Article

Personal

13.03.2002

Alleingang kommt nicht in Frage

Interview mit der HandelsZeitung vom 13. März 2002 Ems-Chemie AG - Mehrheitsbesitzer Blocher kann sich einen Aktienrückkauf vorstellen, aber nur mit einem Partner. Steigt Martin Ebner bei der Ems ein? Interview: Mélanie Rietmann und Reto Schlatter Sie haben etwas Unübliches getan: Den Goodwill mit einem Schlag aus der Rechnungslegung verbannt und damit eine 30%ige Gewinn-Reduktion riskiert. Weshalb wollten Sie gerade jetzt "reinen Tisch" machen? Christoph Blocher: Zunächst eine Richtigstellung: Wir hatten schon vorher immer einen "reinen Tisch". Aber Sie mokieren sich über die "Kreativität in der Buchhaltung" bei andern Unternehmen. Was verstehen Sie darunter? Blocher: Ich stelle fest, dass Kreativität in gewissen Unternehmen fast nur noch in der Buchhaltung eine Rolle spielt. Dort aber ist diese Eigenschaft unzulässig. Buchhalterische Tricks zahlreicher Unternehmen sind ein wirtschaftliches Problem und führen dazu, dass Anleger den Firmen kein Vertrauen mehr schenken. Es wird zu viel geschummelt. In dieses Kapitel gehören auch die Pro-forma-Abschlüsse, die ja ihrem Namen alle Ehre machen. Nach einem halben Jahr folgen dann die Geschäftsberichte, die niemanden mehr interessieren - und das falsche Bild ist perfekt. Hinzu kommt die ganze Problematik mit den Goodwill-Abschreibungen, die auch in den USA Wellen geworfen hat. Wir haben den gesamten Goodwill von mehr als 37 Mio Fr. über die Erfolgsrechnung auf null abgeschrieben und nehmen einen geschrumpften Reingewinn in Kauf. Wo liegt Ihrer Meinung nach der Grund für die von Ihnen skizzierte Fehlentwicklung? Blocher: Dass sich in der Vergangenheit die gesamte Finanzwelt nur für Gewinnent- wicklungen und -erwartungen interessiert hat. Das Studium der Bilanz wurde völlig vernachlässigt, aber hier manifestiert sich die Substanz eines Unternehmens. Die jüngsten Vorfälle bieten ein anschauliches Beispiel: Nehmen Sie Enron, Swissair oder andere. Nicht die Gewinnentwicklung war das Hauptproblem, sondern die Bilanzwerte: Die Eigenkapitaldecke war zu dünn, die Verschuldung zu hoch und die Goodwill-Abschreibungen belasteten Gewinn und Bilanz. Wenn wir gerade beim Eigenkapitalanteil sind: Er liegt bei der Ems mittlerweile bei über 50%, und Sie machen sich anscheinend Gedanken über eine künftige Kapitalstruktur. In einem früheren Gespräch haben Sie ein Going-Private ausgeschlossen. Das ist offenbar kein Tabu mehr? Blocher: Das Eigenkapital macht bei Ems über 50% aus, und die Kapitalrendite lag in den letzten fünf Jahren durchschnittlich bei über 20%. Für mich allein kommt ein Going-Private trotzdem nicht in Frage. Es bedeutet einen Kapitalbedarf von über 1 Mrd Fr; das liegt für mich nicht drin. Ich könnte das Geld vielleicht beschaffen, was aber meinen finanziellen Spielraum allzu sehr einengen würde. Nicht in Frage kommt auch eine Geldaufnahme via die Ems-Firma. Ich möchte das operative