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Elections

27.10.2003

«Ich bin so, wie ich bin»

Interview im "Profil" vom 27. Oktober 2003 von Robert Treichler Der Zürcher SVP-Chef Christoph Blocher über Neger, gerupfte Hühner und den Unterschied zwischen ihm und Jörg Haider. Als Österreicher fühlt man sich angesichts des Wahlkampfs der Schweizerischen Volkspartei (SVP) unweigerlich an den österreichischen Wahlkampf des Jahres 1999 erinnert. Da hatten wir auch böse Schwarzafrikaner, das Gespenst der EU-Osterweiterung, und eine Partei die versprochen hat, sie würde Österreich von all dem erlösen. Sie wissen, wen ich meine? Blocher: Ja, aber Sie gehen falsch in Ihrer Analyse, da ist der Wunsch der Vater des Gedankens. Die Parallelen sind unübersehbar. Sie trommelten im Wahlkampf dieselben Themen wie einst in Österreich die FPÖ. Blocher: Die illegale Einwanderung in die Schweiz ist ein ungelöstes Problem. Das geht aus dem Sicherheitsbericht der Regierung hervor; auch, dass die Kriminalität unter Ausländern ein starkes Problem ist. Beim Asylmissbrauch stehen wir im Vergleich zu anderen Staaten an der Spitze. Vielleicht hat auch die FPÖ diese Themen in Österreich akzentuiert, die SVP tut es in der Schweiz. Aber da hören die Parallelen auf. Sie bedienen sich des Sündenbockmotivs. Blocher: Im Sicherheitsbericht wird gesagt, in welchen Händen der Drogenhandel in der Schweiz ist. Das beim Namen zu nennen, betrachte ich als notwendig. Es gab ein SVP-Plakat mit dem Slogan „Wir Schweizer sind die Neger Europas“. Auch eine notwendige Botschaft? Blocher: Das gab es nicht. Es wurde nicht plakatiert, aber der Entwurf ging durch die Medien. Blocher: Es gibt in der Schweiz eine Redensart, um auszudücken, dass jemand zu kurz kommt, die lautet: „Da bin ich wieder der Neger.“ Aber das hat keinen rassistischen Hintergrund. Das stammt aus der Zeit, als die Neger die Benachteiligten waren. Und die SVP von St. Gallen hat Plakate in Auftrag gegeben, die ausdrücken sollten, dass die Schweizer zu kurz kommen, denn viele Leute haben das berechtigte Gefühl, immer mehr Steuern und Abgaben zahlen zu müssen. Einer dieser Entwürfe hat diese Redensart mit den Negern benutzt. Es wurde damit natürlich auch zum Ausdruck gebracht, dass viele Leute das Gefühl haben, man schaue nicht mehr in erster Linie auf die Schweizer. Aber dieses Plakat ist nie gedruckt worden, es wurde ein anderes genommen: Ein gerupftes Huhn, das dieses Gefühl darstellt. Beobachten Sie eigentlich die Schicksale der Rechtspoulisten, die wie Sie einen sagenhaften Aufstieg geschafft haben und dann recht bald wieder abgestürzt sind? Blocher: Ich beobachte sie, aber das sind andere Gruppierungen, wir sind ja keine Rechtspopulisten. Die SVP inklusive ihrer Vorgängerpartei ist eine über 85 Jahre alte Regierungspartei. Die FPÖ ist auch über 50. Blocher: Wir haben in der Gesamtschweiz einen kontinuierlichen Anstieg in den Wahlergebnissen von 1991 bis heute. Die FPÖ von 1986 bis 1999. Blocher: Unser Parteiprogramm unterscheidet sich sehr stark von dem der FPÖ. Wir waren immer gegen den EU-Beitritt. Eine Politik, die Kindergeld verspricht, würden wir nie unterstützen. Kennen Sie Jörg Haider persönlich? Blocher: Nein, ich habe ihn nie getroffen. Ich kenne ihn nur aus der Presse. Sehen Sie Parallelen zwischen Ihnen und Haider? Blocher: Das wird immer wieder behauptet. Wahrscheinlich, weil ich ein Volkstribun bin, und Herr Haider vielleicht auch einer ist, das weiß ich nicht. Aber was er da etwa abgelassen hat mit seinen Irak-Reisen, kann ich absolut nicht nachvollziehen. Sie warnen vor dem EU-Beitritt, so wie sie früher vor dem UN-Beitritt der Schweiz gewarnt haben; Die Schweiz würde von den Großmächten der UN gezwungen werden, gegen andere Nationen vorzugehen, und der Terror werde über die Schweiz hereinbrechen. Das war populistische Angstmache, nicht? Blocher: Nein, so primitiv äußere ich mich nicht. Ich warnte vor der Missachtung der Neutralität. Dass wir uns in keine Konflikte einmischen, ist ein Schutz vor dem Terrorismus. Wenn man sich in internationale Konflikte einmischt und dabei auf Seiten der Mächtigen steht, wird man eher ein Opfer des Terrorismus, das habe ich gesagt. Es ist aber nicht eingetreten. Bern ist nicht Bali geworden. Blocher: Jetzt ist die Lage noch ruhig. Aber der aktuelle Konflikt, den die islamischen Staaten gegen das Rote Kreuz führen, hängt damit zusammen. Wo liegen denn die Gefahren der EU? In Europa herrscht die Ansicht, dass große Probleme wie die Frage der Asylwerber oder der internationalen Kriminalität nicht auf nationaler Ebene lösbar sind. Nur Sie wollen alles auf staatlicher Ebene lösen. Blocher: Nein, man wird sicher in vielen Fragen der Verbrechensbekämpfung internationalen Informationsaustausch praktizieren müssen. Das setzt aber nicht voraus, dass man seine staatliche Souveränität preisgibt. Wir haben bilaterale Vereinbarungen mit der EU. Warum, meinen Sie, wollen denn fast alle Nationen der EU beitreten? Blocher: Ich weiß nicht, ob die Leute das auch wirklich wollen. Die Abstimmungen enden mit Ja. Blocher: So eindeutig ist das nicht. Aber für die Schweiz ist es besonders schwierig, der EU beizutreten. Wir haben die direkte Demokratie, wir wählen nicht nur, wir stimmen auch über Sachfragen ab. Wären wir in der EU, könnten wir über viele Fragen nicht mehr an der Urne abstimmen, weil EU-Recht über nationalem Recht steht. Außerdem müssten wir den Schweizer Franken aufgeben, wir könnten unser Schicksal nicht mehr selbst bestimmen. Wir müssten die Mehrwertsteuer auf mindestens 15 Prozent erhöhen, derzeit liegt sie in der Schweiz bei 7,6 Prozent. Das wäre eine enorme Belastung. Für eine Durchschnittsfamilie circa 2700 Euro im Jahr. Die Schweiz ist eine europäische Hochpreisinsel und dank des Bankgeheimnisses attraktiv als Hort für Diktatorensparbücher. Beides würde bei einem EU-Beitritt verloren gehen. Blocher: Das Schweizer Bankgeheimnis gilt nicht für kriminelle Gelder. Mit Ihrem Wahlsieg sehen Sie jetzt die Möglichkeit, die Schweiz in der Isolation zu bewahren. Was wollen Sie sonst noch erkämpfen? Wollen Sie die konsensuale so genannte „Zauberformel“ ändern? Blocher: Die Schweiz in der Isolation? So ein Unsinn! Als diese Zauberformel 1959 eingeführt wurde, war die SVP die kleinste Partei und die CVP eine der Großen. Heute ist es umgekehrt. Die CVP muss also einen Sitz hergeben. Das wollten wir schon nach den Wahlen von 1999, aber da sagte man uns ein Schicksal vorher wie heute bei der FPÖ. Unterdessen haben wir den größten Wähleranteil. Kriegen wir den zweiten Sitz nicht, gehen wir in die Opposition, was wir zwar nicht wollen, aber müssten. Wenn Sie hingegen Regierungsverantwortung übernehmen, werden Sie wohl wieder kleiner werden, nicht? Blocher: Das ist möglich. Aber wenn wir gute Arbeit machen und mit den anderen Parteien die Probleme lösen, kommt es ja auch nicht so sehr darauf an, welche Partei man wählt. Sie wirken jetzt plötzlich sehr konsensual. Blocher: Ich bin so, wie ich bin, aber vielleicht nicht so, wie Sie sich das vorgestellt haben.

