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18.12.2002

Die Blochers

Interview mit der "Bilanz" vom 18. Dezember 2002 Christoph Blocher denkt daran, die EMS-Gruppe von der Börse zu nehmen - oder den Freeflow zu erhöhen. Sein Sohn prüft Varianten, die älteste hält sich als mögliche Firmenchefin bereit. Blochers haben das Unternehmertum im Blut. von Bruno Affentranger Die Familie ordnet sich neu. Noch einmal bittet der Fotograf zum Gruppenbild. Der auf einem Stuhl sitzende Vater zieht zwei seiner Töchter zu sich und sagt: "So! Kommt ein wenig nach vorne. Ihr seid diejenigen, die man sehen soll." Die älteste Tochter, Magdalena, sagt: "Sieht aus, als ob Papi schon zurücktreten würde." So weit ist es noch nicht. Der Vater sitzt fest auf seinem Stuhl. Seit 1983 ist Christoph Blocher Verwaltungsratspräsident und mit stetig anwachsendem Aktien- und Stimmrechtskapital der starke Mann der Ems-Gruppe, des grössten Arbeitgebers im Kanton Graubünden. Doch bei den Blochers stellt sich die Nachfolgefrage. Christoph Blocher sagt: "Ich bin jetzt 62 Jahre alt. Man muss sich fragen: Wer erbt und führt später? Gibt es Junge, die im Unternehmen nachkommen?" Die gibt es. Die vier Nachkommen sitzen erstmals für die Öffentlichkeit gemeinsam mit den Eltern am grossen Sitzungstisch in Herrliberg. Im Januar werden sie gemeinsam den Entscheid gefällt haben, ob sie die Firma von der Börse nehmen und zum reinen Familienunternehmen oder diese kotiert belassen und im Gegenteil zur echten Publikumsgesellschaft machen wollen. Blochers prüfen derzeit alle Möglichkeiten. Vordenker in dieser Sache ist Christoph Blochers Sohn, Markus (31). Der promovierte Chemiker hat sich im Oktober nach fast drei Jahren bei McKinsey vom Beraterberuf verabschiedet und in den Sold des Vaters begeben. In Ems geht er derzeit die verschiedenen Alternativen und deren Konsequenzen in der Theorie durch. Vorkämpferin ist indes die älteste Tochter, Magdalena (33). Die Marketingspezialistin ist seit zwei Jahren im eigenen Unternehmen tätig, seit vergangenem August als Vizepräsidentin des Verwaltungsrates. Die zwei Jüngsten, Miriam (27) und Rahel (26), sind ebenfalls unternehmerisch tätig - aber nicht in der Ems-Gruppe. Das kann noch werden. Bei der Ems-Gruppe wird die Familie Blocher - welchen Weg die Firma auch gehen wird - an Bedeutung und Macht zulegen. Am Tisch in Herrliberg ist die Familiendiskussion eröffnet. Frage an die junge Generation: Wann haben Sie zum ersten Mal an einen Eintritt ins Unternehmen des Vaters gedacht? Magdalena Martullo-Blocher: Früher sagte ich immer, dass ich auf keinen Fall in das Unternehmen gehen wolle. Nie. Mein Vater hatte mich ein paar Mal gefragt. Aber ich sagte immer Nein. Irgendwann kam der Zeitpunkt, zu überlegen, was als Nächstes zu tun sei. Warum taten Sie es dann doch? Magdalena: I ch hatte nicht eine Erscheinung, die mir sagte: Jetzt musst du auf nach Ems. Aber ich realisierte, dass ich von ihm und seinen Erfahrungen profitieren kann. Ausserdem ist es eine interessante Herausforderung. Ich wollte international tätig sein. Als nächster beruflicher Schritt stand eine Tätigkeit als Geschäftsführerin an - ich wollte aber auch noch schwanger werden. Und ich wusste, dass dies nicht die optimale Kombination sein würde. Als Verantwortliche für spezielle Projekte liess sich dies eher vereinbaren. Christoph Blocher: Ich sagte meiner Frau: Jetzt ist sie plötzlich bereit, ins Unternehmen zu kommen. Hättest du das gedacht? Silvia Blocher: Ich hätte das nie geglaubt. Markus Blocher: Für mich war das eine totale Überraschung. Miriam Blocher: Sie hatte immer kategorisch abgelehnt. Was wollen sie sicher nicht so machen, wie es Vater und Mutter gemacht haben? Christoph: Bringt etwas. Los! Magdalena: Feindbilder habe ich keine. Ich werde sicher nicht in der Politik tätig sein. Politisch leben Sie nun einmal mit der Marke Blocher. Haben Sie Mühe damit? Miriam: Wir sind alle politisch nicht aktiv. Markus: Ich bin Auns-Mitglied. Miriam: Okay. Wir sind alle aktive Stimmbürger und eher auf seiner Linie. Sicher nicht bei jeder Vorlage, aber oft. Markus: Ich bin bewusst nicht Parteimitglied, aber ein Stammwähler. Ich finde die SVP gut. Grosswetterpolitisch bin ich auf derselben Linie. Magdalena: Ich bin auch derselben Meinung - ausser bei den Frauenfragen, da sind wir jeweils ein wenig aneinander geraten. Die Frau gehöre an den Herd, war am Familientisch eher seine Parole. Aber er propagiert das nicht mehr, seit ich im Unternehmen bin. Christoph: (Lacht) Ich wollte euch provozieren. Das zwingt zum Nachdenken. Miriam: Gewisse Grundeinstellungen