Geschäft nicht mit Schulden für den Aktionär belasten. Was also kommt denn in Frage? Blocher: Es gibt die Möglichkeit, die Aktien zusammen mit anderen zurückzukaufen. Denken Sie an Herrn Ebner? Blocher: Ich denke eher an Partner, die nicht in erster Linie Kapitalanlagen machen - etwa Industrielle, die ihre Firma verkauft haben und sich noch gerne an einem privaten Unternehmen beteiligen, dessen Führung sie vertrauen. Es gibt solche Interessenten, aber der Nachteil beim Going-Private ist die beschränkte Kapitalisierungsmöglichkeit. Wenn dringend Kapital gebraucht wird - und das weiss man nie - dann kommt die Börse nicht in Frage. Bis wann wird über die Einführung der Einheitsaktie entschieden? Blocher: Bis Ende Jahr. Der Aktienmarkt von Ems ist eng geworden. Ich verfüge über 85% der Stimmen und zwei Drittel des Kapitals, was eine geringe Liquidität an der Börse zur Folge hat. Die Situation ist nicht befriedigend: Wenn ein Grosser einsteigt und viel kauft, steigen die Aktienkurse; verkauft er wieder, trifft das Gegenteil ein. Was ist mit einer Nennwertrückzahlung? Blocher: Auch die ist nicht ausgeschlossen, aber hier sind keine grossen Sprünge mehr möglich: Wir sind am unteren Limit. Ein freier Cashflow von 70% des gesamten Cashflows, null Nettoverschuldung und eliminierte Goodwill-Positionen. Was machen Sie mit dem vielen Geld? Akquirieren, Dividenden ausschütten oder investieren? Blocher: Bevor die Kapitalstruktur nicht gelöst ist, mache ich keine grossen Bocksprünge. Alle angesprochenen Möglichkeiten kommen in Frage. Themawechsel: Atisholz. Würden Sie diese Firma nochmals kaufen? Blocher: Kaum. Er erfolgte unter grossem Zeitdruck. Ich rechnete mit einem Worst-, einem Bad- und einem Best-case-Szenario. Nun ist der Bad-case eingetroffen. Das heisst, es dauert länger, bis wir in der Gewinnzone sind. Zu Ems passt die Firma nicht mehr, darum habe ich sie in die Emesta, die zu 100% mir gehört, überführt. Wenn wir alles gewusst hätten, was rausgekommen ist, hätten wir Atisholz nicht gekauft. Wann kommt Atisholz in die Erfolgszone? Blocher: Wir investierten 130 Mio Fr.; die neuen Produkte, die entwickelt wurden - es geht im Wesentlichen um Chemiezellstoffe und Hefeextrakte - werden jetzt eingeführt. Dieses Jahr rechnen wir mit einem Nullergebnis und dann mit steigenden Gewinnen. Da gibt es noch eine zweite Firma, an der Sie Interesse hatten. Was läuft bei Netstal? Blocher: Die letzten Verhandlungen fanden am 2. November statt. Es bleibt dabei: Siemens will Netstal nicht alleine verkaufen; ich will aber nur Netstal haben. Sind die Verhandlungen auf Eis? Blocher: Ja. Wie lange haben Sie Geduld? Blocher: Nicht ewig. * * * Fazit: Christoph Blocher hat sich - konsequent - einem antizyklischen Handeln verschrieben. Er bezeichnet seine Methode zwar als "handglismet", ist damit aber bislang richtig gelegen. Schade nur, dass die Besitzstrukturen zementiert sind. Das könnte sich aber ändern.

