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Elections

25.06.2003

Bürgerliche Ständeratsvertretung, damit der Kanton Zürich nicht dauernd noch mehr belastet wird

Ausführungen anlässlich der Medienkonferenz vom 25. Juni 2003 des überparteilichen Komitees Trix Heberlein und Hans Hofmann in den Ständerat von Nationalrat Christoph Blocher, Präsident der SVP Zürich

03.05.2003

Gefährliche Experimente

Interview im "Bündner Tagblatt" vom 3. Mai 2003 SVP-Nationalrat Christoph Blocher ist gegen alle neun Vorlagen, die am 18. Mai zur Abstimmung gelangen. Die grössten Bedenken hat er bei den beiden Atom-Initiativen, wie er im BT-Interview ausführt. Von Christian Buxhofer Das Stimmvolk muss am 18. Mai gleich über neun eidg. Vorlagen befinden. Wird der Stimmbürger überfordert? Christoph Blocher: Ich glaube nicht. Die Stimmbürger haben es ja diesmal einfach: Sie müssen nur neun Mal Nein stimmen.Und wenn sie Ihrer Parole nicht telquel folgen, sondern sich eine eigene Meinung bilden wollen? Blocher: Es ist sicher ungeschickt, dass der Bundesrat diese Vorlagen alle auf den gleichen Abstimmungssonntag gelegt hat. Das hätte man besser verteilen können. Aber jetzt muss sich der Stimmbürger damit befassen und die Vorlagen prüfen. Aber er muss ja nicht in die Details gehen, sondern kann sich auf die grundsätzlichen Fragen konzentrieren. Sie sagen neun Mal Nein. Können Sie dies in einem Satz begründen? Blocher: Alle Initiativen führen zu ganz grossen neuen Belastungen für den Staat und den Steuerzahler: Höhere Steuern, höhere Abgaben, höhere Gebühren. Sie werfen die Initiativen alle in den gleichen Topf, obwohl sie verschiedene Urheber haben? Blocher: Die sieben Volksinitiativen stammen alle aus der Zeit der allerhöchsten Konjunktur, wo jede Verhältnismässigkeit verloren ging. Beispielsweise die beiden Atominitiativen, mit denen der Staat beauftragt werden soll, 40 Prozent der inländischen Energieproduktion stillzulegen. Solche Dinge kann man nur aus Übermut machen. Das Gleiche gilt für die Gesundheitsinitiative oder die Lehrstelleninitiative. Alles Experimente, die aus einer Zeit stammen, als es uns noch gut ging. Und weshalb bekämpfen Sie die Armee-Vorlagen? Blocher: Bei den beiden Armee-Vorlagen geht es um den Abschied von der Neutralität. Die Armee wird zwar kleiner, aber trotzdem teurer. Und man baut auf den Schutz der Nato, also auf den Schutz von Amerika. Das würde man heute nicht mehr machen, wenn man die Vorlage nochmals neu entwerfen könnte. Die Annäherung an die Nato ist doch längst Realität, sogar beim WEF oder im Juni in Evian. Das bedeutet aber noch lange nicht die Preisgabe der Neutralität. Blocher: Für den Schutz von Evian braucht es keine Armee-Reform. Ich betrachte übrigens die Standortwahl Frankreichs als einen unfreundlichen Akt. Frankreich bekommt den Gipfel und die Schweiz die Demonstration. Das ist also internationale Zusammenarbeit! Vielleicht erwachen wir nun endlich! Trotzdem: Internationale Polizeieinsätze bedeuten doch nicht das Ende der Neutralität. Blocher: Es geht eben weiter. Es geht um die Nato-Partnerschaft für den Frieden. Das ist eindeutig eine amerikanische Initiative, um die Nicht-Natomitglieder – also auch die Schweiz – in die Nato einzubinden. Und der Bundesrat will die Schweiz jetzt nicht mehr allein verteidigen, sondern sich darauf abstützen. Und was die Nato ist, haben wir im Irak-Krieg erlebt. Das sind die ganz schweren Fragen. Wenn wir dieser Vorlage zustimmen, wird die Schweiz unsicherer, weil wir dann eben nicht mehr neutral sein können, sondern uns im Kriegsfall für die eine oder andere Seite entscheiden müssen. Haben die beiden Armee-Vorlagen auch Stärken? Blocher: Dass sich das Bedrohungsbild geändert hat und wir eine Armeereform brauchen, ist auch mir klar. Vor allem hat die Bedrohung im Inland durch Terror, Demonstrationen und Einzelkämpfer zugenommen. Da besteht Handlungsbedarf. Aber man muss auf dem Boden der Neutralität bleiben, sonst werden wir in einen Krieg hineingezogen. Sie wollten bei den Armee-Vorlagen das Referendum nicht ergreifen. So schlecht scheinen die Vorlagen also gar nicht zu sein ... Blocher: Ja, ich betreibe auch keinen Abstimmungskampf. Ich war gegen das Ergreifen eines Referendums, weil dies am Schluss nur noch mehr zementiert. Wir hatten den Hauptkampf geführt, als es um die Truppeneinsätze im Ausland ging. Diesen Kampf haben wir leider knapp verloren. Bei welchen Initiativen haben Sie aus inhaltlichen Gründen die grössten Bedenken? Blocher: Am gefährlichsten sind die beiden Atom-Initiativen und die Gesundheitsinitiative. Die Atom-Initiativen bedrohen in der Schweiz Tausende von Arbeitsplätzen, insbesondere auch in Graubünden. Zum Beispiel bei uns in Domat/Ems. Denn die Ems-Chemie ist ein grosser Energieverbraucher und müsste mit enorm höheren Energiepreisen rechnen. Und zwar nicht erst, wenn die Atomkraftwerke stillgelegt würden, sondern sofort. Und das Verrückte: Profitieren würde nicht die einheimische Wasserkraft. Die fehlende Energie, 40 Prozent des heutigen Stromverbrauchs, müsste im Ausland gekauft werden und würde dort weiterhin in Atomkraftwerken produziert. Die Atomkraftwerke müssten nur schrittweise stillgelegt werden. Da bliebe genügend Zeit, Alternativenergien zu forcieren und neue Wasserkraftwerke zu bauen. Blocher: Die Wasserkraft ist ziemlich ausgeschöpft, da bestehen nicht mehr viel Möglichkeiten. Die Probleme mit der Umweltschutzgesetzgebung sind heute derart gross, dass neue Wasserkraftwerke finanziell nicht mehr machbar sind. Die Wasserkraft wäre gegenüber ausländischem Strom nicht mehr konkurrenzfähig. Denn die Wirtschaft muss den Strom dort kaufen, wo er am günstigsten ist. Und Alternativenergien? Blocher: Es gibt heute noch keine Alternativenergien grossen Stils, welche die heutigen Elektrizitätskraftwerke ersetzen können. Ob dies in 40 oder 50 Jahren anders sein wird, wird man sehen. Zum heutigen Zeitpunkt wäre es aber industriell und volkswirtschaftlich völlig verantwortungslos, gut funktionierende Kraftwerke vorzeitig stillzulegen. Die Kosten müssten die Energiebezüger, nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Konsumenten, bezahlen. Irgendwann werden die AKWs aber ausgedient haben, und neue AKWs wird es in der Schweiz auch nicht geben. Also schieben Sie das Problem nur hinaus. Blocher: In anderen Ländern, wie zum Beispiel Frankreich, werden weiterhin neue Atomkraftwerke gebaut. Bis die bestehenden AKWs in der Schweiz altershalber stillgelegt werden, haben wir noch genügend Zeit. Ich könnte mir vorstellen, dass Gaskraftwerke bis dann besser sind und auch bei der Speicherung von Energie Fortschritte erzielt werden. Noch aber sind diese Möglichkeiten zu wenig ausgereift, als dass man auf den Atomstrom verzichten könnte. Wie stellen Sie sich generell zum Atomstrom. Keine Bedenken wegen der radioaktiven Abfälle, die über Jahrtausende einen Gefahrenherd darstellen? Blocher: Nein. Die Frage der Sicherheit ist verantwortbar gelöst. Natürlich dauert der Abbau lange. Ohnehin wäre mit Verzicht auf Kernenergie das Problem nicht gelöst. Es gibt ja auch andere Bereiche, wo radioaktive Abfälle entstehen, beispielsweise in der Medizin. Für die Schweiz wird das Problem insofern auch entschärft, da hier ja keine neuen Atomkraftwerke mehr entstehen werden. Bis die bestehenden Kraftwerke altershalber eingestellt werden, wird es aber noch Jahrzehnte dauern. Blocher: Wenn das Problem so schlimm wäre, müsste man ja die KKWs sofort abstellen. Aber das wollen ja nicht einmal die Initianten. Wenn es wirklich so gefährlich wäre, hätten sie ja die sofortige Stilllegung verlangt.