bekommt man von zu Hause mit. Ausleben wird man sie dann individuell. Unternehmerisches Denken haben wir sicher alle im Blut - aufgesogen in der Kindheit. Gerade Sie sind nicht in der Ems-Gruppe tätig. Wie leben Sie das unternehmerische Denken aus? Miriam: Im Job denke ich gesamtheitlicher als andere in meinem Alter. Ausserdem ist es nicht normal, dass ich in meinem Alter eine derartige Position habe und haben will. Ich führe dreissig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Für mich wäre es keine Herausforderung, am Morgen um acht ins Labor zu kommen, danach dort meine Versuche zu machen und um fünf Uhr abends wieder nach Hause zu gehen. Christoph: Sie ist gestern bis zehn Uhr abends in ihrem Unternehmen gewesen, weil es nötig war, und war heute morgen um fünf Uhr bereits wieder dort. Das kann nur jemand, der weiss, dass diese Art des Arbeitens zu einer leitenden Funktion gehört. Der dies vielleicht als Kind bereits mitbekommen hat. Miriam: Für mich ist das selbstverständlich, obwohl ich es auch nicht immer gerne mache. Aus den Reaktionen anderer merke ich manchmal, dass es nicht für alle selbstverständlich wäre. Ferienjobs im Unternehmen Welches waren Ihre ersten Kontakte zur Firma und zum Unternehmertum? Miriam: Früher nahmen wir an den Tagen der offenen Tür teil. Ausserdem gingen Rahel und ich oft in der Silvesternacht mit den Eltern in die Ems-Chemie. Unser Vater wünschte in der Fabrik, wo das ganze Jahr 24 Stunden im Tag gearbeitet wird, allen, die in dieser Nacht arbeiten mussten, ein gutes neues Jahr. Christoph: Ich habe stets die Kinder in das Unternehmen einbezogen. Auch geistig. Am Familientisch haben wir viel über das Unternehmen geredet. Und da ich wenig Zeit hatte und nie freinehmen konnte, begleitete mich die Familie jeweils während der grossen Geschäftsreisen. Magdalena: Die Auslandgesellschaften kennen wir fast besser als die schweizerischen. Christoph: Für mich waren es Geschäftsreisen, für die Familie hätte es Vergnügen sein sollen … Silvia: … was es längst nicht immer war. Markus: Für mich war es eine gute Erfahrung. Christoph: Dann lade ich jährlich die Kinder und meine Frau zu je zwei Tagen Führungsseminar in die Ems-Chemie ein. Ich möchte, dass die ganze Familie einen Bezug zur Firma hat. Miriam: Diese Tagungen sind in erster Linie für die Kaderleute der Firma gedacht. Wir können mithören, wenn wir wollen. Markus: Jeder mit einem Vater, der in einer derartigen Position tätig ist, wird automatisch ein Stück weit vom Unternehmen tangiert. Wir haben das nicht künstlich gepflegt. Es hat sich einfach so ergeben. Magdalena: Es war nicht so, dass wir stets in der Firma ein und aus gegangen wären. Wir suchten das nicht. Und trotzdem: Meine Schwester und ich arbeiteten während des Studiums in den Auslandgesellschaften der Ems. Christoph: Und er (zeigt auf Markus) war einige Monate als Schichtarbeiter in Ems tätig. Rahel: Ich war in Spanien und in Frankreich als Aushilfssekretärin tätig. Miriam: Ich hatte einmal ein Ferienjob als seine Sekretärin. Das war nur ganz kurz. Christoph: Schade, sie wollte einfach nicht bleiben. Miriam: Als deine Sekretärin? Silvia: Das wollte sie auf keinen Fall. Rahel, Sie sind die Jüngste und haben Anfang Dezember nach dem Abschluss Ihres Studiums bei der Clariant zu arbeiten begonnen. Warum sind Sie nicht direkt in die Ems-Chemie gegangen? Rahel: Ich wollte nie im Unternehmen meines Vaters starten. Dort wäre ich doch nur die Tocher des Chefs. Für eine erste Stelle wäre das sicher eine schlechte Voraussetzung. Schliessen Sie es aus, einmal in der Firma Ihres Vaters zu arbeiten? Rahel: Ich stehe am Anfang meiner beruflichen Karriere. Ich plane nicht, wie lange ich wo sein werde. Und ich habe nicht vor, im nächsten Monat schon wieder zu kündigen. Christoph: Du hast ja die Probezeit noch nicht einmal überstanden (lacht). Könnten Sie sich vorstellen, in einer Firma der Ems zu arbeiten, Miriam? Miriam: Ich bin in einer ganz anderen Branche tätig. Aber auch grundsätzlich wäre es für mich nicht in Frage gekommen. Gerade nach dem Studium hätte mich mein Vater auch nicht unbedingt haben wollen, nehme ich an. Christoph: Ich habe es richtig gefunden, dass alle zusammen ausserhalb der Firma Tätigkeiten annehmen und sich dort bewähren. Sie wollten nicht, und ich wollte auch nicht, dass sie in Ems beginnen. Alles auf eine Karte gesetzt 1983 hat ihr Vater das Unternehmen übernommen. Haben Sie dies als Kinder bereits mitgekriegt? Markus: Ich kann mich gut daran erinnern. Damals war in der Familie ein Spannungsfeld. Als Kind merkte ich, dass eine schwere Entscheidung