13.03.2002

«Bei mir zählt allein der Erfolg»

Interview mit der HandelsZeitung vom 13. März 2002 Christoph Blocher - Nach der Niederlage in der Uno-Abstimmung widmet sich der Politiker wieder vermehrt seinem Unternehmen. Und dort ist seine Nachfolgeplanung weit fortgeschritten. Seine vier Kinder stehen in den Startlöchern. Volkstribun Blocher äussert sich zur Zukunft seiner Firma Ems, hohen Managerlöhnen und Swiss. Interview: Mélanie Rietmann und Reto Schlatter Herr Blocher, haben Sie mit einer Niederlage bei der UNO-Abstimmung gerechnet? Christoph Blocher: Es ist weniger schlecht herausgekommen, als ich in den letzten Monaten befürchtet habe. Aber wir haben verloren, das ist betrüblich. Das heisst, die Schweiz hat verloren, weil die Schweiz geschwächt wird durch diesen Entscheid. Sind Sie daran, Ihre Nachfolge bei der Ems Chemie zu planen? Blocher: Ja natürlich. Meine älteste Tochter ist seit letztem Jahr im Verwaltungsrat; sie übernimmt bereits einen Teil der strategischen Planung. Der Sohn hat Chemie studiert und vor zwei Jahren abgeschlossen; zurzeit arbeitet er bei McKinsey. Die zweitälteste Tochter ist ebenfalls industriell tätig, sie leitet die Abteilung Forschung und Entwicklung und die Produktion der Zeltlifabrik Zile bei Aarau. Und die jüngste ist gerade am Abschluss in St.Gallen. Beste Voraussetzungen, dass die Ems in der Familie bleibt. Blocher: Ich will, dass alle Kinder zuerst Karriere ausserhalb der Ems machen. Sobald ich merke, dass sie die Fähigkeiten zu einer Führungsaufgabe besitzen, werde ich kürzer treten. Es muss niemand ins Unternehmen eintreten; es kommt aber auch niemand in Frage, der die Fähigkeiten dazu nicht hat. Wie lange wollen Sie noch CEO der Ems bleiben? Blocher: Bis eine Nachfolge Fuss fasst. In den nächsten Jahren dürfte dies der Fall sein. In der Öffentlichkeit sind Sie ja primär nicht als Unternehmer bekannt, sondern als Politiker. Wie viel Prozent Ihrer Arbeitszeit widmen Sie sich Ihren Unternehmen und wie viel der Politik? Blocher: Ein Drittel widme ich der Politik, zwei Drittel dem Unternehmen. Besteht nicht die Gefahr der Verzettelung? Blocher: Wenn ich in der Firma bin, habe ich immer das Gefühl, dass ich in der Politik etwas verbessern müsste. Und wenn ich mich in der Politik engagiere, denke ich, dass ich zurück ins Unternehmen sollte. Meine Stärke liegt in der Kombination von Unternehmer und Politiker. Ohne diese Kombination verliere ich meine politische Wirksamkeit. Deshalb nehme ich mich politisch auch nur zwei grossen Themen an, der Selbstbestimmung unseres Landes und der Wirtschafts-, Steuer- und Finanzpolitik. Setzen Sie auch als Unternehmer Schwerpunkte? Blocher: Ja, wie in der Politik. Wenn ich immer in der Unternehmung wäre, würde ich meine Direktoren mit all meinen Impulsen überfordern. Oder Ihnen auf den Wecker gehen ... Blocher: Das vielleicht auch. Ich bin mir bewusst, dass beides - Politik und Geschäft - eines Tages nicht mehr möglich sein wird. Dann müsste ich mich aus