28.04.2003

Die FDP muss sich rückbesinnen

Interview in der "Zürichsee-Zeitung" vom 28. April 2003 Herrliberg/Zürich: SVP-Kantonalparteipräsident und Nationalrat Christoph Blocher zum Verhältnis zwischen SVP und FDP und zur Konkordanzdemokratie Christoph Blocher fordert vom Freisinn die Rückbesinnung auf "bürgerliche" Werte. Der Zürcher SVP-Präsident erklärt, weshalb er für die Nationalratswahlen eine Listenverbindung mit der FDP anstrebt und die CVP einen Bundesratssitz abgeben soll. von Benjamin Geiger / Daniel Winter Am 6. April haben die Bürgerlichen in den Kantonsratswahlen verloren. Ein Wahlausgang, der Sie nicht zufrieden stellen kann. Blocher: Wer hat denn eigentlich verloren? Verloren hat die FDP, nicht die Bürgerlichen. Diese Wahlen waren meiner Meinung nach wichtig, weil die bürgerlichen Wähler nun zum dritten Mal gezeigt haben, dass sie die freisinnige Politik nicht goutieren. Wenn ich FDP-Präsident wäre, würde ich folgende Erkenntnis aus den Wahlen ziehen: Der halblinke Kurs zahlt sich nicht aus. Der Vormarsch der SVP, gerade in den freisinnigen Hochburgen, zeigt das klar. Sind denn auf freisinniger Seite vor allem die Anti-SVPler abgewählt worden? Blocher: Das ist eindeutig. Markus Hess und Balz Hösly waren die Hauptinitianten dieser halblinken Politik. Für die Nationalratswahlen vom Herbst wird es interessant sein zu beobachten, was sich auf freisinniger Seite verändert. Wir sind der Meinung, dass wir gemeinsam in den Ständeratswahlkampf steigen müssen. Aber es muss zugleich auch eine Listenverbindung FDP-SVP in den Nationalratswahlen geben. Sonst verschenken wir wieder Mandate nach links. Es ist ja Ironie des Schicksals, dass Balz Hösly, der bei den Kantonsratswahlen vehement gegen Listenverbindungen mit der SVP war, sein Mandat nicht verloren hätte, wenn es diese Verbindung gegeben hätte. Wird es zwischen Zürcher SVP und Freisinn für die eidgenössischen Wahlen tatsächlich wieder zu einer Annäherung kommen? Blocher: Es wird sich zeigen, ob sich bei den Freisinnigen diejenigen Kräfte durchsetzen, die unsere Einschätzung teilen. Es gibt viele Freisinnige, die so denken. Die Signale, die ich erhalte, sind positiv. Aber sie stammen von Vertretern an der Basis. Ich selber habe hier keinen Einfluss. Einer, der jetzt für die FDP politisiert und in den Nationalrat will und den Sie aus "Arena"-Jahren gut kennen, ist Filippo Leutenegger… Blocher: Seine politische Einstellung kenne ich zu wenig. Ich habe ihn als Leiter der "Arena" geschätzt. Er war einer der fairsten Diskussionsleiter, die ich kennen gelernt habe. Wie er politisch denkt, das wird sich zeigen. Ich habe kürzlich gelesen, dass er einen EU-Beitritt ablehnt. Gut so. Damit würde er auch in die SVP passen. Blocher: Ich bedaure es natürlich, dass er jetzt bei den Freisinnigen ist. Vielleicht haben wir selbst ihn auch nicht gefragt. Aber jeder, der eine bürgerliche Politik betreibt, ist gut. Auch wenn er in einer andern Partei ist. Müssen die Freisinnigen - in Zürich und gesamtschweizerisch - in den Nationalratswahlen vom Herbst eine weitere Niederlage einstecken, damit sie in den darauf folgenden Bundesratswahlen einen zweiten Sitz der SVP respektive einen ersten der "Zürcher SVP" unterstützen? Blocher: Ich fürchte, dass die Freisinnigen auch auf nationaler Ebene einen Richtungswechsel nur vornehmen, wenn sie in den Wahlen weiter geschwächt werden. Wobei zu sagen ist, dass es eigentlich nicht um einen Richtungswechsel geht, sondern um eine Rückbesinnung. Wenn der Freisinn sich behaupten will, hat er gar keine andere Möglichkeit, als auf den Boden seines Gedankenguts zurückzukehren. Und dann haben wir überhaupt kein Problem mehr mit ihm. Ist denn in allen Fragen eine Übereinstimmung zwischen FDP und SVP anzustreben? Blocher: Gleich waren wir nie. Aber so viele Differenzen in grundsätzlichen Fragen wie heute gab es früher nicht. Nehmen Sie die Steuerpolitik auf Bundesebene. Die Schweiz hat in den letzten Jahren die grösste Ausdehnung der Fiskalquote aller OECD-Länder gehabt. Das war nicht nur das Werk der Sozialdemokraten. Die FDP und CVP gingen mit. Sei es bei der Schwerverkehrsabgabe, der Erhöhung der Mehrwertsteuer, der Solidaritätsstiftung, Mutterschaftsversicherung usw. Das