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23.02.2002

Graubünden ist bis heute stets zur Schweiz gestanden

Die Schweiz und Graubünden würden mit einem Beitritt zur Uno nur verlieren: Nationalrat Christoph Blocher über die Neutralitätspolitik des Bundesrates, über drohende Verpflichtungen für die Schweiz bei einem Uno-Beitritt. Interview mit dem Bündner Tagblatt vom 23. Februar 2002 Interview: Claudio Willi Graubünden gilt neuesten Umfragen nach nicht mehr als Wackelkanton, sondern als zustimmender Kanton. Mit welchem Ausgang rechnen Sie in Graubünden? Christoph Blocher: Graubünden ist bis heute stets zur Schweiz gestanden. Graubünden kann kein Interesse haben, dass weiter Geld ins Ausland geschickt wird, in eine Uno als Fass ohne Boden. Das Geld wird im eigenen Kanton fehlen. Die SVP Graubünden hat die Ja- Parole gefasst - im Gegensatz zur Mutterpartei. Hat Sie das überrascht und / oder enttäuscht? Blocher: Überrascht leider nicht, aber enttäuscht. Die Basis denkt wohl anders als der Parteitag der Offiziellen. Das habe ich schon bei der Abstimmung für das Militärgesetz im Juni letzten Jahres beobachten können. Der Kanton Graubünden hat, wenn es um die Schweiz gegangen ist, stets Wert auf die Selbstbestimmung gelegt. Man vergleiche die letzte Uno-Abstimmung, die Abstimmung über den EWR und das Militärgesetz. Leider stand auch die Bündner SVP, wie auch die anderen Parteien nicht auf der Seite der Mehrheit. Der Bundesrat war bis 1980 auch gegen einen Beitritt zur Uno, nicht zuletzt aus Gründen der Neutralität. Was hat sich in der Zwischenzeit geändert? Blocher: Der Bundesrat und die Mehrheit des Parlamentes nehmen zunehmend Abschied von der Selbstbestimmung, der Neutralität und der Souveränität der Schweiz. Sie wollen zunächst in die Uno, dann in die EU. Das alles ist nicht zum Wohl der Schweizerinnen und Schweizer, davon profitieren Politiker und multinationale Grossfirmen, welche in der Schweiz nur noch eine kleine Basis haben. Die Schweiz müsste keine Truppen stellen, auch nicht als Vollmitglied. Das ist juristisch wasserfest. Blocher: Die Schweiz müsste einen Vertrag unterzeichnen, der die Schweiz verpflichtet, auf Ersuchen des Sicherheitsrates Streitkräfte zur Verfügung zu stellen, Beistand zu leisten und Erleichterungen einschliesslich des Durchmarschrechtes zu gewähren (Artikel 43 der Uno-Charta). Die Details (Zahl, Art der Streitkräfte, Bereitschaftsgrade und so weiter) müssten in einem Sonderabkommen geregelt werden, das nach Massgabe unseres Verfassungsrechtes ratifiziert würde. Die formaljuristische Behauptung des Bundesrates, dass man ein solches Abkommen einfach nicht unterzeichnen würde, halte ich für einen Trick, der die Schweiz grossem internationalen Druck aussetzen könnte. Die Uno ist keine Rechtsgemeinschaft, sondern eine Machtgemeinschaft. Da sollte man aufpassen, was man unterzeichnet. 60 der 189 Staaten mussten noch nie Truppen stellen. Blocher: In der Uno gibt es auch Staaten ohne Armeen und mit unbrauchbaren Armeen. Diese müssen keine Armeen stellen. Zahlen müssen allerdings alle an solche Kriege, auch wenn sie keine Armeen stellen, das gälte insbesondere auch für die reiche Schweiz! Andere neutrale Länder, wie Schweden und Finnland, sind auch Vollmitglieder der Uno, ohne dass ihr Status als neutraler Staat darunter leidet. Diese Länder haben keine umfassende Neutralität wie die Schweiz. Schwedens Regierung hat letzte Woche beschlossen, seine Neutralität ganz aufzugeben, weil man als Neutraler nicht in der Uno und der EU sein kann. Das Gleiche erklärt auch der österreichische Bundeskanzler. Was den Neutralitätsvorbehalt betrifft, hat der Bundesrat zuerst Nein gesagt, will nun aber in einem Brief etwas Entsprechendes nachliefern. Genügt dies? Blocher: Nein. Bundesrat und Parlament haben einen Vorbehalt abgelehnt, der die Schweiz berechtigt hätte, die Uno-Charta nur so weit erfüllen zu müssen, als es mit unserer selbst gewählten, dauernden, bewaffneten, bündnisfreien und umfassenden Neutralität nicht im Widerspruch steht. Der Bundesrat erklärt in seinem Beitrittsschreiben, er werde die Charta vollumfänglich erfüllen. Das wird die Neutralität beenden. Dass er im Begleitschreiben erwähnt, die Schweiz sei neutral, das kümmert niemanden. Wäre ein klarer Neutralitätsvorbehalt - wie ihn Ständerat Christoffel Brändli vorschlug - nicht besser gewesen? Hätten Sie bei einem Neutralitätsvorbehalt einem Uno-Beitritt zustimmen können? Blocher: Zumindest wären dann die schweren Bedenken betreffend die Neutralität beseitigt gewesen. Wäre es moralisch möglich, wirtschaftliche Sanktionen nicht mitzutragen, wenn die Völkergemeinschaft solche beschlossen hat? Blocher: Ist das, was der von den fünf Grossmächten dominierte Sicherheitsrat beschliesst, stets moralisch? Millionen von Menschen sind so ausgehungert worden. Unrecht wird nicht besser, wenn es alle miteinander tun wie die Wölfe in einem Wolfsrudel. Es bleibt auch dann unmoralisch, wenn sich alle beteiligen. Zugegeben, die Uno hat ein Demokratiedefizit. Die Grossmächte haben mehr zu sagen. Aber widerspiegelt dies nicht auch die Realitäten? Blocher: Diese Macht ist Realität. Ein Kleinstaat sollte sich nicht durch einen Vertrag blindlings diesen Machtspielen aussetzen. Der proklamierte "Schritt der Öffnung" hin zur Uno habe aber nichts mit einer Annäherung an die EU oder die Nato zu tun, sagt der Bundesrat. Bundesrat Deiss hat eine Woche nach Annahme der bilateralen Verträge erklärt, die erste Etappe sei für die Schweiz der Uno-Beitritt, dann müssten die "Beitrittshürden" für den EU-Beitritt beseitigt werden, zum Beispiel die Mehrwertsteuer auf das EU-Niveau von 15 Prozent angehoben werden, um dann der EU beizutreten. Sagt die Schweiz am 3. März Nein zum Uno-Beitritt, dann kann dieser Marschplan nicht eingehalten werden. Das muss vor allem der Kanton Graubünden gut bedenken. Die internationalen Organisationen werden für die Randgebiete sicher keine Vorteile bringen. Was wären die Folgen eines Beitritts, was die eines Nein zur Uno? Blocher: Würde die Schweiz der Uno beitreten, würde sie ihre Grundsäulen, die die Schweiz stark gemacht haben, schwächen. Souveränität, Völkerrecht, Neutralität würden verletzt. Dazu müsste die Schweiz Millionen ins Ausland schicken, denn die Uno ist ein Fass ohne Boden. Diese Millionen fehlten dann in der Schweiz. Sagt die Schweiz Nein, so könnte sie wie bisher wirtschaftlich erfolgreich und freiheitlich bleiben.

19.02.2002

Verträgt sich der UNO-Beitritt mit der Neutralität?