24.10.2003

BR-Wahlen 2003: Antrag des Fraktionsvorstandes an die Fraktion

Beschluss der Fraktion der Schweizerischen Volkspartei betreffend Vorgehen und Nomination für die Bundesrats-Wahlen Bern, den 24. Oktober 2003 Die SVP-Fraktion steht zur echten Konkordanz. Sie beansprucht zwei Sitze für den Bundesrat und schlägt als Kandidaten Bundesrat Samuel Schmid und Nationalrat Christoph Blocher vor. Sie geht für den Fall, dass das Parlament die beiden von der Fraktion vorgeschlagenen Kandidaten nicht wählt, andere wählt oder nur einen wählt, in die Opposition. Allfällig Gewählte, welche ihr Amt annehmen, sind nicht mehr Mitglied der Fraktion. Die SVP hat bei den eidgenössischen Parlamentswahlen vom 19. Oktober ein historisches Ergebnis erzielt. Es liegen Jahrzehnte zurück, seit eine Partei ein vergleichbares Resultat erreicht hat. Die SVP hat vom Schweizer Volk den Auftrag erhalten, ihre politischen Positionen verstärkt durchzusetzen. Die SVP-Politik besteht im Bekenntnis zu einer unabhängigen, neutralen Schweiz, zu einem sparsamen, schlanken Staat, zu einem starken Wirtschaftsstandort mit sicheren Arbeitsplätzen sowie zu einer wirksamen Bekämpfung der Kriminalität, des Asyl- und des Sozialmissbrauchs. Gleichzeitig ist das gute Abschneiden der SVP die Quittung für die anderen Parteien und deren ständiges Bemühen, die SVP von der Regierung möglichst fernzuhalten. Unser Land ist in den letzten Jahren mit Hilfe der "Mitteparteien" FDP und CVP immer mehr in sozialistisches Fahrwasser geraten. In kaum einem Land dieser Welt ist die Staatsquote dermassen angestiegen; auch die Steuerquote und die Verschuldensquote geben zu grösster Besorgnis Anlass. Von einem EU-Beitritt erhoffen sich die anderen Parteien die Lösung unseres Wachstumsproblems, des Asylmissbrauchs, der Ausländerkriminalität und der Schuldenberge, als ob die EU ein einziges dieser Probleme gelöst hätte. Um das Steuer endlich herumzureissen, tritt die SVP für die echte Konkordanz ein, d.h. Regierungsbeteiligung aufgrund des Wähleranteils (2 Sitze für SVP, SP und FDP, 1 Sitz für die CVP). Deshalb fordert die SVP zwei Sitze im Bundesrat. Sie verlangt von ihren beiden Regierungsvertretern, dass diese das SVP-Gedankengut voll und ganz vertreten. Die Fraktion schlägt vor: Bundesrat Samuel Schmid und Nationalrat Christoph Blocher. Die SVP-Fraktion wird auch die von den anderen Parteien vorgeschlagenen Kandidaten wählen. Sollte das Parlament die von der SVP nominierten Kandidaten nicht in den Bundesrat wählen, sondern nur einen von beiden oder eine andere Person, wird sich die SVP aus dem Bundesrat zurückziehen. Die SVP würde in diesem Fall zur Oppositionspartei und von jeder Mitverantwortung in der Regierung entbunden.