ist eigentlich unfreisinnig. Wie stehts mit der Europa-Politik? Blocher: Wenn die FDP am EU-Beitritt festhalten will, dann hält sie eben daran fest. In allen Fragen werden wir uns nicht einigen können. Die Freisinnigen sind ebenfalls für eine tiefere Staatsquote. Sie sagen aber, dass man mit der SVP keine gemeinsame Politik betreiben kann, weil sie nicht kompromissbereit sei. Blocher: Es ist für mich selbstverständlich, dass es Kompromisse geben muss. Das Problem der letzten Jahre war ja nicht, dass die Freisinnigen eine andere Position hatten, sondern gar keine. Mit jemandem, der keine Position hat, können Sie gar nicht Kompromisse schliessen. Herr Hösly sagte, wir sind auch für Ausgabensenkungen, über Zahlen sprechen wir aber nicht, und wir warten ab, bis der Regierungsrat mit dem Budget kommt. Das heisst sich um die Lösung herumdrücken. Für die Haushaltsanierung im Kanton Zürich müssen grosse Abstriche an den bisherigen staatlichen Leistungen vorgenommen werden. Wird das der Bürger im Einzelnen tatsächlich mittragen? Blocher: Der Einstieg in Ihre Frage ist falsch: Ist ein sparsamerer Staat zwangsläufig einer, der weniger Leistungen anbietet? In meinem eigenen Unternehmen mache ich nichts anderes, als ununterbrochen dafür zu sorgen, dass wir höhere Leistungen kostengünstiger erbringen. Der Staat hat sich diese Frage aber gar nie gestellt. Also verfügt er diesbezüglich über ein unglaubliches Sparpotenzial. Doch er geht die Sache nicht an. Es heisst immer: Wir können schon sparen, aber dazu müssen Leistungen reduziert werden, gerade diejenigen, an denen der Bürger am meisten hängt; dies um den Bürger zu erschrecken. Es hat aber noch kein Regierungsrat erklärt, jawohl, wir sind fürs Sparen und beginnen, indem wir zum Beispiel unsere PR-Abteilungen und Stabsstellen abbauen. Letztlich geht es um die Frage, ob man an eine freiheitliche Wirtschaftsordnung glaubt oder nicht. Die Sozialdemokraten setzen auf einen Staat, der immer mehr Geld verteilt. Das war für uns Bürgerliche aber immer ein Irrweg. Und den Freisinnigen ist vorzuwerfen, dass sie ihn mit der Linken mitgegangen sind. Dafür haben sie die Quittung erhalten. Und die heilsamste Quittung ist die durch das Volk in den Wahlen. Wenn die FDP den Weg mit uns ginge, wäre die SVP zwangsläufig nicht mehr so stark. Wir müssten dann aber auch nicht mehr so stark sein, weil wir nicht mehr allein wären. Sie haben von "uns Bürgerlichen" gesprochen: Wie definieren Sie bürgerlich? Blocher: Bürgerlich ist der Gegensatz zu sozialistisch oder sozialdemokratisch. Der Sozialdemokrat ist für mehr Staat, höhere Steuern, weniger persönliche Freiheit. Der Bürgerliche setzt sich für viel Freiheit, viel Selbstverantwortung und weniger Staat ein. Das ist ein dauernder politischer Gegensatz, der immer bleibt. Die Grundsatzfrage lautet, wie viel gibt man dem Staat. Dieser Frage sind die Freisinnigen ausgewichen. Sind die Sozialdemokraten heute nicht auch schon bürgerlich? Blocher: Nein. Sie bekämpfen zwar in der Theorie die Marktwirtschaft nicht mehr frontal, weil sie ein Fiasko mit der Planwirtschaft erlebt haben. Aber in ihren Köpfen ist dieses Gedankengut nach wie vor vorhanden. Nehmen Sie als Beispiel die Gesundheitsinitiative oder die Verkehrspolitik. Oder den Swiss-Kredit. Das ist eine sozialdemokratische Schöpfung mit freisinniger Unterstützung. Das war ein schwer wiegender Sündenfall. Soll denn der Staat in einem Gebiet, auf dem der Markt spielt, eingreifen? In der Landwirtschaftspolitik lässt die SVP diese Einstellung aber vermissen. Blocher: Das kommt daher, weil die Landwirtschaft nicht der freien Marktwirtschaft unterstellt werden kann. Trotzdem wäre ich für eine viel freiere Landwirtschaftpolitik, die die unternehmerische Note betont. Ich würde jedem Bauern - egal ob arm oder reich - für die Bewirtschaftung des Bodens einen Beitrag zahlen, damit der Boden nicht vergandet. Darauf kann er machen, was er will. Da könnte man auf einen grossen Teil der Landwirtschaftsgesetzgebung, welche die Produkte heute verteuert, verzichten. Mit Blick auf Ihre Haltung zur Landwirtschaftspolitik teilen Sie die reine Lehre des Neoliberalismus also nicht? Blocher: Wir sind auch keine Neoliberalen. Wenn Sie die reine Lehre des