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Economy

29.11.2002

Unsere Wirtschaft orientiert sich an Blochers Alleingang

Schweizer Unternehmer gehen trotz schleppendem Wirtschaftswachstum auf Distanz zu Europa. Damit werden wichtige Reformen versäumt: Die Schweiz gerät immer mehr ins Hintertreffen. Interview mit "Cash" vom 29. November 2002 von Annetta Bundi, Jürg Wegelin Der 6.  Dezember 1992 markiert nicht nur für die Schweiz, sondern auch im Leben von Christoph Blocher einen Wendepunkt. Sein erbitterter Kampf gegen den EWR wurde vom Volk zwar knapp unterstützt, doch das gedemütigte Establishment reagierte betupft: Wenige Monate nach der denkwürdigen Abstimmung musste der Zürcher Volkstribun seinen Sessel im Verwaltungsrat der damaligen Bankgesellschaft räumen. Solche Strafaktionen sind heute nicht mehr denkbar. Denn die Wirtschaft ist inzwischen auf den Kurs von Blocher eingeschwenkt. Von einer «nationalen Katastrophe», wie sie der verstorbene Spitzendiplomat und langjährige ABB-Kopräsident David de Pury in der Schweiz nach dem EWR-Nein geortet hatte, mag niemand mehr sprechen. Im Gegenteil: Eine Verhärtung der Fronten wird achselzuckend in Kauf genommen, wie das Gerangel ums Bankgeheimnis zeigt. «Blocher hat sich auf der ganzen Linie durchgesetzt», urteilt Peter Bodenmann, der ehemalige SPPräsident und spitzzüngige Walliser Hotelier. «Politik und Wirtschaft haben sich aus der EU-Diskussion verabschiedet. » Blochers Taktik ist aufgegangen. Zehn Jahre nach der EWR-Abstimmung mag sich am Europa-Thema niemand mehr die Finger verbrennen. Sein Triumph entpuppt sich allerdings als Pyrrhussieg: Die Exportwirtschaft zum Beispiel zahlt den vom Volkstribun gerne ins Feld geführten Zinsvorteil gegenüber der EU mit einem auf hohem Niveau fluktuierenden Frankenkurs. Und tiefe Kapitalkosten nützen dem Investor wenig, wenn die Baupreise, wie fast alle anderen Preise (siehe Box), höher sind als bei der ausländischen Konkurrenz. Gravierender, als Blocher vorgibt, ist auch das Wachstumsdefizit der Schweiz: Dieses besteht zwar bereits seit Mitte der Siebzigerjahre, hat seit der Ablehnung des EWR-Vertrages 1992 aber stark zugenommen (siehe Grafik). Die Länder der EU hingegen profitieren von der Integration in den Binnenmarkt und vom Schwung der damit ausgelösten Reformen. Österreich hat die Schweiz inzwischen nicht nur im Skifahren, sondern auch beim Wirtschaftswachstum abgehängt. Die Schweiz ist aus eigener Kraft nicht zu Reformen fähig Kein Wunder, macht nun das Wort vom «verlorenen Jahrzehnt» die Runde. Avenir Suisse, der Think Thank der Wirtschaft, spricht im Unterschied zur Schönfärberei ihrer Auftraggeber in den Chefetagen gar von einer doppelt verpassten Chance: «Weder erntet man die vollen Früchte des grossen, dynamischen Binnenmarktes, noch wurde der heimische Boden mit den notwendigen Reformen für das zukünftige Wachstum bestellt.» Die Schweiz ist nicht fähig, ihre verkrusteten Strukturen aus eigener Kraft aufzubrechen. «Wenn wir dem EWR beigetreten wären, wären uns die unfruchtbaren Diskussionen über die Liberalisierung des Post- und Strommarktes erspart geblieben», ärgert sich Silvio Borner. Der Basler Ökonom sagt der Schweiz schwierige Zeiten voraus. Die EU stelle unser Land Schlag auf Schlag vor vollendete Tatsachen: «Im Anpassungsprozess werden wir der EU auch in Zukunft dauernd hinterherhinken.» Damit ist der von Blocher propagierte Alleingang schleichend Realität geworden. Denn für einen EU-Beitritt fehlen der Schweiz derzeit die Kraft und der Wille. Gleiches gilt für die neuen bilateralen Verhandlungen, die zwar als Pflichtübung weitergeführt, aber kaum je abgeschlossen werden dürften. Die EU drängt auf immer grosszügigere Zugeständnisse. So erwartet sie von der Schweiz, dass diese ihren Acquis und damit das geltende und künftige EU-Recht übernimmt. Dieses Angebot ist für die Schweiz nicht akzeptabel, und deshalb haben die Durchhalteparolen von Politik und Wirtschaft bloss noch symbolischen Charakter. «Es gibt keinen anderen Weg als den Bilateralismus», versucht Economiesuisse-Chef Ueli Forster der Wirtschaft Mut zu machen. Doch er weiss, dass deren Anliegen mit dem ersten Paket weit gehend erfüllt sind und der bilaterale Weg «mühsam und Zeit raubend» ist. Beliebte Shopping-Ausflüge ins Ausland Derweil arrangiert sich die Schweizer Bevölkerung mit ihren Nachbarländern auf eine bestechend simple Art: Tausende von Konsumenten shoppen im grenznahen Ausland oder benutzen das verlängerte Wochenende in Paris für den Einkauf von Medikamenten oder Fleisch. Damit folgen sie Borners Beispiel. Der Ökonom pfeift auf das Schweizer Buchkartell und beschafft sich seine Bücher bei Amazon im Internet. «Für meine Online-Einkäufe führe ich ein Bankkonto in Grossbritannien.» Solche Rezepte mögen dem einzelnen Bürger helfen. Doch taugt der Alleingang auch für die Schweiz als ein stark exportorientiertes Land mitten im europäischen Binnenmarkt? Blocher gibt sich selbstbewusst und beruft sich auf die Welthandelsorganisation: «Die EU muss sich an die WTO-Regeln halten.» Mit Zöllen und dergleichen könne sie die Schweiz deshalb nicht unter Druck setzen. «Als zweitwichtigster Kunde der EU könnten wir notfalls auch Retorsionsmassnahmen ergreifen.» Da könnte sich der machtbewusste Volkstribun indes gewaltig täuschen. «Die WTO setzt auf grosse Wirtschaftsräume und nicht auf Einzelkämpfertum», ist Europarechts-Experte Thomas Cottier überzeugt.