Streitgespräch in der Aargauer Zeitung / Mittelland Zeitung vom 19. Februar 2002 Das grosse UNO-Duell: Ständerat Thomas Pfisterer (FDP/AG) und Nationalrat Christoph Blocher (SVP/ZH) Mathias Küng, Jürgen Sahli Wie stehen Sie zur UNO? Erachten Sie sie als etwas Überflüssiges, fürchten Sie sie gar als eine Art "Weltregierung" oder ist sie eine Hoffnung für die Welt? Blocher: Wir stimmen am 3. März nicht darüber ab, ob es die UNO braucht oder nicht. Auch nicht darüber, ob sie gut oder schlecht ist. Seit Jahren sind wir bei praktisch allen Unterorganisationen dabei. Überall dort, wo es nicht um Krieg oder Frieden, das heisst um die internationale Sicherheit geht, sind wir dabei, also bei Flüchtlingsfragen, Entwicklungshilfe, Wirtschaftsfragen wie Weltbank oder Währungsfonds, Kulturellem usw. Diese Organisationen sind unbedenklich. Warum? Blocher: Diese UNO-Unterorganisationen sind zwar ineffizient und verschlingen viel Geld, aber sie können ja auch nur Empfehlungen beschliessen. Die Schweiz zahlt an diese Organisationen heute über 500 Millionen Franken pro Jahr. Doch Mitglied der politischen UNO sind wir nicht, weil sich die Schweiz nicht dem mächtigsten Organ der UNO - dem Sicherheitsrat - unterwerfen will. Dieser kann für die Mitgliedländer nämlich verbindliche Beschlüsse fassen. Dort geht es um Krieg und Frieden! Der Bundesrat hat schon nach der Gründung der UNO klar erklärt, dass sich ein Beitritt nicht mit der schweizerischen Neutralität vertrage. Auch hätte die Schweiz keinerlei Nutzen von einem Beitritt. Oder kann mir jemand sagen, welche Nachteile wir wegen der Nichtmitgliedschaft bisher hatten? Durch einen UNO-Beitritt der Schweiz wird die Welt nicht besser. Manche Politiker reden aber natürlich gern im UNO-Glaspalast über die ganze Welt. Das ist interessanter, als in der Schweiz selbst zum Rechten zu schauen. Pfisterer: Ich möchte voraus klarstellen: Wir zahlen nicht über 500, sondern 470 Millionen Franken jährlich. Auch das ist viel Geld, aber bleiben wir doch präzise, Herr Blocher. Blocher: Heute sind es über 500 Millionen, 470 Millionen zahlten wir 1999. Pfisterer: Ja, das ist die Zahl aus der bundesrätlichen Botschaft. Doch jetzt zur Grundidee der UNO: Die ist gut. Es ist genau dieselbe Idee, welche der Eidgenossenschaft zugrunde liegt. Es soll nicht mehr geschehen, dass das Opfer einem Angreifer allein ausgesetzt ist. Alle zusammen sollen sich gemeinsam für das Opfer und das Recht wehren. Diese Idee lag schon 1291 unserem Bundesbrief zugrunde. Doch jetzt entscheiden wir nicht über die UNO an sich... Sondern? Pfisterer: Sondern über die Frage, ob es für die Schweiz vernünftig ist, dort mitzumachen, wo sie ihre Interessen möglichst gut wahrnehmen kann. Das ist das entscheidende Kriterium. Wir diskutieren darüber, ob wir nur bezahlen oder auch mitbestimmen wollen. Derzeit sitzen wir nicht einmal auf der Reservebank. Von dort aus könnte man wenigstens manchmal ins Spiel eingreifen. Aber auf dem Zuschauerbänklein, wo wir jetzt sind, kann man nicht einmal das. Wir entscheiden am 3. März auch über die Frage, ob wir in Genf bloss den Hotelier spielen oder ob wir selbst auch an den Konferenzen teilnehmen und Respekt für unser Land gewinnen wollen. Wir sind schliesslich jemand in der Welt! Wir dürfen uns auch zeigen. Und jetzt tun wir dies nicht? Pfisterer: Es ist wichtig, dass man dorthin geht, wo man seine eigenen Interessen wahrnehmen kann. Ich habe dies in meiner Zeit als Mitglied der Aargauer Regierung immer wieder erlebt. Nehmen wir das Beispiel des Baregg-Tunnels. Da musste nicht nur im Aargau eine Mehrheit gefunden werden. Auch die Zürcher und "Bern" wollten überzeugt werden, der Bundesrat, diverse Ämter. Dasselbe gilt in der Aussenpolitik, zu einem guten Teil für New York. Man muss dorthin gehen, wo man die Interessen am besten wahrnehmen kann. Wer etwas verkaufen will, muss auf den Markt, nicht sich hinter dem Ofen verkriechen. Herr Blocher, wenn Sie die UNO als Ganzes ansehen, ist doch mehr gut als schlecht? Blocher: Ich streite nicht darüber. Ich könnte Ihnen Beispiele geben, wo auf der Welt aus Verschulden der UNO Millionen von Menschen verhungert sind. Sie werden umgekehrt gute Beispiele finden. Wir stimmen nicht darüber ab. Herr Pfisterer, überall dort, wo wir zahlen, reden und bestimmen wir voll mit, das heisst bei allen Spezial-Organisationen. Sie wollen doch nicht etwa behaupten, das Budget von Weltbank oder FAO werde in der UNO-Generalversammlung entschieden? Diese Entscheide fallen in den betreffenden Gremien selbst, wo wir dabei sind. Auch die Generalversammlung - wo jedes Land eine Stimme hat - kann nur Empfehlungen erlassen. Verbindliche Entscheide erlässt der 15-köpfige mächtige Sicherheitsrat. Ist dies Ihr wichtigstes Argument? Blocher: Das ist entscheidend. Es geht um Krieg und Frieden. Darüber entscheidet der Sicherheitsrat allein. Die Generalversammlung entscheidet in der Regel per Akklamation. Wenn Sie die Charta anschauen, die wir unterschreiben müssen, sehen Sie, dass der Grossteil davon vom Sicherheitsrat handelt. Dieser ist für die internationale Sicherheit zuständig. Darin sitzen die Grossmächte USA, Russland, China, England und Frankreich. Sie sichern sich ihre Souveränität mit ihrem Vetorecht. Die zehn wechselnden zusätzlichen Mitglieder des Sicherheitsrates sind weniger wichtig. Doch was der Sicherheitsrat entscheidet, müssen die UNO-Mitglieder umsetzen. Das gilt genauso für die Generalversammlung. Wenn der Sicherheitsrat ein sicherheitspolitisches Thema behandelt, darf die Vollversammlung nicht einmal darüber diskutieren. Darum ist die Schweiz nicht beigetreten. Darum hat der Bundesrat - bis er in die UNO und EU wollte - stets erklärt, die Schweiz könne der politischen UNO nicht beitreten. Herr Pfisterer, teilen Sie diese Bedenken? Pfisterer: Es stimmt nicht, dass die Generalversammlung eine Durchführungsbehörde gegenüber dem Sicherheitsrat ist. Die Generalversammlung fälllt Entscheide, zum Beispiel über die Finanzen. Sie hat sich schon mehrfach gegenüber dem Sicherheitsrat klar durchgesetzt. Sie hat in der Koreakrise einen wichtigen Beschluss gefasst, mit dem sie dem Sicherheitsrat für den Fall, dass er sich nicht einigen könnte, Beine gemacht hat. Dasselbe geschah in der Suezkrise 1956. Damals hat die Generalversammlung sogar eine Truppe auf die Beine gestellt, weil der Sicherheitsrat nicht aktionsfähig war. Es stimmt auch nicht, Herr Blocher, dass die Generalversammlung weniger Beschlüsse fasse. In den letzten zehn Jahren hat sie etwas über 3000 Beschlüsse gefasst, der Sicherheitsrat etwa 700. Das ist der Unterschied. Der Sicherheitsrat ist bewusst klein. Er muss rasch handeln können. Inwiefern nützt dies der Welt? Pfisterer: Nehmen wir die Bosnienkrise. Da war es auch für die Schweiz wichtig, dass rasch gehandelt wurde. Man konnte nicht auf die jährliche UNO-Generalversammlung im Herbst warten, etwa wenn Flüchtlinge aus dem früheren Jugoslawien Richtung Schweiz aufbrechen; sonst stehen sie schon an der Schweizer Grenze. Zudem wird heute sowohl in der Generalversammlung wie auch im Sicherheitsrat im Konsensverfahren entschieden. Das läuft ähnlich wie in der Schweiz mit ihrem Referendumsrecht. Konkret sieht es so aus, dass so lange verhandelt