Explodiert ist noch kein Gremium, weil starke Persönlichkeiten drin waren

Christoph Blocher über seine Rolle im Bundesrat oder die unerbittlicher Opposition bei einer Nichtwahl

Interview in der “Sonntags Zeitung” vom 16. November 2003

von Christoph Lauener & Denis Von Burg

Sonntags Zeitung: Herr Blocher , vor kurzem sagten Sie noch, es wäre eine Strafe für Sie, Bundesrat zu sein. Warum wollen Sies nun trotzdem als Bundesrat nach Bern gehen?

Christoph Blocher:
Fragen Sie nicht, was ich will, sondern was ich muss. Das Schlimmste wäre, wenn die SVP zwei Bundesräte in Bern hätten, die – nach dem Wahlerfolg nicht das tun, was unsere Wähler verlangen oder wegen Unfähigkeit nichts fertig bringen. Damit würde sich nichts verändern, unsere Wähler wären enttäuscht. Schon vor den Wahlen wurde ich gedrängt: “Deine grosse Erfahrung in der Wirtschaft und der Führung ist jezt gefragt. Du musst es tun.” Schliesslich sagte ich dazu ja.

Kurz vor den Wahlen schien es noch nicht so klar. War Ihre Kandidatur ein Schnellschuss, eingefädelt von der Parteispitze um möglichst viel Aufmerksamkeit zu haben?


Blocher:
Keineswegs. Der Entscheidungsprozess dauerte Monate. Unzählige Gespräche gingen dem Entscheid voran. Zuerst galt es, über die Konkordanz zu entscheiden: Regierungsbteiligung nach Wählerstärke oder Regierungs- und Oppositionssystem. Die SVP hat sich dann für Konkordanz entschieden:. Die kleinste Partei hat einen Sitz, die grossen zwei. Dann: Welche Bedeutung hat eigentlich eine Bundesratswahl? Sind die Spielchen, die auch wir in der Vergangenheit mitgemacht haben, und die in guten Zeiten vielleicht noch erfolgreich sind, richtig, nämlich den anderen Parteien Nicht-Vorgeschlagene ins Nest zu legen? So ist es uns mit Samuel Schmid passiert, der SP mit Francis Matthey oder Otto Stich. Wir kamen zur Überzeugung, dass damit Schluss sein muss: Nur die stärksten Figuren, hinter denen die Parteien voll. Nur voll in die regierung oder voll in die Opposition macht Sinn.

Hat Ihre Kandidatur wirklich nichts mit persönlichem Ehrgeiz zu tun?

Blocher: Überhaupt nicht. Natürlich ist das Bundesratsamt in den Augen vieler Menschen der Höhepunkt einer Karriere und zudem finanziell interessant und mit Ansehen verbunden. Leider. Mir fällt es schwer, dieses Amt anzustreben, ich muss auf vieles verzichten: Auf ein selbst aufgebautes Unternehmen zum Beispiel. Es gilt, mir lieb gewordene Fabrikhallen gegen die dunklen Gänge im Bundeshaus eintzuauschen. Bin ich ein Mensch, der ab sofort immer fragen muss, ist das gemäss Gesetz erlaubt oder nicht? Aber es muss jetzt sein. Und wenn die anderen Parteien nicht wollen, kommt eine ebenso schwere Aufgabe auf mich zu – jene in der Opposition.

Trotzdem: Mit dem Ultimatum “Ich oder keiner” haben Sie Ihre Ihre Wahlchancen massiv verringert.

Blocher: Es gibt kein Ultimatum. Die Bundesversammlung hat die Wahl: Sie wählt den Doppelvorschlag der Fraktion, oder sie weist die SVP in die Opposition. Jede Partei kann festlegen, unter welchen Voraussetzungen und mit wem sie in die Regierung will. Das will die SVP den anderen zugestehen, beansprucht es aber auch für sich selbst. Wir müssen – immer vom Wählerauftrag ausgehend – in diesem land vieles verbessern. Wir haben endlich dafür zu sorgen, dass nicht in erster Linie die Schulden, sondern die Wirtschaft wächst. Das hoffen wir mit Schmid und Blocher im Bundesrat zu erreichen. Nur ein bisschen reingehen und ein wenig Opposition betreiben wie bisher, das bringt mit 27 Prozent Wähleranteil nichts mehr. Wir müssen konsequent sein, denn in Bern will man schon wieder Schlaumeierlösungen: Wir geben der SVP zwei, aber nicht die, die sie will. Es ist alles darauf angelegt, dass wir in diesem Land nicht vorwärtskommen. Dazu dürfen wir nicht Hand bieten.

