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18.10.2006

Die Schweiz und Europa – die Entwicklung seit dem EWR-Nein von 1992

Grussbotschaft zum 5-Jahr-Jubiläum der SVP Neuenburg am Mittwoch, 18. Oktober 2006, 21.15 Uhr, Grand salle polyvalente, Auvernier NE 18.10.2006, Auvernier Auvernier. Bundesrat Christoph Blocher ermutigt die Zuhörer zum Durchhalten. Anhand den Entwicklungen in der Schweiz seit dem EWR-Nein zeigt er auf, dass es sich lohnt, Inhalten und Zielen treu zu bleiben, und man in der Politik nicht aus Bequemlichkeit einem Modetrend nachgeben soll. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. 1. Die SVP ist angekommen Die gute Nachricht voraus: Die SVP ist in der Romandie angekommen. Die SVP ist mit ihren Botschaften und mit ihren Lösungen angekommen. Das hat die Volksabstimmung zum Asyl- und Ausländergesetz deutlich gezeigt. Die Bürgerinnen und Bürger wollen Lösungen sehen. Sie haben genug von beschönigenden Theorien. Die Menschen sehen und erleben die Missstände – und sie wollen eine Politik, die diese Probleme angeht und nicht Politiker, die diese Probleme bloss tabuisieren. 2. Die Gründe Warum ist die SVP in der Romandie angekommen? * Weil die SVP sich als einzige Partei für die Souveränität der Schweiz einsetzte, als es in den 90-er Jahren nicht mehr Mode war. Wir stehen ein für eine freie und unabhängige Schweiz. Das ist die Grundlage unseres Staates und die Voraussetzung für eine erfolgreiche Politik. Wie wollen Sie eine gute Politik machen, wenn andere die Politik bestimmen? * Weil die SVP die Anliegen des Volkes vertritt. Die Bürgerinnen und Bürger möchten Arbeit, Verdienst, gute Schulen, weniger Abgaben, sichere Strassen und auch in der Zukunft eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Kurz: Die Menschen wollen leben. * Weil die SVP Probleme beim Namen nennt. Wir haben jahrzehntelang gegen die offensichtlichen Missbräuche im Asylwesen gekämpft. Man hat uns deswegen beschimpft und verunglimpft. Man hat die Missstände geleugnet, um sie nicht bekämpfen zu müssen. Wir haben mit Beharrlichkeit weiter gemacht. Wir haben Lösungen gebracht. Wir wurden für diese Lösungen wiederum beschimpft und verunglimpft. Heute bilden unsere Lösungen im Asylwesen die offizielle Politik im Lande. Die SVP ist angekommen, weil sie Rückgrat hat. Weil auch unser Land ein Rückgrat braucht. Das Rückgrat der Schweiz heisst Selbstbestimmung, direkte Demokratie, Neutralität und Föderalismus. Zu diesen Grundwerten stehen wir und darum kommt ein Beitritt zur Europäischen Union für uns nicht in Frage. 3. Durchhalten Es gibt die SVP in Neuenburg erst seit fünf Jahren. Gerade einmal zwei Jahre nach der Gründung sind Sie angetreten zu den nationalen Wahlen. Und Sie haben auf Anhieb das beste Resultat in der Romandie eingefahren. Mit 22,4 Prozenten. Es ist die französische Schweiz und insbesondere sind es auch Sie gewesen, die den doppelten Einzug der SVP in die schweizerische Regierung überhaupt ermöglicht haben. Darauf können Sie mit Recht stolz sein. Ich gratuliere der SVP Neuenburg zu ihrem 5-jährigen Geburtstag! Ihre Erfolge sind grossartig und wichtig. Aber – und das zeigt mir meine jahrzehntelange Arbeit in der Politik – der Erfolg ist nicht der Alltag. Ich muss Sie warnen: Die Bewährung wartet erst noch auf Sie. Darum lautet das wichtigste Prinzip in der Politik: Durchhalten. Durchhalten. Durchhalten. Sie werden Niederlagen erleben. Sie werden Beschimpfungen aushalten müssen. Sie werden vor allem der Versuchung widerstehen müssen, jeder Strömung, jedem Modetrend, jeder kurzfristigen öffentlichen Erregung nachzugeben. Durchhalten! In der Politik gilt es stets der eigenen Bequemlichkeit zu widerstehen. Es gilt, stets die Inhalte und Ziele über die persönlichen Interessen zu stellen. Wie schnell vergisst man dies – vor allem wenn der Chor der classe politique zusammen mit dem Einheitschor der Medien etwas anderes singt. Die Unabhängigkeit der Schweiz, die Neutralität, der Föderalismus, die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger ist nie nur bequem. Denn: Wer diese Werte hochhält, muss auch jene Politik bekämpfen, die genau diese Werte untergraben und zerstören will. Bei allen schweren und schwierigen Zeiten, die auf Sie warten, eine Gewissheit kann ich Ihnen versichern: Wer durchhalten kann, wird am Ende belohnt. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass der Kanton Neuenburg zusammen mit der Deutschschweiz und der SVP dem neuen Asylgesetz zustimmt? Durchhalten! Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass Neuenburg zusammen mit der Deutschschweiz und der SVP die Beitrittsinitiative „Ja zu Europa“ versenken würde? Durchhalten! Wer hätte es vor zehn Jahren für möglich gehalten, dass die SVP im Kanton Neuenburg auf fast einen Viertel Wähleranteil kommen würde? Durchhalten! Es gilt, bei den Grundsätzen zu bleiben. Die Sorgen und Probleme der Bevölkerung ernst zu nehmen. Gehen Sie zu den Menschen, schauen Sie hin, was die Menschen beschäftigt und Sie wissen, was Sie zu tun haben. Es sind die Eliten, die sich von den Bürgerinnen und Bürger entfremdet haben. Die Europafrage ist nur ein, wenn auch besonders aufschlussreiches Beispiel, dass die Eliten über die Köpfe und Herzen der Menschen hinweg politisieren. 