Neoliberalismus haben wollen, dann gibt es gar keinen Staat. Dann brauchen Sie auch keinen, dann herrscht Anarchie. Es macht jeder, was er will, und es muss niemand auf den andern Rücksicht nehmen. Davon sind wir aber weit weg. Ich wäre nicht schon so lange Jahre in der Politik, wenn ich die Auffassung hätte, den Staat sollte es gar nicht geben. Nach meinem Verständnis kann man im Bereich des Staats die Polizei, die Gerichte sowie gewisse Infrastrukturen wie Strassen und Bahntrassees nicht privatisieren. Abgesehen davon könnte man aber relativ viel an die Privatwirtschaft abgeben. Ist es Ihr längerfristiges, nationales Ziel, die Konkordanz- durch eine Konkurrenzdemokratie zu ersetzen? Blocher: Nein. Ich bin nach wie vor für die Konkordanz. Wir haben sie heute aber nicht. Im Bundesrat heisst Konkordanz: Den drei Grossen zwei Sitze und dem Kleinen einen. Daran haben wir uns immer gehalten, solange wir so klein waren wie heute die CVP. Heute gibt man dem Kleinen aber zwei Sitze und der grössten Partei nur einen. Gesetzt den Fall, die SVP erhält einen zweiten Sitz im Bundesrat: Müssten die anderen Bürgerlichen oder die SP einen abgeben? Blocher: Von der Konkordanz her gesehen, muss die CVP einen abgeben. Sie ist die kleinste Partei. Nachdem die anderen Parteien aber erklärt haben, die Konkordanz gelte nicht mehr, die CVP solle weiter zwei Sitze haben, sagen wir: Wir müssen politisch vorgehen. Dass heisst: Wenn wir als Grösste einen haben und die Sozialdemokraten zwei, dann können ebenso gut auch sie einen abgeben. Nun wird aber allein mit den Stimmen der SVP ein SVPler nicht zum Bundesrat gewählt… Blocher: Konkordanz ist immer freiwillig. Wenn nicht mindestens drei Parteien dafür sind, gibt es keine. Würde sich tatsächlich etwas Substanzielles ändern, wenn die "Zürcher SVP" anstelle der CVP über einen Bundesratssitz verfügen würde? Blocher: Hoffentlich. Sonst nützt es ja nichts. Der Sinn der Konkordanz ist doch der, dass die grossen Parteien mit zwei Persönlichkeiten in der Regierung vertreten sind und ihr Gedankengut, ihre politische Richtung einbringen. Und dass das Gremium auf diese Meinungen hört, danach handelt oder einen Kompromiss findet… …die Zürcher SVP wäre dann ebenfalls kompromissbereit? Blocher: Natürlich. Ich bin ja schliesslich verheiratet, ich weiss, was ein Kompromiss ist. Und ich habe auch in der Politik keine Mühe damit. Die Frage ist aber: wo? Beim EU-Beitritt ist er wohl nicht möglich. Das würde aber auch nichts machen, dann gäbe es halt eine Auseinandersetzung und das Volk würde entscheiden. Konkret gefragt: Würde die Zürcher Linie der SVP, wenn sie im Bundesrat vertreten wäre, zum Beispiel die liberale 4-Säulen-Politik im Drogenbereich mittragen? Blocher: Wenn wir uns im Bundesrat zu etwas durchringen würden, dann würden wir das auch mittragen. Das muss ja noch lange nicht heissen, dass wir es auch gutheissen. Bei einem Kompromiss muss ich nicht Feuer und Flamme für eine Lösung sein. Ich sage einfach: Es gab halt nichts anderes; ich habe hier, der andere hat dort Abstriche gemacht. Im Moment sind wir im Bundesrat aber mit jemandem vertreten, den wir nicht vorgeschlagen haben. Und folglich sind wir heute zu drei Vierteln Opposition. Nicht aus freien Stücken. Im Kanton Zürich besetzt die SVP bereits zwei Sitze in der Regierung. Und trotzdem macht sie Opposition gegen die regierungsrätliche Politik. Blocher: Das betrifft im Wesentlichen nur die Steuer- und Ausgabenpolitik. Abgesehen davon gibt es aber auch in der Konkordanz immer wieder Punkte, in denen Parteien abweichende Meinungen vertreten. Wird Ende Jahr die von Ihnen repräsentierte SVP ebenfalls über einen Bundesrat verfügen? Blocher: Wahrscheinlich nicht. Eher wird ein Kommunist gewählt als ein SVPler. Man wird es sehen. Es ist aber auch nicht unser primäres Ziel. Ämter besetzen kann immer nur ein Mittel zum Zweck sein. Entweder gehen wir in den Bundesrat und vertreten dort unsere Politik für eine souveräne Schweiz, für einen sparsamen Haushalt, für eine freiheitliche Wirtschaftspolitik, gegen die Missbräuche im Asylwesen. Oder wir sind draussen und kämpfen dort für unsere Anliegen. So oder so: Wir nehmen den Wählerauftrag ernst. Und genau darum wählen die Bürger uns.