wird, bis man zu einer Lösung kommt. Das ist die gutschweizerische Methode! Der Sicherheitsrat von heute bringt das zustande, also können auch die Kleinen mitreden. Er ist nämlich ein ganz anderer als derjenige von 1945. Blocher: Wenn Sie die UNO so idealisieren, bekomme ich geradezu Angst. Da erhält man den Eindruck eines friedlichen, feinen Klubs. Und wie ist die Realität? Auf der Welt herrschen 40 Kriege. Alle unter UNO-Mitgliedern. Es ist noch kein halbes Jahr her, dass die UNO selbst festgestellt hat, der Friede sei noch nie so gefährdet gewesen wie jetzt. Sehen Sie nicht, Herr Pfisterer, dass die Grossmächte mehr oder weniger machen, was sie wollen? Sie führen Krieg mithilfe der UNO - wenn sie mitmacht - oder allein, wenn die UNO nicht mitmacht. Die fünf Grossmächte beraten untereinander. Wenn einer bei einem Thema Opposition macht, tragen sie es schon gar nicht mehr in den Sicherheitsrat hinein. Die Bombardierungen im Kosovo waren keine UNO-Aktion. Das war die Nato unter Führung der Amerikaner. Den Krieg in Afghanistan haben die Amerikaner selbst unternommen. Die Russen waren sogar froh darüber, weil sie die Tschetschenen jetzt auch als Terroristen behandeln und machen können, was sie wollen. Pfisterer: Was bringt es der Schweiz, über den Sicherheitsrat zu jammern? Was ändert es, wenn wir draussen bleiben? Wir hätten weiterhin nichts zu sagen, welche Unvernunft! Herr Blocher, Sie sprechen von den vielen Kriegen, die es leider auf der Welt gibt. Die meisten bewaffneten Auseinandersetzungen finden innerhalb eines Landes statt. Das ist eine völlig andere Situation als im und nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie haben die Rolle von Amerika angesprochen. Selbstverständlich bereitet uns dessen Rolle Sorgen. Es ist als einzige ganz grosse Macht geblieben. Wer klopft ihr auf die Finger? Höchstens noch die UNO. Blocher: Glauben Sie das wirklich? Pfisterer: Ja, natürlich. Letztes Jahr sind die Amerikaner, weil sie immer noch Todesurteile fällen und vollstrecken, aus der Menschenrechtskommission rausgeflogen. Blocher: Wie wenn das den USA geschadet hätte... Pfisterer: Ja natürlich. Für die USA, die sich selbst als Hüterin der Menschenrechte verstehen, ist das eine äusserst peinliche Angelegenheit. Gegen den Willen der Amerikaner haben die Völker auch den Internationalen Strafgerichtshof durchgesetzt. Zu Afghanistan: Ja, die Amerikaner sind dort allein reingegangen. Man kann darüber diskutieren, ob das vernünftig war. Doch inzwischen setzt sich die UNO mit Afghanistan auseinander. Sie schickt Friedenstruppen und hat eine Friedenskonferenz auf die Beine gestellt. Herr Bundesrat Schmid (SVP) befürwortet den UNO-Beitritt. Er hat kürzlich in Lenzburg bestätigt, dass sich die Schweiz in Übereinstimmung mit unserer traditionellen Politik der Guten Dienste sehr für deren Durchführung in der Schweiz eingesetzt hat. Wir bekamen sie nicht, obwohl hier alles vorbereitet war. Herr Pfisterer spricht von Veränderungen. Was hat sich seit 1986 geändert? Blocher: Wir müssten den genau gleichen Vertrag unterzeichnen wie 1986. Schon damals argumentierte der Bundesrat, wir seien praktisch als einziges Land nicht dabei, und behauptete, ein Beitritt sei mit der Neutralität vereinbar. Doch das Volk lehnte ab. Mitte der 80er-Jahre begannen der Bundesrat und das Parlament die Neutralität und die Souveränität zu missachten. Sie wollten in die UNO (1986), in den EWR (1992) und reichten das EU-Beitrittsgesuch ein (1992). Man kann aber nicht neutral und UNO-Mitglied sein, nicht zu reden von der EU-Mitgliedschaft. Denn wenn wir diesen UNO-Vertrag unterschreiben, kann uns der Sicherheitsrat befehlen, Massnahmen gegen andere Länder durchzuführen. Sie sprechen jetzt von wirtschaftlichen Sanktionen? Blocher: Ich rede von allen Sanktionen, zum Beispiel, diplomatische Beziehungen abzubrechen. Man kann uns dann befehlen, mit anderen Ländern nicht mehr zu reden. Das ist ein kriegerischer Akt! Dasselbe gilt für die wirtschaftlichen Sanktionen. Da kann man befehlen, ganze Völker auszuhungern bis hin zum Bereitstellen von Truppen, wenn es der Sicherheitsrat wünscht. Kennen Sie ein Land, das ein solches Sonderabkommen unterschrieben hat? Blocher: Alle Länder, die Truppen sandten, haben ein solches Abkommen gemacht. Auch wenn "Bern" sagt, keines habe dies getan. Dies kann ja auch mündlich oder telefonisch sein. 110 Länder haben bereits Truppen zur Verfügung gestellt. Als UNO-Mitglied wäre die Schweiz verpflichtet, auf Ersuchen des Sicherheitsrates Streitkräfte zu stellen (Art. 43, Abs. 1) und über ein Sonderabkommen für die technischen Details zu verhandeln (Art. 43, Abs. 2). Der Bundesrat sagt, er werde dann einfach kein solches Abkommen abschliessen. Doch welchem politischen und moralischen Druck wären wir als UNO-Mitglied ausgesetzt! Das wäre ein Verstoss gegen die Neutralität und gegen die Souveränität. Wir würden uns zum ersten Mal einem ausländischen Staatenorgan unterstellen. Dieses würde für die Schweiz entscheiden. Doch die Neutralität wird auch in Zukunft für uns sehr wichtig sein. Wir wollen nicht in Kriege hineingezogen werden und Terrorismus zu uns holen. Die Neutralität schützt uns davor. Auch Sie wollen die Neutralität beibehalten, Herr Pfisterer. Teilen Sie Christoph Blochers Befürchtungen nicht? Pfisterer: Eine Vorbemerkung: Wir unterschreiben keinen Vertrag, sondern treten gleichsam einem "Verein" bei. Wirtschaftliche Sanktionen sind kein Krieg. Wir befolgen sie ohnehin. Der Sicherheitsrat darf nicht befehlen, dass ein Land Truppen bereitstellen muss. Wir stimmen am 3. März nicht über die EU ab, Herr Blocher. Ich bin letztes Jahr nicht vergebens etwa zwanzigmal angetreten, um die Initiative für die EU-Beitrittsverhandlungen zu bekämpfen. Uns stellt sich allein die Frage, wie wir unsere Interessen am besten wahrnehmen können. Zu diesem Zweck sagen wir Ja zum UNO-Beitritt, lassen uns aber gleichzeitig eine klare Versicherungspolice ausstellen. Womit? Pfisterer: Wir sichern unsere Neutralitätspolitik vierfach ab. Erstens geben wir gegenüber der UNO eine Neutralitätserklärung ab, wie das 1967 die Österreicher getan haben. Wenn wir diese vorbringen, wird niemand widersprechen, dann ist sie verbindlich. Aber sie bleibt in der Hand der Schweiz. Die Schweiz kann, wenn wieder ein Neutralitätsfall eintreten sollte, ganz allein entscheiden. Wenn wir eine "aktive" Garantie der UNO verlangen, liefern wir die Neutralität an die UNO aus. Zweitens ist die Neutralität durch Artikel 43 der UNO-Charta abgesichert. Ich komme darauf zurück. Drittens durch das Militärgesetz, welchem das Schweizervolk letzten Sommer zugestimmt hat. Das ist die Abstimmung, die Sie verloren haben, Herr Blocher. Dieses Gesetz macht klar, dass wir keine Truppen in bewaffnete Konflikte schicken dürfen. Viertens ist die Neutralitätspolitik in unserer Bundesverfassung als Aufgabe des Bundesrates und des Parlaments festgeschrieben. Er und das Parlament haben über die Einhaltung dieser Vorgaben zu wachen. Das werden wir auch tun. Wir behalten die Neutralitätspolitik als Notbremse in der Hand. Wenn dereinst alle Stricke reissen sollten, können wir aus der UNO austreten. So steht es geschrieben im Zusatzvertrag von San Francisco. Und wie steht es mit