In den Augen der anderen bleibt das ein Diktat. Damit kommen Sie nicht durch.

Blocher: Ein Diktat ist es nicht. Das Parlament kann entscheiden, ob es uns in einer Konkordanzregierung oder in der Opposition will. Die Aufregung ist nur darum gross, weil man keine klaren Entscheide will. Am liebsten wäre vielen eine halbe Lösung, bei der man Kandidaten der SVP wählt und hofft, und dass sie formell Regierungsverantwortung trägt, aber nichts erreicht. Dann würde es weitergehen wie bisher. Das ist gegen den Wählerauftrag. Wir müssen das Ganzebeachten, nicht nur den 10. Dezember.

Sie könnten ja wenigstens einen Zweiervorschlag bringen.

Blocher: Ein Zweiervorschlag würde heissen, dass die SVP sich nicht entscheidn kann; also stünde sie nur halb hinter dieser Person. Und übrigens haben wir das vor vier Jahren gemacht, Mann und Frau, mit Roland Eberle und Rita Fuhrer. Das Parlament wählte Samuel Schmid mit der Folge, dass er nicht den vollen Rückhalt unserer Partei hatte und wir nur halb vertreten fühlten. Jetzt stehen wir voll hinter Schmid, die Positionen sind bereinigt. Jetzt geht aber ein neues Spiel los: Statt der SVP gemäss Konkordanz einen Sitz der CVP zu geben, wollen SP und CVP einen SVPler auf den freien Freisinn-Sitz hieven.

Auch Sie liebäugeln damit?

Blocher:
Nein. Wegen der echten Konkordanz muss die CVP einen Sitz abgeben. Die FDP muss mit zwei Sitzen in der Regierung bleiben, sonst ist sie halb in der Opposition.

Falls Sie gegen die CVP scheitern, könnten Sie auch versuchen, eine bürgerliche Regierung zu erzwingen?

Blocher: Wir könnten uns dann vorstellen, Samuel Schmid zu unterstützen und dann gegen Micheline Calmy-Rey anzutreten. Eine rein bürgerliche Regierung wäre möglich, wenn die Parteien trotz ihrer Zusage die Konkordanz nicht mehr einhalten wollen.

Jetzt drohen Sie der SP, damit diese den Weg für Ihre Wahl freimacht.

Blocher: Ich drohe nicht. Ich sage nur, das Parlament muss jetzt entscheiden, was es will.

Sie belasten die Konkordanz, in dem Sie nur sich selbst als Kandidaten zulassen.


Blocher:
Nein, wir wollen die Konkordanz, aber die Zeit für schwache Konsensfiguren in der Regierung ist endgültig abgelaufen. Etwas anderes kann sich die Schweiz nicht mehr leisten. Sonst geht es gleich weiter wie bisher: Seit Jahrzehnten versucht man alle Probleme einfach mit Geld aus der Welt zu schaffen. Beispiel: 2,5 Milliarden für die Swiss, ohne dass das Problem untersucht und gelöst wurde. Beispiel: Die Expo drohte zu scheitern, um dieses Problem zu lösen, zahlte man hunderte von Millionen. Nie wurden die Probleme diskutiert, es wurde einfach bezahlt, und alle waren zufrieden. Jetzt hat der Staat kein geld mehr, nun werden die Bürger ausgeplündert.

Sie plädieren für radikale Figuren, damit solche Probleme im Bundesrat mehr diskutiert werden?

Blocher: Ja, Leute, die radikal – originär – denken, können mit solchen, die eine andere Ideologie vertreten, aber ebenfalls radikal denken, zu sinnvollen Kompromissen kommen.

Ein Bundesrat mit lauter solchen Alpha-Tieren könnte explodieren.

