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09.12.1998

Mein Beitrag für die HandelsZeitung vom 9. Dezember 1998

Mein Beitrag für die HandelsZeitung vom 9. Dezember 1998 Volkswahl des Bundesrates - ein Gebot der Zeit In unserem Land hängt alle öffentliche Gewalt von der Volkssouveränität ab; diese verlangt in ihrer konsequenten Ausgestaltung die Wahl der Regierung durch die Regierten. Es entspräche dem Gebot einer sauberen Gewaltentrennung, wenn sich das Parlament auf seine ureigenste Aufgabe - die Gesetzgebung - beschränken würde. Auch ist heute das seit 1848 gültige Gleichgewicht zwischen Volksvertretung (Nationalrat) und Kantonsvertretung (Ständerat) nicht gegeben: der Nationalrat wirft bei der Bundesratswahl 200 Stimmen in die Waagschale, der Ständerat nur 46. Die Volkswahl des Bundesrates stand schon 1848 bei der Schaffung des Bundesstaates zur Diskussion, wurde aber mit einer hauchdünnen Mehrheit von 10 zu 9 Stimmen abgelehnt. Wäre damals die Volkswahl des Bundesrates beschlossen worden, könnten wir uns heute wohl schwerlich eine Alternative vorstellen. In allen Kantonen hat sich die Volkswahl der Kantonsregierungen durchgesetzt. Keinem einzigen Kanton gereichte dies zum Nachteil, nirgendwo vernehmen wir Klagen, es würden nur noch mediengewandte Blender, geschliffene Rhetoriker oder Millionäre in den Regierungen sitzen. Weshalb sollte bei der Bundesregierung nicht funktionieren, was bei den Kantonen zur allgemeinen Zufriedenheit längst funktioniert? Die Vorteile der Volkswahl sind offenkundig Bundesräte könnten den Volkswillen nicht mehr missachten und sich nicht mehr im Ausland für Volksentscheide entschuldigen - denn das Volk wäre ihr Wahlgremium. Verkommene, skandalöse Ränkespiele um die Bundesratswahlen wären nicht mehr denkbar. Der Bundesrat hätte ein Mandat des Volkes und wüsste eine Volksmehrheit hinter sich. Dem Bundesrat würde bewusst, wem er in all seinem Handeln verantwortlich ist: allein dem Schweizervolk. Die Wahl des Bundesrates durch das Volk wäre eine echte Regierungsreform, wirksamer als ein Präsidialsystem, wirksamer als ein paar Staatssekretäre und wirksamer als eine schön tönende neue Bundesverfassung.

02.12.1998

Strategie stimmte von Anfang an nicht

Interview mit der Berner Zeitung vom 2. Dezember 1998 Christoph Blocher bleibt dabei: Der Bundesrat hat schlecht verhandelt, er hätte auf einem viel höheren Transitpreis bestehen müssen. Ob er das Referendum ergreift, will Blocher aber noch offen lassen. Interview: Urs Moser Haben Sie Bundesrat Moritz Leuenberger gratuliert? Christoph Blocher: Ich wüsste nicht wozu. Er hat kein gutes Abkommen ausgehandelt. Das war allerdings auch nicht zu erwarten. Wenn die Strategie von Anfang an nicht stimmt, ist es schwierig, am Schluss noch etwas herauszuholen. Was lief falsch? Blocher: Der erste Fehler wurde ganz am Anfang gemacht, als der Bundesrat seinen Willen zum EU-Beitritt bekundete. Beim Transitpreis hat man zu schnell nachgegeben. Glauben Sie wirklich, dass mehr herauszuholen gewesen wäre? Ganz bestimmt. Die EU hätte bei einem so tiefen Transitpreis ein Festhalten an der 28-Tonnen-Limite akzeptiert. Die Schweiz hat aber gleich beides preisgegeben, die Gewichtslimite und den Transitpreis von 600 Franken. So kommt der Güterverkehr nicht auf die Schiene. Werden Sie das Referendum ergreifen? Blocher: Das lässt sich noch nicht sagen. Dass das Verkehrsabkommen so schlecht herauskommt, war ja zu erwarten gewesen. Es kommt jetzt auf das Gesamtpaket an, vor allem auf das Dossier Personenverkehr. Das klingt immerhin versöhnlicher als auch schon. Früher haben Sie gesagt, ein Transitpreis unter 600 Franken sei inakzeptabel. Blocher: Das ist auch heute meine Auffassung. Ich gebe zu: Wenn die Linke und die Grünen ihre Position preisgeben und mit der Wirtschaft zusammen antreten, ist auf der Verkehrsseite wahrscheinlich nicht mehr viel zu machen. Aber noch einmal: Am Schluss ist das Gesamtpaket zu beurteilen und über ein Referendum zu entscheiden. Ich bin nicht bereit, zum vornherein das Versprechen abzugeben, ein schlechtes Ergebnis zu akzeptieren. Sie als EWR-Gegner haben den Bundesrat ja auf den Weg der bilateralen Verhandlungen verwiesen. Können Sie es sich überhaupt leisten, jetzt ein Abkommen zu blockieren? Blocher: Natürlich. Es gab auch Nachteile durch das EWR-Nein, aber die sind fast alle durch bilaterale Verträge ausgemerzt worden, die bereits in Kraft sind. Und die Swissair ist auch nicht zugrunde gegangen. Die Schweiz ist nicht auf einen schnellen Abschluss der Verhandlungen angewiesen. Bei den Hauptpunkten, die noch offen sind, Landverkehr und freier Personenverkehr, geht es um die Interessen der EU. Für die Schweiz sind diese Abkommen von untergeordneter Bedeutung.