dem Artikel 43? Pfisterer: Kein UNO-Mitgliedsland ist verpflichtet, Truppen zu stellen. Sonst könnten ja über 60 Länder gar nicht Mitglied sein, weil sie kaum Truppen oder höchstens Polizei haben. Es ist noch nie vorgekommen, dass ein Land mit der UNO im voraus ein generelles Sonderabkommen geschlossen hat. Das wäre in der Schweiz auch gar nicht möglich, ohne Parlament und ohne dass dagegen das Referendum ergriffen würde. Blocher: Im Voraus und generell nicht, aber von Fall zu Fall ... Pfisterer: Das war die Frage, die Herr Küng gestellt hat. Die Antwort lautet: Das ist noch nie vorgekommen. Wenn in einem Einzelfall so ein Vertrag abgeschlossen wird, besagt die UNO-Charta klipp und klar, dass es für dessen Gültigkeit die Zustimmung des betreffenden Landes braucht, nach seinem eigenen Verfassungsrecht. Für uns heisst dies für ein einzelnes Abkommen minimal die Zustimmung des Schweizer Parlaments. Wir gehen kein Risiko ein. Die UNO ist keine Weltregierung. Sie darf es auch nicht werden. Herr Blocher, eine vierfache Absicherung müsste doch reichen? Blocher: Das ist "l´art pour l´art". Bundesrat und Parlament haben einen Neutralitätsvorbehalt abgelehnt. Wir haben verlangt, die UNO müsse bestätigen, wonach die Schweiz die Charta nur soweit zu erfüllen hat, als sie mit unserer freigewählten, dauernden, bewaffneten, integralen, bündnisfreien Neutralität nicht im Widerspruch steht. Bundesrat und Parlament haben dies abgelehnt, denn der entscheidende Satz im Brief des Bundesrates kommt am Schluss, wonach die Eidgenossenschaft die UNO-Charta anerkennt und willens ist, diese zu erfüllen - vorbehaltlos. Damit hat der Sicherheitsrat das Sagen. Die Grossmächte, welche darin sitzen, teilen die Welt untereinander auf. Deshalb geht in ihren Interessenzonen auch nichts. Die UNO ist keine Rechtsgemeinschaft, sie ist eine Machtgemeinschaft. Sie hat auch keine Möglichkeit, das Recht durchzusetzen. Zum Beispiel? Blocher: Die UNO hat schon mehrfach verlangt, Israel müsse seine Siedlungspolitik einstellen. Doch es passiert nichts, weil Israel in den Einflussbereich von Amerika gehört. Dasselbe geschieht mit Tibet im Einflussbereich Chinas. Und für Tschetschenien, weil es zum Einflussbereich Russlands zählt. Also kann die Charta nur für andere gelten. Folglich kann es für Bündnisfreie Länder gefährlich sein, einen solchen Vertrag zu unterschreiben. Deshalb hat der Bundesrat, als er noch zu unseren Werten stand, immer gesagt, das unterschreiben wir nicht. Nochmals zu Artikel 43: Wir unterschreiben eine grundsätzliche Verpflichtung. Und wir unterschreiben, dass wir auf Wunsch des Sicherheitsrates Verhandlungen führen. Herr Pfisterer, die 60 Staaten, die keine Armee haben, müssen keine Truppen stellen. Aber all diejenigen, die eine Armee haben, unterschreiben mit dem Beitritt, bereit zu sein, wenn der Sicherheitsrat will. Pfisterer: Das ist eine Halbwahrheit. Der Sicherheitsrat kann kein Truppenaufgebot befehlen und die Grossmächte schon gar nicht. Das Veto kann nur etwas verhindern, nicht anordnen. Blocher: Lassen Sie mich ausreden. Mit dem Vertrag geben wir unser grundsätzliches Ja für Sonderabkommen. Wir wären als Mitglied verpflichtet, solche auszuhandeln, sobald der Sicherheitsrat dies wünscht. Es kann sein, dass wir streng juristisch gesehen nicht unterschreiben müssten. Aber der Druck wird gewaltig sein. Und zahlen müssen wir für diese Kriege sowieso. Das ist nochmals ein Widerspruch zur Neutralität. Hat die UNO je ein Land gezwungen, Truppen zu stellen? Blocher: Vielleicht hat sie dies nicht tun müssen, weil bisher alle freiwillig Truppen gestellt haben. Wo ist das Problem, wenn andere Länder streiten, Truppen stellen zu dürfen? Blocher: Weil Sie eine Verpflichtung unterschreiben. Jetzt wird immer gesagt, die Welt ändere sich, sie sei ganz anders als vor 16 Jahren. Was glauben Sie denn, wie sie in weiteren 16 Jahren aussieht? Wir unterschreiben eine Verpflichtung, die wir als Kleinstaat ernst nehmen. Ist einmal unterschrieben, hätte das Volk in diesen Dingen nichts mehr zu sagen. Herr Pfisterer, haben Sie keine Angst, dass die Schweiz Scherereien bekommt, wenn sie als gewissermassen letztes Land der Welt der UNO beiträte? Pfisterer: Nein. Unsere Neutralitätserklärung enthält zwei Teile. Am Schluss steht die Verpflichtungsformel, die von der Charta vorgesehen ist. Im von Christoph Blocher zitierten Brief steht klar: "Die Schweiz bleibt auch als Mitglied der Vereinten Nationen neutral." Die einseitige Erklärung reicht. Das Parlament hat darüber diskutiert, ob wir mit der UNO einen Neutralitätsvertrag schliessen sollen? Nein! Die Schweiz soll selbst entscheiden können, wann die Neutralität anrufen will. Ich will nicht, dass jetzt die UNO über unsere Neutralität diskutiert und bestimmt, wie sie sie versteht und dereinst ein Bundesrat nach New York pilgern und fragen müsste, ob die UNO bereit wäre, die Neutralität anzuerkennen. Wir wollen es halten wie die Österreicher, die als UNO-Mitglied allein Herr und Meister über ihre Neutralität geblieben sind. Ein letztes. Die UNO ist auf dem Weg zu einer Rechtsgemeinschaft. Sie hat wesentlich mehr zustande gebracht als der Völkerbund. Denken wir ans Völkerrecht, das heute weitgehend durch die UNO initiiert worden ist. Wir als kleines Land, das für seinen Wohlstand auf das Wirtschaften in der ganzen Welt angewiesen ist, haben nur dann eine Chance, wenn Verträge eingehalten werden. Am ehesten Garant dafür ist die UNO. Darum wollen wir dazu beitragen, dass es in diese Richtung weiter geht. Blocher: Jetzt wird es aber ganz problematisch, Herr Pfisterer. Wenn Sie vom Völkerrecht reden, das gemäss neuer Bundesverfassung über unserem nationalen Recht steht, wird der Volkswille in einem unglaublichen Mass ausgeschaltet. Letzte Woche hat Schweden den Abschied von der Neutralität bekannt gegeben, weil sie mit dem UNO- und EU-Beitritt unvereinbar sei, und der österreichische Bundeskanzler will dasselbe tun. Es ist eben so: Man kann nicht neutral und gleichzeitig in der UNO und der EU sein. Sie sagen, es ändere sich nichts, wenn wir der UNO nicht beitreten. Doch, etwas ändert sich: Wir unterschreiben dann keinen Vertrag mit seinen vielen Risiken. Nur mit einem von der UNO akzeptierten Neutralitätsvorbehalt hätten wir diese Risiken ausschalten können. Jetzt aber müssten wir bei der UNO "Bittibätti" machen, wenn wir die Charta einmal aus neutralitätspolitischen Gründen nicht erfüllen wollen. Pfisterer: Durch den UNO-Beitritt wird kein einziges Volksrecht beeinträchtigt. Im Gegenteil. Unser Parlament hat in der Aussenpolitik sogar mehr Kompetenzen als andere nationale Parlamente. Es kann mehr als andere auf die Politik der UNO Einfluss nehmen. Wenn Sie, Herr Blocher, unsere Unabhängigkeit wahren wollen und gleichzeitig verlangen, dass die Schweiz die Neutralität einem Vertrag mit der UNO unterwirft, widersprechen Sie sich selbst. Dann fangen UNO-Generalversammlung und Sicherheitsrat an, über den Inhalt unserer Neutralitätspolitik zu diskutieren! Das wollen wir doch beide nicht! Ich will, dass die Schweiz jederzeit auf die Neutralität pochen und sie auch durchsetzen kann, wenn es der UNO nicht passt. Das ist unser Konzept, darüber stimmen wir ab. Eine weitere Frage ist die der Kosten für