der Politik zurückziehen. Wie das Nationalrat Walter Frey im vergangenen Jahr getan hat. Blocher: Das könnte mir auch passieren. Aber zurzeit sieht es nicht so aus. Einer, der so viel abwesend ist im Unternehmen wie Sie, muss mit langer Leine führen. Blocher: Ja, eindeutig. Ich habe das Unternehmen in selbstständige Profitcenters gegliedert. Mit den Chefs dieser Profitcenters erarbeite ich die kurz- und langfristige Strategie und kontrolliere monatlich. Wenn einer operativ sehr gut arbeitet, sehe ich ihn während des Jahres selten. Für diese Aufgabe braucht es Leute, die bereit sind, die Chancen und Risiken eines Unternehmers selber zu tragen. Sie haben darum auch kleine Löhne und eine hohe Gewinnbeteiligung. Das heisst, Ihre Manager haben 2001 deutlich weniger verdient. Blocher: Ja, das ist klar. Die Details legen wir im April fest, wenn wir die genauen Zahlen kennen. Wenn die Ziele nicht erreicht werden, gibt es keinen Bonus. Wie hoch ist der Lohn Ihrer Topmanager? Blocher: Er liegt zwischen 200'000 und 250'000 Fr., je nach Grösse des Bereiches. Bei einem guten Geschäftsverlauf kann ein Manager dieses Salär verdreifachen. Und wie viel verdient der Chef? Blocher: Seit einigen Jahren liegt mein Jahresgehalt bei 350'000 Fr. Dieser Betrag lässt sich aber nicht vergleichen mit den Löhnen anderer Manager, weil mir ja zwei Drittel der Unternehmung und damit des Gewinns gehören. Das ergibt 120 Mio Fr. fürs Jahr 2001. Blocher: Das ist so, diese gehören mir; auch wenn ich sie in der Unternehmung lasse. Das Gleiche gilt bei einem Verlust. Das macht den Unterschied zwischen einem Manager und einem Unternehmer aus. Darf ein Verwaltungsrat in einem Jahr 1 Mio Fr. verdienen? Blocher: Von mir aus auch viel mehr. Es kommt drauf an, was er bringt. Einer, der nur an vier Sitzungen im Jahr teilnimmt, der wird es nicht bringen. Deshalb habe ich in meinem Unternehmen nur vollamtliche Verwaltungsräte. Wenn die Entscheide des Verwaltungsrates dazu führen, dass die Firma 100 bis 200 Mio Fr. mehr einnimmt, dann darf der VR auch mehr als 1 Mio Fr. verdienen. An den Millionengehältern der Manager stören sich viele Leute; auch solche von der SVP. Blocher: Wissen Sie, mir geht es nicht um die Höhe der Gehälter, sondern darum, dass der Erfolg und die Leistung honoriert werden. Deshalb muss auch der Misserfolg berücksichtigt werden. Ein Manager, der die Leistung nicht bringt, muss weniger ver- dienen oder entlassen werden. Es zählt allein der Erfolg. Bei der Pharma-Vision verdienten Sie als VR-Präsident zu den besten Zeiten 4 Mio Fr., obwohl die Performance hinter dem Pharmaindex herhinkte. Blocher: Die Pharma Vision hat das System zur Salarierung genau festgelegt. Die Zielvorgabe war, 6% Performance pro Jahr zu erreichen. Effektiv erzielten wir auch einmal 30% und mehr. Unter 6% gab es keine Entschädigung. Allerdings mussten die Verwal- tungsräte zuerst 140 Mio Fr. investieren. Kein Erfolg für die Aktionäre - keine Entschädigung für die Verwaltungsräte. Nur haben