Die andern Parteien haben es lange Zeit nicht ernst genommen. Erst die gravierenden Vorfälle von Seebach, Rhäzüns und Steffisburg haben aufgerüttelt.

Sie haben kürzlich die Jugendgewalt als Spätfolge der antiautoritären Erziehung bezeichnet. Müssen die Lehrer nun wieder den Zollstock und die Väter den Gürtel zücken oder die Kinder übers Knie legen?
Ich stelle klar fest, dass die Zeit der antiautoritären Erziehung vorbei ist. Die Erziehung muss wieder strenger sein. Das bestätigen mir auch Leute aus dem anderen politischen Lager. Gefordert sind dabei in erster Linie die Eltern, die konsequent sein und Grenzen setzen müssen. Überschreitet das Kind diese Grenze, muss dies Folgen haben, sonst wird man schnell unglaubwürdig. Die Eltern sind verantwortlich für die Erziehung der Kinder und müssen auch für die Taten ihrer Kinder zur Verantwortung gezogen werden.

Wie weit geht diese Verantwortung?
Die Verantwortung geht weit. Für Straftaten minderjähriger Jugendlicher haften die Eltern und müssen gerade stehen. Ausreden wie « es war halt niemand zu Hause » lasse ich nicht gelten. Dann muss man sich anders organisieren.

Nehmen wir den Extremfall eines Tötungsdeliktes. Können die Eltern für eine solche Tat ihres minderjährigen Kindes zur Rechenschaft gezogen werden? Strafrechtlich nicht, da haftet nur der Täter oder die Täterin. Eine Ausnahme ist, wenn die Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzt haben, sprich die Tat hätten verhindern können. Aber die Verantwortung der Eltern geht über das Strafrecht hinaus. Zum Beispiel können Schadenersatzzahlungen erhoben werden.

Unter den straffälligen Jugendlichen ist der Ausländer-Anteil hoch, wie Sie jeweils betonen. Wie gravierend muss jemand über die Stränge schlagen, um ausgewiesen zu werden?
Die ausländischen Jugendlichen sind in der Tat übervertreten. Und innerhalb der Ausländer sind die Jugendlichen aus dem Balkan übervertreten. Die Ausländer bekommen Gastrecht hier und müssen sich grundsätzlich unseren Gesetzen anpassen. Tut jemand das nicht, müssen wir handeln. Hierzu brauchen wir strengere Vorschriften.

Können Sie ein Beispiel nennen? Reicht es, wenn jemand ein Töffli für eine Spritztour stiehlt…
Unter Umständen schon. Wenn jemand eine Aufenthaltsbewilligung hat und mehrmals ein Töffli stiehlt, so achtet er unsere Gesetze nicht, und die Aufenthaltsbewilligung wird nicht verlängert. Das Gleiche gilt für Asylbewerber. Bei diesen ist das Asylgesuch prioritär zu behandeln. und eine allfällige Wegweisung ist rasch zu vollziehen. Bei Ausländern mit einer Niederlassungsbewilligung sieht es anders aus. Hier sind für eine Ausweisung gravierende Delikte nötig.

Wie weit geht bei ausländischen Jugendlichen die Verantwortung der Eltern?
Auch hier geht sie weit. Im Extremfall meines Erachtens bis zur Ausweisung der ganzen Familie.

Eine Arbeitsgruppe unter Ihrem Vorsitz sucht derzeit nach Lösungen für solche Fälle. Haben Sie schon konkrete Vorschläge?
Nein. Wir haben Ideen und Ansätze, diese sind aber noch nicht fertig ausgearbeitet und spruchreif.

Das geltende Asylgesetz trägt Ihre Handschrift. Trotzdem ist die Zahl der Gesuche wieder gestiegen.
Man beachte, dass der wesentliche Teil des neuen Asylgesetzes erst 2008 in Kraft tritt. Es konnte gar noch nicht wirken. Der Trend der Abnahme stimmt grundsätzlich immer noch. Leider haben wir eine unerwartete Zunahme. So wurden im Jahre 2006 im Vergleich zum Jahre 2005 über 1000 neue Asylgesuche mehr von Eritreern eingereicht. Dies ist sicher zu einem grossen Teil auf ein publiziertes Urteil der Asylrekurskommission zurückzuführen, wonach Dienstverweigerer aus Eritrea als Flüchtling anerkannt werden. Das stellt uns vor besondere Herausforderungen.

Werden Sie die Schraube weiter anziehen?
Weitere gesetzliche Verschärfungen sind momentan nicht geplant. Natürlich überlegt man sich, was noch zu verbessern wäre, aber internationale Abkommen setzen uns Leitplanken, die wir nicht überschreiten dürfen.

Wo sehen Sie Ansätze, um die Integration der Asylbewerber zu verbessern?
Asylbewerber sollen nicht integriert werden, wohl aber die anerkannten Flüchtlinge und diejenigen mit einer vorläufigen Aufnahme, die für längere Zeit oder für immer in der Schweiz bleiben. Bei der Sprachförderung ist zuerst anzusetzen. Menschen, die hier bleiben dürfen, müssen unsere Sprache beherrschen. Sonst haben sie auch sehr grosse Probleme, eine Arbeit zu finden. Wir müssen die Leute verpflichten, mindestens eine Landessprache zu beherrschen.

Das klingt nach obligatorischen Sprachkursen.
Ja, und es muss ein Anreiz bestehen, die Sprache zu lernen. Mit einem Sprachkurs als Voraussetzung für die Aufenthaltsbewilligung würde man die Leute zu ihrem Glück zwingen. Das würde ich sehr begrüssen. Wohlverstanden müssten die Bewerber den Sprachkurs aus der eigenen Tasche mitfinanzieren.

Wie konkret sind Ihre Pläne?
Wir machen zurzeit Erfahrungen mit Pilotprojekten. In einem ersten Schritt gilt dies für die anerkannten Flüchtlinge, das sind rund 25 Prozent der Asylbewerber. Später soll er auf die vorläufig Aufgenommenen ausgeweitet werden.

Den Kantonen, bei denen der Vollzug liegt, können Sie aber keine Sprachkurse für Flüchtlinge vorschreiben.
Das stimmt. Dennoch können wir von Seite des Bundes Leitplanken setzen. Bei Flüchtlingen kann z. B. die Sozialhilfe gekürzt werden, und bei Ausländern kann eine solche Verpflichtung für eine Niederlassungsbewilligung vorgesehen werden. So haben wir vom Bund aus ein Druckmittel.

Sie scheinen überzeugt von der Idee. Bis wann sind Sprachtests für Flüchtlinge und Ausländer umsetzbar?
Wenn der Wille vorhanden ist, sehr schnell. Ich denke, die rechtlichen Voraussetzungen für diese Kurse liegen ab Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes vor, also ab 01. Januar 2008.

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