anstand. Ob er sich verschulden und ins Unternehmen einsteigen und dieses retten sollte - oder nicht. Als Kind merkte ich genau, dass bei uns alles auf dem Spiel stand. Miriam: Wir waren immer ein bisschen Zuschauer. Für ihn war das aber mehr. Eine Lebensaufgabe. Dies ist es auch heute noch. Markus: Ich sah seinen Einsatz. Seinen Risikowillen (blickt zum Vater). Er sah das Problem und sagte: "Ich muss das einfach tun." Silvia: Er kaufte das Unternehmen nicht einfach, weil er es unbedingt haben wollte. Er musste, weil er es retten wollte und nur so retten konnte. Er musste es wegen der Mitarbeiter und aus Verantwortung dem Unternehmen gegenüber. Das glaubt heute leider kein Mensch mehr. Das erzeugte in jener Zeit das Spannungsfeld, das du erwähnt hast, Markus. Magdalena: Unsere Mutter sagte. "Aber du! Du investierst alles, was wir haben. Unser Haus. Du hast vier Kinder." Wir hatten nachher einfach kein Geld mehr. Wir wohnten zwar in einem Haus, aber das gehörte der Bank. Mein Vater kam dann nach Hause und sagte: "Huh, jetzt habe ich der Bank wieder etwas zurückzahlen können." Es war schwierig. Was war schwierig? Magdalena: Wir hatten zwar ein Unternehmen, aber das war am Boden. All das Vermögen steckte da drin. Und wir - mein Bruder und ich - konnten nie sagen: "Wir sind jetzt super, wir sind reich, wir sind jetzt Unternehmerkinder." Wir waren noch ärmer als die anderen, die mit uns in die Schule gingen. Markus: Wir sind bescheiden aufgewachsen. Wenn alle ein Velo hatten, hatten wir keines. Und wenn man es brauchte, um in die Schule zu fahren, dann gab es zwar ein Velo, aber als Geschenk zu Weihnachten. Alle hatten Sackgeld, wir hatten keines. Als es dann welches gab, reichte es für ein Maisbrötli einmal in der Woche. Magdalena: Wir trugen Kleider von Freunden und der älteren Geschwister. Markus: Ich musste mit anderen Dingen bestehen, nicht mit materiellen Dingen Christoph: Auch später, als es finanziell gut ging, wollten wir die Kinder nicht verwöhnen. Für uns war das ein Erziehungsprinzip. Mit dem Notwendigsten leben lernen. Das Geld wird nicht für Dummheiten gebraucht. Alle unsere Kinder besuchten eine normale Volksschule. Markus: Hunger mussten wir nie haben. Rahel: Nein. Man konnte aber auch keine grossen Sprünge machen. Christoph: Das ist ein Lebensprinzip. Junge Menschen muss man zur Selbstverantwortung erziehen, das heisst: sich auf das Notwendigste beschränken, wenn man wenig hat. Das gibt auch das Gefühl der Normalität im Leben. Ein Unternehmer weiss nie, ob er alles verliert. Die Erziehungsfrage Wer war das strenge Element in der Erziehung: Mutter oder Vater? Rahel: Beim Vater hiess es immer: "Da musst du s Mami fragen." Magdalena: Bei extremen Situationen konnte man mit ihm diskutieren. Mit ihr konnte man streiten. Mit ihm habe ich immer konstruktive Lösungen gefunden. Er konnte zuhören. Die Lösungen nahmen die Bedürfnisse beider Seiten auf. Christoph: Für mich war es natürlich einfacher, eine weichere Linie zu fahren. Silvia: Weicher war er nicht. Aber er war viel weg. Ich musste selber schauen, wie ich mit diesen vier lebhaften Kindern zurechtkam. Christoph: Sie war immer mit den Kindern. Das war für sie schwierig. Wenn ich nach Hause kam, dann stand nicht gleich Erziehung im Mittelpunkt, sondern das Wiedersehen - und ich konnte meist etwas grosszügiger sein. Ich hatte die Erziehung aber nicht einfach abgegeben. Ich nahm stark daran teil. Silvia: (Lacht) Stimmt! Wir versuchten immer, dem anderen nicht in den Rücken zu fallen. Denn das ist relativ schnell passiert. Christoph: Sie rief während der Pubertät der Kinder schon einmal ins Büro an und sagte: "Jetzt ist einfach fertig, so geht das nicht mehr mit den Kindern. Die sind derart frech." Silvia: Dann sagte ich: Du musst sofort kommen. Christoph: Und ich ging nach Hause nach dem Rechten schauen. Dann war die Autorität wiederhergestellt. Ich tröstete in solchen Momenten meine Frau, dass sie froh sein solle, dass die Kinder mit der Mutter so saufrech seien. Die Kinder lebten ihre Pubertät aus. So konnten sie sich ablösen. Und Sie, Frau Blocher, sagten: Ja, ja, du hast so Recht, Schatz. Silvia: (Lacht) Ich habe mich aufgeregt. (Blickt zu Christoph Blocher) Du musstest das nicht jeden Tag hautnah miterleben. Christoph: Ich habe zehn Geschwister. Darunter hat es einige, die haben die Pubertät nicht ausgelebt. Sie erleben sie noch mit sechzig. Ich sagte meiner Frau immer: Was jetzt rausgeht, ist draussen. Die Tochter des Chefs Frau Martullo, sind Sie in Ems jetzt nicht zuerst einmal die Tochter des Chefs, genau so, wie es Ihre Schwester Rahel für sich