01.12.1998

So erhalten wir unsere Arbeitsplätze

Mit Selbstvertrauen an die Arbeit - wir haben keinen Grund zur Panik! Veranstaltungsbericht eines Besuchers (Auftritt im Zentrum Oberwis, Seuzach) Wenn es gelingt, die potentiellen Kräfte von UnternehmerInnen, ArbeitnehmerInnen, PolitikerInnen und unseres Staates zugunsten eines attraktiven Wirtschafts-Standortes Schweiz zu bündeln, bleibt auch der Werk- und Arbeitsplatz Schweiz attraktiv: Vor rund 800 ZuhörerInnen machte der Zürcher Nationalrat und Unternehmer Christoph Blocher in einer auf Firmenschliessungen und Arbeitsplatz-Verluste sensibilisierten Region deutlich, unter welchen mentalen, wirtschaftlichen, bildungs- und steuerpolitischen Bedingungen er sich die Erhaltung der Arbeitsplätze vorstellt. Blocher ging sehr differenziert auf die beiden Problemfelder Arbeitslosigkeit und Rezession ein. Die Rezession befindet sich in der Endphase, sodass in ein bis zwei Jahren ein Aufschwung - und damit auch eine Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt - einsetzt, tat er einleitend seine persönliche Meinung kund. Blocher zeigte an einem Beispiel auf, wie sich der Wirtschaftsauschwung im Kleinen vollzieht: "Der Unternehmer entwickelt eine Idee, setzt sie um und will damit Geld verdienen. Das ist sein einziges Ziel. Wenn er ein erfolgreiches Produkt herstellt, forciert er die Produktion, braucht Produktionsräume und Personal. Er sorgt in der Baubranche, in verschiedenen Dienstleistungssektoren, bei Zulieferfirmen und im eigenen Betrieb für zusätzliche Aufträge und Arbeitsplätze. Das heisst, der Unternehmer sorgt für einen Aufschwung, weil er mit seinen Produkten Geld verdienen kann - mit Idealismus hat das wenig zu tun." Das sei auch nicht verwerflich, weil Unternehmer und Manager höchsten Anforderungen und marktwirtschaftlichen Gesetzmässigkeiten ausgesetzt seien. Blocher zeigte aus eigener Erfahrung, nämlich in der Eigenschaft als Politiker und erfolgreicher Unternehmer, Einflussmöglichkeiten auf, wie der Arbeitsplatz und Wirtschaftsstandort Schweiz - nach der Verlegung von Billigarbeitsplätzen - attraktiv bleiben kann: "Um den Werkplatz zu fördern, muss sich der Schweizer Unternehmer auf Produkte und Dienstleistungen mit hoher Qualität und hohen Leistungsanforderungen ausrichten. Er soll sich auf Güter beschränken, die kapitalintensiv sind, um die freien Kapitalkosten gut ausnützen zu können. So lässt sich der Lohnkosten-Nachteil umgehen. Das heisse gleichzeitig: Alle Massenprodukte, die Billiglohnländer produzieren können, seien zu meiden. Anders und besser sein als die anderen, laute die Devise, rief Blocher ins Plenum. Deshalb seien Produkte und Dienstleistungen rasch zu erneuern. In diesem Zusammenhang seien aber auch die potentiellen Arbeitskräfte gefordert, machte Blocher deutlich und kam anhand eines Beispiels aus der eigenen Firma auf einen wesentlichen Punkt auf dem weiten Problemfeld Arbeitslosigkeit zu sprechen: Er habe im aargauischen Dottikon mit der Herstellung neuer Produkte begonnen. Diese Produkt hätten sich auf dem Markt als äusserst erfolgreich erwiesen, so dass die Erhöhung der Mitarbeiterzahl in der Produktion nötig gewesen sei. Man habe die Fachkräfte sofort gesucht und sei - obschon Leute aus der chemischen Industrie ohne Arbeit seien - nicht fündig geworden. Es habe sich herausgestellt, dass die Arbeitslosen nicht bereit gewesen seien, einen längeren