08.04.2003

Blochers Ratschläge an die FDP

Interview mit dem "Tagesanzeiger" vom 8. April 2003 Die Präsidenten von SVP und FDP streiten auch nach den Wahlen wie ein eingeübtes Schauspielerpaar. Wenn sie ihre Rolle nicht wechseln, kommts bei den Herbstwahlen zum Eclat. Mit Christoph Blocher und Markus Hess sprach Ruedi Baumann Herr Blocher, Ihre Widersacher Hösly und Hess aus der FDP sind abgewählt, die "Weichsinnigen" haben eine Schlappe erlitten. Haben Sie Ihr Ziel erreicht? Christoph Blocher: Menschlich ist das zu bedauern. Doch von der Sache her wird dies viel lösen. Herr Hösly war eines der grössten Hindernisse, dass SVP und FDP zu konstruktiven Lösungen kamen. Sie, Herr Hess, schwenkten bald auch auf diese Linie ein. Doch das ist nicht nur ein personelles Problem, es geht auch um eine Klärung der sachlichen Positionen, um einen gemeinsamen Nenner einer bürgerlichen Zusammenarbeit. Markus Hess: Zuerst muss sich die SVP einmal entscheiden, ob sie weiterhin Frontalopposition betreiben oder endlich Verantwortung in der Parlamentsarbeit übernehmen will. Sollte Letzteres der Fall sein, haben wir keine Probleme. Wir haben mit der SVP immer dann gut zusammengearbeitet, wenn sie nicht nur Wahlkampf machte. Wenn man sich zum Beispiel in der Finanzpolitik einigen könnte, statt nur absurde Steuersenkungen zu propagieren, wäre das schon mal gut. Doch jetzt haben wir die Quittung: Der Wahlsieger heisst nicht Christoph Blocher, sondern Wahlsieger sind Dominik Schaub und Regine Aeppli. Die SVP als Wahlverliererin? Ihre Fraktion ist zwei Sitze kleiner, die Kampfkandidatur in die Regierung gescheitert, SVP und FDP haben die Mehrheit im Rat verloren. Blocher: Die Konstellation war klar: Alle gegen die SVP. Trotzdem ist die SVP mit dem besten Resultat ihrer Geschichte und erstmals über 30 Prozent Wähleranteil wieder die grösste Fraktion. Und dies mit einer betont bürgerlichen Politik. Die FDP hat mit ihrer Anlehnung an die linke Politik die Wahlen verloren. Die FDP muss dringend einmal ihre Positionen klären. Zum Beispiel: Wie halten wir es mit dem Staat? Diktieren Sie nun der FDP ein neues Parteiprogramm? Blocher: Tatsache ist, dass die FDP keine klaren Positionen hat. Hat sie diese, so kann man darüber verhandeln. Doch diese fehlten bisher. Hess: Ihre alte Platte wird nicht spannender. Wir haben in den letzten anderthalb Jahren mit klaren Positionen zu einer grossen Geschlossenheit gefunden, zum Beispiel beim Budget oder bei der Volksschulreform. Nun kann die SVP mit ihrem Finanzdirektor beweisen, wie sie beim Sparprogramm mehrheitsfähige Lösungen findet. Mehrheiten zu finden, das ist die hohe Kunst der Politik. Und nicht bloss eigene Positionen zu diktieren. Blocher: Wenn ich Sie so höre, haben Sie alles recht gemacht. Aber die Wahlen verloren. Die FDP braucht eine personelle Veränderung. Herr Blocher, übernehmen Sie nun für die FDP auch die Personalpolitik? Blocher: Die FDP hat die Wahlen verloren, und ihr Präsident lobt sich für die Erfolge der letzten Jahre. Alle anderen sind an der Niederlage schuld, nur nicht Sie selber. Hess: Ich habe nur gesagt, dass die Fraktion in letzter Zeit sehr geschlossen auftrat, was uns allerdings keinen Wahlerfolg bescherte. Blocher: Man spricht von bürgerlicher Zusammenarbeit. Aber die FDP setzt ihr ursprüngliches Parteiprogramm und ihre bürgerlich-liberale Denkweise nicht mehr durch. Als die Freisinnigen die Grossen waren und wir die Kleinen, arbeiteten wir noch sehr gut zusammen. Jetzt, wo es umgekehrt ist, klappt es nicht mehr. Jetzt ist es Zeit für eine Bereinigung. Sie laden die FDP also ein, Ihnen zu folgen? Doch Sie geben bereits thematische Richtlinien vor und fordern personelle Veränderungen. Blocher: Ich fordere nicht, aber ich empfehle. Tatsache ist, dass wir zwei selbstständige Parteien sind. Doch in den grossen Fragen muss man sich einfach zusammenraufen. Jetzt geht es vor allem darum, gemeinsam den grossen und schädlichen Linkseinfluss einzudämmen. Wie wollen Sie beide, die kaum ein konstruktives Wort