nie hat erleben wollen? Magdalena: Das werde ich ausserhalb der Firma sehr viel gefragt. Dem liegt aber ein negativer Gedanke zu Grunde. Dass nämlich die Mitarbeiter einen solchen Wechsel schlecht aufnähmen und sagten, dass nun die Tochter des Chef komme, die keine anderen Qualitäten als die Abstammung vorzuweisen habe. Bei Ems war es aber ganz anders. Die Leute haben mich sehr positiv aufgenommen. Sie schätzen die Kontinuität. Die junge Generation steigt ein und verkörpert diese Fortsetzung. Und vielleicht dachten einige, dass es nun für sie mit mir ein wenig einfacher würde. Aber das ist nicht so (alle lachen). Was verstehen Sie unter "einfacher"? Magdalena: Dass die Leute denken: Schau, jetzt kommt jemand Junger. Die können wir noch ein bisschen formen. Inzwischen wissen alle, dass mein Stil nicht bequemer ist als derjenige des Vaters. Misstrauen oder Zweifel habe ich noch nie gespürt. Ich habe auch nie mein Hirn zermartert mit dem Gedanken, was die Leute darüber denken, dass ich die Tochter von Christoph Blocher bin. Man kümmert sich um die Sache und macht seine Arbeit. Markus: Im Unternehmen gibt es zwei Aspekte: Als Tochter oder Sohn des Vaters im Geschäft muss man eher mehr bieten und in der Sache mehr überzeugen. Man wird an den Leistungen gemessen. Auf der anderen Seite kommt man leichter an gewisse Informationen heran - auch von anderen Leuten, weil diese die Beziehung zum Vater stets vor Augen haben. Christoph: Ich bin mit meinen eigenen Kindern eher strenger als mit Dritten. Ich verlange mehr. Sie haben eine Vorbildfunktion. Wir haben bei Ems einen sehr offenen Führungsstil. Wir pflegen die Polarisierung in den Diskussionen. Dabei spielt es keine Rolle, wer woher kommt. Das Hierarchiedenken ist nicht so ausgeprägt, dass das Wort der Tochter einfach immer mehr Gewicht hätte als jenes von anderen Leuten. Magdalena war zwei Wochen da und musste gleich voll ran. In einem Unternehmensbereich lief es nicht rund - sie bekam den Auftrag, diesen Bereich zu leiten und ihn in Ordnung zu bringen, obwohl sie schwanger war. Ich sagte ihr: Bis das Kind kommt, musst du im Betrieb einen Chef gefunden haben. Sie schaffte das, und für sie war das eine sehr gute Herausforderung. Magdalena: Das hat mir sehr geholfen. In der Firma sahen alle, dass ich auch selber etwas leisten muss. Hat die Mutter in der Frage der Nachfolgeregelung mitdiskutiert? Silvia: Nein. Ich schaue zu. So wie heute. Aber immerhin ging es um eines der eigenen Kinder. Magdalena: Mein Vater wusste als mein Chef von meiner Schwangerschaft, bevor es meine Mutter erfuhr. Silvia: Das werde ich euch nie vergessen (lacht). Christoph: Sie musste es mir sagen wegen der Dispositionen im Unternehmen. Ich schwieg, weil es meine Tochter so wollte. Magdalena: Es war ja noch in einem frühen Stadium. Silvia: Das vergesse ich euch nie (lacht). Markus: Auch bei uns war es so. Wir - mein Vater und ich - hatten in diesem Herbst kurzfristig entschieden, dass ich ins Unternehmen eintreten würde. Silvia: Ja, genau, davon habe ich auch nichts gewusst. Markus: Meine Mutter erfuhr es erst, als es bereits entschieden war. Silvia: (Lacht) Ihr macht, was ihr wollt. Nie Wirtschaft studieren! Haben Sie die Karrieren Ihrer Kinder geplant? Christoph: Nein. Sicherlich nicht. Mir schien aber immer wichtig, dass alle Kinder einen guten Leistungsausweis mitbringen würden. Gegen meinen Willen haben alle direkt ein Studium abgeschlossen. Ich wäre für eine Berufsausbildung - mindestens als Erstausbildung - gewesen. Magdalena: Als ich zu Hause ankündigte, dass ich Wirtschaft studieren würde, sagte mein Vater: "Wirtschaft musst du gar nie studieren. Das kannst du alles in der Praxis erlernen. Studiere etwas anderes!" Miriam: Ich hatte mich für Lebensmittelingenieur entschieden und brauchte seine Unterschrift, weil ich noch nicht volljährig war. Ich weiss noch genau, wie er reagierte, als ich das Dokument brachte, auf dem stand: Abteilung für Landwirtschaft. Mein Vater lachte laut und sagte: "Was! Du willst Bauer werden?" Christoph: Jawohl. Da hatte ich einen Moment lang grosse Freude. Weil Sie selber einst Bauer waren? Christoph: Natürlich auch. Magdalena: Wir sind alle genug eigenständige Leute, um selber zu entscheiden, was wir studieren oder machen wollen. Christoph: Vielleicht seid ihr ja beeinflusst worden. Magdalena: Er hat es nicht versucht. Markus: Das hätte auch nicht zur Art der Erziehung gepasst. Man wusste nie genau, ob das, was man eben gemacht hatte, gut war oder nicht. Bei den Zeugnissen hiess es nie: super, hier bist du wirklich gut. Höchstens: Hier hättest du auch noch