22.10.2003

«Ich würde die Erbschaft vollziehen»

Interview in der "Finanz und Wirtschaft" vom 22. Oktober 2003 von Manfred Rösch Herr Blocher, sollten Sie am 10. Dezember in den Bundesrat gewählt werden, so müssten Sie aus allen Geschäftsleitungs- und Verwaltungsratsgremien, denen Sie angehören, zurücktreten. Wie haben Sie Ihre allenfalls erforderliche Nachfolge in der Ems-Gruppe geregelt? Blocher: Selbstverständlich würde ich aus sämtlichen Verwaltungsräten zurücktreten. Das ist ohnehin seit etwa einem Jahr vorbereitet. Damals erklärte ich, wie wir das lösen wollen. meine Tochter Magdalena Martullo ist als Vizepräsidentin des Verwaltungsrats seit Anfang dieses Jahres zuständig für alle strategischen Arbeiten, also die Ein- und Zweijahres- sowie die Langfristplanung, die Marketingkonzepte und die Führung der operativen Bereiche. Wie die Nachfolgeregelung konkret aussähe, würde ich erst nach dem 10. Dezember bekanntgeben. Die Publikumsaktionäre von Ems-Chemie wären daran jetzt schon interessiert. Blocher: Sollte mich die Bundesversammlung nicht wählen, würde ich mit diesen Schritten noch vielleicht ein Jahr zuwarten. In diesem Fall wäre es ungeschickt, wenn ich bereits jetzt bekannt gäbe, welche Person künftig was macht, um dann nach einer möglichen Nichtwahl zu sagen: Jetzt machen wir es eben noch nicht. Die Chancen, dass ich nicht gewählt werde, stehen natürlich bei 50%. Aber vorbereitet ist alles. Das habe ich schon vor zwei Jahren eingeleitet, denn es kann, abgesehen von einer Bundesratswahl, schliesslich etwas auf einen zukommen, das solche Vorkehren nötig macht. Als Bundesrat wären Sie frei, Ihre Aktien zu behalten. Blocher: Im Prinzip könnte ich das Unternehmen behalten. Es gibt keine Interessenkonflikte. Ems-Chemie hat keine Geschäftsbeziehungen mit der Eidgenossenschaft. Das hätte immerhin den Vorteil, dass bekannt wäre, wo das Vermögen wenigstens eines Bundesratsmitglieds angelegt ist. Dennoch würde ich im Fall einer Wahl eine Trennung von mindestens dem Hauptteil meines Vermögens, der Ems-Chemie, als notwendig erachten, auch wenn das gesetzlich nicht zwingend wäre. In einem Unternehmen können Schwierigkeiten auftreten. Ich möchte nicht als Mitglied der Landesregierung nebenher dafür sorgen müssen, dass in Ems-Chemie nichts schief läuft. Daher würde ich im Fall einer Wahl die Erbschaft vollziehen, so dass meine Kinder die Mehrheit, also 68%, an der Ems-Gruppe besitzen würden.

20.10.2003

«Diese Verantwortung muss ich übernehmen»

