«Die Partei braucht meinen Erfolg»

Im heiligen Zorn hat sich Christoph Blocher in die Oppositionsarbeit gekniet. Doch seine Partei bröckelt. Selbstzweifel sind ihm aber fremd.

Interview mit dem “SonntagsBlick” vom 8. Juni 2008

Von Hannes Britschgi und Marcel Odermatt

Im dritten Stock eines unscheinbaren Mehrfamilienhauses in Männedorf ZH empfängt uns Christoph Blocher, Vizeparteipräsident der SVP Schweiz: «Die Bilder fehlen noch.» Das Büro des alt Bundesrats ist im Rohzustand: kahle, weisse Wände, kaum Papiere und Dossiers, eine Flasche Hochprozentiges steht verloren auf dem Sideboard. Der Kontrast zu seinem ehemaligen Bundesratszimmer, wo ihm Hodlers «Holzfäller» Gesellschaft leistete, könnte nicht grösser sein

Erleben wir den «Herbst des Patriarchen»? Sie wirken alt, müde und angeschlagen.

Christoph Blocher: Das sind die Wunschvorstellungen meiner Gegner. Ich bin nicht mehr 20, aber sehr gut «zwäg», auf jeden Fall fitter, als meine Gegner sich wünschen.

Blocher hat Probleme mit den Ohren, heisst es. Hören Sie nicht mehr so gut?

Das ist mir neu. Meine Gegner höre ich noch (lacht).

Nach der Abwahl als Bundesrat haben Sie «eine gewisse Orientierungslosigkeit» erlebt. Hatten Sie eine Depression?

Es hätte eine solche sein können nach einer solchen Sauerei. Eine Depression war es nicht. Aber es hat mich getroffen. Seither ist klar: Am neuen Ort als freier Bürger setze ich mich ein für das Wohl der Schweiz.

Warum sind Sie dann nicht SVP-Parteipräsident geworden?

Jetzt müssen Junge diese Partei in die Hand nehmen. Es steht ein Generationenwechsel bevor. Die Fokussierung auf mich sollte nicht noch weiter gefördert werden. Zudem haben wir für die Partei ein neues Geschäftsmodell eingeführt, mit einem Präsidenten, selbständigen Ressorts und klaren Verantwortlichkeiten.

Sie dominieren aber die Partei, geben nichts aus der Hand. Es wird bereits Ihr Ausschluss aus der Fraktion verlangt!

Hans Grunder (Berner SVP-Nationalrat, Wortführer der Abtrünnigen; Red.) soll gegen mich antreten. Als Vizepräsident bin ich Mitglied der Fraktion. Er müsste mein Amt übernehmen. Dann müsste er arbeiten. Aber der arbeitet ja nicht. Solche Leute werden nicht gewählt.

SVP-Nationalrat Peter Spuhler hat sich öffentlich Sorgen gemacht, ob Sie nicht zur «Hypothek» Ihrer Partei werden könnten.

Er hat sich bei mir entschuldigt. Es gibt auch sehr gute Hypotheken. Das weiss ich als Unternehmer. Die Partei braucht meinen Erfolg. Die Partei bat mich um meine Arbeitskraft. Es gibt Leute, die suchen Posten, wir suchen Arbeitskräfte.

Alte Männer besitzen selten die Weisheit zum rechtzeitigen Rücktritt. Haben Sie Freunde, auf die Sie hören würden, wenn sie sagen: Christoph, jetzt ist genug?

Auf jeden Fall.

Ihre Frau oder Ihr Bruder Gerhard kann es nicht sein.

Wieso nicht? Meine Frau wäre froh, wenn ich dies alles nicht machen müsste!

Ihre Abwahl aus dem Bundesrat war ein historischer Moment Ihre Reaktion im Parlament dagegen nicht sehr souverän. Tut es Ihnen heute leid dass Sie in diesem versagt haben?

Das fehlte noch in einem solchen Moment eine heuchlerische staatsmännische Rede zu halten. Damit hätte ich signalisiert: Es ist gut was ihr gemacht habt. Ich bin gegen Intrigen im Parlament vor allem aus den eigenen Reihen. Finden Sie es stilvoll während Wochen die Konkordanz zu beschwören und liebevoll zu erklären, man wolle niemanden abwählen wie das vor allem die CVP getan hat um dann gerade beides aus dem Hinterhalt zu tun.

Bundesrätin Eveline Widmer Schlumpf ist zur SVP Hassfigur geworden. Wird das
nicht zum Eigentor?

Es war nie Hass im Spiel. Keine Partei die ihren politischen Auftrag ernst
Nimmt, kann dulden, dass sich ein Parteimitglied dem politischen Gegner so zur Verfügung stellt, um der eigenen Partei zu schaden und deren Mandatsträger zu verdrängen.