29.11.2002

Ten Years After Rejecting the EEA Agreement

Press conference from 29 november, Bern A Current Assessment and Outlook By NC Christoph Blocher, president of CINS, Herrliberg  

17.11.2002

«Ein gutes Management hat keine Angst, wenn Ems Einsitz nimmt»

Über seine Rolle als Lonza-Grossaktionär, seine Nachfolge und die Konjunktur Interview mit der "SonntagsZeitung" vom 17. November 2002 von Andreas Kälin und Daniel Zulauf Herrliberg ZH - Die von Christoph Blocher kontrollierte Ems-Chemie hält direkt und indirekt über Put-Optionen 20,7 Prozent der Aktien von Lonza. Obwohl Ems nun der grösste Aktionär des Feinchemiekonzerns ist, hat Lonza-Präsident Sergio Marchionne im "Cash" erklärt, er sei "nicht überzeugt, dass es nötig ist, Christoph Blocher in den Verwaltungsrat aufzunehmen". Noch wichtiger als Lonza ist dem 62-jährigen Blocher die Regelung seiner Nachfolge: Bald entscheidet er über die Börsenzukunft seiner Ems-Chemie. Christoph Blocher, Sie wollen einen Sitz im Lonza-Verwaltungsrat. Lonza-Präsident Sergio Marchionne hat auf Ihr Ansinnen öffentlich ablehnend reagiert. Hat er Sie auch direkt kontaktiert? Christoph Blocher: Von einer feindlichen Reaktion ist mir von Lonza direkt nichts bekannt. Auf Herr Marchionnes Aussage trete ich nicht ein. Wir können nicht über die Medien kommunizieren. Ich habe mit dem Verwaltungsrat von Lonza einen Termin vereinbart, um über mein Anliegen zu sprechen. Aber eines ist klar, Ems kann nicht 500 bis 800 Millionen Franken gebunden haben, ohne im Verwaltungsrat vertreten zu sein. Andernfalls müssten wir die Beteiligung abbauen. Rechnen Sie jetzt damit, dass Lonza Ihnen den Verwaltungsratssitz verweigert? Blocher: Nein. Der Verwaltungsrat kann nichts dagegen haben, dass der grösste Aktionär im Verwaltungsrat vertreten ist. Ein gutes Management hat davor keine Angst. Dass Ems Einsitz nehmen will, ist auch kein Zeichen des Misstrauens. Beim Umfang unserer Beteiligung ist eine Kontrolle notwendig. Ob ich mich selber für diesen Verwaltungsrat zur Verfügung stelle, ist noch offen. Das Amt kann auch jemand anders übernehmen. Marchionne hält Ihnen vor, dass Sie wegen Ihrer Tochter Ems Dottikon in einen Interessenkonflikt geraten könnten. Blocher: Auch das höre ich zum ersten Mal. Ich war ja schon bis 2001 im Verwaltungsrat von Lonza, und die Frage allfälliger Interessenkonflikte wurde selbstverständlich damals schon geprüft. Gab oder gibt es Absichten, Ems mit Lonza zusammenzuspannen? Blocher: Alusuisse-Lonza fragte damals, ob man Ems nicht mit der Algroup fusionieren könne. Wir prüften das und sahen, es macht keinen Sinn. Heute besteht keine Absicht, Ems mit Lonza zusammenzulegen. Wollen Sie mit Ihrer Beteiligung auch verhindern, dass Lonza an einen ausländischen Konkurrenten geht? Blocher: Ich sähe es nicht gerne, wenn Lonza an einen ausländischen Konzern ginge. Das wäre für die schweizerische Chemie wohl eine Schwächung. Haben Sie in der Auktion des Lonza-Paketes von Martin Ebner mitgeboten? Blocher: Nein. Es war von Anfang an klar, dass die Aktien zu einem relativ hohen Preis den Besitzer wechseln würden. Warum das? Blocher: Wenn Dritte für die Lonza-Aktien nicht den erhofften Preis zahlen, nehmen Ebners Gläubigerbanken die Titel selber in ihre Schatullen. Das ist wie bei einem Haus mit einer Hypothek von 800 000 Franken. Wird es zwangsversteigert und niemand bietet so viel, kauft es die Bank für 800 000 Franken. Sie nimmt lieber das Haus als Verluste auf den Guthaben. Dann glauben Sie, dass Ebners Gläubigerbanken das Lonza-Paket übernommen haben? Blocher: Ziemlich sicher. Die Banken haben die Aktien wahrscheinlich zu 85 Franken ersteigert. Dann wurde wohl der Kurs auf 89 Franken hochgehalten. Später folgte eine Kaufempfehlung für Lonza-Aktien. Die Banken können so die Titel weiterplatzieren. Wenn es sich so abgespielt hat, wäre das ein schlimmes Beispiel einer Interessenkollision bei den Banken. Blocher: Beweise gibt es nicht, aber Vermutungen. Die Banken lernen nichts. Sie sagen, wir haben eine Kreditabteilung, eine Abteilung für Kundenberatung, haben Analysten, eine separate Gruppe für Bookbuildings, alles getrennt. Aber in diesem Fall lässt sich erkennen, wie wunderbar alles ineinander läuft. Wie geht es weiter mit Ihrer Ems-Chemie, wo Sie Ihre Nachfolge regeln müssen? Blocher: Es geht darum, ob wir aus Ems-Chemie eine echte Publikumsgesellschaft machen wollen oder ob man die Firma von der Börse nehmen soll. Es ist ein schwieriger Entscheid, den ich