Blocher: Das glaube ich nicht. Ich habe Erfahrung mit dem Kollegialitätsprinzip. Ich war im Gemeinderat und in vielen Verwaltungsräten mit starken Figuren. Nur in einem extremen Fall habe ich ein solches Gremium verlassen, weil die Grundausrichtungen allzu unterschiedlich waren. Explodiert ist noch kein Gremium, weil starke Persönlichkeiten drin waren. Vorausgesetzt es handelt sich nicht um ausgeprochene Egozentriker.

Im Bundesrat sitzen zu viele schwache Figuren?

Blocher: Sie verstehen, dass ich als Kandidat diese Frage nicht beantworte. Aber ich glaube, dass das Problembewusstsein zu wenig vorhanden ist. Die wählerstärkste Partei muss sich jetzt einbringen. Probleme erkennen und Varianten erarbeiten ist mehr als die halbe Lösung! Zu isoliete Lösungen können viel verhindern. Nehmen Sie Couchepin und das AHV-Problem: Er geht auf die Petersinsel und sagt: Arbeiten wir bis 67. Alternativen – mit Vor- und Nachteilen – fehlen. Also wird der Vorschlag zersaust und die ganze Frage ist wieder blockiert.

Wie wollen Sie das ändern?

Blocher: Die grossen Probleme des Landes können doch nicht die Sache eines einzelnen Bundesrates sein. Die Sanierung des Bundeshaushaltes und der Bundespensionskassen und die zunehmende illegale Einwanderung: Das sind Problem, die einer allein nicht schafft. Das Verhältnis zur EU kann nicht Sache eines departementsvorstehers sein. Ich würde die Frage aufbringen, egal welches Departement ich habe. Leute, die von Anfang an dem Widerspruch ausweichen, erträgt es in der Führung von Wirtschaft und Politik nur in guten Zeiten. In schlechten In schlechten sind sie schnell weg.

Und wenn Sie im Bundesrat nur an Wände laufen?

Blocher: Sie meinen, wenn sich sechs Bundesräte in ein Zimmer einschliessen würden, um zu beschliessen, Blocher auszugrenzen, ganz gleich, was er bringt? Das würde nicht geschehen, denn der Bundesrat kann sich vor den Problemen dieses Landes nicht verschliessen. Er muss daran interessiert sein, sie zu lösen, und dabei müsste und würde ich helfen. Bei grossen Problemen kann es nur eine gemeinsame Lösung geben. Unter vier Augen haben mir mehrere Bundesräte auch schon ihre Sympathie für dieses Vorgehen bekundet.

Man sagt, dass Sie es nach drei Tagen Session kaum mehr im Bundeshaus aushalten. Wie wollen Sie vollamtlich in dieser langsamen Politmaschinerie ausharren können?

Blocher: Im Parlamentssaal habe ich oft das Gefühl, das ganze sei eine realitätsferne Papierwelt. Dann muss ich wieder für einen Augenblick in die realität hinaus. Es ist eine der grossen Gefahren in der Führung – auch in der Wirtschaft – den Bezug zur realität zu verlieren. Dieser Gefahr bin ich mir bewusst. Von meinen Direktoren verlange ich immer, dass sie jede Woche einen halben Tag durch den Betrieb gehen, ohne etwas Bestimmtes zu wollen. Ich kann Ihnen heute nicht sagen, wie ich mit dem fertig werde. Ich muss es können.

Auch in der Verwaltung zittert man. Chefbeamte drohen bereits mit Kündigung.

Blocher: Ich würde von jedem veralngen, dass er voll und ganz seine Pflicht tut, seinen Auftrag erfüllt. Wenn das jemand nicht verträgt, soll er gehen. das ist überall so.

Haben Sie Ihre Entourage beisammen? Bleibt Nationalrat Christoph Mörgeli Ihr Berater?

Blocher: Nein. Ich werde mit jenen arbeiten, die dort sind.

Wie soll der Staat aussehen, wie Sie ihn sich denken? Die Linken sehen in Ihnen den grossen Staatsabbauer.