Arbeitsweg in Kauf zu nehmen. Heute sei es so, dass nach Dottikon Mitarbeiter aus dem grenznahen Ausland anfahren würden. "Wenn es Arbeitslosen wohler ist, Arbeitslosengeld zu beziehen, statt zur Arbeit zu fahren, dann stimmt etwas nicht, meine Damen und Herren", rief Blocher und erntete grossen Applaus. "Was können und dürfen wir einem Arbeitslosen aber heute an Arbeitsweg und Tätigkeitsfeldern zumuten?" Die Antworten auf diese Fragen gelte es grundsätzlich zu prüfen. Damit kam der begnadete Rhetoriker auf die Staatsausgaben zu sprechen: "In den goldenen Jahren als die öffentlichen Kassen überquollen, glaubte man, der Staat könne alles und es sei alles möglich: Geldverteilen, Geldverschleudern, grosse Ausgaben, neue Steuern, höhere Lohnabzüge, Krankenkassenprämienerhöhungen: Das war Trumpf! Und die Folge ist der heutige schlechte Zustand!" Auch für Blocher steht nicht in Frage, ob man sozial Schwachen helfen soll oder nicht: "Aber wir alle wissen, wir müssen die soziale Marktwirtschaft und den Sozailstaat auf die Dauer sichern, indem wir die zur Verfügung stehenden Mittel auf die wirklich Bedürftigen konzentrieren." Er sei aber gegen das Weiterführen der Tradition, dass verschiedenste Interessengruppierungen "um das Bundeshaus herumschleichen und die hole Hand für sich machen!" Drinnen, im Parlament, hätten diese Gruppierungen, ihre VertreterInnen, die hier einen 10- dort einen 20- manchmal auch locker einen 40- oder 50-Millionen-Kredit verlangten. Weil sich immer weniger Politiker finden liessen, die den Mut aufbräch-ten, nein zu sagen, wachse der Schuldenberg kontinuierlich weiter an. Auf der anderen Seite hätten BürgerInnen und Unternehmen immer mehr an Steuerabzügen zu gewähren, während sich an der gegenwärtigen misslichen Wirtschaftssituation überhaupt nichts ändere. "So geht das nicht mehr weiter", donnerte Blocher hinter dem Rednerpult. Er kam im Verlauf seiner Rede auf weitere offene Wunden zu sprechen, die für Angst und Unsicherheit innerhalb der Gesellschaft sorgen. Eine zusätzliche öffnet sich aus der Sicht des Politikers innerhalb unseres Bildungssystems: "In Volksschule, Berufsbildung, Hochschule und Weiterbildung ist Nivellierung und Anpassung nach unten nicht zu dulden. Der Neigung, die Leistung in den Schulen zu verringern, ist im Interesse der Besetzung qualifizierter Arbeitsplätze entgegenzutreten." Blocher nahm auch kein Blatt vor den Mund, als er auf die Einflussmöglichkeiten breitester Bevölkerungsteile zu sprechen kam: "Die Dauer der rezessiven Phase wird aber zu einem nicht unbeträchtlichem Teil auch vom Verhalten der breiten Bevölkerung mitbestimmt. Das Sparvolumen ist in unserem Land gegenwärtig sehr hoch. Es wären im privaten Bereich genügend Konsum-Gelder vorhanden, um den Wirtschaftsaufschwung anzukurbeln. Blocher wies dabei auf die Einstellung in unserer Gesellschaft hin und machte zwischen den Zeilen deutlich, dass es gelingen muss, mit einer positiven Gesinnung im Leben zu stehen: "Erst wenn wir die Notwendigkeit erkannt haben, den Sinnverlust, die Orientierungslosigkeit Bindungsangst und Egoismus - auch im Hinblick auf die laufende Diskussiom um nachrichtenlose Vermögen und die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg - in unseren eigenen Köpfen zu überwinden, kann es gelingen, mit neuem Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen zukunftsgerichtet an die Arbeit zu gehen", schloss Blocher.