4. Für den schweizerischen Weg in Europa und der Welt Am 6. Dezember 2006 sind es vierzehn Jahre her, dass Volk und Stände den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) abgelehnt haben. Dieser Abstimmungskampf war die erste grosse und heftig geführte Auseinandersetzung um die Europa-Frage. Für einen EWR-Beitritt wurden vor allem ökonomische Gründe geltend gemacht. Die Wirtschaftsverbände warnten vereint mit der Classe politique, den Massenmedien, Gewerkschaften und Hochschullehrern eindringlich vor einem Nein zum EWR-Vertrag. Mit Millionenbeiträgen und einem Heer von Journalisten, die sich die Finger wund schrieben, drohten sie den Stimmbürgern… * mit massiver Abwanderung schweizerischer Firmen in den EU-Raum * Verarmung der Schweiz * Investitionsarmut für die Schweiz * mit mangelnder Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz * mit einem Zerfall des Schweizerfrankens * mit stark steigende Schuldzinsen, die mangels Vertrauen in die schweizerische Volkswirtschaft sogar über das europäische Niveau steigen würden * mit vielen weiteren schrecklichen Prophetien Eine besonders prominente Stimme, die des damaligen Verkehrsdirektors der Stadt Luzern, behauptete 1992: „Ohne EWR kann die Schweiz nicht überleben.“ Aber zum Glück werden die meisten Propheten durch die Zukunft widerlegt. Heute schreiben die Zeitungen: „Die Schweiz ist die wettbewerbsfähigste Nation“. „Hohes Wirtschafts-Wachstum für die Schweiz“. „Die Schweiz hat kein Wachstumsproblem“ etc. Nun, das mag übertrieben sein. 5. Die Schweiz, ein Erfolgsmodell Aber fest steht: Ein zusammenfassender Rückblick zeigt, dass eine unabhängige, aber weltoffene Schweiz ein Erfolgsmodell darstellt, solange dieses Erfolgsmodell nicht unterlaufen bzw. aufgegeben wird. Unabhängigkeit, Neutralität und der Wille zur Eigenverantwortung sind das Fundament für eine erfolgreiche Schweiz in Wohlstand und Sicherheit. Dies zu verteidigen ist Aufgabe der SVP! Tatsache ist: Die Wettbewerbsfähigkeit ist weltweit vorteilhaft und liegt weit über den EU-Ländern. Nach der jüngsten Studie des WEF (World Economic Forum) liegt die Schweiz sogar auf Rang eins. Besonders gelobt werden der Finanzplatz, die Forschung, die politische Stabilität, das Steuerniveau und die guten Infrastrukturen. Auch punkto Standortqualität nimmt die Schweiz gemäss einer Umfrage bei Unternehmen die Spitzenstellung in Europa ein. Das zeigt auch die hohe Summe von Direktinvestitionen im Land und die Tatsache, dass sich allein im letzten Jahr rund 500 ausländische Firmen in der Schweiz niedergelassen haben. Wir können festhalten: * Punkto Zinsen, Inflation, Lohnniveau und Wohlstandsniveau schneidet die Schweiz von allen europäischen Staaten am besten ab. * Das Vertrauen in den Schweizerfranken ist ungebrochen. * Die Arbeitslosigkeit ist trotz hohem Ausländeranteil niedriger als in der EU. * Die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft ist ungebrochen. 6. Die SVP ist auch in der offiziellen Europapolitik angekommen Das EWR-Nein verhinderte den bereits anvisierten EU-Beitritt, welcher der Unabhängigkeit, dem Föderalismus, der direkten Demokratie und der Neutralität einen entscheidenden Schlag versetzt hätte. Die SVP hat sich mit ihrem Hauptziel offiziell durchgesetzt! * Ohne die SVP wäre wohl der EWR-Beitritt damals durchgekommen und die Schweiz heute Mitglied der EU. * Bis vor wenigen Jahren verfolgte der Bundesrat, die Verwaltung, das Parlament und alle anderen Parteien den Beitritt zur EU. * Ich erinnere an die Abstimmung von 2001, wo das Volk mit 76,8 Prozent einen schnellen Beitritt abschmetterte. * Das bis 2003 verfolgte strategische Ziel des EU-Beitritts wurde von Regierung und Parlament fallen gelassen. * Der Bundesrat tritt für bilaterale Verhandlungen ein, „ohne dass die Handlungsfreiheit“ gefährdet werden soll. Es ist uns gelungen, auch in der Europapolitik die Weichen neu zu stellen. Das ist kein Triumph für die SVP, aber der richtige Weg für die Schweiz. Wenn die SVP unbeirrt an diesem Weg festhält, dann geht’s der Schweiz gut. Nur: Wir müssen durchhalten, durchhalten, durchhalten.

04.10.2006

Übernahme des Schweizerischen ZGB

Begrüssung von Bundesrat Christoph Blocher an der Eröffnung des Symposium anlässlich des 80-jährigen Inkrafttretens des türkischen Zivilgesetzbuches vom 4. Oktober 2006 an der Universität Ankara 04.10.2006, Ankara Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort. Anrede Schon früh in der Schule habe ich gelernt, dass die Türkei das Schweizerische Zivilgesetzbuch, das so genannte „ZGB“, übernommen hat. Ich habe das schnell und gerne gelernt, bevor ich wusste, was ein Zivilgesetzbuch überhaupt ist! Aber stolz waren wir Schüler auf jeden Fall, dass die mächtige Türkei von der kleinen Schweiz so etwas – wie uns schien - Wichtiges übernommen hatte. Es erfüllt mich auch heute mit Freude – sehr geehrter Herr Rektor, sehr geehrter Justizminister, Frau Dekanin, meine Damen und Herren – mit Ihnen den 80. Geburtstag der Übernahme des schweizerischen Zivilgesetzbuches an der Ankara-Universität feierlich begehen zu können. Als ich in den Vierzigerjahren des letzten Jahrhunderts den schweizerischen Bubenstolz spürte, wusste ich natürlich noch nicht, dass mir einmal diese hohe Ehre zufallen würde. Meinem türkischen Amtskollegen, Herrn Justizminister Cemil Cicek, danke ich für seine freundliche Einladung. Zuhanden der türkischen Regierung möchte ich Ihnen auch gleich die besten Grüsse und Glückwünsche des Schweizerischen Bundesrates übermitteln. In der Schweiz ist das Kollegium der 7 Bundesräte zugleich das „Staatsoberhaupt“. Über einen Premierminister oder Präsidenten verfügen wir nicht. Herr Rektor Professor Nusret Aras, ich danke Ihnen für das heute gewährte Gastrecht an der so wichtigen Ankara-Universität in der Geschichte der Türkischen Republik und auch Ihnen und Ihren geschätzten Kolleginnen und Kollegen, Frau Dekanin Lale Sirmen, gratuliere ich zur Initiative, in der Hauptstadt der Republik ein mehrtägiges Symposium durchzuführen. Dass eine solche Übernahme eines Gesetzbuches wie es die Türkei im Falle des schweizerischen Zivilgesetzbuches vollzogen hat, auch eine ganz andere Bedeutung haben kann, sehen Sie aus folgender kleiner Gegebenheit: Als ich als junger juristischer Mitarbeiter desjenigen Unternehmens, das ich dann später erwarb, einmal eine Anfrage eines türkischen Unternehmers für den Bau einer Fabrikanlage in der Türkei entgegennehmen musste, fragte ich den Gründungspräsidenten unserer Firma, ob wir diesen Auftrag in der fernen Türkei ausführen sollten, obwohl uns die Türkei doch etwas fremd sei. Andere Länder, andere Sitten würden dort gelten. Der Präsident antwortete kurz: „Die Türken sind rechte Leute, sie haben schliesslich das schweizerische Zivilgesetzbuch übernommen. Da werden sie auch gute Geschäftsleute sein!