Interview im "Tages-Anzeiger" vom 20. Oktober 2003 Christoph Blocher will für die SVP in den Bundesrat. Ansonsten tritt diese aus der Regierung aus. Als Erpressung will er das nicht verstanden wissen. von Gaby Szöllösy «Wir sehen uns bei Philippi wieder», sagten Sie 1999 nach Ihrer Nichtwahl in den Bundesrat. War der Wahlsonntag Philippi - die damalige Schmach also gesühnt? Blocher: Ja, mehr als gesühnt. Wir haben einen epochalen Sieg errungen. In den letzten 50 Jahren hat keine bürgerliche Partei so viel Stimmen auf sich vereinigen können. Das heisst, dass die Schweiz diese Politik vertreten haben will. Auch in der Regierung. Die SVP fordert einen zweiten Bundesratssitz, subito. Werden Sie antreten, obwohl Sie schon einmal gescheitert sind? Blocher: Ja, die SVP-Strategiekommission hat sich zusammengesetzt und ist zum Schluss gekommen, dass ich antreten soll. Für mich war klar: Diese Verantwortung muss ich übernehmen. Samuel Schmid kann weiterhin Bundesrat bleiben, wenn er gewillt ist, die Hauptpunkte des SVP-Programms mitzutragen. Die SVP stellt Bedingungen an Schmid und droht damit, aus der Regierung auszutreten, falls Sie nicht gewählt werden. Macht Bundesrat Schmid bei diesem Spiel mit? Blocher: Er weiss davon und hat es im Prinzip eingesehen. Ob er dann tatsächlich aus dem Bundesrat austritt, wenn ich nicht gewählt würde, das weiss ich nicht. Aber er wäre dann nicht mehr unser Bundesrat, auch nicht mehr Mitglied unserer Fraktion. Allerdings muss die Fraktion dieses Konzept noch absegnen. Wird das Parlament mitmachen und Sie wählen? Blocher: Das weiss ich nicht. Wenn sie uns nicht wählen, so wäre ich halt in der Opposition. Das wäre aber nicht gut für die Schweiz. Denn gegen eine so starke Opposition zu politisieren, ist für eine Regierung fast unmöglich. Ich glaube auch, dass man die schwierigen Fragen, die auf uns zukommen, die Finanzfragen, die Probleme bei der Altersvorsorge, die illegale Einwanderung, nur mit einer starken Konkordanz lösen kann - in der von allen Parteien die besten Vertreter im Bundesrat sitzen. Das heisst auch, dass die SVP jene SP-Vertreter wählt, die die SP vorschlägt. Sie greifen also die SP nicht an, sondern nur die CVP? Blocher: Ja, die CVP muss einen Sitz abgeben. Wer von den beiden Bundesräten geht, ist mir egal. Wie lange hält Ihr Bekenntnis zur Konkordanz? Blocher: Wenn die andern Parteien beschliessen, dass sie etwas ganz anderes machen wollen, so müssen wir neu überlegen. Aber wenn sie mit uns einig gehen, so halten wir zur Konkordanz. Wie gross ist die Chance, dass das Parlament auf dieses Spiel, das man auch Erpressung nennen könnte, einsteigt? Blocher: Warum Erpressung? Weil Sie klar sagen, entweder ihr wählt den Blocher und den Schmid, oder wir blockieren alles. Blocher: Das ist doch keine Erpressung. Wir sind nach diesem Wahlresultat dazu verpflichtet, unsere Politik durchzusetzen. Wenn man uns nicht angemessen in die Regierung einbindet, glauben wir, dass wir die Politik noch am ehesten ändern können, indem wir in die Opposition gehen, um von dort aus Unsinn zu verhindern. Dann wird die SVP die Politik nur total lähmen können, mitgestalten können Sie dann nicht mehr. Ihre Initiativen - jene zur Asylfrage oder die Gold-Initiative - fanden zwar respektable Minderheiten, aber keine Mehrheiten. Blocher: Auch der heutige Zustand, wo die SVP in der Regierung unterrepräsentiert ist, führt zur Blockade. Nur sind wir quasi in einem Zwitterzustand. So geht es nicht weiter. Wenn Ihr Einzug in die Regierung nicht gelingt, so lancieren Sie Ihre Initiative zur Volkswahl des Bundesrats? Blocher: Das ist so beschlossen. Konkordanz also nur, falls das Parlament pariert. Könnten Sie nicht ganz gut leben damit, wenn das Parlament Nein sagte? Blocher: Ich denke nicht in diesen strategischen Kategorien - ich bin überzeugt, dass es für die Schweiz gut wäre, wenn ich antrete. Sonst gehe ich in die Opposition. Diese Rolle würde mir nicht behagen, aber wir würden 2007 dann nochmals gewinnen, das ist klar. Kann man noch mehr Opposition betreiben? Blocher: Ja, natürlich könnten wir noch einen Zacken zulegen. Beispielsweise hätten wir die CO2-Abgabe nie durchgelassen, da hätten wir sofort ein Referendum gestartet. Gesetzt den Fall, Sie werden gewählt - müssten Sie dann nach vier Jahren wieder abtreten? Blocher: Ich möchte schon acht Jahre bleiben. Aber vielleicht würde ich auch abgewählt. Ich werde ja kein bequemer Bundesrat sein für die andern. Wie würde sich denn die Zusammenarbeit mit den andern Parteien gestalten?Blocher: Sie wird enger. Nicht nur mit den Bürgerlichen, auch mit der SP. Auch die Linke kann doch nicht die Augen verschliessen vor der massiven Verschuldung, vor den Problemen mit den Pensionskassen. Wir brauchen Konzepte, wir müssen programmatisch zusammenarbeiten. Aber wir kommen zu gemeinsamen Lösungen, da bin ich sicher. Keine Angst, dass Sie Wähler verlieren, wenn Sie so handzahm politisieren? Blocher: Wenn die andern das SVP-Gedankengut durchsetzen, dann ist ein Verlust nicht so tragisch. Also wird Ihre SVP die Politik diktieren, und die andern Bundesratsparteien müssen einfach mitziehen? Blocher: Nein. Wir haben ein gewisses Gewicht als grösste Partei. Aber wir wollen wirklich konzeptionell zusammenarbeiten. Wir stehen an einem Scheideweg. Wir sind bereit, unsere Rolle als Oppositionspartei zu verlassen. Die grossen Probleme lassen sich nur lösen, wenn die konstruktiven Kräfte eng zusammenarbeiten. Die SVP wird in der Sozial-, in der Wirtschafts- und Finanzpolitik mit den Bürgerlichen zusammenspannen - und mit der Linken dort, wo es darum geht, Strukturen zu erhalten. So wird die Schweiz zwei Tendenzen erleben: Sie wird bürgerlicher, und sie wird konservativer. Sind Sie mit dieser These einverstanden? Was meinen Sie mit Strukturerhaltung? Blocher: Den Service public beispielsweise. Da bin ich kein Ideologe. Es muss nicht alles aus Prinzip liberalisiert werden, wenn es den Menschen nicht nützt. Ich denke: Ja, die Schweiz wird bürgerlicher, und sie wird wertkonservativer werden. War es rückblickend nicht ein Fehler, die andern bürgerlichen Parteien so zu schwächen? Blocher: Nein, das glaube ich nicht. Es brauchte die Niederlage, damit die andern sich einen Ruck geben.

09.10.2003

«Meist hat er halt Recht»