bis Ende Jahr fällen muss. Wovon hängt er ab? Blocher: Klar, das Going Private liegt mir näher. Zudem ist bei einer privaten Firma die Steuersituation für die Erben besser. Ich konnte die Vermögenssteuer zahlen, ohne die Firma auszubluten. Dies muss auch bei meinen Erben so sein. Aber zuallererst muss die Weiterentwicklung der Firma gewährleistet sein. Heute brauchen wir die Börse zwar nicht. Aber in fünf oder zehn Jahren, wenn wir stark expandieren, könnte sich das ändern. Wollen Sie Ems-Chemie zusammenhalten, oder ist eine Aufsplittung denkbar? Blocher: Als Publikumsgesellschaft ist eine Aufteilung nicht sinnvoll. Als private Firma wäre es theoretisch denkbar. Man könnte diese einzelnen Teile separat wieder an die Börse bringen. Sie sehen, alles wird geprüft. "Die Wirtschaft braucht die Rezession als Selbstreinigungsprozess" Man könnte auch Teile mit Lonza zusammenlegen. Blocher: Heute sehe ich darin keinen Sinn. Aber als Unternehmer wie als Politiker halte ich mir gerne viele Varianten offen. Kommen Ihre Kinder in Frage, um Ihre Nachfolge in der Unternehmensleitung anzutreten? Blocher: Wir werden sehen. Meine älteste Tochter ist Vizepräsidentin des Ems-Verwaltungsrats. Sie war zuerst bei einer amerikanischen Chemiefirma, dann Verkaufschefin bei Rivella. Sie stand hinter der Kampagne "Welche Farbe hat ihr Durst?". Sie könnte Ems operativ führen. Und Ihre anderen Kinder? Blocher: Der zweite Sohn ist Chemiker und arbeitete zwei Jahre für McKinsey. Seit einem Monat ist er bei Ems als Leiter für besondere Projekte tätig. Er muss sich jetzt bewähren. Gefällts ihm und gefällts mir auch, dann können wir zusammenschaffen. Die anderen zwei Kinder sind nicht im Unternehmen. Alle vier können auch nicht in der gleichen Firma tätig sein. In der Regel gibt so etwas nur Streit. Was ist heute wahrscheinlicher, die Variante, dass Sie aus Ems-Chemie eine echte Publikumsgesellschaft machen, oder ein Going Private? Blocher: Es steht immer noch 50 zu 50 Prozent. Bis Ende Dezember entscheide ich. Sie halten an Ems-Chemie 70 Prozent vom Kapital und 85 Prozent der Stimmen. Würden Sie, wenn Sie die Variante Publikumsgesellschaft wählen, die Mehrheit abgeben? Blocher: Wenn wir eine echte Publikumsgesellschaft werden wollen, müssen wir wohl eine Einheitsaktie einführen. Auch dann hätte ich das Stimmenmehr. Aber um den Aktienhandel liquider zu machen, müsste ich wohl auch die Mehrheit abgeben. Ihnen wird eine gute Nase für die Konjunkturentwicklung nachgesagt ... Blocher: Im Moment werde ich wohl etwas überschätzt. Wie wird sich die Wirtschaft in den nächsten Jahren entwickeln? Blocher: In Europa hat die Rezession erst angefangen, ich sehe es in der Autoindustrie. Amerika steckt schon seit 1998 im Tief, dort kommt bald die Wende. Aber die USA haben damals ja noch Wachstumsraten ausgewiesen. Blocher: Das sind gemachte Wachstumsraten gewesen. Ich glaube, beim Bruttoinlandprodukt werden Dienstleistungen ganz falsch bewertet. Auf solche Daten schaue ich weniger, ich bin am Markt und liebe einfache Parameter, zum Beispiel den Papier- oder Autoabsatz. Es gibt ein paar Indizien, die in den letzten dreissig Jahren immer zuverlässig waren. Vor kurzem prophezeiten Ökonomen noch, es werde künftig keine Zyklen wie früher mehr geben. Blocher: Hoch und Tiefs sind eine Notwendigkeit. Es gibt immer wieder Rezessionen und immer aus dem gleichen Grund. In einer Hochkonjunktur ist das Angebot zu klein. Dann investieren alle, und zwar zu viel. Dann dauert es Jahre, bis die Überkapazitäten bereinigt sind. Wie lange wird es denn dauern, bis Ems wieder investiert? Blocher: Ich habe nun vier Jahre wenig investiert. Immer wenn die Euphorie am grössten ist, muss man bremsen. Im Superjahr 1998 hat Ems einen Personal- und Investitionsstopp angeordnet. Jetzt fangen wir wieder an zu investieren. Dann sind wir parat, wenn es 2004, vielleicht auch erst 2005, aufwärts geht. Das ist wie bei den biblischen Zyklen, mit sieben mageren und sieben fetten Jahren. Zyklen als eherne Notwendigkeit? Blocher: Ja. In allen Hochkonjunkturjahren wird in den Firmen viel Mist gemacht. Der Mensch erträgt gute Jahre schlecht. Da tauchen auch die angenehmen Repräsentationsfiguren auf, die aussehen, als wenn sie den ganzen Tag am Mittelmeer lägen. Schlechte Manager, die in den Gigantismus hineininvestieren. Es wird bei den Bilanzen geschummelt. Jetzt in der Rezession wechselt man die unfähigen Manager aus. Die Wirtschaft braucht die Rezession als Selbstreinigungsprozess.