01.12.1998

Mit Selbstvertrauen an die Arbeit – wir haben keinen Grund zur Panik!

Veranstaltungsbericht eines Besuchers (Auftritt im Zentrum Oberwis, Seuzach) Wenn es gelingt, die potentiellen Kräfte von UnternehmerInnen, ArbeitnehmerInnen, PolitikerInnen und unseres Staates zugunsten eines attraktiven Wirtschafts-Standortes Schweiz zu bündeln, bleibt auch der Werk- und Arbeitsplatz Schweiz attraktiv: Vor rund 800 ZuhörerInnen machte der Zürcher Nationalrat und Unternehmer Christoph Blocher in einer auf Firmenschliessungen und Arbeitsplatz-Verluste sensibilisierten Region deutlich, unter welchen mentalen, wirtschaftlichen, bildungs- und steuerpolitischen Bedingungen er sich die Erhaltung der Arbeitsplätze vorstellt. Blocher ging sehr differenziert auf die beiden Problemfelder Arbeitslosigkeit und Rezession ein. Die Rezession befindet sich in der Endphase, sodass in ein bis zwei Jahren ein Aufschwung - und damit auch eine Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt - einsetzt, tat er einleitend seine persönliche Meinung kund. Blocher zeigte an einem Beispiel auf, wie sich der Wirtschaftsauschwung im Kleinen vollzieht: "Der Unternehmer entwickelt eine Idee, setzt sie um und will damit Geld verdienen. Das ist sein einziges Ziel. Wenn er ein erfolgreiches Produkt herstellt, forciert er die Produktion, braucht Produktionsräume und Personal. Er sorgt in der Baubranche, in verschiedenen Dienstleistungssektoren, bei Zulieferfirmen und im eigenen Betrieb für zusätzliche Aufträge und Arbeitsplätze. Das heisst, der Unternehmer sorgt für einen Aufschwung, weil er mit seinen Produkten Geld verdienen kann - mit Idealismus hat das wenig zu tun." Das sei auch nicht verwerflich, weil Unternehmer und Manager höchsten Anforderungen und marktwirtschaftlichen Gesetzmässigkeiten ausgesetzt seien. Blocher zeigte aus eigener Erfahrung, nämlich in der Eigenschaft als Politiker und erfolgreicher Unternehmer, Einflussmöglichkeiten auf, wie der Arbeitsplatz und Wirtschaftsstandort Schweiz - nach der Verlegung von Billigarbeitsplätzen - attraktiv bleiben kann: "Um den Werkplatz zu fördern, muss sich der Schweizer Unternehmer auf Produkte und Dienstleistungen mit hoher Qualität und hohen Leistungsanforderungen ausrichten. Er soll sich auf Güter beschränken, die kapitalintensiv sind, um die freien Kapitalkosten gut ausnützen zu können. So lässt sich der Lohnkosten-Nachteil umgehen. Das heisse gleichzeitig: Alle Massenprodukte, die Billiglohnländer produzieren können, seien zu meiden. Anders und besser sein als die anderen, laute die Devise, rief Blocher ins Plenum. Deshalb seien Produkte und Dienstleistungen rasch zu erneuern. In diesem Zusammenhang seien aber auch die potentiellen Arbeitskräfte gefordert, machte Blocher deutlich und kam anhand eines Beispiels aus der eigenen Firma auf einen wesentlichen Punkt auf dem weiten Problemfeld Arbeitslosigkeit zu sprechen: Er habe im aargauischen Dottikon mit der Herstellung neuer Produkte begonnen. Diese Produkt hätten sich auf dem Markt als äusserst erfolgreich erwiesen, so dass die Erhöhung der Mitarbeiterzahl in der Produktion nötig gewesen sei. Man habe die Fachkräfte sofort gesucht und sei - obschon Leute aus der chemischen Industrie ohne Arbeit seien - nicht fündig geworden. Es habe sich herausgestellt, dass die Arbeitslosen nicht bereit gewesen seien, einen längeren Arbeitsweg in Kauf zu