Sie dafür gar nichts gemacht. Blocher: Doch, wir haben die Beteiligung richtig gewählt. Der Unternehmer hat Erfolg oder Misserfolg, unabhängig seiner Betriebsamkeit. Wenn die Ziele klar definiert sind, interessieren nicht die Gründe, warum etwas so herausgekommen ist. Es hilft nichts, sich auf den 11. September zu berufen. Der Ausschuss der Zulassungskommission der Börse schlägt vor, dass börsenkotierte Unternehmen die Bezüge von VR und Management pauschal offen legen müssen. Genügt Ihnen das? Blocher: Nein, dieser Vorschlag ist wertlos. Pauschale Beträge für einen Verwaltungsrat bringen die erforderliche Transparenz nicht. Für die Wahl des Verwaltungsrates durch die Aktionäre hilft dies nicht weiter. Wie sieht es mit der Transparenz beim Management aus? Blocher: Für die Geschäftsleitung braucht es ebenfalls Transparenz. Vertretbar wäre, nur den Lohn des CEO offen zu legen und den Rest pauschal. Warum soll der Staat der Privatwirtschaft in dieser Frage dreinreden? Blocher: Es gehört zu den primären Aufgaben des Staates, das Privateigentum zu schützen. Bei den grossen Publikumsgesellschaften ist das Eigentum des Aktionärs nicht mehr geschützt. Der Verwaltungsrat kann sich aus der Firmenkasse bedienen, ohne dass die Eigentümer etwas davon merken. Deshalb genügen in dieser Frage nicht Richtlinien. Es muss im rechtlich verbindlichen Börsenkotierungsreglement oder im Börsengesetz festgeschrieben sein, dass dies offen gelegt wird, dann kann sich der Eigentümer schützen. Bei der Aktienrechtsrevision waren Sie noch gegen diese Offenlegung. Blocher: Damals war es noch kein Problem. Heute ist es eines. Passen Doppelmandate von VR-Präsident und CEO zu Ihrem Verständnis von Corporate Governance? Blocher: Damit habe ich keine Mühe. Es entspricht dem klassischen Unternehmer, der Eigentümer und Manager ist. Das ist bei grossen Firmen wie Novartis, CS oder Ciba nicht der Fall. Blocher: Bei den grossen Firmen ist das Kontrollsystem bei einem Doppelmandat tatsächlich zu klein. Die Kontrolle ist bei einer personellen Trennung sicher besser. Aber wichtiger als diese Frage ist jene der Transparenz. Wer kontrolliert eigentlich Sie in Ihrem Unternehmen? Blocher: Neben einem starken Controlling und einem internen Rechnungswesen habe ich Schutzvorschriften für mich eingeführt. Ich habe in keiner meiner Firmen Einzelunterschrift. Aber ganz gefeit ist man natürlich nicht. Kriminelle Dinge oder unvernünftige Entscheide sind nie ausgeschlossen. Mit welcher Airline fliegen Sie ab April ins Ausland? Blocher: Ich nehme jene, die mich am besten und am günstigsten an den gewünschten Ort bringt. In Europa interessant ist die neue Easy-Jet. Früher nahm ich auch Swissair, heute Crossair, aber auch British Airways oder Lufthansa. Ich habe ein unverkrampftes Verhältnis zu den Fluggesellschaften. Auch zur Swiss? Blocher: Mir passt nicht, dass ich mit einer staatlichen Gesellschaft fliegen muss. Aber ich fliege damit, weil der Steuerzahler dann weniger bezahlen muss.