06.11.2002

«So wäre das Regieren interessant»

Interview mit dem Tages Anzeiger vom 6. November 2002 In Brasilien habe Lula da Silva 22 Jahre gekämpft, bis er an die Macht kam, sagt Christoph Blocher. "Ich werde mein Ziel wohl erst erreichen, wenn ich aus Altersgründen für den Bundesrat nicht mehr in Frage komme." Interview: Richard Aschinger Am 4. Dezember wählt die Bundesversammlung eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für die Genfer Sozialdemokratin Ruth Dreifuss. Warum treten nicht Sie als Sprengkandidat an? Christop Blocher: Wir haben in der SVP fähige Leute, die bereit sind anzutreten. Ich bin da nur die letzte Reserve. Aber Sie sind doch der Beste . . . Blocher: Toni Bortoluzzi ist ein hervorragender Kandidat. Ein ausgezeichneter Kenner der Probleme im Sozialversicherungsbereich. In der zuständigen National-ratskommission, die er jetzt präsidiert, hat er an wichtigen Reformen mitge-arbeitet. Als selbstständiger Schreinermeister verfügt er über KMU-Erfahrung. Wir hätten endlich wieder einmal einen Bundesrat, der in diesem Gebiet über eigene Sachkompetenz verfügt. Frau Dreifuss hat einfach ihr gewerk-schaftliches Modell vertreten, und Frau Metzler betet die Botschaft ihrer unter-gebenen Beamten nach. Toni Bortoluzzi wäre ein zweiter Willi Ritschard, nur auf soliderem Boden, weil er nicht Sozialdemokrat ist. Es wäre gut, im Bundesrat wieder einmal einen mit viel gesundem Menschenverstand zu haben. Nehmen wir einmal an, am 4. Dezember würde der SVP-Kandidat gewählt. Was wären die Konsequenzen? Blocher: Dann wären in Zukunft unsere Vorschläge schon in der Regierung viel stärker vertreten. Der Reihe nach: Wenn Bortoluzzi gewählt würde, wäre die Chance gross, dass die SP sich ganz aus der Regierung zurückzieht. Blocher: Warum? Wir haben ja auch nur einen Sitz im Bundesrat und treten nicht aus. Für die SP hat die Dreifuss-Nachfolge symbolische Bedeutung. Und für Bundesrat Leuenberger wäre ein Rücktritt aus Protest gegen eine bürgerliche Sprengaktion die Gelegenheit, als guter Sozialdemokrat und Verteidiger der Konkordanz in die Geschichte einzugehen. Blocher: Das ist möglich. Da muss die SP selber wissen, was sie will. Wenn Leuenberger zurückträte: Wer sollte den zweiten SP-Sitz erben? Blocher: Vom Wähleranteil her gesehen könnte die SVP drei Sitze bean-spruchen. Von der Grösse der Fraktion die im Ständerat stärker vertretene FDP. Wir würden uns da sicher einigen. Wichtig wäre dann, dass eine Person gewählt würde, die das bürgerliche Gedankengut voll und ganz vertritt. Allein im Bundesrat würden die Bürgerlichen die Verantwortung tragen. Wir müssten uns ständig mit einer echten Opposition auseinander setzen. So wäre das Regieren interessant. In einer solchen Regierung wäre ich gern. Basis eines bürgerlichen Bundesrats müsste ein Koalitionsvertrag zwischen der SVP, FDP und CVP sein. Was wären die Kernpunkte? Bei den Finanzen, wo die SVP weitere Steuersenkungen fordert? Blocher: Wir verlangen seit 1999, die Steuern seien um 10 Prozent zu senken, nicht nur für Familien, sondern auch für die Unternehmen. Das könnten die drei bürgerlichen Parteien im Rahmen des Steuerpakets, das jetzt im Parlament liegt, rasch verwirklichen. Das wäre auch ein starkes wirtschaftspolitisches Signal. Dann kämen viele neue Unternehmen mit vielen neuen Arbeitsplätzen in die Schweiz. Zuerst gäbe das weitere Milliardenlöcher im Haushalt von Bund und Kantonen . . . Blocher: Wir haben Sparvorschläge im Umfang von rund 2,5 Milliarden Franken pro Jahr unterbreitet. Im Gesamthaushalt