“ Darauf haben wir das Geschäft abgeschlossen und daraus entwickelte sich eine langjährige gute Geschäftsbeziehung, die von grossem gegenseitigem Vertrauen geprägt war, bis auf den heutigen Tag. Mittlerweile haben sich aus dieser geschäftlichen Bekanntschaft verschiedene Projekte in der ganzen Türkei entwickelt z.B. in Izmit, in Bursa und in Adapazari, um nur einige Beispiele zu nennen. Dieses Beispiel zeigt, dass sich hier nicht nur geschäftliche Beziehungen aufgetan, sondern auch langjährige menschliche Kontakte ergeben haben. So ist es kein Zufall, dass eine grössere Zahl namhafter schweizerischer Rechtsprofessoren, aus drei verschiedenen Universitätsstädten der Schweiz (Bern, Freiburg, Lausanne), als Mitwirkende angereist sind, u.a. mit Herrn Prof. Eugen Bucher einer meiner ehemaligen Professoren, was mich beeindruckt. Meine Landsleute sind der lebendige Beweis für die nach 1923 eingesetzten Fach-Kontakte, aber auch wiederum vor allem Ausdruck freundschaftlicher Verbindungen. Wenn wir die letzten 80 Jahre betrachten, stossen wir auf Schlüsselorte mit besonderem Geschehen: So zum Beispiel * „Genf“ - dieser Name ist eng verbunden mit den Jungtürken, – rund 22 osmanische Oppositionszeitungen wurden dort gedruckt; * Der 1923 geschlossene Friedensvertrag von „Lausanne“ gilt noch heute als eigentliche Geburtsurkunde der Republik Türkei, und ist so zu sagen das türkische Pendant zu unserem Freiheitsbrief von 1291; * Mit den „Montreux-Verträgen“ von 1936 erreichte die Türkei die volle Souveränität über die Dardanellen, das Marmarameer und den Bosporus; * In „Zürich“ fand 1960 die Aushandlung der Zypern-Verträge statt; * 1988 war es „Davos“, das als Forum für die türkisch-griechische Annäherung und die so genannte „Davos Declaration“ Pate stand. * Auf dem „Bürgenstock“ hat im Jahre 2004 die letzte Runde der Zyperngespräche stattgefunden. Aber auch auf anderen Gebieten haben sich die Beziehungen zwischen der Schweiz und der Türkei in vielfältiger Art und Weise, geprägt von gegenseitigem Respekt und Wohlwollen, entwickelt. So zum Beispiel: * die Übernahme des “ZGB“ von 1926, deshalb sind wir jetzt hier! * die türkisch-schweizerischen Juristentage, die dank Ihnen seit Jahren in der Türkei oder der Schweiz durchgeführt werden; * die „türkische Migros“, deren Gründung nach dem Besuch von Gottfried Duttweiler, Vater der Migros, und schweizerisches Urgestein, im Jahre 1954 erfolgte; * die türkischen Studenten und Doktoranden in der Schweiz sowie ihre Dissertationen: die Schweiz wies bis etwa 1970 die höchste Pro-Kopf Zahl an türkischen Dissertationen in Europa auf; vor allem die Universitäten Genf, Lausanne, Freiburg und Neuchâtel waren beliebt. – Auch Frau Dekanin Lale Sirmen hat ein Jahr in der Schweiz, genauer an der Universität Zürich, verbracht. Das gigantische Unternehmen das Rechtswesen der Türkei, ja die ganze Gesellschaft, von Grund auf neu zu konstruieren, war 1926 ein historisch gesehen einzigartiges Grossexperiment, das unsere volle Bewunderung und Anerkennung verdient. Dass die Schweiz einen Mosaikstein dabei mit dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch und dem Obligationenrecht hat beisteuern dürfen, erfüllt uns mit Stolz. Der Umstand, dass der erste türkische Justizminister, Mahmud Esad Bozkurt, in der Schweiz, genauer gesagt in Lausanne und Freiburg, studiert hat, hat die Übernahme des schweizerischen ZGB beschleunigt. Er äusserte sich zu dieser gigantischen Aufgabe damals folgendermassen: Quote: …„Man muss eine ganz neue türkische Justizorganisation mit neuem Rechtssystem, neuen Gesetzen und neuen Gerichten ins Leben rufen. Welchen Charakter könnte und würde diese Justizorganisation haben, der sich auch die Ausländer unterwerfen müssten? Die Antwort können wir mit einem Worte geben: <weltlich>…“ Professor Ernst Hirsch hat anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des schweizerischen Juristenvereins diese Aussage in einem Artikel zitiert. Der Mut der Gründerväter der Türkei, allen voran von Kemal Atatürk, die Reste des osmanischen Reiches in eine moderne Republik umzuwandeln, ist auch heute noch beeindruckend. Herr Justizminister, Herr Rektor, Frau Dekanin, Meine Damen und Herren Wir freuen uns heute mit Ihnen, dass die „türkische Geburtsurkunde“ in Lausanne verhandelt wurde und dass Sie das „ZGB“ übernommen haben. Sie haben mit dem ZGB ein von einem Mann namens Eugen Huber in grosser Bescheidenheit geschriebenes Gesetzeswerk übernommen. Das erfüllt uns mit Stolz und Demut und ist ein starkes Band zwischen unseren Ländern. Ich wünsche Ihnen ein interessantes juristisches, aber auch ein menschen-verbindendes Forum. Ich würdige den Mut Ihrer Gründerväter, die in grosser Verantwortung den Fortschritt mit Bewährtem in eine lebensfähige und zukunftsgerichtete Synthese gossen. Ich danke Ihnen bestens für Ihr Engagement.