Blocher: Ich bin weder Anarchist noch extremer Liberalist. Aber der Staat ist in den letzten Jahren zu stark gewachsen. Es gibt immer mehr neue Vorschriften, der Bürger wird von der Wiege bis zur Bahre immer enger begleitet. Die Selbstverantwortung wird untergraben, das muss man ändern.

Das heisst konkret?

Blocher:
Es gibt im Bund viel unnötige Dinge. Ich werde im Bundesrat für eine Arbeitsplatzwert-Analyse eintreten. Da wird viel Leerlauf eliminiert, und das Betriebsklima wird sofort besser. Hier verfüge ich über Erfahrung. Wir müssen auch den Mut haben zu verzichten. Nehmen wir ein Beispiel aus dem Bereich Forschung und Entwicklung: Wir müssen uns entscheiden, was wir vorantreiben wollen und was nicht. Nachdem wir uns entschlossen haben, keine neuen Kernkraftwerke mehr zu bauen, müssen wir vielleicht diesen Forschungsbereich aufgeben, andere aber ausbauen. Wieso sollen wir selber erforschen, was andere besser können? Man kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen. So würde die Schweiz erfolgreich – abgespeckt und konzentriert auf Schwerpunkte.

Also doch: Überall abspecken?

Blocher: Nicht überall, aber dort, wo es zuviel Speck hat. Wo die freie Konkurrenz spielt, setze ich mich fürs Privatisieren ein. Aber nur dort. Wenn etwas von Natur aus nur ein Monopol ist, wie das Eisenbahnschienennetz oder Stromleitungen, trete ich für eine staatliche Gesellschaft ein.

Die Landwirtschaft ist auch teuer?

Blocher: Wir müssen die Landwirtschaft von den unnötigen Vorschriften befreien. Die enorme Bürokratie in diesem Bereich treibt bloss die Produktionskosten in die Höhe – ein Horror für die unternehmerisch denkenden Bauern und die Steuerzahler.

Soll der Staat Kultur fördern?

Blocher: Meiner Meinung nach nicht. Der Kulturartikel ist bereits zweimal abgelehnt worden. Wenn der Staat das tut, gibt es nur eine Kultur, nämlich die, welche die Politiker für gut befinden. Wir sind schon auf diesem Weg. Als wir 1798 feierten, schlug ich vor, den grossen Dichter dieser Zeit, Ulrich Bräker, zu würdigen. In Bern gabs für das Projekt keinen Rappen, weil es keine Kultur sei. Ich habe s dann finanziert. Ich bin für Vielfalt, für privates Mäzenatentum; staatliche Förderung führt zur Einseitigkeit. Ich selber möchte als Politiker nicht entscheiden, was gut und schlecht ist.

Es gibt auch zeitgenössische Kultur. Junge Künstler beklagen sich über den kleinen Markt, in dem es sich nicht überleben lässt.

Blocher:
Es ist auch eine Folge der staatlichen Förderung, dass das private Mäzenatentum praktisch verschwunden ist. warum sich man sich engagieren, wenn der Staat zahlt? Grundsätzlich gilt doch: Wer keine Unterstützung bekommt, der sucht seine Chance selber, ist eigenverantwortlich.

Frauenförderung?

Blocher: Auch das ist keine Aufgabe des Staates. Das tut die Gesellschaft selber. Aber das ist für mich nicht prioritär. Man muss nicht in etwas verbeissen, das nichts bringt und niemand ändern will.

Was Sie vorhaben, braucht Kraft. Sie sind aber bereits 63. Wie fit sind Sie wirklich?

Blocher: Es wurde geschrieben, ich sei nicht gesund. Wer das behauptet, erliegt Wunschvorstellungen. Wie man behaupten kann, ich sei zweimal notfallmässig ins Spital eingeliefert worden, ist mir schleierhaft. Vor genau 40 Jahren war ich letztmals in Spitalpflege – wegen Blinddarm. Als ich mich nach dem EWR-Wahlkampf 1992 erschöpft drei Wochen in die Berge verkroch, hängte der “SonntagsBlick” Affichen hinaus: “Blocher: Herzinfarkt!” Ich habe diese bei meiner Rückreise kerngesund gelesen. Nein, zum Leidwesen meiner politischen Gegner darf ich sagen: Ich verfüge über viel Energie und Kraft.