ein wenig zulegen können. Ich hatte keinen Richtwert, auf den ich mich fixierte, der das einzig Richtige dargestellt hätte. Ich musste ihn mir selber aussuchen. Miriam: Natürlich existiert eine Art der Beeinflussung. Ich spreche von den vermittelten Werten, vom Lebensstil der Eltern. Diese Dinge spielen eine Rolle. Silvia: Wir haben Unternehmerfamilien und deren Kinder erlebt und gesehen, wie es nicht gut gehen kann. Christoph: Es waren Unternehmer, die ihre Kinder von der ersten Klasse an auf die Unternehmensführung ausrichteten. Das ist zunächst auch verständlich: Wenn der Vater etwas aufbaut oder gründet, dann ist der Wunsch stark, dass das Unternehmen durch die Familie weitergeführt werden soll. Doch die Kinder sind einem solchen Erwartungsdruck in der Regel nicht gewachsen und müssen zwangsläufig versagen. Ich hatte den Vorteil der börsenkotierten Firma. Ich wusste, die Firma gehört nicht mir allein. Nicht Abstammung ist das Wesentliche - die Fähigkeit und das Wollen zählen. Silvia: Wir wollten unsere Kinder auch nicht darauf trimmen, unbedingt ans Gymnasium zu gehen. Sie sollten sich ihren Anlagen gemäss entwickeln können. Magdalena: Vater sagte stets: "Niemand muss ins Unternehmen. Wenn keines der Kinder will, verkaufe ich das Unternehmen." Das Führungsprinzip weitergeben Arbeiten Sie und Ihr Vater heute oft zusammen, sodass Sie von ihm profitieren können? Christoph: Nein. Ich habe Magdalena eine Aufgabe, einen umfassenden Auftrag gegeben. Das ist auch ein wichtiges Führungsprinzip, das ich habe. Wie sehen diese Führungsprinzipien aus? Christoph: Es sind einfache. Zum Beispiel: "Den Chef fragt nie etwas!" Entweder man handelt und trägt die Verantwortung, weil man die Kompetenzen hat. Oder - wenn diese fehlen - legt man dem Chef das Problem und die Lösungsvarianten vor und sagt ihm, wie man entscheiden soll. Wird diesem Prinzip vom CEO bis zum Pförtner konsequent nachgelebt, resultiert eine unglaubliche Führungskapazität. Das gilt aber überall, wo Verantwortung wahrgenommen werden muss. Das haben die Kinder mitgekriegt, weil ich das auch in der Familie so handhabte. Wie haben Sie das vermittelt? Christoph: Ich habe zum Beispiel meiner Frau gesagt, dass sie mich nicht fragen müsse, was es zum Essen geben solle. Entweder machst du es. Oder du bist nicht kompetent, und dann stellst du einen Antrag (lacht). Silvia: (Lacht.) Christoph: Hinter diesen Dingen steckt mehr als ein System. Es ist Ausdruck einer Lebenshaltung. Sie (er schaut zu Magdalena) behandelt jetzt die Marketingkonzepte und -pläne, und ich lasse sie machen. Sie trägt dafür die Verantwortung. Das heisst: Die Mitarbeiter haben eine grosse Freiheit, aber das Risiko ist auch gross, dass Fehler geschehen. Fehler muss jeder Einzelne selber ausbügeln. Die Kunst ist lediglich, dass ich aus der Ferne schaue, dass allfällige Fehler sich nicht zu einer Katastrophe auswachsen. Sie werden nicht drei Monate nach Ihrem Austritt, der ja irgendwann stattfinden wird, zurückkehren? Christoph: Natürlich weiss man nie genau, wie man sich verhalten wird. Aber meine Meinung ist klar: Wenn man nicht dabei ist, sieht man erstens nicht jedes Fehlerchen und greift nicht dauernd ein. Zweitens hat der Betreffende gar keine andere Möglichkeit, als alleine durchzukommen. Entweder ist man dabei und trägt die Verantwortung. Oder eben nicht. Magdalena: Er müsste nichts tun, seine Anwesenheit würde genügen, um als Meinung interpretiert zu werden. Christoph: Man muss also rausgehen, wenn die Jungen übernehmen. Magdalena: Deshalb halten wir unsere Aufgabengebiete schon heute klar getrennt. Ich übernehme die Ein- und Dreijahresstrategien und die Marketingkonzepte. Christoph: Für mich ist das eine grosse Entlastung. Ich habe das seit 19 Jahren immer selbst gemacht. Magdalena: Niemand im Unternehmen hätte gedacht, dass er das würde abgeben können. Silvia: Stimmt. Die Leute sagen das alle. Magdalena: Da haben sie ihn alle völlig falsch eingeschätzt. Sie haben gedacht, er könnte nicht mehr leben, wenn er diese Planungen nicht mehr würde machen können. Silvia: Dabei ist er froh, dass er etwas weniger machen muss. (Zwei Tage nach dem Gespräch, als nachgeschobene Frage) Christoph Blocher, ist Frau Martullo-Blocher nun Ihre Nachfolgerin? Christoph Blocher: Diese Nachfolgeregelung ist nicht bestimmt. Sie hat im Falle einer breiten, echten Publikumsgesellschaft anders auszusehen als bei einer Going-private-Lösung. Frau Martullo ist heute Vizepräsidentin des Verwaltungsrates. Im Falle eines unerwarteten Wegfalls des Präsidenten des Verwaltungsrates müsste und könnte sie die Firma leiten.