den UNO-Beitritt. Der Bundesrat veranschlagt 75 Millionen Franken jährlich. Blocher: Die UNO wird ein Fass ohne Boden. Sie hat zwar auf Druck der Amerikaner die Administrationskosten eingefroren. Doch seit 1998 sind die Gesamtkosten - ohne Unterorganisationen wohlverstanden - mit den so genannten friedenserzwingenden und - erhaltenden Massnahmen sowie den Sondergerichten von 2,1 auf 3,4 Milliarden Dollar geklettert. Die steigen weiter. Ein Fass ohne Boden, Herr Pfisterer? Pfisterer: Wir müssen die Dimensionen sehen. Die Generalversammlung legt die Kosten entsprechend der Wirtschaftskraft eines Landes fest. Die Schweiz hätte demzufolge 1,274 Prozent des Haushalts zu zahlen. Das ist pro Kopf der Bevölkerung etwas weniger als Holland, Luxemburg, Liechtenstein oder Deutschland zahlen. Wir sollten aber auch an den wirtschaftlichen Gewinn denken, der sich aus einem Beitritt ergäbe. Der UNO-Standort Genf bringt der Schweiz pro Jahr einen Umsatz von drei Milliarden Franken und ca. 240 Millionen Franken für Güter, die in der Schweiz jährlich gekauft werden. Im Raum Genf stellt die UNO zehn Prozent der Arbeitsplätze. Blocher: Ende März wird in Mexiko darüber beraten, ob eine UNO-Steuer eingeführt werden soll. Vielleicht kommt sie nicht. Aber wenn sie kommt, will ich sehen, wie der Bundesrat aussenpolitischem Druck standhält! Das ist ja nicht gerade seine Stärke. Dann gibt es den so genannten Brahimi-Bericht mit Empfehlungen für militärische Massnahmen. Der ist vernichtend. Er schlägt sogar eine UNO-Weltarmee vor, die man gleichzeitig in fünf Erdteilen einsetzen könnte. Ob sie kommt, weiss ich nicht. Aber es gibt in der Generalversammlung eine entsprechen-de Tendenz. Pfisterer: Die Mexiko-Konferenz ist ein reines Informationsaustausch-Gremium. Die UNO hat keine Kompetenz zum Erlass von Fiskalabgaben. Wenn sie es trotzdem täte, würde dies von einer der viel gescholtenen Grossmächte im Sicherheitsrat sicher blockiert. Der Brahimi-Bericht ist ein Stück Papier, genauso wie der Brunner-Bericht, an dem Sie, Herr Blocher, seinerzeit mitgearbeitet haben. Blocher: Halt, halt, der Brahimi-Bericht ist ein Bericht im Auftrage der UNO... Pfisterer: Es ist Papier auf der gleichen Ebene. Ihm wird es so gehen wie dem Brunner-Bericht. Das haben Sie vorausgesagt und haben damit Recht bekommen. Blocher: Es kommen noch mehr Kosten dazu: Der UNO-Generalversammlung liegt seit 1972 ein Vorschlag vor, die Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts aufzustocken. Das würde für die Schweiz 1,6 Milliarden Franken ausmachen. Als erste Stufe sagt der Bundesrat, von derzeit 0,32 auf 0,4 Prozent hinaufzugehen. Da steigen die Kosten natürlich weiter. Wir haben bereits 110 Milliarden Franken Schulden. Jedes Mal vor der Abstimmung kostet es fast nichts und nachher kostet es immer viel mehr wie bei der Expo, der Swissair und so weiter... Pfisterer: Die Schweiz hat die 0,7 Prozent nie akzeptiert. Der Bundesrat spricht von einer Erhöhung auf maximal 0,4 Prozent bis ins Jahr 2010. Das muss durchs Parlament. Wenn wir nicht Ja und Amen sagen, kommt es nicht. Blocher: Ja, das kennen wir. Das Parlament wird leider nachgeben. Pfisterer: Wir können den Fünfer und das Weggli haben. Die Interessen besser wahrnehmen und die Neutralität als Versicherungspolice behalten.

15.02.2002

L’adesione della Svizzera sarebbe utile solo ai funzionari, ai diplomatici e ai politici

«La RegioneTicino» del 15 febbraio 2002   Per il tribuno zurighese una sconfitta sull'Onu non intaccherebbe la forza dell'UDC Blocher: abbiamo già vinto di Silvano De Pietro   Quali sono le priorità nel futuro della Svizzera?   Chrisoph Blocher: Che nel nostro paese vi sia la piena occupazione; e che possiamo conservare la libertà e l'autodeterminazione.   E l'entrata nell'ONU non è una prtiorità?   Blocher: No. È il contrario.   Perché?   Blocher: Se entriamo nell'ONU, vuol dire che ci lasceremo tranquillamente comandare dall'estero, cioè dal Consiglio di sicurezza dell'ONU, che è competente per le questioni di guerra nel mondo e ci può obbligare a prendere parte a tali guerre. E noi questo non lo vogliamo, poiché uno dei nostri principî è la neutralità. Noi siamo a fianco dell'ONU ovunque si tratta di questioni umanitarie, di profughi, di economia, di clima; ma mai quando si tratta di guerra, cioè nei suoi organismi più potenti.   Ma tutti gli altri stati neutrali aderiscono all'ONU senza alcun problema.   Blocher: In primo luogo, in tutti questi stati il popolo non ha mai potuto votare: hanno deciso il governo e il parlamento. Nel nostro paese decide il popolo; e il popolo è in maggioranza interessato a non entrare nell'ONU. In secondo luogo, esiste al mondo soltanto un paese che ha una neutralità più ampia di quella svizzera. All'Austria venne imposta; ma poi ha dovuto sacrificarla: non si poteva stare nella NATO e nell'ONU e, nello stesso tempo, essere neutrali.   Però, solo come membri dell'ONU, possiamo continuare ad essere neutrali.   Blocher: No, non possiamo più esserlo. Perché firmiamo un accordo nel quale si dice che il Consiglio di sicurezza può obbligare uno stato membro a procedere contro un altro stato con embarghi, blocchi dei viveri, sospensioni di forniture elettriche, interruzioni di relazioni diplomatiche, e così via. In questi casi non potremo più decidere da soli: vi saremo obbligati. Sottoscriviamo persino un vincolo a mettere a disposizione truppe ed a concedere diritti di attraversamento. È previsto che questo vincolo sia oggetto di un accordo speciale; ma tale accordo speciale concerne soltanto i dettagli tecnici. La pressione invece sarebbe enorme. E non si potrà decidere liberamente.   L'ONU agisce tuttavia per proteggere i diritti umani, per prestare aiuto in caso di catastrofi, per lottare contro la povertà, per garantire la pace, eccetera. Questi obiettivi dell'ONU non sono gli stessi della Svizzera?   Blocher: Ovunque si tratti di ciò che lei ha citato, noi ci siamo. Dialoghiamo con le organizzazioni che combattono la povertà e prestano aiuti; decidiamo con loro; e paghiamo, anche. Già oggi versiamo 500 milioni di franchi. L'intenzione però non basta: non ho ancora visto un conflitto in cui le due parti sostengono di farsi la guerra perché vogliono la pace. L'ONU afferma di essere una comunità pacifica, ma ci sono quaranta guerre in corso tra membri dell'ONU.   Restando fuori, comunque, non potremo mai influire sulle scelte politiche dell'ONU e delle sue istituzioni. Per lei è giusto così?   Blocher: Ma anche stando dentro non potremo influire. Il Consiglio di sicurezza decide quello che vuole. Vi sono rappresentate le cinque grandi potenze, con diritto di veto. Loro decidono, non gli altri. In secondo luogo, se restiamo fuori non siamo obbligati a rispettare tali decisioni e possiamo decidere da noi come vogliamo procedere, cioè come cavarcela tra le parti in conflitto. Questa è l'idea di base della Croce Rossa e del Corpo d'aiuto in caso di catastrofe. E queste sono cose che può fare uno stato neutrale, ma soltanto se non si lascia coinvolgere nei contrasti tra l'ONU e singoli stati.   Nella lotta al terrorismo è però necessario partecipare alle decisioni. O no?   