Haben Sie ein Attest beim Arzt geholt, bevor Sie sich zur Kandidatur entschlossen?

Blocher: Warum auch? Die Bundesratsarbeit würde mich nicht stärker beanspruchen können als das, was ich heute mache. Und wissen Sie: In schwierigen Zeiten ist das Alter Nebensache; man nimmt die, die man braucht. Übrigens: Adenauer hat in diesem Alter erst angefangen.

Wie sieht denn ein Tagesablauf bei Ihnen aus?

Blocher: Ich stehe in der Regel um halb sechs auf, renne ein wenig, höre Mozart und Haydn, habe Zeit zum Nachdenken. Gegen acht gehe ich ins Büro. Montag bis Freitag wird es jeweils fast Mitternacht, bis ich ins Bett komme, samstags arbeite ich bis fünf Uhr. Das tue ich seit vielen Jahren. Am Sonntag arbeite ich nicht.

Der ist für die Familie?


Blocher:
Ja, und für die Ruhe. Nach einem Sonntag mit Auftritten, habe ich Mühe, die Woche mit 18-Stunden-Tagen physisch durchzustehen.

Wie entspannen Sie sich?

Blocher: Ich habe manchmal das Problem nicht schlafen zu können. Dann stehe ich halt auf, gehe spazieren. Das kostet mich in zeiten grosser Entscheidungen zwei bis drei Stunden pro Nacht, aber ich brauche wenig Schlaf.

Was sagt Ihre Familie zu Ihrer Kandidatur?

Blocher:
Meine Frau war nicht erfreut, hat dann aber eingesehen, dass es sein muss. Die jüngste Tochter hat mir ein SMS geschrieben und gewitzelt: “Hoffe, dass du nicht Bundesrat wirst.”

Haben Sie Enkel?

Blocher: Ja, zwei. Zweijährig und neun Monate alt.

Spielen Sie auch mal mit Ihnen?

Blocher: Wenn sie sonntags auf Besuch kommen, schon. Wobei der Jüngere noch etwas klein ist zum Spielen. Ich habe beide sehr gern. Die Zweijährige kann stundenlang kleine Steine aneinander reihen und mir die Werke immer wieder zeigen. Dann spielen wir Fangis, das Übliche halt. Es sind die besten Enkel der Welt. Das sagen zwar alle Grosselterm, aber bei uns stimmts (lacht).

Was bedeutet Ihnen Liebe?

Blocher: Alles.

Sie sind intuitiv, voller Saft, aggressiv: Wo in der Tierwelt sehen Sie Artverwandte?

Blocher: Sie wollen den Tiger hören, oder?

Sie haben die Wahl.

Blocher: Die Intuition, der Instinkt spielem bei mir für Entscheidungen eine grosse Rolle und kann daher ans Tierreich erinnern. Ich habe oft gespürt, auch wirtschaftlich, wenn etwas in der Luft liegt, wenn etwas passiert. Aber in der Zoologie kenne ich mich zu wenig aus, um das jetzt auf eine bestimmte Gattung umzumünzen.

Sie werden Ihren Kampfgeist womöglich bald brauchen. Was passiert, wenn Sie nicht gewählt werden und die SVP in die Opposition geht?

Blocher: Ein Oppositioneller kann leider kaum Konstruktives zur Entwicklung des Landes beitragen, aber dafür Fehlentwicklungen verhindern. Darin werden wir aber unerbittlich sein. Für die Schweiz wäre unsere Regierungsbeteiligung besser, für die SVP die Opposition dankbarer. Das müssen sich die anderen Parteien gut überlegen: Wenn wir draussen sind, werden CVP und FDP, aber auch die SP erneut verlieren. Diese Mitte-Links-Regierung würde wohl sehr viel geld ausgeben, und die SDchweizer würden noch unzufriedener.

Wie wird Ihre Opposition aussehen?

Blocher: Wir haben ein klares Regierungsprogramm bis hin zur prozentgenau festgelegten Staatsquote. Was unserem Programm widerspricht, müssen wir ablehnen. In der Opposition gibt es keine Kompromisse. Bisher haben wir trotz allem immer auch Rücksicht genommen. Es wird mehr Referenden geben, das steht fest. Aber wir werden weniger Initiativen machen. Die helfen der Regierung, weil sie in der Regel konstruktive Prozesse auslösen.