nehmen. Heute sei es so, dass nach Dottikon Mitarbeiter aus dem grenznahen Ausland anfahren würden. "Wenn es Arbeitslosen wohler ist, Arbeitslosengeld zu beziehen, statt zur Arbeit zu fahren, dann stimmt etwas nicht, meine Damen und Herren", rief Blocher und erntete grossen Applaus. "Was können und dürfen wir einem Arbeitslosen aber heute an Arbeitsweg und Tätigkeitsfeldern zumuten?" Die Antworten auf diese Fragen gelte es grundsätzlich zu prüfen. Damit kam der begnadete Rhetoriker auf die Staatsausgaben zu sprechen: "In den goldenen Jahren als die öffentlichen Kassen überquollen, glaubte man, der Staat könne alles und es sei alles möglich: Geldverteilen, Geldverschleudern, grosse Ausgaben, neue Steuern, höhere Lohnabzüge, Krankenkassenprämienerhöhungen: Das war Trumpf! Und die Folge ist der heutige schlechte Zustand!" Auch für Blocher steht nicht in Frage, ob man sozial Schwachen helfen soll oder nicht: "Aber wir alle wissen, wir müssen die soziale Marktwirtschaft und den Sozailstaat auf die Dauer sichern, indem wir die zur Verfügung stehenden Mittel auf die wirklich Bedürftigen konzentrieren." Er sei aber gegen das Weiterführen der Tradition, dass verschiedenste Interessengruppierungen "um das Bundeshaus herumschleichen und die hole Hand für sich machen!" Drinnen, im Parlament, hätten diese Gruppierungen, ihre VertreterInnen, die hier einen 10- dort einen 20- manchmal auch locker einen 40- oder 50-Millionen-Kredit verlangten. Weil sich immer weniger Politiker finden liessen, die den Mut aufbräch-ten, nein zu sagen, wachse der Schuldenberg kontinuierlich weiter an. Auf der anderen Seite hätten BürgerInnen und Unternehmen immer mehr an Steuerabzügen zu gewähren, während sich an der gegenwärtigen misslichen Wirtschaftssituation überhaupt nichts ändere. "So geht das nicht mehr weiter", donnerte Blocher hinter dem Rednerpult. Er kam im Verlauf seiner Rede auf weitere offene Wunden zu sprechen, die für Angst und Unsicherheit innerhalb der Gesellschaft sorgen. Eine zusätzliche öffnet sich aus der Sicht des Politikers innerhalb unseres Bildungssystems: "In Volksschule, Berufsbildung, Hochschule und Weiterbildung ist Nivellierung und Anpassung nach unten nicht zu dulden. Der Neigung, die Leistung in den Schulen zu verringern, ist im Interesse der Besetzung qualifizierter Arbeitsplätze entgegenzutreten." Blocher nahm auch kein Blatt vor den Mund, als er auf die Einflussmöglichkeiten breitester Bevölkerungsteile zu sprechen kam: "Die Dauer der rezessiven Phase wird aber zu einem nicht unbeträchtlichem Teil auch vom Verhalten der breiten Bevölkerung mitbestimmt. Das Sparvolumen ist in unserem Land gegenwärtig sehr hoch. Es wären im privaten Bereich genügend Konsum-Gelder vorhanden, um den Wirtschaftsaufschwung anzukurbeln. Blocher wies dabei auf die Einstellung in unserer Gesellschaft hin und machte zwischen den Zeilen deutlich, dass es gelingen muss, mit einer positiven Gesinnung im Leben zu stehen: "Erst wenn wir die Notwendigkeit erkannt haben, den Sinnverlust, die Orientierungslosigkeit Bindungsangst und Egoismus - auch im Hinblick auf die laufende Diskussiom um nachrichtenlose Vermögen und die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg - in unseren eigenen Köpfen zu überwinden, kann es gelingen, mit neuem Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen zukunftsgerichtet an die Arbeit zu gehen", schloss Blocher.