28.11.2002

Mit Herrn Schmid ist es einfacher

Interview mit "Facts" vom 28. November 2002 Christoph Blocher - Der SVP-Vorkämpfer klärt im Interview sein Verhältnis zu Samuel Schmid. Bilanz: Er ist ein guter Bundesrat, aber die SVP ist nur zu einem Viertel vertreten. von Hannes Britschgi Herr Blocher, ist Samuel Schmid nur "ein halber Bundesrat"? CHRISTOPH BLOCHER: Nein, Samuel Schmid ist ein guter Bundesrat, er ist kein halber Bundesrat; das hat niemand behauptet. Aber er ist ein halber SVP-Bundesrat. Eine politische Beleidigung? BLOCHER: Nein. Wir haben ihn damals als Bundesrat nicht vorgeschlagen, weil er in der Aussenpolitik nicht die SVP-Meinung vertritt. Gerade auch deshalb haben ihn FDP und CVP gewählt. Jetzt hat sich das auch mit der Asylinitiative gezeigt. Die SVP-Meinung ist damit nur zur Hälfte im Bundesrat vertreten. Und da wir eigentlich zwei Vertreter zugute hätten, nur zu einem Viertel. Samuel Schmid war ungehalten und hat über einen Parteiaustritt nachgedacht. Wie beurteilen Sie seine Reaktion? BLOCHER: Ich weiss nicht, ob er das getan hat. Er wurde von den Delegierten attackiert, weil die Parteibasis findet, dass er die Idee der Asylinitiative verraten habe. Eine solche Diskussion muss man führen dürfen. Und ein Bundesrat muss diese Kritik ertragen. Ist er ein "Verräter"? BLOCHER: Nein. Ich fand es einen Fehler, dass er in verschiedenen Medien den Eindruck erweckt hat, er sei auch persönlich gegen unsere Initiative. Er sagte mir aber, das sei nicht seine Absicht gewesen. Er habe nur den Standpunkt des Bundesrates darstellen wollen. Drei Stunden lang hat sich die SVP-Bundeshausfraktion mit Samuel Schmid ausgesprochen. Warum hat er die Vertrauensfrage gestellt? BLOCHER: Nicht er hat sie gestellt. Wir haben ihm nach wie vor das Vertrauen ausgesprochen. Früher waren es "Beziehungsprobleme" mit dem Berner SVP-Bundesrat Adolf Ogi, heute sind sie es mit Samuel Schmid, ebenfalls aus dem Kanton Bern, wie gehabt. Also ungefähr dieselbe Konstellation wie damals? BLOCHER: Nein, mit Herrn Schmid ist es viel einfacher. Das Verhältnis mit Bundesrat Ogi war viel schlechter? BLOCHER: Komplizierter. Ogi war viel empfindlicher, sehr persönlich bezogen. Im Übrigen ist die aktuelle Geschichte mit Samuel Schmid hochgespielt, insbesondere das Werk seines Informationschefs Oswald Sigg. Dieser Armeeabschaffer hat natürlich ein Interesse daran, die SVP ein wenig zu schwächen. So arbeitet er mit anderen Journalisten zusammen. Da muss ich kein Prophet sein, um das zu sehen. Unternehmen Sie etwas dagegen? BLOCHER: Das muss ein Bundesrat selber wissen. Ich nehme das Ganze auch nicht so furchtbar ernst. An der Delegiertenversammlung im aargauischen Lupfig haben Sie ausführlich die Oppositionsrolle der SVP thematisiert. Gehts vom halben SVP-Bundesrat zur ganzen SVP-Opposition? BLOCHER: Wir sind heute zu drei Viertel in die Opposition getrieben. Wenn man uns nicht in den Bundesrat reinlässt, dann haben wir gar keine andere Möglichkeit. Wenn ich all die Fehlleistungen - Steuererhöhungen, das Bundesdefizit, die Krankenkassenprämien, die ganze Aussenpolitik gegenüber der EU, Asylpolitik - betrachte, die gegen den Willen der SVP zu Stande gekommen sind, dann ist Opposition unsere höchste Pflicht. Ändern könnten wir dies höchstens mit zwei starken SVP-Bundesräten - nicht einfach mit zwei starken Bundesräten - in der Regierung. Wenn man das nicht will, dann sind wir zur Opposition verpflichtet.

17.11.2002

«Ein gutes Management hat keine Angst, wenn Ems Einsitz nimmt»

Über seine Rolle als Lonza-Grossaktionär, seine Nachfolge und die Konjunktur Interview mit der "SonntagsZeitung" vom 17. November 2002 von Andreas Kälin und Daniel Zulauf Herrliberg ZH - Die von Christoph Blocher kontrollierte Ems-Chemie hält direkt und indirekt über Put-Optionen 20,7 Prozent der Aktien von Lonza. Obwohl Ems nun der grösste Aktionär des Feinchemiekonzerns ist, hat Lonza-Präsident Sergio Marchionne im "Cash" erklärt, er sei "nicht überzeugt, dass es nötig ist, Christoph Blocher in den Verwaltungsrat aufzunehmen". Noch wichtiger als Lonza ist dem 62-jährigen Blocher die Regelung seiner Nachfolge: Bald entscheidet er über die Börsenzukunft seiner Ems-Chemie. Christoph Blocher, Sie wollen einen Sitz im Lonza-Verwaltungsrat. Lonza-Präsident Sergio Marchionne hat auf Ihr Ansinnen öffentlich ablehnend reagiert. Hat er Sie auch direkt kontaktiert? Christoph Blocher: Von einer feindlichen Reaktion ist mir von Lonza direkt nichts bekannt. Auf Herr Marchionnes Aussage trete ich nicht ein. Wir können nicht über die Medien kommunizieren. Ich habe mit dem Verwaltungsrat von Lonza einen Termin vereinbart, um über mein Anliegen zu sprechen. Aber eines ist klar, Ems kann nicht 500 bis 800 Millionen Franken gebunden haben, ohne im Verwaltungsrat vertreten zu sein. Andernfalls müssten wir die Beteiligung abbauen. Rechnen Sie jetzt damit, dass Lonza Ihnen den Verwaltungsratssitz verweigert? Blocher: Nein. Der Verwaltungsrat kann