gesehen ist das ein Pappenstiel. Hätten wir die Expo nicht gemacht und uns nicht ins Swiss-Abenteuer gestürzt, hätten wir für das laufende Jahr schon drei Milliarden gespart. Persönlich wäre ich für wesentlich grössere Einsparungen von 5 Milliarden. Da müsste man sich in einer bürgerlichen Regierung dann halt einigen. Rasch Steuern senken. Später über Sparmöglichkeiten reden. Das Resultat wären massive Defizite. Haben die Bürgerlichen nicht immer wieder der Linken vorgeworfen, sie propagiere Defizitwirtschaft? Blocher: Steuereinnahmen steigen und sinken mit der Konjunktur. Schlimm sind steigende Ausgaben, nicht vorübergehende Defizite. Wir müssen die Steuern senken und die Gesamtausgaben reduzieren. Wo konkret? Zum Beispiel bei der Land- und Forstwirtschaft, wo SVP-Wähler und -Wählerinnen betroffen wären? Blocher: Kaum ein Bereich hat Reduktionen erfahren wie die Landwirtschaft. Seit man die Landwirtschaft nicht mehr über Preise, sondern mit Direktzahlungen unterstützt, haben die Bauern massive Einbussen erlitten. Ich habe nichts gegen dieses System, aber die Agrarbürokratie muss weg. Wir brauchen ein einfaches System, in dem Bauern abgestuft nach Lage für die Bewirtschaftung des Landes entschädigt werden. Unser Interesse ist, dass das Land nicht vergandet. Was die Bauern anbauen, ist ihre Sache. Also keine weiteren Sparschnitte in der Landwirtschaft? Blocher: Nein, aber das genannte System brächte geringere Kosten und mehr für die Bauern. Bei der Armee? Blocher: Alle Departemente können Kosten senken, ohne Leistungen abzubauen. Und überall gibt es auch Leistungen, auf die man verzichten kann. Am grössten ist das Sparpotenzial in der Aussenpolitik, vom Asylwesen bis zur Entwicklungshilfe. Auch bei der Armee kann man noch sparen. Die Auslandeinsätze der Armee sind aussenpolitischer Schnickschnack. Und Dienstleistungen der Armee für zivile Anlässe, die auch andere erbringen können, soll man streichen. Es ist eine Sauerei, wenn man Soldaten für Wiederholungskurse aufbietet, die drei Wochen am Arbeitsplatz fehlen, um sie an der Expo Hilfsdienste leisten, bei Pferderennen Hindernisse aufstellen oder bei Schwingfesten den Verkehr regeln zu lassen. Auch in der Bürokratie kann die Armee noch sparen. Der grösste Teil der Militärfinanzen geht nicht in Auslandeinsätze, sondern in den Betrieb von Hightech-Waffensystemen. Blocher: Für Bauten und Administration sind die Kosten zu reduzieren. Nicht aber für Waffen gegen neue Bedrohungen. Wir brauchen zwar keine Panzerarmee mehr. Aber auf einen Schutzschild gegen Angriffe aus der Luft können wir nicht verzichten. Unser Ziel muss es sein, Kosten zu senken und gleichzeitig die Leistung zu erhöhen. Das ist das erklärte Ziel der Armeereform, gegen die jetzt aus Kreisen der SVP das Referendum ergriffen wird. Blocher: Dieses Ziel wird nicht erreicht. Ich unterstütze dieses Referendum nicht. Aber ich bin nicht für diese Armeereform. Sie ist ein Schritt weg vom Milizsystem und bringt eine weitere Annäherung an die Nato. Eine Armee nach den Vor-stellungen der SVP ist wirksamer, aber nicht teurer. Im Bereich Verkehr: Was würde eine bürgerliche Koalition da ändern? Blocher: Im Strassenbau sind Geld und Projekte vorhanden. Hier kann der Staat in Zeiten wirtschaftlicher Flaute etwas mehr ausgeben, ohne dass sich die Situation des Bundeshaushalts verschlechtert: Die Lücken im National-strassennetz rasch schliessen, Hauptachsen ausbauen und am Gotthard eine zweite Röhre bauen. Und im öffentlichen Verkehr? Blocher: Da wird so viel investiert, dass man kaum