21.09.2006

Meinungs- und Sprachenvielfalt fördern die Verantwortung

Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der Jubiläumsfeier 10 Jahre "La Quotidiana" vom 21. September 2006 in Flims 21.09.2006, Flims Flims. Bundesrat Christoph Blocher drückt in seinem Referat seine Freude über das 10-jährige Bestehen der ersten eigenständigen rätoromanischen Tageszeitung aus und tritt für die Meinungsäusserungsfreiheit, sowie die Presse- und Sprachenvielfalt ein. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Geschätzte Damen und Herren Wohl niemand von den hier Anwesenden hätte vor 10 Jahren daran gedacht, dass ich heute zu Ihnen am 10-Jahres-Jubiläum der Quotidiana sprechen würde. - Aber so läuft das Leben! 1. Das Dreititelkonzept Aber etwas anderes habe ich schon vor zehn Jahren geglaubt – auch wenn verschiedene Bündner dies damals für ausgeschlossen hielten – nämlich, dass das "Bündner Tagblatt", das ich damals aus den Händen geben hatte, auch nach 10 Jahren noch existieren wird. Hätte ich nicht daran geglaubt, so hätte ich der Übertragung an das damalige Verlagshaus Gasser, der heutigen Südostschweiz Mediengruppe, wohl nie zugestimmt. Dass Sie heute mit dem neuen Klartext-Buch nicht nur das zehnjährige Funktionieren des Zweititelsystems "Bündner Tagblatt"/"Die Südostschweiz" feiern können, sondern auch noch das 10-jährige Bestehen der ersten eigenständigen rätoromanischen Tageszeitung, freut mich nicht nur politisch, sondern von Herzen. So hat dieser bevölkerungsmässig kleine, aber flächenmässig grösste Kanton Graubünden drei verschiedene Tageszeitungen. Das ist ein Angebot, dessen Wert man nicht hoch genug einschätzen kann. 2. Rettung des Bündner Tagblattes Als ich mich vor 20 Jahren entschloss, das damals bereits tot gesagte "Bündner Tagblatt" zu retten, herrschte in Graubünden nicht nur Freude. Die Linke befürchtete, ich wolle den ganzen Kanton bekehren und das "Bündner Tagblatt" als Plattform für mich allein beanspruchen. Als ob ich eine solche Plattform in Graubünden nötig gehabt hätte. Und der damalige Verlag Gasser sah darin eine ungerechtfertigte Konkurrenz durch einen Zeitungstitel, der aus wirtschaftlichen Gründen damals hätte sterben müssen. Unrecht hatte die damalige Bündner Zeitung eigentlich nicht. Doch das "Tagblatt" rettete ich allein deshalb, weil mir erstens dieser Kanton und zweitens die Meinungsvielfalt in diesem Kanton am Herzen lag und liegt. 3. Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit Die Meinungsäusserungs- und die Pressefreiheit sind für das Zusammenleben von Menschen in einer Gesellschaft von grosser Bedeutung. Nur so kann sich jeder einzelne Mensch entsprechend seiner inneren Überzeugung entfalten. Meinungen zu unterbinden, indem beispielsweise den Medien von aussen oder von innen Fesseln angelegt werden, das darf es in einem liberalen Staat nicht geben. Dass allerdings Tatsachen in den Medien falsch, ungenau, verdreht oder unvollständig wieder gegeben werden, ist zwar ärgerlich, besonders wenn es aus Kalkül, aus Bosheit und mit Absicht geschieht. 4. Wider die Einheit Aber noch schlimmer wird es dann, wenn sich die Herrschenden und die Meinungsmacher, also die Politiker und Journalisten, auf eine einzige Meinung verständigen und jeden, der nur schon ein bisschen von dieser Doktrin abweicht, gleich auf den medialen Scheiterhaufen führen. Das ist auch dann verwerflich, wenn es in so genannt „guter Absicht“ geschieht. Denn was heisst gut? Soll das die Macht bestimmen? Leicht wird die einheitliche Darstellung der herrschenden Zustände zur Lüge, auf die sich alle geeinigt haben. Das beste Mittel gegen solche Verhältnisse liegt jedoch nicht bei staatlicher Einflussnahme, sondern in der Gewährleistung redaktioneller Vielfalt. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn hinter den Redaktionen auch von einander unabhängige Verlage stünden. Nur ist das in Graubünden wirtschaftlich leider nicht möglich. Darum musste mit dem Dreititelkonzept – d.h. Unabhängigkeit der Redaktion und Gemeinsamkeit in Herstellung und Vertrieb – der zweitbeste Weg gewählt werden. 5. Einzige Lösung: Meinungsvielfalt Die Pressevielfalt kann wesentlich dazu beitragen, dass die Wahrheit ans Tageslicht kommt oder dass wirklich beide Seiten einer Medaille gezeigt werden. Ich sage bewusst "kann", denn die gegenseitige "Kontrolle" funktioniert eher selten und in vielen wesentlichen Fragen herrscht trotz Vielfalt der Titel leider ein grosser Einheitsbrei vor. Hier wünschte ich mir eine viel grössere Vielfalt. Denn je mehr Meinungen vorhanden sind, desto mehr wird in der Öffentlichkeit ein Thema diskutiert. Fakten werden ausgebreitet, Argumente pro und contra werden genauestens unter die Lupe genommen und abgewogen. Damit Sie mich klar verstehen: Ich erwarte nicht, dass die Medien eine bestimmte Meinung übernehmen. Ich bedaure einzig, dass die Pressevielfalt, die wir in der Schweiz glücklicherweise haben, nicht auch zu einer Meinungsvielfalt führt. Was nützt uns die Pressefreiheit, wenn doch keine Konkurrenz der Meinungen stattfindet? In Graubünden ist die Situation glücklicherweise nicht so schlimm wie auf nationaler Ebene. Aber ich denke, auch in Graubünden, wo ja mit drei Tageszeitungen nach wie vor gute Voraussetzungen bestehen, könnte die Meinungsvielfalt noch grösser sein. 6. Zur Meinungsvielfalt gehört auch die Sprachenvielfalt Wer die Meinungsfreiheit bejaht, muss auch die Sprachenfreiheit bejahen. Das eine ist ohne das andere nicht möglich. Denn nur wenn sich jeder in der Sprache äussern kann, die er am besten beherrscht, ist er in seiner Meinungsäusserung wirklich frei. Dass die kleine Schweiz noch immer vier Landessprachen kennt, ist alles andere als selbstverständlich. Schauen wir nur die sprachliche Entwicklung Europas in den letzten 100 bis 200 Jahren an. Sprachlich wurde Europa in dieser Zeitspanne immer eintöniger. Praktisch überall, wo sprachliche Minderheiten lebten, waren sie einem Homogenisierungsdruck durch das so genannte Mehrheitsvolk ausgesetzt. Die meisten europäischen Regierungen empfanden die Mehrsprachigkeit lange Zeit als Störung der nationalen Harmonie. In der Schweiz konnte sich die kleinste Landessprache nicht zuletzt auch deshalb behaupten, weil ein solcher Druck zumindest nicht von offizieller Seite kam. Im Gegenteil: Die Viersprachigkeit und damit insbesondere auch das Rätoromanische wurde früh zum Wesensmerkmal der Schweiz, das man nicht einfach hergeben möchte. Letztlich war es der föderalistische Staatsaufbau, dank dem die Mehrsprachigkeit der Schweiz erhalten blieb. Wäre die Schweiz ein zentralistischer Einheitsstaat geworden, würden wir heute wohl nur noch Deutsch oder allenfalls Französisch als Landessprache kennen. 7. La Quotidiana Das Rätoromanische aber ist ein wichtiges Stück unserer Kultur, und dies hat zuletzt auch zur „La Quotidiana“ geführt. Sie hat sich in den letzten zehn Jahren zu einem nicht unbedeutenden Sprachrohr der Rumantschia entwickelt und will mit ihren verschiedenen Plattformen sowohl die Meinungs- als auch die Sprachenvielfalt leben! Aber: Das Rätoromanische muss sich im Alltag bewähren. Eine Tageszeitung, die spannende Themen aufgreift und für ein breites Meinungsspektrum sorgt, ist dafür am besten geeignet. So hoffe ich für die Rumantschia, dass "La Quotidiana" mit starken Themen einen Beitrag leisten kann, um diese Sprache nicht nur am Leben zu erhalten, sondern als Sprache der Meinungen überleben zu lassen!