wechseln können, je wieder gemeinsam politisieren? Hess: Tatsache ist, dass die Stimmbürger den Hickhack im bürgerlichen Lager satt haben; wir haben die Quittung dafür bekommen, die Linken haben gewonnen. Blocher: Wegen Ihres Linkskurses. Hess: Diese Behauptung wird durch Wiederholung nicht wahrer. Tatsache ist, dass der SVP-Vormarsch gestoppt ist und die Linken die Wahlen gewonnen haben. Nochmals: Wie bringt man Sie beide zu einem vernünftigen Gespräch? Hess: Wir fordern den bürgerlichen Schulterschluss seit Jahren. Das funktioniert aber nur mit gegenseitigen Gesprächen und nicht mit Befehlsausgaben aus Herrliberg. Blocher: Ich habe nichts dagegen, Konflikte auszutragen. Wenn zwei sich finden, haben sie zuerst oft gegensätzliche Positionen, die sie entschieden vertreten. Daran muss gearbeitet werden. Die FDP erklärt uns stets, sie möchte die Ausgabenflut auch senken, aber sie wollte nie über Zahlen sprechen. So geht es nicht. Sie haben gemeinsam die Steuern gesenkt. Doch nun fehlt Ihnen im Rat die Mehrheit zum Kostensenken. Blocher: Das ist nicht neu. SVP und FDP hatten nur vier Jahre lang die absolute Mehrheit. Jetzt ist halt auch die CVP gefordert. Sie kann nicht mehr erwarten, dass wir ihr zu einem Regierungssitz verhelfen, und dann politisieren sie wieder wie aufgescheuchte Hühner. Jetzt nehmen Sie auch noch die CVP unter Ihre Fittiche? Blocher: Wir brauchen nur einen einzigen CVPler, der sich tapfer gegen Ausgabensenkungen einsetzt, dann haben wir die Mehrheit. Die CVP muss auch bedenken, dass sie bei der nächsten Vakanz in der Regierung wieder antritt und Unterstützung braucht. Hess: Diesmal haben Sie der CVP nicht geholfen. Blocher: Wenn wir ein Fünferticket unterstützt hätten, wäre Ihr Herr Jeker abgewählt worden. Hess: Vor allem wäre der Wahlkampf ganz anders gelaufen. Immerhin ein erfreuliches Resultat bringen diese Wahlen: Die FDP ist von links und rechts begehrt. Für welchen Weg entscheiden Sie sich? Hess: Es geht nicht um eine Richtung, wir müssen weiterhin unsere eigenen Positionen vertreten. Immerhin haben wir neun von zehn Volksabstimmungen gewonnen. Für uns sitzt der politische Gegner weiterhin links. Der Umgarnungsversuch der SP ist fruchtlos. Blocher: Über dieses allgemeine Bekenntnis freue ich mich. Doch wir müssen nun ein paar zentrale Themen konkret klären, damit wir im Herbst gemeinsam in die Nationalrats- und Ständeratswahlen ziehen können. Streiten Sie nun noch ein halbes Jahr um Bedingungen oder sind Sie primär gewillt, die beiden Ständeratssitze zu verteidigen? Hess: Wir möchten auf jeden Fall die ungeteilte Standesstimme erhalten. Doch wenn Herr Blocher wieder in staatsmännischer Pose Offerten macht und dann die Bedingungen diktiert, sehe ich schwarz. Blocher: Natürlich sind die Steuern ein wesentliches Anliegen. Auch die EU-Frage müssen wir klären. Und der Asylrechtsmissbrauch gehört ebenfalls dazu. Ist es denkbar, dass Sie bei den Ständeratswahlen ein Päckchen schnüren, bei den Nationalratswahlen aber verzichten? Hess: Von uns aus ist das durchaus eine Möglichkeit. Wenn die beiden Standesvertreter immer gegenläufig stimmen, nützt das einem Kanton nichts. Blocher: Stände- und Nationalratswahlen sind miteinander anzuschauen. Wie will eine Wählerschaft verstehen, dass man bei den Ständeratswahlen mit den Bürgerlichen geht, bei den Listenverbindungen für die Nationalratswahlen aber die Stimmen an die Linken verschenkt? Zum letzten Mal: Was braucht es, damit Sie sich endlich finden? Warum lädt der Hess den Blocher nicht zu einem Bier ein? Hess: Das mache ich gerne. Ich bin immer zu einem Gespräch bereit. Wenn Herr Blocher seine Positionen nicht wieder zum Voraus über die Medien bekannt gibt. Blocher: Ich würde vorschlagen, dass nicht wir beide zusammensitzen. Es müssten je eine Gruppe von vier Leuten in Ruhe Verhandlungen führen und Positionen erarbeiten, ohne dass man sich gleich an den Grind springt. Hess: Da müssten wir auch unsere Kandidaten Hans Hofmann und Trix Heberlein miteinbeziehen. Blocher: Nicht unbedingt.