21.10.1998

«Ogis Aussage hat mich erschreckt»

Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung" vom 21. Oktober 1998 SVP-Generalsekretär Martin Baltisser, Fraktionschef Samuel Schmid und Bundesrat Adolf Ogi haben Nationalrat Christoph Blocher den Fehdehandschuh hingeworfen. Sie möchten verhindern, dass die SVP unter Blochers Einfluss das Neinsager-Image zementiert und sich auf eidgenössischer Ebene nur noch als opponierende Kraft in Szene setzt. Die NZZ wollte wissen, wie sich Blocher die weitere Zusammenarbeit mit den genannten "Parteifreunden" und die Zukunft der SVP im Parteienspektrum vorstellt. Interview: René Zeller «Flugsand der Unzufriedenen» Herr Blocher, Bundesrat Ogi hat Ihnen parteiintern den Kampf angesagt. Am Montag sagte er, die SVP dürfe bei den nächsten Wahlen nicht den "Flugsand der Unzufriedenen" sammeln. Sind Sie zufrieden mit der Aussage? Blocher: Ich bin erschrocken! Man beachte die Sprache: Menschen sind Flugsand! Wir haben tatsächlich viele Bürgerinnen und Bürger, die unzufrieden sind, vor allem im Mittelstand. Das ist auch verständlich. Wir haben in den letzten sieben Jahren im Bund mehr Schulden gemacht als in den 700 Jahren zuvor. Es sind jetzt 120 Milliarden. Wir erhöhen dauernd Steuern, Lohnabzüge und die Mehrwertsteuern. Die Leute sind besorgt und unzufrieden über die Situation im Asylwesen. Und jetzt kommt Bundesrat Ogi und bezeichnet diese als "Flugsand" - das ist eine Verachtung des Volkes. Das können wir nicht hinnehmen. Es ist nicht das Recht einer Regierung, jene Mitbürgerinnen und Mitbürger, die ihr nicht zuklatschen, einfach als Flugsand zu bezeichnen. Die SVP hat Bundesrat Ogi in den letzten Jahren eins ums andere Mal in die Minderheit versetzt. Sollte er Ihrer Ansicht nach zurücktreten? Blocher: Wissen Sie, Herr Ogi hat immer den Gesamtbundesrat zu vertreten. Das ist seine Aufgabe, und damit haben wir auch keine Mühe. Wir sind eine Partei, und er ist ein Mitglied der Landesregierung. Es ist aber richtig, dass er in zentralen Fragen nicht nur die Meinung der Regierung, sondern auch eine persönliche Meinung vertritt, die von der SVP nicht mitgetragen wird. Zurücktreten muss er deswegen nicht. Wir tragen zwar als Partei Regierungsverantwortung, aber wir müssen in zentralen Fragen auch bereit sein, Widerstand zu leisten. Wir müssen seine abweichenden Stellungnahmen ertragen - und er unsere. Fühlen Sie sich als SVP-Mitglied überhaupt noch vertreten im Bundesrat durch Adolf Ogi? Blocher: Es ist klar, dass wir lieber einen Bundesrat hätten, der entschiedener unsere Anliegen vertreten würde. Ich denke an die Unabhängigkeit, die Neutralität, an die Landesverteidigung, an die Steuerpolitik. Es ist aber auch klar, dass jemand aus unseren Reihen, der konsequenter für diese Anliegen eintritt, von den andern Parteien gar nicht in den Bundesrat gewählt würde. Intern diskutieren statt extern schreien Den SVP-internen Kleinkrieg haben Generalsekretär Martin Baltisser und Fraktionschef Samuel Schmid via Medien angezettelt. Was raten Sie den beiden Herren? Blocher: Ich rate ihnen, diese Diskussion parteiintern aufzunehmen, statt in unseren Gremien zu schweigen und nach aussen zu schreien, um bei den Gegnern Applaus zu holen. Über den Kurs der Partei ist intern zu diskutieren. Daran sollten sich auch Baltisser und Schmid halten. Ist aus Ihrer Sicht Martin Baltisser noch tragbar als SVP-Generalsekretär? Blocher: Der Generalsekretär hat die Partei zu vertreten. Das ist seine Funktion. Ob er hier einen einmaligen Fehler gemacht hat, muss sich zeigen. Auch der Pressechef hat natürlich die Partei zu vertreten. Wenn sie das nicht können, dann müssen sie zurücktreten, das ist ja klar. Würden Sie es begrüssen, wenn Auns-Sekretär und SVP-Nationalrat Hans Fehr den Posten von Baltisser übernähme? Blocher: Hans Fehr wäre ein hervorragender Parteisekretär, aber ich kann nicht auf ihn verzichten. Wir brauchen ihn als Auns-Geschäftsleiter. Ich glaube auch, dass es besser ist, wenn der schweizerische Parteisekretär nicht im Nationalrat vertreten ist. Bilaterale Verhandlungen Mit dem Ja zur LSVA ist die 28-Tonnen-Limite für Lastwagen gefallen. Sie