noch mehr machen kann. Im öffentlichen Verkehr muss stärker die Wirtschaftlichkeit beachtet werden. Hier kann gespart werden. Was würde eine bürgerliche Koalitionsregierung bei der AHV anders machen? Blocher: Unser Konzept zielt auf eine Rentenerhaltung ohne neue Steuern und Abgaben bis mindestens 2012. Kein Ausbau der Leistungen, aber auch keine Kürzung. Die bereits beschlossene Mehrwertsteuererhöhung und die höhere Tabaksteuer müssen voll in die AHV fliessen. Und wir sind nach wie vor der Meinung, dass die Erträge der überschüssigen Goldreserven in die AHV-Kasse gehören. Von Bürgerlichen hört man den Vorschlag, das Rentenalter weiter zu erhöhen. Blocher: Das Rentenalter 65 für Männer und Frauen ist beschlossen. Das ist aber nicht für alle Ewigkeit fixiert. Auch der Trend, dass wir immer älter werden, kann sich ja wieder ändern. Zur Aussenpolitik: Würde ein bürgerlicher Bundesrat unter SVP-Führung den Austritt der Schweiz aus der Uno anstreben? Blocher: Nein. Austreten ist schwieriger als nicht beitreten. Der Beitritt ist be-schlossen. Aber eine ganz klar andere Linie gäbe es in der Europapolitik. Ein bürgerlicher Bundesrat müsste der EU endlich klar mitteilen, dass die Schweiz nicht beitreten wird. Die laufende zweite Runde der bilateralen Verhandlungen wäre abzubrechen. Über einzelne Sonderabkommen kann man verhandeln. Aber die Schweiz braucht kein neues Vertragspaket. Dass der Bundesrat in diese Ver-handlungen eingestiegen ist, hat nur zwei Ursachen: Bundesrätin Metzler will die Schweiz ins Schengen-Abkommen integrieren und so die Unfähigkeit des Bundesrats in der Ausländerpolitik vertuschen. Und man will das Land mit weiteren kleinen Schritten einem EU-Beitritt näher bringen. Wie würde ein bürgerlicher Bundesrat auf die Forderung der EU reagieren, das bilaterale Abkommen, insbesondere die Freizügigkeit, auf die neuen EU-Mitglieder auszudehnen? Blocher: Sie müsste Nein sagen. Ich würde dafür eintreten, dass über eine Aus-dehnung erst verhandelt wird, wenn das Volk nach sieben Jahren in der im Vertrag vorgesehenen Abstimmung Gelegenheit hatte, über die praktischen Folgen der Freizügigkeit zu befinden. Auch dann, wenn die EU die weitere Gültigkeit des ganzen Abkommens von der Ausdehnung auf die neuen Mitglieder abhängig machen würde? Blocher: Ja. Die Vorteile des bilateralen Abkommens für unsere Wirtschaft sind minim, weil wir im Schwerverkehr mit der Zulassung von 40-Tönnern schwere Nachteile tragen. Zurück zum 4. Dezember. Gehen wir davon aus, dass diesmal kein zweiter SVP-Vertreter in den Bundesrat gewählt wird. Dann trifft man sich ein Jahr später nach den Parlamentswahlen zur Gesamterneuerung der Regierung. Welche Forder-ungen stellt die SVP, wenn sie ihre Position als wählerstärkste Partei noch ver-bessert? Blocher: Nach den Wahlen stellt sich die gleiche Frage wie vorher: Will die Schweiz eine Konkordanzregierung oder nicht. Wenn ja, bekommen die drei grossen Parteien je zwei Regierungssitze und die kleine einen. Wenn nicht, dann müssen sich FDP und CVP entscheiden, ob sie eine Koalition mit der SVP oder mit der SP eingehen wollen. Wenn sie, wie heute, lieber mit der SP regieren, dann wird die in den Wahlen gestärkte SVP ihre Opposition halt verstärken. Unser Ein-stieg als vollberechtigte Regierungspartei ist nur eine Frage der Zeit. In Brasilien hat Lula da Silva 22 Jahre in der Opposition gekämpft. Jetzt wurde er zum Präsi-denten gewählt. Ich werde mein Ziel wohl erst erreichen, wenn ich aus Alters-gründen für ein Amt im Bundesrat nicht mehr in Frage komme.