Interview mit Silvia Blocher in der "Weltwoche" vom 9. Oktober 2003 Eignen sich Frauen für Führungspositionen? Wie müssen Kinder erzogen werden? Wie lebt es sich an der Seite des umstrittensten Politikers der Schweiz? Ein Gespräch mit Silvia Blocher. von Roger Köppel und Markus Somm Sie hatten ein Mathematikstudium angefangen und als Lehrerin gearbeitet, bevor Sie Christoph Blocher heirateten. Warum haben Sie diesen Beruf aufgegeben? Silvia Blocher: Wir wollten eine Familie gründen, und für mich war klar, dass ich mich um die Kinder kümmere. Haben Sie das jemals bedauert? Hätten Sie lieber das Studium abgeschlossen und eine berufliche Laufbahn eingeschlagen? Silvia Blocher: Ich glaube nicht. Natürlich ist das hinterher schwer zu sagen. Mathematik liegt mir heute eher fern. Damals habe ich mich leidenschaftlich gern damit befasst, davon ist bloss die Freude an kniffligen Denkaufgaben und Kreuzworträtseln übrig geblieben. Eine Familie zu managen, war eine grosse Aufgabe. Es mag Frauen geben, die ihre Erfüllung allein am Schreibtisch finden können - für mich trifft das nicht zu. Was haben Ihre Eltern Ihnen an Lebenszielen mitgegeben? Kinder haben, einen guten Job oder einfach einen erfolgreichen Mann heiraten? Silvia Blocher: Erfolgreich war er ja damals noch nicht: ein mittelloser Student. Nein, ich habe studiert, um nachher einen Beruf auszuüben. Ich wollte nicht einfach einen Mann mit Doktortitel heiraten, sondern war überzeugt: Den mache ich selber. Als Sie Mathematik studierten, war das für eine Frau ein aussergewöhnlicher Akt. Fühlten Sie sich nie benachteiligt? Silvia Blocher: Nein. So, wie ich aufgewachsen bin, kannte ich dieses Gefühl nie. Was Buben machten, das durfte auch ich: Ich ging in die Primarschule, die Sek und die Mittelschule wie sie. Ich konnte gar für ein Jahr als Austauschschülerin nach Amerika - was damals ja noch sehr ungewöhnlich war. Ohne weiteres hatten meine Eltern das erlaubt. Schliesslich studierte ich, was ich wollte. Aus diesem Grund konnte ich die Frauenrechtlerinnen nie verstehen, die sich dermassen benachteiligt fühlten und es ganz furchtbar fanden, wenn eine Frau "nur" Mutter und Hausfrau sein wollte. Hat es Sie geärgert, dass Ihre Arbeit als Mutter und Hausfrau so eingeschätzt wurde? Silvia Blocher: Zeitweise schon. Vor allem, dass die so genannt emanzipierten Frauen die Mutterrolle stark abgewertet haben. Sie wollten um jeden Preis arbeiten, um von der Familie wegzukommen. Die Kinder wurden als störende Belastung betrachtet. Welche Werte haben Sie Ihren Kindern mitgegeben, worauf kommt es an? Silvia Blocher: Das weiss man ja theoretisch nie so genau, sondern entscheidet von Fall zu Fall. Zentral ist, dass Sie Kinder so nehmen, wie sie sind, und sie nicht zu etwas anderem umerziehen wollen. Das, was in ihnen steckt, ihre Stärken muss man fördern. Nur so entwickeln sie sich zu dem, was in ihnen angelegt ist. Das gibt ihnen Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Oft leiden Kinder unter einem erfolgreichen Vater. Sie können ihm nie das Wasser reichen, und sie verzweifeln oder versagen. Wie haben Sie dem vorgebeugt? Silvia Blocher: Als unsere Kinder klein waren, war ja der Vater noch nicht so prominent, das war sicher eine Erleichterung. Wenn wir jetzt kleine Kinder hätten, wäre das schwieriger. Wahrscheinlich hat auch geholfen, dass mein Mann nie das Ziel hatte, reich und prominent zu werden, sondern es ging ihm immer um die Sache. Politik hat ihn beschäftigt, weil er die Lebensumstände verbessern und nicht weil er Nationalrat werden wollte. Im Geschäft war es ähnlich: Er sah Probleme, und die musste er lösen. So kam er voran und nicht weil er Karriere machen und das Unternehmen am Ende besitzen wollte. Hatten Ihre Kinder nie das Bedürfnis, sich von ihrem Vater abzugrenzen? Zum Beispiel politisch, indem sie Steine warfen und Häuser besetzten? Silvia Blocher: Das überhaupt nicht; selbstverständlich hatten auch unsere Kinder die üblichen Ablösungsprobleme, und es ging manchmal laut zu und her. Wie beurteilen Sie die heutige Elterngeneration? Machen sie es gut? Silvia Blocher: So pauschal kann ich das nicht sagen. Aber ich habe den Eindruck, dass viele Eltern heute ihre Kinder oft überfordern, indem sie viel zu hohe Erwartungen in sie setzen, etwa in der Schule oder im Sport. Zugleich geben sie ihnen im Alltäglichen zu viel Entscheidungsfreiheit und damit zu viel Verantwortung. Einverstanden, man sollte einem Kind Verantwortung übertragen, so früh wie möglich, aber stets entsprechend seinen Möglichkeiten. Sonst verliert es sein Selbstvertrauen, weil es verantwortlich ist für Dinge, die es eigentlich nicht entscheiden kann. In den sechziger und siebziger Jahren, als Sie Ihre Kinder hatten, galt die "antiautoritäre Erziehung" als chic. Ein gutes Rezept? Silvia Blocher: Ich hielt nie viel davon. Kinder erziehen heisst: Sie fähig machen, das Leben zu meistern. Es ist doch nicht so, dass man im Leben alles machen darf und kann. Das Kind muss lernen, Schwierigkeiten zu überwinden und negative Erfahrungen zu verkraften. Ihre Familie ist nicht bloss bekannt, sie ist auch reich. Wie haben Sie dafür gesorgt, dass Ihre Kinder nicht völlig verzogen