Und welche Referenden?

Blocher: Bei jedem Ausbau des Sozialstaats, bei jeder Steuererhöhung wie zum Beispiel der CO2-Abgabe. Und immer mehr haben wir die Wirtschaft auf unserer Seite. Man hat dort genug.

Das alles wird ihre Partei auch bekämpfen, wenn Sie in der Regierung sind.

Blocher: Wenn wir uns im Bundesrat gar nicht durchsetzen, dann wird das so sein. Aber wenn wir einen Kompromiss erreichen, dann können wir die Partei überzeugen, etwas mitzutragen.

Werden Sie als Oppositionspartei noch härter provozieren?


Blocher:
Die Opposition hat einen eigenen Stil, sie muss provozieren. Eine Regierungspartei hat andere Mittel. Das letzte Beispiel war das Inserat zur Drogenkriminalität. Unsere Bedenken wurden überall vom Tisch gewischt, also brachte die SVP die Zahlen des offiziellen Sicherheitsberichtes, aus dem hervorgeht: “Drogenhandel in den Händen der Albaner-Mafia”. Nicht der Inhalt gab zu reden, sondern der Stil. Aber endlich wurde der Inhalt zur Kenntnis genommen. Leider muss die Opposition provokativ auftreten, damit sie gehört wird. Und das müssen wir im Interesse der Sache tun.

Umgekehrt üben Sie schon ziemlich penetrant das Nett-Sein, sowohl Sie wie Ihre Partei.

Blocher:
Es wird uns vorgeworfen, dass unser Wandel schon fast peinlich sei. Aber wir haben einen Wähleranteil von 27 Prozent, und deshalb treten wir tatsächlich weniger provokativ auf. Man hört uns heute auch, wenn wir weniger aggressiv auftreten.

Angenommen, Sie erhalten den zweiten Sitz im Bundesrat: Können sie dafür garantieren, dass Ihre Partei sich mässigt und auf Provokationen wie das
Soldatenfriedhofplakat mit dem sie gegen die Auslandseinsätze kämpften, verzichtet?


Blocher:
Das war kein provozierendes Plakat. Es hat gezeigt, was Krieg bedeutet, nämlich sterben können. Aber Plakate wie “Das haben wir den Linken und Netten zu verdanken” oder das Plakat gegen den EU-Beitritt mit dem Stiefel, der die Schweizer Fahne zertritt, werden wir als Regierungspartei kaum mehr machen. Wäre die SVP voll in der Regierung sind, hätten wir das auch nicht mehr nötig. Dann würde die Meinung gehört – und hoffentlich auch viel verwirklicht. Wir merken das schon jetzt. Die Medien schreiben zwar immer noch mehrheitlich gegen die SVP und Blocher, aber sie nehmen die SVP und unserer Themen und Forderungen auf.

Opposition ist kein Kinderspiel für eine Partei. Sind sie denn in der Lage, vier Jahre Opposition zu machen?

Blocher: Wir haben das gut durchdacht und uns genau überlegt. Wir sind personell, organisatorisch und finanziell dazu bereiut, wenn das Parlament das Duo Schmid/Blocher nicht will.

Das heisst?

Blocher: Wir haben ein klares Konzept. Sie werden verstehen, dass ich hier nicht alles preisgebe. Ich werde meine ganze Kraft statt in den Bundesrat in meine Funktion als Oppositioneller stecken.

Werden Sie auch als Oppositionsführer die Führung ihrer Firma abgeben?

Blocher:
Es ist alles vorbereitet, aber es muss nicht sofort sein. Klar ist aber, dass ich mir auch für die Opposition zeit nehmen muss, denn die würde mich ebenso fordern. Würde es die SVP gut machen, wäre sie 2007 so stark, dass es zu einer rein bürgerlichen Regierung käme. Würden sich die anderen Parteien dann endlich zu einer echten Konkordanz entschliessen, hätten wir 2007 wohl drei Sitze.