nichts dagegen haben, dass der grösste Aktionär im Verwaltungsrat vertreten ist. Ein gutes Management hat davor keine Angst. Dass Ems Einsitz nehmen will, ist auch kein Zeichen des Misstrauens. Beim Umfang unserer Beteiligung ist eine Kontrolle notwendig. Ob ich mich selber für diesen Verwaltungsrat zur Verfügung stelle, ist noch offen. Das Amt kann auch jemand anders übernehmen. Marchionne hält Ihnen vor, dass Sie wegen Ihrer Tochter Ems Dottikon in einen Interessenkonflikt geraten könnten. Blocher: Auch das höre ich zum ersten Mal. Ich war ja schon bis 2001 im Verwaltungsrat von Lonza, und die Frage allfälliger Interessenkonflikte wurde selbstverständlich damals schon geprüft. Gab oder gibt es Absichten, Ems mit Lonza zusammenzuspannen? Blocher: Alusuisse-Lonza fragte damals, ob man Ems nicht mit der Algroup fusionieren könne. Wir prüften das und sahen, es macht keinen Sinn. Heute besteht keine Absicht, Ems mit Lonza zusammenzulegen. Wollen Sie mit Ihrer Beteiligung auch verhindern, dass Lonza an einen ausländischen Konkurrenten geht? Blocher: Ich sähe es nicht gerne, wenn Lonza an einen ausländischen Konzern ginge. Das wäre für die schweizerische Chemie wohl eine Schwächung. Haben Sie in der Auktion des Lonza-Paketes von Martin Ebner mitgeboten? Blocher: Nein. Es war von Anfang an klar, dass die Aktien zu einem relativ hohen Preis den Besitzer wechseln würden. Warum das? Blocher: Wenn Dritte für die Lonza-Aktien nicht den erhofften Preis zahlen, nehmen Ebners Gläubigerbanken die Titel selber in ihre Schatullen. Das ist wie bei einem Haus mit einer Hypothek von 800 000 Franken. Wird es zwangsversteigert und niemand bietet so viel, kauft es die Bank für 800 000 Franken. Sie nimmt lieber das Haus als Verluste auf den Guthaben. Dann glauben Sie, dass Ebners Gläubigerbanken das Lonza-Paket übernommen haben? Blocher: Ziemlich sicher. Die Banken haben die Aktien wahrscheinlich zu 85 Franken ersteigert. Dann wurde wohl der Kurs auf 89 Franken hochgehalten. Später folgte eine Kaufempfehlung für Lonza-Aktien. Die Banken können so die Titel weiterplatzieren. Wenn es sich so abgespielt hat, wäre das ein schlimmes Beispiel einer Interessenkollision bei den Banken. Blocher: Beweise gibt es nicht, aber Vermutungen. Die Banken lernen nichts. Sie sagen, wir haben eine Kreditabteilung, eine Abteilung für Kundenberatung, haben Analysten, eine separate Gruppe für Bookbuildings, alles getrennt. Aber in diesem Fall lässt sich erkennen, wie wunderbar alles ineinander läuft. Wie geht es weiter mit Ihrer Ems-Chemie, wo Sie Ihre Nachfolge regeln müssen? Blocher: Es geht darum, ob wir aus Ems-Chemie eine echte Publikumsgesellschaft machen wollen oder ob man die Firma von der Börse nehmen soll. Es ist ein schwieriger Entscheid, den ich bis Ende Jahr fällen muss. Wovon hängt er ab? Blocher: Klar, das Going Private liegt mir näher. Zudem ist bei einer privaten Firma die Steuersituation für die Erben besser. Ich konnte die Vermögenssteuer zahlen, ohne die Firma auszubluten. Dies muss auch bei meinen Erben so sein. Aber zuallererst muss die Weiterentwicklung der Firma gewährleistet sein. Heute brauchen wir die Börse zwar nicht. Aber in fünf oder zehn Jahren, wenn wir stark expandieren, könnte sich das ändern. Wollen Sie Ems-Chemie zusammenhalten, oder ist eine Aufsplittung denkbar? Blocher: Als Publikumsgesellschaft ist eine Aufteilung nicht sinnvoll. Als private Firma wäre es theoretisch denkbar. Man könnte diese einzelnen Teile separat wieder an die Börse bringen. Sie sehen, alles wird geprüft. "Die Wirtschaft braucht die Rezession als Selbstreinigungsprozess" Man könnte auch Teile mit Lonza zusammenlegen. Blocher: Heute sehe ich darin keinen Sinn. Aber als Unternehmer wie als Politiker halte ich mir gerne viele Varianten offen. Kommen Ihre Kinder in Frage, um Ihre Nachfolge in der Unternehmensleitung anzutreten? Blocher: Wir werden sehen. Meine älteste Tochter ist Vizepräsidentin des Ems-Verwaltungsrats. Sie war zuerst bei einer amerikanischen Chemiefirma, dann Verkaufschefin bei Rivella. Sie stand hinter der Kampagne "Welche Farbe hat ihr Durst?". Sie könnte Ems operativ führen. Und Ihre anderen Kinder? Blocher: Der zweite Sohn ist Chemiker und arbeitete zwei Jahre für McKinsey. Seit einem Monat ist er bei Ems als Leiter für besondere Projekte tätig. Er muss sich jetzt bewähren. Gefällts ihm und gefällts mir auch, dann können wir zusammenschaffen. Die anderen zwei Kinder sind nicht im Unternehmen. Alle vier können auch nicht in der gleichen Firma tätig sein. In der Regel gibt so etwas nur Streit. Was ist heute wahrscheinlicher, die Variante, dass Sie aus Ems-Chemie eine echte Publikumsgesellschaft machen, oder ein Going Private? Blocher: Es steht immer noch 50 zu 50 Prozent. Bis Ende Dezember entscheide ich. Sie halten an Ems-Chemie 70 Prozent vom Kapital und 85 Prozent der Stimmen. Würden Sie, wenn Sie die Variante Publikumsgesellschaft wählen, die Mehrheit abgeben? Blocher: Wenn wir eine echte