wurden und mit 18 einen Ferrari kauften? Silvia Blocher: Jedes hat sich sein erstes Auto selbst verdient! Wir haben unsere Kinder normal erzogen, wie in jeder Schweizer Durchschnittsfamilie: Sie gingen in die Volksschule, dann in die Sek - weil ich fand, sie sollten noch zu Hause zu Mittag essen. Erst danach gingen sie in die Kantonsschule. Ich wollte nie, dass sie meinten, sie seien etwas Besonderes. Sie sollten sich durch Leistung und Verhalten auszeichnen und nicht durch Herkunft. Zum Glück hatten sie nie Probleme in der Schule. Waren Sie allein zuständig für die Kinder? Wo war Ihr Mann? Silvia Blocher: Es stimmt, ich war für den Alltag der Kinder verantwortlich und musste die Regeln durchsetzen. Doch wir hatten die gleichen Ziele und Vorstellungen und versuchten, uns nicht vor den Kindern zu widersprechen. Finden Sie es gut, wenn beide Eltern, wie das heute oft der Fall ist, Teilzeit arbeiten und Kinder betreuen, oder bevorzugen Sie die traditionelle Rollenteilung? Silvia Blocher: Das kann jede Familie für sich entscheiden, ich habe da keine strikte Meinung. Etwas erstaunt bin ich, wenn ich höre, dass Frauen, die mit einem oder zwei Kindern zu Hause bleiben, dennoch erwarten, dass ihr Mann im Haushalt die Hälfte der Arbeit übernimmt. Da werden die Kinder überbetreut, oder die Frauen werden unzufrieden, weil sie nicht ausgelastet sind. Falsch finde ich, wenn man die Kindererziehung dem Staat überlässt. Da hat man ja weder zur Erziehungsmethode noch zur Qualität der Betreuer etwas zu sagen. Ihrer Tochter scheint es nicht zu genügen, Hausfrau und Mutter zu sein, sie leitet noch eine Firma. Geht das gut? Silvia Blocher: Es geht erstaunlich gut. Sie ist richtig aufgeblüht als Chefin und als Mutter. Sie hat eine liebe Nanny angestellt, und am Abend kann ihr Mann für das Kind sorgen. Hätten aber beide so unregelmässige Arbeitszeiten wie meine Tochter, ginge es wohl nicht. Man findet keine Angestellte, die 24 Stunden arbeitet. Gab es Forderungen der Feministinnen, mit denen Sie sympathisierten? Silvia Blocher: Nein. Ich habe nie ganz verstanden, über welche Diskriminierung sie klagten. Besonders hatte ich Mühe mit ihrer Verbissenheit. Ich wurde den Verdacht nie ganz los, sie machten das aus purem Männerhass. Das stiess mich ab. Waren Sie gegen das Frauenstimmrecht? Silvia Blocher: Nein, nein, sicher nicht, ich war von Haus aus sehr an Politik interessiert und wollte daran teilnehmen. Doch abgesehen davon, brauchte ich die Frauenbewegung nicht. So wie ich gelebt habe, schien sie mir schon veraltet. Ihre Tochter ist in der Führung der Ems-Chemie tätig. Das wäre kaum möglich gewesen vor vierzig Jahren. Silvia Blocher: Das liegt nicht am Feminismus. Frauen mussten schon früher Führungsrollen übernehmen. Denken Sie an die Königshäuser. Diese Frauen erfüllten ihre Aufgaben auch ohne Gleichstellungsbüros. Manche beklagen den Zerfall der Familie, wenn beide Eltern arbeiten. Ihr Befund? Silvia Blocher: Bei meiner Tochter habe ich nicht den Eindruck, da zerfalle etwas. Meine Enkelin ist herzig, und es geht ihr offensichtlich gut. Haben Sie Ihren Buben anders erzogen als Ihre Töchter? Silvia Blocher: Sicher nicht bewusst. Doch gibt es immer wieder Unterschiede zwischen Buben und Mädchen. Mein Sohn hat sich nie für Puppen interessiert. Eignen sich Frauen für Führungspositionen? Silvia Blocher: Ja, offensichtlich, ich sehe das bei meiner Tochter. In der Firma geniesst sie einen guten Ruf. Aber Frauen führen bestimmt anders als Männer, ich habe das selbst festgestellt, als ich dieses Haus baute. Weil mein Mann keine Zeit hatte, war ich allein dafür verantwortlich. Wenn mein Mann etwa einem Handwerker eine Anweisung geben würde, dann würde er sagen: Dieses Lavabo kommt hierhin, sechzig Zentimeter weg von der Wand. Und der Handwerker macht das. Ich dagegen sage: Ich habe mir gedacht, wir könnten dieses Lavabo hier hinmachen, vielleicht sechzig Zentimeter weg von der Wand, was meinen Sie? Möglicherweise rät mir dann der Handwerker, es anders zu montieren, weil es doch so viel praktischer sei. Einmal gebe ich ihm Recht, das andere Mal nicht. Sie sehen, es ist ein etwas offenerer Prozess. Auf der schweizerischen Aufregungsskala liegt Ihr Mann ganz oben. Besonders während der Abstimmung über den EWR war er enormen Anfeindungen ausgesetzt. Wie haben Sie das erlebt - sozusagen im Auge des Hurrikans? Silvia Blocher: Im Auge des Hurrikans ist es windstill! Bei uns dagegen war es manchmal schon stürmisch. Gottlob brach der Sturm nicht plötzlich los. Aber es war eine furchtbare Zeit der öffentlichen Niederträchtigkeiten, die es durchzustehen galt. Wenigstens waren wir nicht allein. Den Medien mag es so erschienen sein, als seien wir völlig isoliert. Dabei schrieben uns Tausende von Bürgern, sprachen meinem Mann Mut zu und schickten ihm Geschenke: Sie können sich nicht vorstellen, wie viele handgestrickte Socken wir bekommen haben! Je schärfer mein Mann angegriffen wurde, desto mehr hatten die einfachen Leute das Gefühl, etwas könne da nicht stimmen und man müsse ihn unterstützen. Tut es nicht weh, wenn der eigene Mann mit Haider, Le Pen, ja Hitler verglichen wird? Silvia Blocher: Das empört mich, weil es so