Kompromisslose Oppositionspolitik kostet viel Geld…

Blocher:
Ja, das ist so, das ist teuer…

… und das Geld stellen Sie zur Verfügung?

Blocher: Wir werden die Mittel haben. Nicht nur von mir. Wir werden in der Zukunft wesentlich mehr Geld von der Wirtschaft erhalten. Bis jetzt waren wir nicht sehr verwöhnt. Wir wurden von der Wirtschaft zum Teil auch abgestraft. Als wir gegen die Solidaritätsstiftung antraten, hat ein Teil der Unternehmen uns die Mittel entzogen, ebenso als wir gegen die 2,5 Milliarden Steuergelder für die Swiss kämpften. Inzwischen stellen wir fest, dass man uns wieder Geld gibt. Wir hören, dass uns Wirtschaftskreise in der Opposition unterstützen wollen, weil wir die einzige seien, die eine konsequente Politik betreiben.

Wenn Sie als Bundesrat keinen Erfolg haben, verliert die Partei und ihr Nimbus geht verloren. Wollen Sie ihr Lebenswerk riskieren.

Blocher: Manche haben vor der Kandidatur gewarnt, weil sie fürchten, ein SVP-Zugpferd zu verlieren. Wir müssen uns aber fragen, ob wir es für die Partei oder für die Schweiz tun wollen. Das Risiko ist riesengross, das stimmt. Und möglicherweise sind wir in vier Jahren als Partei nicht mehr so stark. Vielleicht müssen wir aber auch nicht mehr so stark sein. Wenn wir etwas bewirken können in der Regierung, spielt es doch am Ende keine Rolle mehr, welche Partei am meisten Wählerprozente hat.

Sie wollen uns weismachen, dass es ihnen egal ist, wie stark die SVP ist?

Blocher: Nein, aber die Partei ist kein Selbstzweck. Es ist doch Blödsinn, sich am Wahlabend über ein paar Wählerprozente zu freuen und sich wegen jedem Sitzgewinn gegenseitig auf die Schultern zu klopfen. deshalb hat die SVP am Wahlabend auch gleich die Konsequenzen des Wählerauftrags auf den Tisch gelegt, um zu zeigen, wie es weitergehen muss. Wenn wir zuerst an Wählerprozente denken statt an den Wählerauftrag, stellen wir die Sache auf den Kopf. Das geschieht in der Politik viel zu oft. Deshalb verlieren die Leute das Vertrauen in die Politik.

Auch Sie haben mit ihren permanenten Attacken auf die gewählten Politiker, das Vertrauen in die Politik geschwächt.

Blocher: Kritik kann Vertrauen in eine gute Sache nicht zerstören. Wer etwas richtig macht, der kann Attacken ertragen. Das Ansehen wird vielleicht leiden, das Vetrauen geht nicht verloren. Es gibt wohl keinen anderen Politiker, der soviel angegriffen wurde wie ich. Habe ich deswegen das Vertrauen der Leute verloren? Nein. Deshalb wehre ich mich dagegen, dass man Kritik unterbinden will. Dölf Ogi hat jeden morgen alle Artikel über sich gelesen und jedes Mal die betreffende Redaktion angerufen, wenn er kritisiert worden ist. Ich habe ihm oft geraten, lass dies laufen; so was wäre mir nie in den Sinn gekommen. In den 70 und 80er Jahren war die gesamte Presse bundesratsfeindlich, vielleicht mit Ausnahme der Neuen Zürcher Zeitung. Das Vertrauen in die Politiker war damals viel grösser als heute. Das Vertrauen geht dann verloren, wenn man sich dauernd gegenseitig schützt und alles unter dem Deckel hält.

Sie treten zuweilen so resolut und bedingungslos gegen Andersdenkende auf, dass Ihnen totalitäre Züge vorgeworfen werden. Für den Freisinnigen Yves Guisan sind Sie sogar ein Faschist.

Blocher: Guisans Partei hat die Wahlen verloren, und jetzt versucht er mich einfach mundtot zu machen. Der Vorwurf kommt mir vor wie ein letzter Hilfeschrei. Er konnte seine Beschuldigung ja nicht einmal begründen. Den Gegner einfach mit Dreck bewerfen, bringt uns nicht weiter. Ich kritisiere scharf, aber Verleumdungen und Beschmutzungen sind mir fremd.