Blocher: Questo è molto pericoloso. Se entriamo nell'ONU, dobbiamo accettare che sia il Consiglio di sicurezza a decidere chi sono i terroristi e come si deve agire. Ora, se la Svizzera vuole collaborare, e per esempio l'America concorda con le cinque grandi potenze che ci sono centomila terroristi? non è mica molto chiaro che cos'è un terrorista. E come ci si può proteggere contro il terrorismo? Un piccolo stato che sia strettamente neutrale, cioè che non si schiera in conflitti internazionali, non attira i terroristi al proprio interno. E poi, con la polizia, con l'ordine pubblico, con l'esercito, assicura che nel paese non vi sia posto per il terrorismo. Questo è molto meglio che immischiarsi nei continui litigi internazionali, perché in tali casi diventeremmo anche noi vittime del terrorismo.   Ma anche per offrire efficacemente i suoi buoni uffici, la Svizzera dovrebbe essere presente nell'ONU.   Blocher: No. Ovviamente, ci sono buoni uffici che anche gli stati membri dell'ONU possono offrire. Ma quando l'ONU procede contro alcuni stati ? ed errori ve ne sono sempre da ambo le parti - allora solo uno stato che non stia né dall'una, né dall'altra parte può prestare i buoni uffici. Questa è la nostra ricetta. Questo dovremmo fare. Purtroppo il Consiglio federale lo fa troppo poco. Per esempio, nella guerra del Kossovo/Serbia, l'America ha chiesto alla Svizzera se potervamo assumere la rappresentanza diplomatica dei suoi interessi in Serbia. Il Consiglio federale ha detto no, perché non vuole più prestare questi speciali buoni uffici. Cosa che, invece, sarebbe importante.   L'ONU è un fattore economico per la Svizzera?   Blocher: No. Siamo presenti nell'Organizzazione mondiale del commercio e dove le decisioni economiche vengono prese. Ma l'entrata nell'ONU politica è una questione che non tocca l'economia.   Il Consiglio federale dice però che l'adesione all'ONU sarebbe anche un buon investimento.   Blocher: L'ha sempre detto. Ma non ha mai portato un progetto che sia un buon investimento. Ha anche detto sempre che non costa molto, nonostante abbiamo 110 miliardi di debiti. Sta di fatto che andremo a pagare ancora 75 milioni all'anno, con l'aggiunta di molti costi indiretti, senza alcuna utilità per la Svizzera e per il mondo. Gli unici ad averne un'utilità saranno i funzionari, i diplomatici ed i politici che potranno intervenire alle conferenze di New York.   Come giudica il consigliere federale Kaspar Villiger ed altre personalità, che sull'adesione all'ONU oggi hanno cambiato opinione rispetto al 1986?   Blocher: Qualcosa in effetti è cambiato: il loro posto. Il signor Villiger oggi è consigliere federale, e non può più dirsi contrario. Allora non era ancora in governo, e se lo poteva permettere. Anche il signor Frick [Bruno Frick, consigliere agli Stati svittese, PPD, ndr] ha detto che quella volta stava con i contrari. Io non me n'ero mai accorto; ma può essere. Oggi è nella commissione parlamentare di politica estera. È chiaro: quando uno accede all'improvviso alla "classe politique", cambia colore.   Però sono anche cambiate le condizioni internazionali?   Blocher: Sì, ma il contratto che dovremmo firmare è sempre lo stesso.   Se il popolo respinge l'adesione all'ONU, il consigliere federale Joseph Deiss dovrebbe dimettersi?   Blocher: No. Ma deve accettare la decisione popolare. Non può dire: io faccio il contrario. I consiglieri federali non devono dimettersi se perdono le votazioni.   Perché non ha fiducia nella politica del Consiglio federale?   Blocher: Il Consiglio federale nasconde la sua volontà di non essere neutrale. Vuole entrare nell'Ue, dove non potrà mai essere neutrale, poiché dove si fa una politica comune estera e di sicurezza non si può essere neutrali. Ma non lo dice al popolo. Dice semplicemente: restiamo neutrali ma facciamo il contrario. Inoltre, prima di molte votazioni popolari il Consiglio federale ha promesso cose che poi non ha mantenuto. Mi riferisco alla legge sull' assicurazione malattia, che noi abbiamo combattuto dicendo che sarebbero aumentati i premi, mentre ilConsiglio federale sosteneva che sarebbero diminuiti. Ci aveva chiamato bugiardi. E adesso si vede cos'è successo. Dunque, io non ho fiducia. Per l'Expo, ci ha detto che ci sarebbe costata soltanto 130 milioni, ora siamo a 830 milioni. Nel caso Swissair, all'inizio ci ha detto: 450 milioni e non un centesimo di più; e poi abbiamo pagato due miliardi. E per i costi dell'entrata all'ONU ci ha detto: 75 milioni non sono molti. Con questi soldi potremmo pagare interessi e ammortamenti per un secondo tunnel del San Gottardo. Ma l'ONU costerà molto di più. Ecco, tutte queste sono promesse fatte al popolo per ottenerne l'approvazione su qualcosa. Ed il popolo dovrebbe crederci. Ma io non ci credo.   Come può dimostrare che il Consiglio federale non abbia l'intenzione di difendere la neutralità?   Blocher: Primo: vuole sottoscrivere l'accordo di adesione all'ONU, e questo è contro la neutralità. Secondo: vuole entrare nell'UE, dove non si può essere neutrali. Ma ci sono altre prove. Abbiamo collaborato alle sanzioni dell'ONU contro l'Iraq; e anche questo era contro la neutralità. Non avremmo dovuto farlo: in tal modo siamo corresponsabili del fatto che laggiù mezzo milione di persone soffre la fame; e il dittatore è ancora là.   In questa campagna contro l'adesione all'ONU, l'UDC ha usato toni più morbidi ed ha impiegato meno mezzi finanziari. Perché?   Blocher: Toni più morbidi? Noi diciamo quel che abbiamo da dire. Non abbiamo bisogno di provocare, perché la maggioranza del popolo è scettica verso l'ONU. Dobbiamo solo dire di che si tratta. Ma noi abbiamo molto meno denaro dell'altro schieramento: è uno scandalo che il Consiglio federale e il parlamento parlino di 1,2 milioni di franchi per la propaganda sull'ONU. Questo è insolito e non va bene. E poi ci sono "Economiesuisse" e un paio di grandi imprese, che pagano anche molto.   Ma quando si trattava dell'esercito, per esempio, avete speso di più.   Blocher: Sì, ma non perché avessimo tanto denaro. Ne avevamo ricevuto molto perché c'era molta gente preoccupata.   Se vince il sì, come dovrebbe comportarsi il Consiglio federale con la politica estera e di neutralità?   Blocher: Una volta nell'ONU, non può più fare nulla. Potrebbe tuttavia stare attento a non farsi coinvolgere in situazioni che potrebbero attirare il terrorismo e la guerra nel nostro paese. E dobbiamo vigilare che non faccia il successivo passo di entrare nell'UE; che non dica: ah, ora la Svizzera non prende più sul serio la neutralità, ora entriamo nell'UE, gli svizzeri lo vogliono. I ticinesi, per esempio, direbbero di no, perché il Ticino finora ha sempre votato per l'indipendenza della Svizzera.   E se vince il no, quali saranno le conseguenze per l'UDC in vista delle elezioni del 2003?   Blocher: Abbiamo già vinto. Indipendentemente da questo risultato. Anzi, per il partito sarebbe persino meglio se non vincesse. Perché in tal caso sarebbero gli altri a portarne la responsabilità. E allora il popolo potrà vedere come aumentano le spese, i viaggi, eccetera. Se invece vince il no, dopo tre mesi tutto è dimenticato. Se vinciamo noi, è meglio per la Svizzera. Se perdiamo, per il partito non sarà uno svantaggio. Siamo in una situazione vincente.