04.03.2002

Es gibt nur noch zwei Parteien

Christoph Blocher - der Matador des Nein - gibt sich nicht als geschlagener Mann Interview mit dem «Bund» vom 4. März 2002 Interview: Johann Aeschlimann Am 10. Juni, nach der Abstimmung über das Militärgesetz, sprachen Sie von einem Zufallsmehr. Heute wieder? Christoph Blocher: In Bezug auf die Kantone sicher. Wenn ein paar hundert Walliser oder zwei-, dreitausend Luzerner anders gestimmt hätten, wäre das Ergebnis ein ganz anderes. Aber es ist entschieden. Da kann man nichts machen. Haben Sie Fehler begangen? Blocher: Mit unseren begrenzten personellen und finanziellen Mitteln konnten wir nicht mehr machen. Ganz schlecht war sicher, dass ein Teil der SVP-Vertreter sich von der anderen Seite missbrauchen liess und dieser quasi als Aushängeschild diente. Wäre das nicht gewesen, bin ich überzeugt, dass wir gewonnen hätten. Sie denken an den Aargauer Ständerat Reimann? Blocher: Reimann, auch Nationalrat Siegrist oder im Kanton Zürich Nationalrätin Fehr. Dann die Berner und Bündner SVP, die die Ja-Parole ausgaben. Darüber muss man innerhalb der Partei sicher über die Bücher gehen. Sprechen Sie einem SVP-Mitglied das Recht ab, für ein Ja einzutreten? Blocher: Wenn ich in einer Partei eine ganz andere Meinung habe als die Partei, dann stelle ich mich nicht öffentlich vorne hin. Und wenn man in allen wichtigen Fragen eine ganz andere Meinung hat, müsste man eigentlich die Partei wechseln. Nationalrat Ulrich Siegrist? Blocher: Der ist zu wenig lange dabei, aber das ist sicher jemand. Oder Frau Fehr im Kanton Zürich. Wir können uns nicht mit dem Aufruf wählen lassen, man solle unsere Partei wählen, weil sie klar für dieses oder jenes eintritt, und dann ganz etwas anderes tun. Es gab ein Ja zu den Militäreinsätzen, jetzt ein Ja zur Uno. Hat sich die Schweiz verändert? Wird sie es? Blocher: Es ist das erste Mal, dass die SVP allein, und nicht einmal geschlossen, antreten musste und fast die Hälfte der Kantone auf ihre Seite brachte. Sehen Sie, es gibt in der Schweiz praktisch nur noch zwei Parteien, die SVP und die andern. In den wichtigen Fragen ist es so. Nach dem heutigen Resultat muss man vielleicht die Schlussfolgerung ziehen, dass man allein zu schwach ist, wenn die Hochfinanz - sie hat die Ja-Kampagne finanziert - sich mit allen anderen zusammentut. Aber wir sehen ja in andern Bereichen, in denen wir Niederlagen erlitten haben, wie eklatant wir Recht erhalten. Beim Krankenversicherungsgesetz, beim Schwerverkehr... Wo werden Sie nach dem Uno-Beitritt recht erhalten? Blocher: Erstens werden Sie sehen, dass wir die 75 Millionen Franken bei den Kosten nicht halten werden können. Mit den neuesten BIP-Zahlen macht es bereits 89 Millionen aus. Zweitens die Neutralität. CNN strahlt dieser Tage aus, wenn die Schweiz der Uno beitrete, werde sie nicht mehr als neutral betrachtet. Ich würde mich nicht wundern, wenn sich bereits in den nächsten Tagen die langfristigen Zinssätze zu versteifen beginnen, weil das Land nicht mehr ein Sonderfall sein will. Bereits in den nächsten Wochen erwarte ich einen grossen Druck von der EU und von Amerika auf die Schweiz in Sachen Bankgeheimnis und Zinsbesteuerung. Das spüre ich. Der Bundesrat sagt, die Schweiz bleibe gleich neutral. Blocher: Ich nehme ihn beim Wort. Im Hinblick auf die Wahlen 2003 wird es die Auseinandersetzung zwischen der SVP und der Partei der andern geben. Wir haben 45 Prozent. Das ist nicht nichts. Sie sprechen nicht wie einer, der eine Abstimmung verloren hat, sondern wie ein Sieger. Blocher: Doch, ich habe die Abstimmung verloren. Aber verloren haben in erster Linie die Schweizerinnen und Schweizer. Und es ist meine Aufgabe zu schauen, dass es den Schweizerinnen und Schweizern nicht schlecht geht. Ist der Bundesrat und Aussenminister Deiss der Sieger von heute? Blocher: Mit einer solchen Macht nur so zu siegen - das gibt Herrn Deiss keinen Freiraum. Der Bundesrat hat enormen Schaden genommen dadurch, dass er sich in diese Kampagne einspannen liess. Er ist nicht mehr der Landesvater aller Schweizer, sondern Teil einer Werbekampagne geworden. Das hat schwere Folgen für ihn. Wird sich das ändern, wenn die SVP den zweiten Bundesratssitz hat, den sie anstrebt? Blocher: Das glaube ich nicht. Erstens wählen ja nicht wir die Bundesräte, sondern die andern. Und die wählen einen, der dasselbe tut, was sie wollen. Nein. Aber ich glaube, wenn die SVP die Wahl 2003 gewinnt - und nach dem heutigen Entscheid sind die Chancen sehr gross - dann werden die anderen Parteien langsam zu erwachen beginnen.