Sie haben die Sozialdemokraten mit Faschisten verglichen.

Blocher: Das habe ich nie getan und würde es auch nie tun.So was wäre mir peinlich, auch wegen der Verhamrlosung der faschistischen Massenmörder. In einer Schrift “Freiheit statt Sozialismus” habe ich bloss die Sozilisten in allen Parteien aufgefordert über die gemeinsamen geistigen Wurzeln von Sozialismus, Nationalsozialismus und Faschismus nachzudenken, die zum Totalitarismus führen. Hitler, Stalin und Mao gehören in die gleiche Reihe, Die Überbetonung des Etatismus und Kollektivismus ist eben allen diesen totalitären Regimes gemeinsam. Ich habe in der Schrift ausdrücklich anerkannt, dass Sozialdemokraten gegen den Nationalsozialismus gekämpft haben. Zudem war meine Schrift eine Entgegnung auf die ständigen Vorwürfe der Linken, die SVP bestehe aus Faschisten und Rechtsextremen. das sind und bleiben Verleumdungen.

Wegen Ihrem Vergleich will die SP Sie nicht wählen.

Blocher: Das sind doch Tarnungen. Die SP hat Angst, dass sich nach den Wahlen mit dem Team Schmid/Blocher etwas ändern würde. Weil das Parlament und nicht das Volk wählt, versucht man im Parlament einzelne Köpfe auszuschalten. Abgesehen davon: Ich habe 1968 studiert – unter anderem mit Bundesrat Moritz Leuenberger – und ich weiss, wer damals unkritisch mit dem Mao-Büchlein herumgerannt ist und heute höchste Ämter bekleidet. Ich kann nur sagen: Die Linke hat historisch noch viel aufzuarbeiten. Mit dem Nationalsozialismus haben wir zum Glück abgerechnet. Ich kenne keine leute in Amt und Würde, die noch für die Greueltaten des Faschismus einstehen. Es gibt keine bedeutende politische Kraft, die das tut. Aber mit den Gräueltaten des Kommunismus haben wir nicht abgerechnet. Viele, die heute in Politik und Kultur eine Rolle spielen, haben diese Bewegung damals unterstützt und auch unterschätzt.

Ihre Partei haben Sie immer wieder unerbittlich auf Ihren Kurs gebracht.

Blocher: Aber nicht durch totalitäres Verhalten. Wir hatten grosse Richtungskämpfe in der SVP, und wir habe diese immer ausgetragen, auch öffentlich. Der Kurs einer Partei muss erstritten werden. Es stimmt: Anfangs, noch als Aussenseiter, habe ich meine Ideen in der Partei durchgesetzt, aber nicht mit Brachialgewalt, sondern durch Überzeugung und anhaltendes Wirken. Ich habe mich bei jeder heiklen Frage dafür eingesetzt, den Konflikt auszutragen und nichts zu überdecken. Dafür sind unsere Positionen dann in der Partei verankert und wir müssen nicht dauernd den Kurs wechseln.

Mit ihren kompromisslosen Auftritten und ihrem teilweise provokativen Stil muten Sie ihren Gegenspielern sehr viel zu.

Blocher:
Nein, eher zu wenig. Im Ernst: Wer die harte Auseinandersetzung nicht erträgt, darf nicht in die Politik. Entscheide müssen errungen werden.

Die Linke hält Ihre Politik für unsolidarisch. Für Sie zähle nur, wer Leistung bringen könne.


Blocher:
Nur die Selbstverantwortung schützt das Land vor der Verarmung. Nur das kann unseren Staat überhaupt retten. Jeder muss zuerst zuerst einmal für sich selbst verantwortlich sein. Nur, wenn jemand nicht im Stande ist für sich selbst zu sorgen, weil er zu schwach oder krank ist, hat der Staat, die Fürsorge, zu helfen. Solidarität kann aber nicht heissen, dass wir einfach allen Geld verteilen, so dass keiner mehr für sich selbst schauen muss. Sonst gehen schlussendlich alle zugrunde.

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