14.02.2002

Die Stimmungsmacher: Blocher gegen Deiss

Streitgespräch im FACTS vom 14. Februar 2002 FACTS lud die beiden wichtigsten Meinungsführer zur Uno-Debatte nach St. Gallen Gesprächsleitung: Hannes Britschgi Herr Bundesrat Deiss, warum soll die Schweiz in die Uno? Joseph Deiss: Soll die Schweiz zuschauen, oder soll sie wirklich mitmachen? Darum geht es. Unsere Schweiz ist stark. Sie wird international geschätzt und geachtet. Sie ist in vielem vorbildlich. Ich will als Bundesrat alles tun, dass diese Stärken international voll zum Tragen kommen. Da bietet uns die Uno die geeignete Plattform. Und denken Sie an die guten Dienste. Kofi Annan, Uno-Generalsekretär, hat etwa 60 Sonderbeauftragte für Konfliktbearbeitung. Von diesen 60 ist heute kein einziger ein Schweizer! Wir gehören in die Uno. Herr Nationalrat Blocher, warum sind Sie gegen einen Uno-Beitritt? Christoph Blocher: Sie haben von den Stärken der Schweiz gehört. Eine unserer Staatssäulen heisst: weltoffen sein, aber sich nicht von ausländischen Kräften einbinden lassen. Darum sind wir in allen Uno-Unterorganisationen dabei. Es geht jetzt aber um die politische Uno: konkret um die Unterstellung unter den Uno-Sicherheitsrat. Das ist das mächtigste Organ, dominiert durch Grossmächte, und das einzige Organ, das die Länder zu etwas verpflichten kann. Alle anderen können nur Empfehlungen abgeben. Durch den Beitritt müssten wir feindliche Massnahmen gegen andere Staaten durchführen, wenn es der Sicherheitsrat so beschliesst: Völker aushungern, Brotsperren und Boykotte verhängen, Kommunikationswege unterbrechen und so weiter. Das alles steht im Vertrag, den wir unterzeichnen müssten. Soll mir einer sagen, wir seien noch neutral, wenn wir das mitmachen. Deiss: Herr Blocher stellt die Uno als Monstrum dar. Mit Vereinfachungen, mit Übertreibungen. Es stimmt nicht, dass man sich diesem Sicherheitsrat unterwerfen muss. Der Sicherheitsrat hat als Ausschuss der Generalversammlung den Auftrag, die Sicherheitspolitik zu betreiben. Dort, wo es nötig ist, rasch handeln zu können, Lösungen vorzuschlagen. Und es ist nicht so, dass der Sicherheitsrat Mitglieder irgendwie unter die Knute nehmen würde, wie es Herr Blocher darzustellen versucht. Sondern? Deiss: Der Sicherheitsrat versucht, Lösungen aufzubauen. Das Vetorecht, das immer wieder genannt wird, wird selten gebraucht: elfmal bei 746 Entscheiden in den letzten zwölf Jahren. müssen einzig Sanktionen übernehmen. Mehr nicht. Nehmen Sie Afghanistan, Osttimor, Sierra Leone, Kosovo - alles Erfolgsgeschichten der Uno, wo der Sicherheitsrat Lösungen schuf. Herr Blocher, der Sicherheitsrat, dargestellt als eine Friedensorganisation, die Grossmächte in eine friedliche Welt einbindet. Ist das bedeutungslos? Blocher: Grossmächte einbinden - durch uns? Der Sicherheitsrat ist kein Organ der Generalversammlung. Der Sicherheitsrat ist gemäss Charta allein zuständig für die internationale Sicherheit. Er besteht gemäss Charta aus fünf dauernden Mitgliedern - den fünf Siegermächten nach dem Weltkrieg und zehn, die dann alle zwei Jahre wechseln. Die fünf dauernden haben das Sagen und ein Vetorecht. Der Sicherheitsrat ist von den fünf Grossmächten dominiert und kann Massnahmen gegen andere Länder beschliessen, die wir durchzuführen hätten - bis hin zur Bereitstellung von Truppen und Durchmarschrechten. Ein reiches Land wie die Schweiz, mit einer guten Armee, käme hier unter ausserordentlichen Druck. Wir sind ja gut gefahren bis jetzt. Wir haben 200 Jahre Frieden gehabt. Deiss: Herr Blocher, darf ich Ihnen vorlesen, was die SVP-Fraktion und ihr Sprecher, Herr Albrecht Rychen, anno 1990... Blocher: ...ja, ja... (lacht) Deiss: Es geht um die Sanktionen im Fall Irak - da war die Haltung der SVP-Fraktion 1990 eindeutig. Ich zitiere: "Es ist keine Wende in der Neutralitätspolitik. In diesem Sinne stehen wir für die Politik des Ja zur Neutralität, des Ja zu diesen Sanktionen." Das, Herr Blocher, war die Position der SVP. Blocher: Es stimmt, dass der später abgewählte Albrecht Rychen 1990 so geredet hat. Leider. Wir hatten dann eine schwere Auseinandersetzung in der Fraktion - dazumal war Rychen Sprecher, nicht Fraktionspräsident. Leider hat damals eine Mehrheit noch diese Meinung vertreten. Ich nicht. Ich war damals schon gegen einen Uno-Beitritt und gegen Irak-Sanktionen. Herr Deiss hat Recht, es tut mir Leid, dass ich damals nicht durchgekommen bin. Jetzt aber käme ich durch in dieser Fraktion. Deiss: (lacht) Herr Blocher - mitreden, mitentscheiden oder Spielball der Grossmächte sein? Blocher: Ich betone noch einmal, es geht nicht um die Generalversammlung und das Mitreden dort, sondern um das Diktat des Sicherheitsrats. Darum sind wir bislang der politischen Uno nie beigetreten. Deiss: Ach! Bundesrat Deiss, die Aussage von Christoph Blocher ist: Sicherheitsratsbeschlüsse sind undemokratisch und passen nicht zu unserem System. Deiss: Es ist nicht so, dass die fünf Grossmächte uns irgendetwas aufzwingen könnten. Es braucht neun Stimmen. Was die Grossmächte können, ist höchstens: etwas verhindern. Und das ist unangenehm. Dass da Reformbedarf besteht, ist unbestritten. Blocher: Doch. Israel ist mehrmals aufgefordert worden, seine Siedlungspolitik aufzugeben. Dieses Recht kann nicht durchgesetzt werden, weil die Amerikaner das mit ihrem Veto verhindern. Darum dieser unsägliche ewige Krieg. Er demütigt die Araber, die islamischen Völker. Daraus entsteht Terrorismus. Herr Blocher, werden Terroristen sich fragen, ob die Schweiz in der Uno ist, wenn sie ihre Aktionen durchführen? Blocher: Nein. Schauen Sie, wie schützt man sich gegen den Terrorismus? Ein Kleinstaat muss doch schauen, dass er nicht in internationale Händel hineingezogen wird. Das ist ja der Sinn der Neutralität. Wir wollen nicht, dass die Politiker in Bern die Schweiz in solche Auseinandersetzungen hineinziehen, indem wir gegen andere Länder Partei nehmen. Diese Parteinahme zieht den Krieg ins Land, den Terrorismus. Deiss: Ja, Herr Blocher, Sie sprechen von Terrorismus wie ein Schulbube... Blocher: Also Herr Bundesrat! Ich würde Sie nie als Schulbuben betiteln, nur weil Sie eine andere Meinung vertreten als ich. Deiss: Sie haben ja allen Schweizern etwas zugeschickt: "Chumm Bueb und lueg dis Ländli a ..." Auf Französisch heisst Bub "gamin". Blocher: Ich danke Ihnen, dass Sie auf meine Albisgüetlirede hinweisen, das ist wahrscheinlich etwas vom Besten, das der Bundesrat jetzt lesen kann. Deiss: Ja, es ist wahrscheinlich das literarische Ereignis der letzten Woche. Zur Neutralität, Herr Blocher. Macht uns der Bundesrat da etwas vor, oder haben Sie ein Neutralitätsverständnis, das noch auf den Kalten Krieg zurückgeht? Blocher: Nein. Neutralität heisst: Wir lassen uns nicht in fremde Händel hineinziehen, wir werden nicht Konfliktpartei, das ist bewährte Neutralitätspolitik. Deiss: Es ist schlicht und einfach nicht möglich, aus einem Uno-Beitritt abzuleiten, dass er irgendwie unsere Neutralität in Frage stellen könnte. Und fragen Sie die Uno selber: Kofi Annan sagte es ganz deutlich: "Kein Problem für die Neutralität." Bei den friedenserhaltenden Uno-Operationen kann man nicht gezwungen werden mitzumachen. Aber finanzieren muss man sie. Ist das Neutralität? Deiss: Die Uno ist die Völkergemeinschaft, die im Namen des Rechts Massnahmen ergreift. Und so kann sich eine Neutralitätsproblematik gar nicht ergeben. Aber es stimmt, dort zahlen alle mit. Wir haben im Juni Ja gesagt zu bewaffneten Auslandeinsätzen. So einfach