05.04.2003

Auf zum letzten Gefecht

Artikel aus dem "Magazin" vom 5. April 2003 Dieses Wochenende sind im Kanton Zürich Wahlen. Die SVP dürfte als Siegerinhervorgehen. Wird es ihr auch gelingen, zur führenden Stimme des Bürgertumszu werden? Text Miklós Gimes «Wir hatten noch nie so ruhige Wahlen», sagt Christoph Blocher eine Woche vor dem kantonalen Urnengang, mit einem Gesichtsausdruck, als sei ihm nicht ganz wohl dabei. Als verberge die Ruhe etwas Unheimliches. «Die Leute haben andere Sorgen», sage ich, «Arbeitslosigkeit, Krankenkassen, den Krieg. Die Stimmbürger können sich nicht vorstellen, wie ihnen die Politik helfen soll.» «Trotzdem bezahlen sie ihre Steuern, die dann die Politiker ausgeben», antwortet Christoph Blocher lachend. Wir sind am Ende des Gesprächs und schauen über den Zürichsee. An schönen Tagen kann man von hier aus die Berner Alpen sehen. Eine Privatseilbahn führt zum Parkplatz von Blochers Anwesen, der unterhalb des Gartens in den Hang gehauen wurde. «Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen», sage ich. «Die SVP wird bei den Wahlen zulegen.» «Ich bin nicht so sicher», sagt Blocher. Die jüngste nationale Umfrage rechnet für seine Partei mit einem weniger stürmischen Wachstum als noch im Januar. Ungeachtet dieses Trends hat die SVP letzten Sonntag in Basel Land und Genf starke Gewinne gemacht, und auch für die Zürcher Kantonalwahlen von diesem Wochenende wird ein Stimmenzuwachs prognostiziert. Dieser Triumph wird die Partei noch stärker mit der Frage konfrontieren, wohin ihr Alleingang führen soll. Bleibt sie eine Kampfpartei, oder stellt sie sich der Regierungsverantwortung? Und welche bürgerliche Partei ist bereit, in Grundsatzfragen mit der SVP Kompromisse einzugehen? Hinter Christoph Blochers unheimlicher Vorahnung könnte die Erkenntnis stehen, dass die Stunde der letzten Schlacht gekommen ist. Von den 180 Sitzen des Zürcher Kantonsrats hält die Schweizerische Volkspartei 61, sie ist mit Abstand die grösste Fraktion vor den Sozialdemokraten mit 44 und den Freisinnigen mit 36 Sitzen. Holt die SVP am Sonntag die erwarteten 70 Sitze, rückt sie in die Nähe einer regierungsfähigen Mehrheit. Will sie ihr Profil nicht verlieren, läuft sie Gefahr, ausgegrenzt zu werden, falls es ihr nicht gelingt, eine konservative Mehrheit zu zimmern. Entscheidend ist das Verhalten der FDP. Deshalb ist nicht erstaunlich, dass Christoph Blocher sein Verhältnis zum Freisinn in ganzseitigen Zeitungsinseraten oder mit Angriffen gegen den angeblichen Filz thematisiert. Diese Strategie, sagt Blocher, diene im Grunde genommen der Schadensbegrenzung, denn die FDP könne somit nicht zur Angriffsfläche der Linken werden. Was Blocher vorschwebt - und das ist das Entscheidende -, ist nichts anderes als eine Neuformierung der bürgerlichen Reihen. Und seit Wirtschaftsverbände und führende Bankiers den EU-Beitritt ablehnen, fühlt er sich in seinem Vorhaben erst recht bestärkt. Bruderkampf Der Aufstieg der SVP ist keine zehn Jahre alt. In der Stadt Zürich war es eine Hand voll junger Patrioten, die nach dem EWR-Nein von 1992 mit einem Aktivismus und einer Medienpräsenz, die sie der Jugendbewegung der Achtzigerjahre abgeschaut hatte, das rechte Feld beackerte und die Stadtzürcher SVP aus einer marginalen Partei, die eher durch den Alkoholkonsum ihrer Stadträte als durch politisches Profil Aufsehen erregt hatte, zu einer dynamischen Kraft machte. Seither hat sich die Zahl ihrer Gemeinderäte fast verfünffacht. Gleichzeitig hielt ein aggressiver Stil in der Politik Einzug, der Stil des permanenten Protestes und der Obstruktion. Zürich wurde zum Modell einer gesamtschweizerischen Entwicklung. In Sankt Gallen machte Toni Brunner die vorher inexistente SVP zur dritten Kraft im Kanton. Das Durchschnittsalter der Parteiaktivisten liege bei 28 