19.09.2006

Neues Ausländer- und Asylgesetz

Referat von Bundesrat Christoph Blocher vom 19. September 2006 in Biel/BE 19.09.2006, Biel Biel. In seinem Referat zum neuen Ausländer- und Asylgesetz sprach Bundesrat Christoph Blocher über die Ziele der beiden Vorlagen. Während mit beiden Gesetzen Missbräuche verhindert werden sollten, solle mit dem Ausländergesetz auch die Integration gefördert und mit dem Asylgesetz die humanitäre Tradition der Schweiz gewahrt werden. 1. Einleitung Es ist eine Tatsache, dass die Asyl- und Ausländerpolitik die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes stark beschäftigt. Die Schweiz hat heute in Europa mit 21,8 Prozent einen der höchsten Ausländeranteile überhaupt. Im Grossen und Ganzen funktioniert das Zusammenleben der einheimischen und der ausländischen Bevölkerung. Im Verlaufe der letzten Jahre haben sich jedoch Probleme gezeigt, die sowohl im Asyl- wie im Ausländerrecht zu lösen sind. Zudem haben sich die ausländerpolitischen Rahmenbedingungen mit der Einführung der Personenfreizügigkeit gegenüber den EU-Staaten grundsätzlich verändert. 2. Ziele des neuen Ausländergesetzes: Bessere Integration, weniger Missbrauch Das neue Ausländergesetz ist notwendig, damit die Schweiz die erforderlichen Arbeitskräfte erhält, ohne dass Arbeitslosigkeit entsteht und ohne dass die Sozialwerke unverhältnismässig belastet werden. Es gilt, die bestehenden Probleme, die unbestritten vorhanden sind, zu lösen: * Die Integration bedeutender Teile der ausländischen Wohnbevölkerung ist ungenügend. * Die Arbeitslosigkeit unter den Ausländerinnen und Ausländern ist mit 5.5 Prozent (Stand Juli 2006) deutlich höher als bei Schweizerinnen und Schweizern (2.4 %). * Besonders problematisch ist die Arbeitslosigkeit bei ausländischen Jugendlichen. Bei den ausländischen Jugendlichen betrug die Erwerbslosenquote im Jahr 2005 16.7 % und war mehr als 2.5 Mal so hoch wie diejenige der Schweizer Jugendlichen. * Die Straffälligkeit von Ausländern ist nach wie vor hoch. Gemäss der Polizeilichen Kriminalstatistik waren 52.8 % der Tatverdächtigen ausländische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Von diesen hatten 78.5 % Wohnsitz in der Schweiz. * Ein weiteres Problem ist die hohe Anzahl der IV-Bezüger unter den ausländischen Personen. Gemäss Bundesamt für Sozialversicherungen gab es (Stand Januar 2006, ohne Zusatzrenten für Ehegatten und Kinder) total 290'000 Rentenbezügerinnen und Rentenbezüger, davon 101'000 ausländische Personen (rund 35 %). * Im Weiteren fällt auf, dass die Sozialhilfestatistik des Jahres 2004 zeigt, dass 5.8 % der ausländischen Bevölkerung auf Sozialhilfe angewiesen ist. Bei den Schweizerinnen und Schweizern sind es 1.9 %. Die Hauptgründe für diese Probleme sind: * Schlecht qualifizierte ehemalige Saisonniers aufgrund der schweizerischen Rekrutierungspolitik v. a. in den 70er Jahren * Schlecht integrierte ausländische Jugendliche mit schulischen Schwierigkeiten, insbesondere wegen mangelhafter Sprachkenntnisse * Zu viele illegal anwesende Personen Das neue Ausländergesetz bekämpft diese Probleme: * Für Personen von ausserhalb der EU und der EFTA wird die Zulassung zum schweizerischen Arbeitsmarkt beschränkt und auf beruflich besonders qualifizierte Arbeitskräfte konzentriert. Stünde der schweizerische Arbeitsmarkt der ganzen Welt offen, wären hohe Arbeitslosigkeit und kaum verkraftbare Belastungen der Sozialwerke die Folgen. * Die Integration von Ausländerinnen und Ausländern wird verbessert, zum Beispiel durch eine möglichst frühe Einschulung ausländischer Kinder. * Berufs-, Stellen- und Kantonswechsel von Ausländerinnen und Ausländern werden vereinfacht, was den Zugang zur Erwerbstätigkeit erleichtert und viele bürokratische Hindernisse abbaut. * Die Massnahmen gegen Missbräuche wie Schleppertätigkeit, Schwarzarbeit und Scheinehen werden verstärkt. Freizügigkeitsabkommen und Ausländergesetz Das Freizügigkeitsabkommen mit der EU und der EFTA regelt den Personenverkehr mit diesen Staaten umfassend; nach einer Übergangsfrist ist hier eine uneingeschränkte Rekrutierung von Arbeitskräften möglich. Das neue Ausländergesetz gilt daher nur noch für Personen aus Staaten, mit denen kein Freizügigkeitsabkommen besteht. Personen ausserhalb der EU/EFTA - also Staaten wie zum Beispiel den USA, Indien oder China - können im Rahmen von Kontingenten nur dann zugelassen werden, wenn: * Sie beruflich besonders qualifiziert sind * Der Bedarf nach ihrer Arbeitskraft gegeben ist * Weder ein Schweizer noch ein EU/EFTA-Angehöriger dafür zu finden sind * Und ihnen die orts- und berufsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen gewährt werden. Diese besonders qualifizierten ausländischen Personen erhalten eine verlängerbare Aufenthaltsbewilligung oder eine befristete Kurzaufenthaltsbewilligung. Jahresaufenthalter und neu auch Kurzaufenthalter können die Familie nachziehen. Auch der Ehepartner hat die Möglichkeit, in der Schweiz zu arbeiten. Bei einer guten Integration kann die Niederlassungsbewilligung bereits nach fünf Jahren erteilt werden. Sie gewährt eine gute Rechtsstellung in der Schweiz, die mit dem Freizügigkeitsabkommen vergleichbar ist. 3. Asylgesetz Ziel der Teilrevision des Asylgesetzes ist: Die humanitäre Tradition der Schweiz wahren – und Missbräuche verhindern. Ende Juni 2006 befanden sich über 46'000 Personen im Asylbereich. Davon sind rund 25'000 Personen vorläufig aufgenommen. 