absurd ist. Ernst meinen kann man solche Anwürfe ja nicht, also ist es reine Boshaftigkeit. Als mein Mann einmal in Fribourg eine Rede hielt, titelte die lokale Zeitung: Le diable arrive à Fribourg! Aber daneben gibt es ja noch die alltäglichen Stiche in den Medien: falsche Berichterstattung, Parteilichkeit, das unendlich Kleinkarierte. Wenn jemand so bekannt ist wie mein Mann, muss er gut aufpassen, dass er das Bild, das sich die Öffentlichkeit von ihm macht, nicht mit seiner privaten Persönlichkeit verwechselt. Und zwar ganz gleich, ob das Bild nun schmeichelhaft oder vernichtend ist. Wie erklären Sie sich diese starken Affekte, die Ihr Mann auslöst? Silvia Blocher: Vielleicht reagieren viele Leute so heftig, weil sie nicht ganz sicher sind, ob mein Mann halt doch Recht hat. Er hat eine klare Meinung, kann sie überzeugend vortragen und setzt sich auch oft durch. Während die meisten andern halt einfach mit dem Strom schwimmen. Beim EWR war das sehr deutlich zu beobachten, gerade bei Bürgerlichen. Niemand rechnete mit Widerstand gegen diesen Vertrag, alle hatten schon zugestimmt, und dann kam mein Mann und war anderer Meinung. Viele sassen schon im falschen Boot; sie konnten nicht mehr zurück. Jahre später haben sie zugegeben, dass sie sich geirrt hatten. Meist sagten sie ihm das nur unter vier Augen. Eine der besonderen Fähigkeiten meines Mannes ist es, Dinge viel früher als andere zu merken. Wenn etwas faul ist, dann riecht er es irgendwie, das ist ein Instinkt. Nehmen Sie den EWR: Zuerst kam ihm die Sache bloss etwas spanisch vor, ein mulmiges Gefühl. Also kniete er sich ins Dossier, verbiss sich geradezu darin und liess erst wieder los, als er es ganz genau wusste: Dieser Vertrag ist schlecht für die Schweiz. Eine Position, die er sich so gründlich erarbeitet hat, gibt er nicht mehr leichtfertig auf, selbst wenn er ganz allein gegen alle steht. Diese Hartnäckigkeit irritiert manche. Sind allein die andern schuld? Oder hat Ihr Mann manchmal zu heftig angegriffen? Silvia Blocher: In der öffentlichen Diskussion, finde ich, hat er nie jemanden schlecht gemacht. Im persönlichen Gespräch, das mag sein, kann er jemanden recht scharf und persönlich kritisieren. Doch meist hat er halt Recht, und viele Menschen sind Heuchler. Und vergessen Sie den Neid nicht. Ich habe den Eindruck, in der FDP und der CVP ist die Abneigung fast grösser als in der SP. Da geht es um viele Pfründen in Verwaltungsräten und andere Ämtli, die es nun mit der SVP zu teilen gilt. In freisinnigen Kreisen hält sich das Gerücht, Christoph Blocher sei aus einem anderen Grund so erbarmungslos mit der FDP. Er habe seinerzeit in die Partei eintreten wollen, sei aber von den damaligen FDP-Granden verschmäht worden. Silvia Blocher: Sagen sie das? Unsinn. Wie so vieles hat sich auch die SVP-Mitgliedschaft einfach ergeben. Als wir 1969 nach Meilen gezogen waren, erfuhren wir bald, dass die Alusuisse hier ein riesiges Verwaltungsgebäude bauen wollte - für 5000 Angestellte, in einem Dorf von 8000 Einwohnern! Und das in der grünen Freihaltezone. Meinen Mann hat das sofort auf Trab gebracht, wir haben Argumente gesammelt und den Widerstand organisiert, um die Abstimmung gegen die nötige Umzonung zu gewinnen. Alle Parteien waren gegen uns. Aber nach einer grossen Orientierungsversammlung in dieser Sache kamen sofort SVP wie FDP auf meinen Mann zu, um ihn als Mitglied zu gewinnen. Mein Mann entschied sich für die SVP, weil er Bauer gelernt hatte und sich hier am wohlsten fühlte. Später bin ich dann auch der SVP beigetreten. Was lehrte Sie der Kampf gegen den EWR über das Wesen der Schweiz? Silvia Blocher: Schon immer fühlte ich mich sehr eng verbunden mit unserem Land. Der Kampf gegen den EWR brachte uns in jede Ecke der Schweiz, denn das war ja die einzige Methode, die meinem Mann blieb: möglichst überall öffentlich aufzutreten. Dabei lernte ich zwei Dinge schätzen. Erstens, die Schweiz ist so ungeheuer vielfältig, dass es eine Freude ist. Und zweitens, die Leute befassen sich gründlich mit den Dingen, die politisch anstehen, und überlegen sich ihren Entscheid gut. Das hat mich beeindruckt. Haben Sie nur positive Erinnerungen? Stört es Sie nicht, wie Ihr Mann seit dem EWR systematisch von der Macht fern gehalten wird? Silvia Blocher: Sicher beelendet mich das, vor allem weil ich weiss, über welche Kapazitäten er verfügt. Er wird dermassen gelähmt und könnte so viel bewirken! Und das Verrückte ist: Das Land selbst wird damit gelähmt. Hätte Ihr Mann nicht ab und zu etwas netter auftreten können? Musste er fast alle Parlamentarier verärgern? Er wäre längst Bundesrat. Silvia Blocher: Das ist ja nicht das Ziel: Es geht nicht um "Nett-Sein" oder darum, Bundesrat zu werden, sondern um das Wissen, wie man die Missstände verbessern könnte. Er hat die Voraussicht, den Überblick, das Wissen und die nötige Energie, es durchzusetzen. Die Gegner meines Mannes haben dagegen selbst nichts zu bieten. Sie haben alle Mittel, aber sie tun nichts. Wird die Blockade erst überwunden, wenn Ihr Mann in Pension geht? Silvia Blocher: Ich kann mir einige andere vorstellen, deren Pensionierung mehr bringen würde! Wenn Ihr Mann wieder einmal sehr heftig