haben stets gesagt, Sie würden gegenüber der EU weder bei dieser Limite noch beim freien Personenverkehr nachgeben. Steht das Referendum gegen einen bilateralen Vertrag damit fest? Blocher: In bezug auf die Verkehrsfrage ist es leider so, dass die Schweiz die 28-Tonnen-Limite als kanalisierendes Element für den Strassentransitverkehr fallen gelassen hat. Ich bedaure das ausserordentlich. Das wird ein böses Erwachen geben: Der Gotthard als wichtige Nord-Süd-Verbindung wird die billigste Route sein für die Lastwagen auf der Strasse, schon bei dem Preis von 325 Franken, den die EU ja noch nicht akzeptiert hat. Aber hier gibt es aus meiner Sicht nach dem Volksentscheid nichts mehr zu rütteln. Mit Blick auf die Verkehrsfrage sehe ich keine Möglichkeit mehr, noch das Referendum zu ergreifen. Anders stellt es sich beim freien Personenverkehr. Da ist es zu früh, um Stellung zu nehmen. Ich kann immer nur das gleiche betonen: Ich bin selbstverständlich für die bilateralen Verhandlungen. Wir haben ja die wichtigsten Nachteile aus dem EWR-Nein - solche hat es gegeben - beseitigt. Im Mittelpunkt steht noch der freie Personenverkehr. Man kann erst am Schluss entscheiden, ob der Preis zu hoch ist, ob man das Referendum ergreifen muss oder nicht? Bilaterale Verhandlungen ja - aber nicht um jeden Preis. Regieren nicht um jeden Preis Sie betonen seit langem, die SVP sei bereit für die Opposition. Wann ist für Sie der Zeitpunkt gekommen, wo Sie die Regierungsverantwortung definitiv nicht mehr mittragen können? Blocher: Entscheidend ist neben der Wirtschafts- und Ordnungspolitik, die ich bereits erwähnt habe, natürlich die Unabhängigkeit und Neutralität des Landes, speziell die Frage des EU-Beitritts. Wenn die anderen Regierungsparteien sagen würden, die Voraussetzung, dass die SVP in der Regierung bleibt, sei hier ein Nachgeben - dann dürften wir nicht nachgeben. In diesem Fall müssten wir die Oppositionsrolle in Kauf nehmen. Sie fahren dem Bundesrat bei jeder Gelegenheit an den Karren. Der Oppositionskurs der SVP ist inzwischen Programm. Was hält Ihre Partei überhaupt noch in der Regierungsverantwortung? Blocher: Wir fahren dem Bundesrat nicht bei jeder Gelegenheit an den Karren. Ich habe ihn auch schon gelobt. Das letzte Mal zum Beispiel, als er dem Druck der Wirtschaft nicht nachgegeben hat, in New York zu bezahlen. Das ist aber eher die Ausnahme als die Regel. Blocher: Ja, gut. Es ist nicht meine Hauptaufgabe, den Bundesrat zu rühmen, sondern ich bin ja gewählt, um in der Politik etwas zu bewegen. Wenn alle den Bundesrat rühmen, dann muss ich nicht auch noch meine Zeit damit vergeuden. Von Mitte-Rechts nach Mitte-Links Nochmals: Wie halten Sie es mit dem Regieren? Blocher: Wir haben ein klares Konzept für die Schweiz, für die Zukunft. Das möchten wir verwirklichen. Deshalb müssen wir willens sein, in der Regierung mitzuwirken. Zu unserem Konzept für die nächsten Jahre: Wir wollen eine bessere Ordnungspolitik. Die SVP ist bald noch die einzige Partei, die Ordnungspolitik ernst nimmt und sich für weniger Steuern, Abgaben, Gebühren, Lohnprozente einsetzt, für weniger Einfluss des Staates, weniger Sozialismus. Seit ich im Nationalrat bin, seit etwa zwanzig Jahren, haben wir in der Schweiz einen schleichenden Regierungswechsel vollzogen. Die Parteien sind geblieben, die Personen haben sich geändert - und wir haben heute keine Mitte-Rechts-Regierung mehr, sondern eine Mitte-Links-Regierung. Deshalb ist die SVP vermehrt in die Opposition geraten; der Mittelstand ist in die Opposition geraten. Die FDP will von einem Links-Rechts-Schema nichts mehr wissen, Franz Steinegger spricht von Modernisierung versus Status quo. Was sagen Sie zu diesem freisinnigen Streben Richtung Zukunft? Blocher: Ich bin glücklich, wenn die Freisinnigen in die Zukunft schauen. Das wäre schon lange an der Zeit. Aber ich kann nichts anfangen mit dieser fast harmonie-süchtigen Bemerkung, es gäbe keinen Links-Rechts-Zwiespalt mehr. Wofür steht denn Links, wofür Rechts? Bisher stand Rechts für eine freiheitliche Grundhaltung, für eine Haltung, die den Einzelnen, die Eigenverantwortung in den Mittelpunkt