9'300 Personen sind im Vollzug und müssen die Schweiz verlassen. Für über 6'300 von ihnen müssen zuerst Papiere beschafft werden. Wo liegen heute die Probleme im Asylbereich? * Eine Mehrheit der Asylsuchenden kann keine Gründe vorbringen, die zur Gewährung von Asyl führen. Im Jahr 2005 waren dies rund 86 Prozent. * Eine Mehrheit der Asylsuchenden, im Jahre 2005 waren es 73.5 %, gibt keine amtlichen Identitätspapiere (Pass oder Identitätskarte) ab. Erhalten diese Personen einen negativen Asylentscheid und müssen die Schweiz verlassen, so können sie mangels gültiger Reisedokumente nicht in den Herkunftsstaat zurück gebracht werden. Sie erzwingen so den Aufenthalt in der Schweiz. * Mit den heute bestehenden Zwangsmitteln ist es schwierig, ausreisepflichtige Asylsuchende zur Zusammenarbeit und zum Vorlegen von vollzugstauglichen Ausreisepapieren zu bewegen. * Die Kantone beklagen sich immer wieder, dass Personen die Ausschaffungshaft in Kauf nehmen, weil sie wissen, dass sie nach spätestens 9 Monaten wieder frei gelassen werden müssen. * Zahlreiche Asylsuchende nutzen die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel auch in offensichtlich hoffnungslosen Fällen. Wir brauchen das revidierte Asylgesetz, damit die bestehenden Probleme, vor allem im Vollzugsbereich, gelöst werden können. Zum Seitenanfang Zum Seitenanfang Verbesserungen sind bei denjenigen Personengruppen vorgesehen, die voraussichtlich für eine längere Zeit oder für immer in der Schweiz bleiben werden. Diese müssen besser integriert werden: * Vorläufig aufgenommene Menschen sollen einen erleichterten Zugang zur Erwerbstätigkeit erhalten, ihre Familien nach drei Jahren nachziehen sowie von Integrationsmassnahmen profitieren können. * Im Zusammenhang mit der Neuregelung der vorläufigen Aufnahme wird auch eine neue Härtefallregelung für den Asylbereich vorgesehen. So können die Kantone mit Zustimmung des Bundesamtes für Migration, unabhängig des Verfahrensstandes, einer gut integrierten Person eine Aufenthaltsbewilligung erteilen. Neben diesen wichtigen Integrationsmassnahmen müssen wir Missbräuche gezielt bekämpfen: * Denn zu viele Asylsuchende vernichten ihre Papiere, verschleiern ihre Identität und machen falsche Angaben, so dass ein geordnetes Asylverfahren schwer durchzuführen ist. Zu lange dauernde Asylverfahren, hohe Kosten und langer rechtswidriger Aufenthalt von abgewiesenen Asylsuchenden sind Folgen, die wir nicht länger verantworten können. Das neue Gesetz sieht deshalb vor, Asylsuchende, die keine Identitätspapiere abgeben, in einem beschleunigten Verfahren (Nichteintretensentscheid) abzuweisen, ausser sie können * glaubhaft erklären, warum sie keine Papiere haben, oder * wenn es offensichtlich Flüchtlinge sind, oder * wenn zusätzliche Abklärungen notwendig sind. Somit entfällt der Anreiz, vorhandene Ausweispapiere zu vernichten und nicht mit den Behörden zusammen zu arbeiten. * Viele abgewiesene Personen, die das Land verlassen müssen, reisen nicht aus. Durch die Ausrichtung grosszügiger Sozialhilfe an Personen, welche sich trotz eines negativen Asylentscheides rechtswidrig in der Schweiz aufhalten, entstehen der Allgemeinheit hohe Kosten. Die Ausrichtung von Sozialhilfe gibt Asylsuchenden zudem einen Anreiz, illegal in die Schweiz einzureisen, sich illegal hier aufzuhalten und das Asylrecht zu missbrauchen. Deshalb soll – wie dies bereits seit über zwei Jahren mit guten Erfahrungen bei Nichteintretensentscheiden gemacht wird – auch bei abgewiesenen Asylsuchenden bei Bedarf nur eine Nothilfe ausgerichtet werden. Damit wird die humanitäre Tradition unseres Landes gewahrt, aber die Schweiz ist für den Missbrauch im Asylbereich weniger attraktiv. * Den Kantonen soll ermöglicht werden, für renitente, illegal anwesende ausländische Personen die notwendigen Zwangsmassnahmen anzuwenden, z. B. die Verlängerung der Ausschaffungshaft von 9 auf 18 Monate und die Einführung der Durchsetzungshaft bis zu maximal 18 Monate. Allerdings setzt dies eine periodische Überprüfung durch den Richter voraus. 4. Schlusswort Meine Damen und Herren, das neue Ausländer- und Asylgesetz wahren die humanitäre Tradition der Schweiz und verhindern Missbräuche. Das neue Ausländergesetz ist notwendig, damit die Schweiz die erforderlichen Arbeitskräfte erhält, ohne dass Arbeitslosigkeit entsteht und die Sozialwerke in einer Art und Weise belastet werden, die wir nicht mehr verantworten können. Mit dem neuen Asylgesetz wird durch gezielte Massnahmen gegen Missbräuche verfolgten Menschen Schutz garantiert. Die Schweiz wird für illegale Einwanderer, Schlepper, Schwarzarbeiter und Kriminelle weniger attraktiv. Mit diesen beiden Revisionen wird auch dem Willen des Volkes Rechnung getragen, eine Gesetzgebung zu schaffen, die der tatsächlichen Situation im Asyl- und Ausländerbereich Rechnung trägt und die wahren Probleme dieses Landes wirksam angeht. Die humanitäre Tradition der Schweiz wollen und werden wir weiterhin wahren: Personen die auf den Schutz der Schweiz angewiesen sind, werden diesen nach wie vor vollumfänglich erhalten. Die im revidierten Asylgesetz vorgeschlagenen Neuerungen sind verfassungsmässig und völkerrechtskonform. Meine Damen und Herren, nur wenn es uns gelingt, Missbräuche so weit wie möglich zu verhindern, werden wir auch in Zukunft auf die Unterstützung der Bevölkerung für tatsächlich Verfolgte zählen können. Ich fordere Sie deshalb auf, am 24. September zweimal Ja zu stimmen; Ja zum neuen Ausländergesetz und Ja zum angepassten Asylgesetz.