Jahren, erzählt Blocher stolz. Obwohl 1994 die rotgrüne Ära im Zürcher Gemeinderat vorbei war, liess sich die SVP nicht in eine bürgerliche Politik einbinden. Im Gegenteil: Je stärker die SVP wurde, desto näher rückten Freisinn und Sozialdemokraten. Ergebnis dieser Entwicklung ist eine SVP, die sich vom Freisinn abgrenzt. «Die Jungen wollten immer gegen die FDP los, «das sind doppelzüngige Cheibe», haben sie gesagt», erzählt Blocher. «Ihr müsst nicht die FDP angreifen wegen ein paar Leuten, ihr müsst den Sozialismus bekämpfen», hat er ihnen entgegnet. Doch als die Delegierten der SVP gegen Blochers Einwände für die kantonalen Wahlen drei Regierungsratskandidaten aufstellten, mochte der Parteipräsident nicht streiten, obwohl ihm klar ist, dass der dritte Mann vermutlich keine Chance hat. Die FDP, inzwischen von der SVP als stärkste bürgerliche Partei überholt, konnte in der Stadt einen Teil der an die SVP verlorenen Wähler durch liberale Stimmen ersetzen. Einer der Architekten dieser Strategie der Öffnung ist Urs Lauffer, Fraktionschef der Freisinnigen im Gemeinderat, der in der Zwischenzeit in den Kantonsrat gewechselt hat. Anfänglich habe er gestaunt, wie kollegial und zugänglich die Kantonsräte der SVP gewesen seien, erzählt Lauffer. In 90 Prozent der Abstimmungen im Rat habe der Bürgerblock auch funktioniert. Umso mehr habe ihn befremdet, dass in den wirklichen Fragen die SVP auf Fundamentalopposition gemacht habe. «Die SVP hat jedes Budget zurückgewiesen und ihren eigenen Regierungsrat im Regen stehen lassen.» Die SVP habe sich vier Jahre lang um die Verantwortung gedrückt, dem Volk zu sagen, wo und wie viel man sparen müsse. Deshalb machtUrs Lauffer ein Wahlsieg der SVP keine Angst, obwohl er auf Kosten der FDP gehen kann. «Die SVP wird in die Verantwortung gedrängt werden. Niemand wird mehr bereit sein, ihr die Kohlen aus dem Feuer zu holen.» «Und was bedeutet das  für die FDP?» «Dass sie unbeirrt ihren Weg geht und sich für ihre Politik dort Partner sucht, wo sie sich ergeben.» Christoph Blochers politische Karriere begann vor rund dreissig Jahren, als der frisch promovierte Jurist vor der Gemeindeversammlung in Meilen gegen die Zonenplanung wetterte. «Die Jungen haben Heuchelei nicht gern» sagt er, «das war immer schon so. Ich war in den Sechzigerjahren nicht auf der linken Seite, aber auch wir haben uns gegen die Doppelzüngigkeit in der Politik aufgelehnt. Das ist wahrscheinlich der hinterste Grund, warum ich bei der SVP bin und nicht bei der FDP.» Blocher ist der letzte wahre 68er der Schweizer Politik. Mit derselben Radikalität, die ihn bei linken Studenten, «die mit dem roten Büchlein hinter Mao hergerannt sind», herausforderte, hat er seine Ziele verfolgt. Anfänglich habe er mehr Freunde in der FDP gehabt, sagt er. FDP-Nationalrat Otto Fischer, mit dem er die Auns gegründet und den Kampf gegen den EWR durchgezogen hat, sei sein engster Kampfgefährte gewesen. «Doch die FDP hat am Internationalismus festgehalten, und es ist zum Bruch gekommen. Dann kam die Ära Steinegger mit all den Mehrausgaben. Das konnten wir nicht mehr mitmachen. Aber wenn wir zulegen und die Freisinnigen verlieren, wird sich das ändern. Dann wird die freisinnige Basis sagen, wir wollen eine andere Politik. Dann werden die Leute abtreten müssen, die den Freisinn mit ihrer Linkspolitik in den Keller geführt haben.» Und mit der Radikalität des alten 68ers wird Blocher dem Freisinn die Europafrage stellen. «Da müssen sich die Freisinnigen entscheiden. Sie haben immer noch einen Parteitagsbeschluss, dass sie in die EU wollen. Jetzt wollen sie vor den Wahlen das Thema ausklammern. Das geht nicht.» Christoph Blocher nimmt einen Schluck Wasser und schaut aus dem Fenster über den Zürichsee. «Sie müssen sich entscheiden», sagt er. «Sonst werden sie zerrieben.»