03.11.2002

La faillite du Credit Suisse? Il faut s’y préparer

Interview dans Dimanche du 3 novembre 2002 Invité au Forum économique de Glion, le président de l'UDC zurichoise s'exprime sur le potentiel de son parti en Suisse romande, la crise économique, le Credit Suisse, l'initiative sur l'asile et la succession au Conseil fédéral. Texte Marc Comina Cette année, c'est déjà la deuxième fois que vous séjournez à Glion. Qui vous avait invité en avril? Christoph Blocher: Anne-Lise Monnier m'avait invité à participer à un repas in-formel avec des décideurs romands. Il y avait une trentaine d'entrepreneurs et de managers. Comme toujours dans le canton de Vaud, un conseiller d'Etat - Jean-Claude Mermoud - était de la partie. Il y avait surtout des libéraux et des radicaux. Nous avons discuté d'économie à l'abri des regards de la presse. Cette rencontre est-elle le signe que, en Suisse romande, vos idées sont aujourd'hui mieux acceptées? Blocher: C'est tout à fait évident. J'y vois plusieurs raisons. En économie, on comprend que les recettes que je combats depuis toujours sont effectivement mauvaises. J'ai toujours été contre le gigantisme et le copinage. Or la débâcle de Swissair et les problèmes de Swiss Life en sont la conséquence directe. En politique, je me bats pour que les impôts n'augmentent pas. Enfin, il y a la ques-tion européenne. A cause de mon combat contre l'adhésion à l'UE, j'ai longtemps été l'ennemi des Romands. Ici, il y a dix ans, on ne débattait pas de ce thème. Soit vous étiez pour, soit vous étiez un égoïste. Aujourd'hui, les gens voient les choses de façon plus différenciée. Dans les journaux aussi, on parle des avant-ages et des inconvénients de l'adhésion, des défauts de la construction européenne, etc. Vous pensez donc pouvoir gagner encore des voix chez les Romands? Blocher: Si nous faisons bien les choses avec les bonnes personnes en s'attaquant aux vrais problèmes, je suis convaincu que nous pouvons obtenir 25% des voix en Suisse romande, en 2003 déjà. Combien de sièges espérez-vous gagner? Blocher: Je n'ai pas fait de comptes, mais dans le canton de Vaud, nous devrions pouvoir gagner des sièges supplémentaires; de même qu'à Fribourg et à Genève. Etes-vous inquiet de la situation économique en Suisse? Blocher: Pas seulement en Suisse. Une forte récession est en train de frapper les Etats-Unis, l'Europe et le Japon. Elle est la conséquence de la période de forte croissance que nous avons connue ces dernières années. La conséquence? Blocher: Les Etats-Unis ont connu leur plus longue période de haute conjoncture depuis la Seconde Guerre mondiale. Douze ans d'affilée. Du jamais vu. Que fait-on quand les choses vont si bien? Des bêtises. L'argent est disponible, les choses se font presque d'elles-mêmes, même les managers incompétents ont du succès. Tout le monde vise le gigantisme, la globalisation. Je n'y ai jamais cru. L'être humain n'est tout simplement pas capable de diriger des structures aussi gros-ses. Tôt ou tard, il faut payer les pots cassés et corriger les erreurs. Il n'y a donc pas de motif particulier d'inquiétude: la croissance reviendra. Mais nous sommes au début de cette récession, et il ne faut pas croire que la reprise est pour le prin-temps. Cela va durer des années. Le Credit Suisse est-il en danger