18.01.2002

«Chumm Bueb und lueg dis Ländli aa!»

Albisgüetli-Rede 2002

08.01.2002

«Ja, wir wollen gewinnen, aber…»

Uno-Beitritt Interview mit der Berner Zeitung vom 8. Januar 2002 Für den UNO-Beitritt eine provokative Kampagne zu fahren sei nicht notwendig, ist Blocher überzeugt. Einer Niederlage sieht er gelassen entgegen, denn davon könnte die SVP fast noch mehr profitieren. Interview: Gregor Poletti Ihre UNO-Kampagne kommt im Vergleich etwa zu derjenigen gegen die Militärvorlagen schon fast brav daher. Ist Ihnen der Biss abhanden gekommen? Christoph Blocher: Die Kampagne zu den Militärvorlagen im vergangenen Jahr war ja auch nicht aggressiv, aber sie provozierte. Aber heute haben wir ganz andere Voraussetzungen: Die Grundstimmung in der Bevölkerung ist bereits gegen einen UNO-Beitritt der Schweiz. Also müssen wir nicht mehr provozieren, sondern unsere Argumente darlegen und veranschaulichen. Und das haben wir sehr schön gemacht: Mit einer Axt wird auf ein bewährtes Instrument, die Neutralität, eingehauen. Also haben Sie doch die Lehre gezogen, dass martialische Plakate nicht unbedingt gut ankommen. Blocher: Nein. Bei der Revision des Militärgesetzes war es notwendig und richtig zu provozieren, weil unsere Gegner über den wahren Inhalt der Vorlage nicht diskutieren wollten. Aber den Zweihänder haben Sie noch im Hosensack, den Sie kurz vor dem Urnengang noch zücken könnten? Blocher: Bei der UNO-Abstimmung brauchen wir keinen Zweihänder, auch nicht in letzter Minute. Aber wir rechnen damit, dass die andere Seite, insbesondere der Bundesrat, versuchen wird, uns zu diskreditieren und als politisch nicht salonfähig darzustellen. Das hat er ja bereits auf eklatante Art und Weise bei den Militärvorlagen getan. Denn es geht am 3. März nicht nur um den UNO-Beitritt, sondern auch um eine innenpolitische Abrechnung mit uns. Sie setzen ebenfalls wie bei den Militärvorlagen voll auf die angebliche Verletzung der Neutralität. Ist diese Argumentation nicht zu schwach, zumal Sie damit nur die Isolationisten erreichen, welche knapp 30 Prozent der Bevölkerung ausmachen? Blocher: Dem Schweizervolk ist Neutralität sehr wichtig. Mischt euch nicht in fremde Händel. Zudem ist die offensichtliche Missachtung der Neutralität bei deranstehenden Abstimmung einfacher nachzuvollziehen als bei den Militärvorlagen: Denn die Schweizer merken, dass hier ein Vertrag unterschrieben wird, der uns Verpflichtungen wie Boykotte oder Hungersperren auferlegen kann, die uns aussenpolitisch in grosse Turbulenzen bringen könnten. Zudem ist es für einen Schweizer doch unerträglich, dass den Grossmächten mit dem Veto ein Sonderrecht zur Verfügung steht. Kein anderes Argument, das gegen einen UNO-Beitritt spricht? Blocher: Die Verletzung der Neutralität ist das Hauptargument und das stärkste zugleich. Dass ein Beitritt in finanzieller Hinsicht zudem ein Fass ohne Boden ist, vertritt das Komitee der Steuerzahler gegen den UNO-Beitritt. Weiter darf man nicht ausser Acht lassen, dass bei einem Beitritt Diplomaten und Funktionäre unser Recht brechendes Völkerrecht definieren könnten, ohne dass sie dauernd das Volk im Nacken hätten. Das Volk würde damit ein weiteres Mal ausgehebelt. Wie wird die Abstimmungsschlacht entschieden? Blocher: Wir setzen vor allem auf das Ständemehr. Dies aus zwei Gründen: Erstens ist die Zeit bis zum 3. März sehr kurz bemessen, und zweitens sind wir im Gegensatz zu den Befürwortern finanziell nicht so gut ausgestattet, dass wir die ganze Schweiz flächendeckend beackern könnten. Wir werden uns auf Schlüsselkantone wie beispielsweise Aargau, Luzern oder St. Gallen konzentrieren. Werden Sie in Ihr eigenes Portemonnaie greifen, um den Abstimmungskampf zu unterstützen? Blocher: Selbstverständlich. Wie gross ist dieses Engagement? Blocher: Wenn etwas fehlt, bin ich zur Stelle. Sie können mich am 4. März noch einmal fragen. Resultiert der doch eher zurückhaltende Abstimmungskampf nicht auch aus der Einsicht, dass die SVP bei einem Ja mehr als bei einem Nein profitieren könnte? Blocher: Nein, wir wollen gewinnen. Aber selbstverständlich würde die SVP bei einem Ja auch gewaltig profitieren, denn die kommenden Jahre würden aufzeigen, wie die Schweiz und ihre Interessen von der UNO dauernd überrollt würden. Aber wir schauen ja nicht darauf, was unserer Partei am meisten nützt, sondern unserem Land. Aber selbst die SVP ist gespalten in der UNO-Beitrittsfrage. Blocher: Die SVP ist keine geschlossene Viererkolonne. Im Parlament stimmten aber lediglich rund 20 Prozent unserer Partei für einen Beitritt. Und es gibt immer jemanden, der ausschert. Das stört mich nicht besonders, ausser Politiker machten dies lediglich zur Profilierung ihrer eigenen Person. Wird der UNO-Beitritt abgelehnt, ist Aussenminister Joseph Deiss dann für die Schweiz noch tragbar? Blocher: Dann muss sich Bundesrat Joseph Deiss klar und unmissverständlich hinter das Resultat stellen und die Unabhängigkeit und Neutralität endlich ernst nehmen. Kann er dies nicht, müsste er eigentlich konsequenterweise zurücktreten.