stellt. Rechts ist, wer die Allmacht des Staates, den Sozialismus bekämpft. Links steht demgegenüber für sozialistisch, sozialdemokratisch, für mehr Macht dem Staat, für höhere Steuern und weniger Selbstverantwortung, für mehr Staat und weniger Privatwirtschaft. Diese Grundsatzfragen sind nach wie vor hochaktuell. Die ganz grosse Gefahr der Industrieländer ist heute, dass sie sich dermassen mit staatlichen Aufgaben überhäufen, dass es zum Kollaps führt. Der Ferne Osten und Russand kämpfen mit Überschuldungsproblemen. Die europäischen Industrieländer laufen Gefahr, ins gleiche Fiasko zu laufen. Es geht hier um ganz Grundsätzliches: ob die Menschen noch Arbeit finden, ob die Wirtschaft konkurrenzfähig bleibt. Mir scheint, dass Franz Steinegger den Grundsatzfragen ausweichen will. Ich muss der FDP vorwerfen, dass sie sich in den letzten Jahren von der sozialistischen Seite allzu sehr vereinnahmen liess. Kritik an FDP und CVP Sie nehmen für die SVP in Anspruch, als letzte bürgerliche Kraft noch eine konsequente Ordnungspolitik zu betreiben. Was werfen Sie der FDP konkret vor? Blocher: Die Freisinnigen haben allen Steuererhöhungen und der Erhöhung der Staatsquote zugestimmt. Es geht nicht an, dass man sagt: Wir sind für eine kleinere Staatsquote, aber im konkreten Fall erhöhen wir sie dann. Nehmen Sie das Krankenversicherungsgesetz: Die neue obligatorische Versicherung mit massivem Leistungsausbau wurde von der FDP massgebend mitgetragen. Die SVP hatte die Kraft, Nein zu sagen - obschon uns der eigene Bundesrat die Leviten las. Oder nehmen Sie die Mutterschaftsversicherung. Das bedeutet im Klartext neue Lohnprozente oder Mehrwertsteuerprozente. Stichwort LSVA: Vor drei Jahren erklärte Franz Steinegger, diese Steuer sei unmöglich, ohne dass Europa einbezogen werde. Am Schluss haben die Freisinnigen doch zugestimmt. Wir werfen der FDP nicht nur die mangelnde Kraft zum Nein gegen mehr Staatsinterventionismus vor, sondern auch dass sie zusammen mit der CVP die Ordnungspolitik vergessen hat, wie leider viele Wirtschaftsverbände, die ihre Sonderinteressen statt das Wohl der Volkswirtschaft vertreten. Gehört die CVP noch zum bürgerlichen Lager? Blocher: Das ist ausserordentlich schwierig zu sagen. Die CVP ist wahrscheinlich in Bern am stärksten nach links gerutscht. Diese Partei hat in den wirtschaftlichen Positionen das liberale Gedankengut und die Eigenverantwortung des Menschen weitgehend verlassen, weniger in der Ideologie. Wenn ich an die früheren Ständeräte und Nationalräte der CVP denke: die haben massiv Gegensteuer gegeben, das ist heute nicht mehr der Fall. Es ist heute eben modern, sozialistisch zu sein. Hier Gegensteuer zu geben ist undankbar. Man muss oft Nein sagen - und wer ist schon gerne immer ein Neinsager! Opposition wäre bequemer, aber… Nochmals zu dem von Ihnen diagnostizierten Linksrutsch. Befürchten Sie, dass es zu einer institutionellen Mitte-Links-Allianz kommt, so dass die SVP keinen Platz mehr hätte im Bundesrat? Blocher: Als unmöglich erachte ich es nicht. Es ist natürlich so, dass wir heute nicht im Bundesrat sind, weil die anderen Parteien die SVP oder Bundesrat Ogi lieben. Sondern es ist alles politisches Kalkül. Es wäre natürlich verlockend für uns, voll in die Opposition zu gehen. Wir hätten keine Rücksicht mehr zu nehmen auf die Bundesräte. Auch die SVP muss heute in geringfügigeren Fällen Konzessionen machen. In der Opposition wären wir völlig ungebunden. Das wissen die anderen Parteien natürlich. Deshalb werden sie uns nicht in die Opposition schicken - dies aber nur aus Eigennutz. Hand aufs Herz, Herr Blocher: Wären Sie unter den jetzigen Umständen lieber in der Opposition? Blocher: Von der Bequemlichkeit und von künftigen Wahlerfolgen her sicher. Aber in die Opposition - das ist meine volle Überzeugung - geht man nie freiwillig. Man muss immer bereit sein zu regieren, und man muss immer bereit sein, in die Opposition geschickt zu werden, sonst wird man gegenüber Regierung und Verwaltung hörig. Das ist auch bei Vorlagen so: Man muss auch dort antreten, wo man verlieren kann. Denn der Verlust im Einzelfall kann ein Gewinn aufs Ganze sein.