attackiert wurde: Hatten Sie nie das Gefühl, nun reicht es? Macht euren Dreck allein. Silvia Blocher: Es gibt Momente, wo ich denke, jetzt langt es! Wir könnten ja wegziehen, uns ein schönes Leben machen. Welches ist das grösste Missverständnis über Christoph Blocher? Silvia Blocher: Er habe keine Ideen, und seinen Ideen folgten keine Taten. So absurd! Wollten Sie selber nie Politikerin werden? Silvia Blocher: Zwei in der Familie geht nicht. Sie hätten sich politisch gestritten? Silvia Blocher: Nein, das nicht. In den Grundhaltungen stimmen wir überein. Aber für die Familie wäre das zu viel gewesen. Was treibt eigentlich Ihren Mann an, sich seit Jahren dermassen abzukämpfen? Silvia Blocher: Er erkennt etwas, das so nicht sein sollte, und das lässt ihn nicht mehr in Ruhe, bis er es geändert hat. Ihr Mann ist zu 150 Prozent für sein Unternehmen da, zu 150 Prozent macht er Politik. Wo sind eigentlich die Prozente für Sie? Haben Sie sein ausserhäusliches Engagement nie als Kränkung empfunden? Silvia Blocher: Es war sicher nicht immer einfach. Aber es hat sich allmählich entwickelt, so konnte ich mich daran gewöhnen. Man muss das lernen. Nie ein Stich für das Selbstvertrauen? Silvia Blocher: Hätte ich mein Selbstvertrauen nur von meinem Mann abhängig gemacht, vielleicht schon. Aber das ist nicht der Fall. Woher beziehen Sie Ihr Selbstvertrauen? Silvia Blocher: Ich bin stolz auf meine Kinder, mein Haus, den Garten - und meinen Beitrag zum Sieg beim EWR. Seither bin ich dauernd politisch tätig. Was ist das Geheimnis einer guten, langen Ehe? Silvia Blocher: Man braucht einen Grundvorrat von gemeinsamen Werten. Sachen, die beiden lieb und teuer sind. Dann ist es entscheidend, dass eine gewisse Offenheit herrscht: Neues muss möglich sein, jeder soll seine Interessen pflegen können, ohne allerdings das Gemeinsame zu vernachlässigen. Wir hatten das Glück, dass wir stets ein gemeinsames Projekt verfolgen konnten. Erst war es die Familie, dann das Geschäft, schliesslich die Politik. Jeder nimmt teil - wenn nötig tatkräftig - an dem, was den andern bewegt und beschäftigt. Wer ist der Chef in Ihrer Ehe? Silvia Blocher: Das lässt sich nicht so klar beantworten. Zum Beispiel habe ich dieses Haus gebaut, mein Mann war ursprünglich dagegen. Umgekehrt gibt es Beispiele, wo er sich durchsetzte. Muss man Ihren Mann vor sich selbst schützen? Silvia Blocher: Ja, belastungsmässig. Dass er nicht zu viel macht. War es je eine Belastung, Frau Blocher zu sein? Silvia Blocher: Das ist für mich kein Problem. Sie sind ja auch nur da, weil ich die Frau dieses Mannes bin. Ich erfahre eigentlich mehr Positives: Anerkennung statt Ablehnung. Allerdings ist es auch schön, sich ab und zu im Ausland aufzuhalten, wo uns niemand erkennt. Ist Ihr Mann auf Ihre Unterstützung angewiesen? Silvia Blocher: Natürlich. Würden Sie im Rückblick alles gleich machen? Den gleichen Mann heiraten? Silvia Blocher: Ab und zu hänge auch ich dem Gedanken nach, wie schön wäre es doch, ich hätte einen Mann geheiratet, der um vier Uhr nachmittags nach Hause kommt und im Garten etwas häckelt. Doch wenn ich ehrlich bin, würde mir die geistige Auseinandersetzung fehlen. Welche Eigenschaft muss ein Mann haben? Silvia Blocher: Er sollte nicht langweilig sein. Was heisst das? Silvia Blocher: Er soll eine Meinung haben und die vertreten. Offen sein für vieles, begeisterungsfähig, ursprünglich und echt. Worauf schauen Frauen bei Männern? Auf den Erfolg? Silvia Blocher: Ich bin für diese Frage die falsche Adressatin. Ich habe seinerzeit einen armen Studenten geheiratet. Spielt das Aussehen eine Rolle? Silvia Blocher: Die Ausstrahlung, würde ich sagen. Ob die Nase gekrümmt ist, darauf kommt es nicht an. Und ich glaube, die Männer halten es auch so. Vielleicht überschätzen Sie die Männer. Silvia Blocher: Meinen Sie? Es gibt Forscher, die behaupten, Frauen würden bei einem Mann zwischen einem Liebhaber und dem Vater ihrer Kinder unterscheiden. Sie nehmen sozusagen einen Gen-Check vor. Silvia Blocher: Das macht man wohl kaum bewusst, aber bestimmt überlegt man es sich besser, wen man heiratet. Als Sie Ihren Mann kennen lernten, war Ihnen klar, dass er einst so erfolgreich sein würde? Silvia Blocher: Überhaupt nicht. "Was willst du einen Studenten und Bauernknecht heiraten?", fragte meine Mutter. "Du hättest doch andere Möglichkeiten." Warum haben Sie ihren Rat missachtet? Silvia Blocher: Aus Liebe. Was war es denn nun, das Sie bewegt hat, Christoph Blocher zu heiraten? Welches ist die Ur-Anekdote? Silvia Blocher: Die gibt es nicht. Ich habe ihn über längere Zeit kennen gelernt und gewann die Überzeugung, er könnte der Richtige sein. Welche Eigenschaften hatte er, die Sie so sicher machten, dass Sie noch mit achtzig Freude an ihm haben? Silvia Blocher: Mein Mann hat Energie. Extrem viel Energie. Das hat mir gefallen. Und dann war er ein Mann, dem ich mich nicht überlegen gefühlt habe. Oft hört man, starke Persönlichkeiten vertragen sich auf Dauer nicht. Silvia Blocher: Dieser Meinung bin ich nicht. Im Gegenteil, anstrengender ist es schon, vor allem wenn noch vier Kinder kommen, die natürlich alle auch so viel Energie haben. Aber das macht es noch spannender.