dürfte es nun nicht sein, Nein zu sagen? Deiss: Doch! Auch als Mitglied wird die Schweiz ihr Gesetz vom 10. Juni 2001 so anwenden, wie es vorgesehen ist. Seit Bestehen der Uno ist nie jemand, kein Land gezwungen worden, Truppen zu stellen. Bundesrat Deiss, die Uno wird ein Fass ohne Boden sein. Alles kostet wenig, heisst es heute, aber später gibt es 1000 Gründe, dass es ein wenig mehr sein darf. Deiss: Das Uno-Budget der zentralen Uno ist die Hälfte des Budgets der Stadt Zürich. Man ist von 12'000 auf 9'000 Beamte runtergegangen. Es wurde Ordnung gemacht. Und über die letzten zehn Jahre war das Budget der Uno stabil. Zweitens behauptet der Bundesrat gar nicht, dass es nicht etwas mehr kostet. Wir haben die Zahlen auf den Tisch gelegt. Es sind 43 Millionen Dollar oder rund 70 Millionen Franken. Durch diesen Mehrpreis, den wir zahlen, bekommen wir alle Rechte. Blocher: Vor einigen Jahren erklärten die Amerikaner: "Wir zahlen keinen Rappen mehr, wenn die Uno-Sekretariatskosten weiter steigen." Jetzt werden diese Kosten eingefroren und auf andere Konten verbucht. Dazu kommen die friedenserhaltenden Massnahmen: Deren Kosten sind von 1998 - da waren es etwa 850 Millionen - auf 2,2 Milliarden gestiegen. Zudem lautet die Empfehlung der Uno-Generalversammlung, die Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts festzulegen. Das sind 1,6 Milliarden. Wir können es nicht machen wie die Amerikaner, die einfach drei Jahre die Rechnungen nicht bezahlen! Deiss: Das Parlament hat beschlossen, bis ins Jahr 2010 bei der Entwicklungszusammenarbeit auf 0,4 Prozent des Bruttosozialprodukts zu kommen. Mit Milliarden zu drohen, das hat weder Hand noch Fuss. Herr Blocher, wieso sagen Sie, es gehe auch um den EU-Beitritt? Blocher: Bundesrat Deiss erklärte am 29. Mai 2000 nach der Annahme der bilateralen Verträge: "Das Ziel ist jetzt" - er sagte es wörtlich - "in den nächsten zwei Jahren der Uno beizutreten", danach müssen wir die Beitrittshürden zum EU-Beitritt abschaffen. Und zum Beispiel die Mehrwertsteuer auf 15 Prozent erhöhen. Der Uno-Beitritt sei die erste Etappe, der EU-Beitritt die zweite. Es geht eben immer um dasselbe: Es geht um die Unabhängigkeit, es geht darum, ob wir uns von ausländischen Organen bestimmen lassen sollen, es geht um die Volksrechte, und es geht um die Neutralität. Deiss: Objektiv muss man sagen, dass zwischen Uno-Beitritt und EU-Dossier inhaltlich kein Zusammenhang besteht. Das sind zwei vollständig unabhängige Dossiers, nur zeitlich laufen die nebeneinander. Herr Deiss, wenn es ein Uno-Nein gibt, treten Sie zurück? Deiss: Das gehört nicht zu unserem System. Es ist mein politischer Kurs - sicher -, aber es ist nicht nur meiner, sondern auch der des Bundesrats, von 190 Parlamentariern, von allen Kantonen. Ihr Schlussvotum? Deiss: Wollen wir nur zuschauen, oder wollen wir mitmachen? Der Stolz auf unsere Schweiz, aber auch die Interessen unseres Landes gebieten uns, dass wir voll dabei sind. So werden wir die Zukunft unseres Landes am besten sichern können. Darum hoffe ich, dass wir am 3. März eine mutige Schweiz zeigen werden, für die Uno. Herr Blocher, treten Sie von der Politbühne ab, wenn es ein Ja gibt? Blocher: Höchstens bei einem Nein und der Zusage des Bundesrats, dass er das Nein akzeptiert, könnte ich abtreten. Aber wenn wir beitreten, muss ich noch bleiben. Ja, liebe Sankt-Gallerinnen und Sankt-Galler, liebe Frauen und Männer, es geht darum, ob wir einen Vertrag unterschreiben wollen, der die Schweiz zwingt, die Entscheidungsgewalt aus den Händen zu geben. Es geht um Eigenständigkeit, Demokratie und Freiheit - und um unsere Neutralität. Stimmen Sie am 3. März, was Sie wollen, aber auf jeden Fall Nein!

13.02.2002

Preisgabe eines bewährten Erfolgsmodells

Mein Beitrag in der Neuen Zürcher Zeitung vom 13. Februar 2002 In der Auseinandersetzung über einen Beitritt der Schweiz zur Uno hat sich die Neutralität als zentrale Argumentationsfront der Gegner herauskristallisiert. Nationalrat Christoph Blocher zeigt hier, wieso für ihn eine Uno-Mitgliedschaft mit der Neutralität nicht vereinbar ist. Von Nationalrat Christoph Blocher (svp.), Herrliberg Der Grundsatz "Dabei sein ist wichtiger als gewinnen" ist zum offiziellen Leitprinzip der schweizerischen Aussenpolitik geworden. Darum kommt es zum Konflikt mit dem jahrhundertealten Erfolgsmodell der schweizerischen Neutralität, denn ein neutraler Staat darf dieses "Dabeisein" für Politiker und Funktionäre nicht ins Zentrum stellen. Freiheit der Bürger nebst Weltoffenheit ohne Einbindung ist das erfolgreiche Rezept des Kleinstaates Schweiz. Mit dem Uno-Beitritt soll davon abgewichen werden. Die immerwährende bewaffnete Neutralität hat wenig zu tun mit Ideologie oder Idealismus, aber sehr viel mit der Lebenswirklichkeit. Sie ist auch heute noch das modernste Schutz- und Selbstbehauptungsmittel für den Kleinstaat und erfüllt einen mehrfachen Zweck: Die Neutralität hindert die Regierenden, ihr Volk in Konflikte hineinzuziehen, und ist Schutz vor Krieg und Terrorismus für den Kleinstaat. Sie hindert jeden von uns vor unkontrollierten Emotionen, vor Gewalt- und Kriegsbereitschaft. Auch verhindert die Neutralität, dass unser mehrsprachiges Land mit vier Kulturen wegen Parteinahmen in internationalen Konflikten dauernden Zerreissproben ausgesetzt wird. So wenig die Schweizer eine Gesinnungsneutralität dulden, so wenig wollen sie es dem Bundesrat überlassen, sich in ihrem Namen in fremde Händel einzumischen. Neutralitätsmüde Eliten Trotz der eindrücklichen Erfolgsbilanz von zweihundert Friedensjahren erfreut sich die Neutralität bei den Eliten gegenwärtig keiner grossen Beliebtheit. Dies ist wohl kein Zufall, denn sie zu handhaben, erfordert ein gehöriges Mass an Kreativität, Standfestigkeit und Grundsatztreue. Zahlreiche führende Persönlichkeiten leiden denn auch an der Schicksallosigkeit des neutralen Kleinstaates; sie sehnen sich nach dem Dabeisein, nach grossen Worten und pathetischen Gesten. Die Neutralität schränkt ihren Handlungsspielraum und die aussenpolitischen Aktivitäten unserer Regierung in einer für sie ärgerlichen Weise ein; sie gewährt ihnen kaum Heldentaten und selten glanzvolle Auftritte. Das Mittun in internationalen Organisationen ist verlockender als das Tragen von Verantwortung im eigenen Land. Vollbeitritt widerspricht schweizerischer Neutralität Die Unterzeichnung der Uno-Charta zwingt die Schweiz, sich dem mächtigsten Organ der Uno - dem Sicherheitsrat - zu unterstellen. Die Uno-Mitglieder haben diesem von fünf Vetomächten dominierten Gremium "die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit" (Art. 24) übertragen. Würde die Schweiz voll beitreten, würde der Sicherheitsrat auch im Namen der Schweiz handeln. Der Sicherheitsrat ist das einzige Uno-Organ, das für die Mitgliedstaaten verbindliche Beschlüsse fassen kann. Er allein entscheidet über die Hungerwaffe, Boykotte und kriegerische Massnahmen. Bei einem Uno-Beitritt muss sich die Schweiz seinem Kommando von Wirtschafts-, Diplomatie- und Kommunikationsboykotten bis hin zum Stellen von Streitkräften beugen. Wer hier mitmacht, ist gegenüber den betroffenen Staaten in keiner Weise mehr neutral. Er wird zur Kriegspartei mit all ihren Folgen. Die politische Uno ist keine Rechts-, sondern eine Machtorganisation, denn sie schafft für die Mächtigen Sonderrechte. Die Unterzeichnung der Uno-Charta bedeutet ein offizielles Einverständnis mit einer Machtordnung, die für den Kleinstaat Schweiz von grossem Nachteil wäre.