15.09.2006

«Ich habe die Gegner nicht verunglimpft»

Christoph Blocher wehrt sich gegen den Vorwurf, unfair fürs Asylgesetz zu kämpfen. Er ist überzeugt, die Abstimmung zu gewinnen und denkt nicht über eine nächste Revision nach. 15.09.2006, Tages-Anzeiger, Philipp Mäder und Gaby Szöllösy Erst sah es so aus, als sei der Abstimmungskampf für Sie ein Sonntagsspaziergang. Nun kritisiert sogar der langjährige Chef des Bundesamts für Flüchtlinge, Urs Hadorn, das Asylgesetz als unverhältnismässig und wirkungslos. Erstaunt? Nein. Ich habe die Abstimmung nie als Sonntagsspaziergang betrachtet. Ich wusste stets, dass es auf diesem Gebiet militante Gegner gibt. Diese haben nun sogar Herrn Hadorn als Kritiker ausgegraben. In einem Punkt hat er aber recht: An den langen Verfahrensdauern wird sich auch mit dem neuen Gesetz leider nicht viel ändern. Herr Hadorn sagt aber auch... ... ich will mich jetzt nicht mit Urs Hadorn auseinander setzen, der dreissig Jahre im BFM tätig war und vielleicht auch ein bisschen ein schlechtes Gewissen hat, dass er nicht schon früher ein wirkungsvolleres Gesetz gemacht hat. Herr Hadorn hat ein schlechtes Gewissen, Rolf Bloch ist gegen das Asylgesetz, weil er Jude ist, die Kritik der Kirchen ist heuchlerisch -­ gehört es zu Ihrem Konzept, die Gegner zu verunglimpfen? Ich habe die Gegner nicht verunglimpft, sondern ich frage nach den Motiven. Nicht die Kirche - zu der auch ich gehöre - ist heuchlerisch. Aber die Behauptungen der Kirchenleute, sie müssten Leute aufnehmen, die sonst verhungern würden, und dann auf unsere Nachfrage hin keinen einzigen Fall nennen können. Und Rolf Bloch hat auch keine lauteren Gründe, gegen das Gesetz zu sein? Herr Bloch hat an einer Versammlung erklärt, er als Jude sei dagegen, weil er Angst habe, es komme wieder zu Situationen wie im Zweiten Weltkrieg. Daraufhin habe ich geantwortet und Verständnis gezeigt, dass die Juden in einer besonderen Situation seien, aber dass die Angst unbegründet sei. Tatsächlich hat man im Zweiten Weltkrieg eine Zeit lang, echte Flüchtlinge an der Grenze abgehalten. Doch mit dem neuen Gesetz werden wir gerade ausdrücklich keine Verfolgten abweisen. Doch befassen wir uns mit Gesetzen, nicht mit Gegnern. Reden wir also über den Inhalt. Am Problem der Rückschaffungen ändert sich nichts: Wenn sie die Identität der Leute nicht kennen, können Sie sie nicht ausschaffen. Wenn es aber nur noch Nothilfe gibt, reisen mehr freiwillig aus, was dazu führt, dass weniger unechte Flüchtlinge kommen. Da haben wir mit der Streichung der Sozialhilfe bei denjenigen mit einem Nichteintretensentscheid gute Erfahrungen gemacht. Deshalb will das neue Asylgesetz diese Massnahme nun auf alle Abgewiesenen ausweiten. Es gibt Leute, die unser Land verlassen müssen. In einzelnen Staaten bekommen illegal Anwesende nach einer gewissen Zeit überhaupt keine Unterstützung. Dafür bekommen im Ausland Schwangere, Kranke und Kinder die nötige Unterstützung. Bei uns steht das nicht im Gesetz. Diese Leute bekommen auch bei uns weiterhin die benötigte Unterstützung. Dafür sind die Kantone zuständig. Doch es bleibt im Ermessen der Kantone. Die Kantone tragen ihre Verantwortung. Die Kritiker beobachten sie geradezu mit dem Feldstecher. Auch die Asylbefrager erhalten mit dem neuen Gesetz mehr Ermessensspielraum: Sie entscheiden neu, ob die Geschichte eines Asylbewerbers, der sich ohne Papiere präsentiert, glaubwürdig ist und er damit Anrecht auf ein Asylverfahren hat. Steigt damit nichtdas Risiko von Fehlentscheiden? Nein. Die einzige Änderung ist, dass wir nur noch Pass und Identitätskarte als Beweis anerkennen. Denn es hat sich gezeigt, dass Fahrausweise, Geburtsurkunden in der Regel gefälscht sind. Es ist nicht die einzige Änderung: Für Asylbewerber ohne Papiere wird die Hürde erhöht, um ins Verfahren zu kommen. Ein Asyl Suchender muss glaubhaft begründen, weshalb er keine Papiere hat oder weshalb er verfolgt ist. Und er muss im Verfahren mitwirken, er muss uns sagen, wer er ist und woher er kommt. Ist das etwa zuviel verlangt? Die Befürworter des Gesetzes monieren, viele Asylbewerber würden missbräuchlich ein Gesuch einreichen. Wie gross ist das Problem tatsächlich? 