de faillite? Blocher: Je ne crois pas qu'il soit au bord de la faillite, mais nous sommes aujourd'hui dans la situation où cette éventualité ne peut plus être exclue. Si j'étais conseiller fédéral, je me tiendrais prêt à réagir au cas où une banque de cette taille ferait faillite. Il faut réfléchir dès aujourd'hui à des solutions. L'Etat devrait-il faire comme pour Swissair: payer? Blocher: Peut-être que l'Etat serait même obligé de le faire. Tant de personnes et de sociétés seraient concernées. Ce serait un tremblement de terre qui exigerait une véritable aide en cas de catastrophe. Mais je n'ai pas de solution toute faite. Le Conseil fédéral ferait bien de se préparer aussi à l'éventualité d'une faillite chez les assureurs, par exemple chez Swiss Life. Vous étiez contre l'intervention de l'Etat pour Swissair et vous pourriez y être favorable dans le cas d'une banque ou d'une assurance? Blocher: Dans le cas de Swissair, je n'étais pas contre le fait de rapatrier les passagers disséminés dans le monde ou de limiter tant que possible les dégâts. Mais je me suis opposé à la participation de l'Etat dans la nouvelle compagnie. De même, je serais totalement opposé à ce que l'Etat nationalise d'une certaine manière le Credit Suisse. Pensez-vous que le Conseil fédéral se prépare au pire? Je crains que non. Mais il devrait le faire. Je ne veux pas dramatiser inutilement: beaucoup de grosses banques ont disparu dans le monde sans que cela ne pro-voque de grande crise. Mais dans les années 1930, une crise mondiale a fait suite à l'effondrement d'établissements financiers. Il faut garder cela à l'esprit, y Blocher: réfléchir. Il faut toujours avoir réfléchi au worst case. Votre initiative sur l'asile a-t-elle une chance d'être acceptée? Blocher: Elle a une chance de l'être, mais avec la campagne du Conseil fédéral, ce sera difficile. Jusqu'à récemment, il disait que cette initiative enfonçait des portes ouvertes, que nos propositions étaient incluses dans les projets du gouver-nement. Puis il a suffi d'un sondage pour qu'on dise qu'elle est très dangereuse, qu'elle conduirait à plus de criminels, des coûts plus élevés, etc. Le Conseil fédéral pense que, si c'est le gouvernement fédéral qui le dit, les gens vont suivre son opinion. Moi, j'espère que nous allons gagner, même si, en termes élector-aux, ce serait cependant beaucoup mieux pour l'UDC si elle était refusée. Pourquoi? Blocher: Tellement de promesses ont été faites par le Conseil fédéral qui, comme chaque fois, ne seront pas tenues. A l'époque de notre première initiative, on nous avait promis qu'il n'y aurait plus un seul trafiquant de drogue parmi les requérants d'asile. Cinq ans plus tard, le trafic de drogue passe précisément par là. On a entendu que l'UDC allait soutenir la candidature de Patrizia Pesenti. Vous confirmez? Blocher: Pas du tout. Pour l'instant, nous n'avons entendu aucun candidat. Des réponses qu'elle donne, je vois cependant que c'est celle qui a l'esprit le plus clair. Mais rien n'a encore été discuté à l'interne. A-t-on besoin d'une femme pour remplacer Ruth Dreifuss? Blocher: Non, on a besoin d'un politicien, que ce soit un homme ou une femme, cela ne joue aucun rôle. Mais si une femme compétente est présentée, il n'y a aucune raison de ne pas voter pour une femme.