Die Leute auf der Strasse lehnen die Kollektivstrafe gegen 3500 Bündner SVP-Mitglieder mehrheitlich ab.

Eine Kollektivstrafe ist es nicht. Aber der Ausschluss ist leider unvermeidlich weil die Kantonalpartei den Treuebruch ihres Mitglieds deckt. Apropos «Leute auf der Strasse»: Seit dem 12 Dezember haben sich spontan 13000 SVP-Neumitglieder eingeschrieben. Wir haben historische Wahlsiege in St Gallen und Schwyz errungen CVP und SP mussten büssen. In Uri hat die SVP die Sitzzahl verdoppelt im Thurgau nochmals zugelegt und bei Majorz Regierungsratswahlen in Nidwalden St Gallen und Schwyz Sitze gewonnen. Das sind Fakten nicht Meinungen von Journalisten.

Den Bündner Ausschluss kann man auch als Säuberung der Partei von Dissidenten verstehen.

Das war aber nie die Idee sonst hätte man das schon lange getan.

Befürworten Sie eine Statutenrevision um Abweichler künftig individuell ausschliessen zu können?

Ja das bearbeiten wir für die Zukunft.

Nun runtort es in der SVP. Abspaltungen, Forderungen, Ultimaten ein Strohfeuer oder ein gefährlicher Flächenbrand?

Der Normalzustand in einer lebendigen Partei nach den Wahlen.

Ist es nicht bitter, wenn Sie an Ihr früheres Unternehmen Ems Chemie denken und an Ihre Ehrenbürgerschaft im bündnerischen Lü?

Natürlich. Ich bin dem Kanton verbunden Man hat ja schliesslich auch ein Herz.

Hat das Einfluss auf Ihr industrielles Engagement im Bündnerland.

Man kann jetzt nicht alle Bündner strafen, nur weil eine von ihnen versagt hat. Aber wenn man investiert, investiert man immer auch emotional. Die Vorgänge haben die Liebe meiner Kinder zu Investitionen im Kanton Graubünden wohl nicht gerade erhöht.

Und wie steht es mit den Abspaltungen in Bern und Glarus?

Einige Glarner Demokraten scheinen etwas Neues zu wollen. In Bern ist alles noch unklar.

Also kein Flächenbrand?

Nein. Aber wenn Leute etwas Neues machenwollen muss man ihnen
die Freiheit lassen.

Die Berner Dissidenten sind unter Bedingungen bereit ihre Übung abzublasen. Werden Sie ihnen entgegenkommen?

Wenn man immer verspricht wir gehen raus soll man das auch mal wahr machen. Das ist ein Ratschlag. Letztlich ist das eine bernische Angelegenheit.

Bundesrat Samuel Schmid offeriert einen «dritten Weg». Er und die Bubenberg Mitstreiter bleiben wenn die SVP mit abweichenden Meinungen toleranter umgeht.

Was heisst hier «dritter Weg»? Das heisst es bleibt alles beim Alten.
Bundesrat Schmid hat doch deutlich den Austritt erklärt.

Einfach wird es nicht werden Glarner spalten sich ab. Waadtländer suchen die Aussprache.

Was ist denn da so erschütternd? Die Diskussionen in der SVP sind jedoch Vorboten grösserer Diskussionen.

Was erwarten Sie genau?

Schauen Sie konservative Kreise der CVP sind nicht mehr in der Führung vertreten, ebenso wenig beim Freisinn Vielleicht ist die traditionelle Parteienlandschaft im Umbruch.

Zur erweiterten Personenfreizügigkeit. Was haben Sie gegen Bulgaren und Rumänen?

Nichts. Aber Personenfreizügigkeit und die Fahrenden ergeben ein Problem. Sie können legal für drei Monate einreisen auch wenn sie keine Stelle haben. Die Ausschaffung bei illegaler Anwesenheit ist aber schwierig. Das zeigt Italien

Wegen dieser Befürchtungen sollen wir die Bilateralen riskieren.

Die EU wird die Bilateralen nie und nimmer kündigen. Aus Eigeninteresse. Denken Sie an den Nord-Süd-Verkehr.

Wirtschaftlich gehen wir schwierigeren Zeiten entgegen.

Vor allem die Inflation wird uns stark beschäftigen. Da wird sich
dann weisen, welche Wirtschaftsprogramme der Parteien Hand und Fuss haben.

Ein neues Büro haben Sie schon. Wann legen Sie wieder als Unternehmer los?

Im Moment läuft es in der Wirtschaft noch zu gut. Firmen sind
Teuer. Warten wir ab.

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