85 Prozent reichen ein Gesuch ein, obwohl sie keine Asylgründe haben. Das nennt man Missbrauch. Zu den 15 Prozent der anerkannten Flüchtlinge kommen noch die über 30 Prozent der vorläufig Aufgenommenen. Auch bei ihnen anerkennt die Schweiz, dass sie zurecht Zuflucht gesucht haben. Warum erwähnen Sie diese mit keinem Wort? Weil sie keine Verfolgten sind, sondern ihre Heimkehr nicht unzumutbar ist. Aber sie sind aus Orten geflohen, an denen ihr Leben in Gefahr war ­- zum Beispiel aus dem Irak. Im Moment kann man sie nicht zurückschicken. Aber wenn sich die Lage wieder bessert, müssen sie zurück. Wenn man die vorläufig Aufgenommenen als Flüchtlinge anerkennen würde, hiesse das für die Menschen in allen Ländern: Geht in die Schweiz und schaut, dass ihr wegen Krankheit, Schwangerschaft oder aus anderen Gründen nicht zurückgeschickt werden könnt, dann lebt ihr wie ein Flüchtling. Kein Staat akzeptiert dies. Sie sagen jeweils, es sei nur ein Asylbewerber zu Unrecht zurückgeschickt worden: Stanley Van Tha aus Burma. Amnesty International hingegen hat ein halbes Dutzend weitere Fehlentscheide dokumentiert. Wir haben diese Fälle geprüft. Und ich bleibe dabei: Bis jetzt ist uns nur ein Fehlentscheid bekannt. In allen anderen Fällen hatten die Verhaftungsgründe nichts mit dem Asylgesuch zu tun. Im Fall von Stanley Van Tha haben Sie zuerst gesagt, er könnte wegen «Diebstahl oder so etwas» verhaftet worden sein... ...wieso unterstellen Sie mir eigentlich immer solche Sachen? Das war doch nicht eine endgültige Aussage. Das steht im Protokoll des Ständerats. Ich habe erklärt: Wir wissen im Moment nicht, weshalb er verhaftet wurde. Es müsste untersucht werden, warum. Ist es wegen Diebstahls? Oder wegen Dienstverweigerung? Oder ist es etwas anderes? Wir wissen es auch heute noch nicht. Obwohl Sie es noch nicht wissen, sagten Sie kürzlich, Van Tha sei verhaftet worden, weil er den Militärdienst verweigert habe. Was wir heute glauben ist, dass für Vergehen, welche die Burmesen ihm zur Last legen -­ darunter auch verweigerten Militärdienst -19 Jahre Haft zuviel ist. Tatsache ist, dass wenn man es gewusst hätte, die zuständigen Leute anders entschieden hätten. Also war es ein Fehlentscheid. Wo entschieden wird, kann es auch einmal einen Fehlentscheid geben. Tatsächlich korrigiert die Asylrekurskommission (ARK) ein Viertel aller beanstandeten Fälle. Das zeigt doch, dass die Fehlerquote schon heute hoch ist. Im Jahre 2005 wurden total 15.7 % der Gesamterledigungen von der ARK gutgeheissen beziehungsweise das Bundesamt für Migration wurde angewiesen, den Fall neu zu beurteilen. Aber dazu hat man ja die Asylrekurskommission! Ich habe nie gesagt, man solle sie abschaffen. Aber Sie haben sie wiederholt kritisiert. Ich habe die langen Fristen kritisiert. Sie kritisierten die Asylrekurskommission auch harsch, weil diese zwei angeschuldigten Albanern Asyl gewährte. Ja, weil sie Asyl bekamen und man sie damit nicht zur gerichtlichen Beurteilung bringen konnte. Ich habe den Zeitpunkt kritisiert. Die Sache kratzte an Ihrer Glaubwürdigkeit. Sie hätten den Ständerat in dieser Sache angelogen, rügte die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Parlaments. Ich war im Ständerat überzeugt, nichts Falsches gesagt zu haben. Erst danach habe ich mir meine mündliche Rede nochmals angehört. Und dabei gemerkt, dass ich entgegen meinem schriftlichen Text versehentlich die Albaner als Kriminelle statt als mutmasslich Kriminelle bezeichnet hatte. Darauf habe ich öffentlich erklärt, dass mir dies Leid tut. Es kam als Stimmungsmache gegen Ausländer an ­- untergräbt die Geschichte Ihre Glaubwürdigkeit im Abstimmungskampf? Ich merke - ausser bei denen, die ohnehin Gegner sind - nichts davon. Dass es mir passierte, liegt daran, dass ich eben frei spreche. Ich werde es - trotz des Risikos - weiterhin tun. Sie wären gerne bei der jetzigen Revision noch etwas weiter gegangen - kommt bald die nächste Reform auf den Tisch? Ich denke nicht über eine nächste Revision nach. Was wären die Folgen eines Nein? Fürs Land wären die Folgen tragisch. Die Zahl der unechten Asylgesuche würde rapid ansteigen, weil sich unter Schleppern herumspräche, dass die Schweiz Verschärfungen abgelehnt habe. Ja? Das jetzige Gesetz wäre doch weiter gültig und die Anzahl Asylgesuche sinkt ja heute schon beträchtlich. Das Problem ist aber, dass wir für über 6'000 Personen, die die Schweiz verlassen müssten, Papiere zu beschaffen haben. 9000 aus dem Asylbereich sollten das Land verlassen, sind aber widerrechtlich hier. Ich glaube übrigens, dass das Gesetz angenommen wird. Die Gegner haben keine Lösungsvorschläge für die bestehenden Probleme. Probleme, die unsere Bevölkerung zu Recht beschäftigen. Deshalb führen sie den Kampf nur noch auf einer persönlichen Ebene. All diese angeblich so prominenten Gegner. Unlängst fragte mich jemand, wie man prominent werde. Da hab ich ihm geantwortet: Du musst sagen: „Ich bin bürgerlich und bin gegen das Asylgesetz“, dann giltst Du als prominent. Da muss man gar nicht so viel von der Materie verstehen. Spielen Sie auf Herrn Rauh an? Ich spiele auf niemanden an. Ich sage nur, dass man auf diese Weise sehr schnell zur Prominenz gehört.