Publikumsgesellschaft werden wollen, müssen wir wohl eine Einheitsaktie einführen. Auch dann hätte ich das Stimmenmehr. Aber um den Aktienhandel liquider zu machen, müsste ich wohl auch die Mehrheit abgeben. Ihnen wird eine gute Nase für die Konjunkturentwicklung nachgesagt ... Blocher: Im Moment werde ich wohl etwas überschätzt. Wie wird sich die Wirtschaft in den nächsten Jahren entwickeln? Blocher: In Europa hat die Rezession erst angefangen, ich sehe es in der Autoindustrie. Amerika steckt schon seit 1998 im Tief, dort kommt bald die Wende. Aber die USA haben damals ja noch Wachstumsraten ausgewiesen. Blocher: Das sind gemachte Wachstumsraten gewesen. Ich glaube, beim Bruttoinlandprodukt werden Dienstleistungen ganz falsch bewertet. Auf solche Daten schaue ich weniger, ich bin am Markt und liebe einfache Parameter, zum Beispiel den Papier- oder Autoabsatz. Es gibt ein paar Indizien, die in den letzten dreissig Jahren immer zuverlässig waren. Vor kurzem prophezeiten Ökonomen noch, es werde künftig keine Zyklen wie früher mehr geben. Blocher: Hoch und Tiefs sind eine Notwendigkeit. Es gibt immer wieder Rezessionen und immer aus dem gleichen Grund. In einer Hochkonjunktur ist das Angebot zu klein. Dann investieren alle, und zwar zu viel. Dann dauert es Jahre, bis die Überkapazitäten bereinigt sind. Wie lange wird es denn dauern, bis Ems wieder investiert? Blocher: Ich habe nun vier Jahre wenig investiert. Immer wenn die Euphorie am grössten ist, muss man bremsen. Im Superjahr 1998 hat Ems einen Personal- und Investitionsstopp angeordnet. Jetzt fangen wir wieder an zu investieren. Dann sind wir parat, wenn es 2004, vielleicht auch erst 2005, aufwärts geht. Das ist wie bei den biblischen Zyklen, mit sieben mageren und sieben fetten Jahren. Zyklen als eherne Notwendigkeit? Blocher: Ja. In allen Hochkonjunkturjahren wird in den Firmen viel Mist gemacht. Der Mensch erträgt gute Jahre schlecht. Da tauchen auch die angenehmen Repräsentationsfiguren auf, die aussehen, als wenn sie den ganzen Tag am Mittelmeer lägen. Schlechte Manager, die in den Gigantismus hineininvestieren. Es wird bei den Bilanzen geschummelt. Jetzt in der Rezession wechselt man die unfähigen Manager aus. Die Wirtschaft braucht die Rezession als Selbstreinigungsprozess.

27.10.2002

Machtkampf bei Lonza

Bericht der NZZ am Sonntag, Ressort Wirtschaft, 27. Oktober 2002 Christoph Blocher und VR-Präsident Sergio Marchionne verfolgen unterschiedliche Ziele. Das Aktienpaket von Martin Ebner sucht noch immer einen Käufer. Nach der Ablösung von Martin Ebner durch Sergio Marchionne als Verwaltungsratspräsident der Lonza fühlt Christoph Blocher seine Interessen nicht mehr vertreten. Er fordert nun einen Verwaltungsratssitz. von Katharina Fehr Das hat sich Martin Ebner wohl anders vorgestellt. Am 5. Oktober gab er seinen Rücktritt als Verwaltungsratspräsident von Lonza bekannt. Gleichzeitig bot seine BZ-Gruppe ihre Aktienpakete von Lonza zum Kauf an. Die Einsetzung von Sergio Marchionne, dem einstigen Lonza-Chef und heutigen Chef von SGS, als neuer VR-Präsident wurde mit Kursavancen quittiert. Mit dem Verkauf von Ebners Aktienpaket von 19,8% an Lonza harzt es aber. Das Interesse scheint nicht sehr gross zu sein. Die mit der Placierung beauftragten Banken seien Chemiefirmen und andere grosse Gesellschaften angegangen, ist zu vernehmen. Diese hätten allerdings dankend abgelehnt. Das Paket war ihnen wohl zu teuer. Auch Christoph Blocher, Chef und Hauptaktionär von Ems-Chemie, gab in einer ersten Stellungnahme Anfang Oktober zu Protokoll, er sei an dem Gesamtpaket für die Ems-Chemie nicht interessiert, da er nicht die gleichen Interessen verfolge wie Ebner. Ebner muss zu einem möglichst hohen Preis verkaufen, um das Überleben seiner BZ-Gruppe zu sichern, Blocher will hingegen zu einem möglichst tiefen Preis kaufen. Das zeigt auch die Tatsache, dass die Ems-Chemie Put-Optionen (Kaufverpflichtungen) für 9% an Lonza verkauft hat. Sie muss die Aktien nur kaufen, wenn der Kurs unter eine bestimmte Marke sinkt. So kann die Ems die Titel günstig erwerben. Ist der Preis hoch, lässt sie es bleiben. Mit dem Verkauf des Paketes harzt es auch, weil einige der angefragten Firmen grundsätzlich nicht an einem so grossen Engagement an Lonza interessiert sind. Oder weil Ebner vielleicht von seinem Vetorecht Gebrauch gemacht hat, um unliebsame Interessenten abzuwenden. Seltsame Zufälle Da Ebner aber gezwungen ist, das Paket zu verkaufen, führen Merrill Lynch und die Deutsche Bank voraussichtlich nächste Woche ein Auktionsverfahren (Bookbuilding) durch. Rund um die Auktion gibt es allerdings einige seltsame Zufälle. So hat ausgerechnet die Deutsche Bank am 16. Oktober eine umfangreiche Studie zu Lonza veröffentlicht. Die Studie, die Lonza-Aktien mit einem «Hold»-Rating versieht, war nun «zufälligerweise» Anlass für das Management von Lonza, eine Roadshow bei institutionellen Kunden zu veranstalten. Lonza bestätigte die Teilnahme von VR-Präsident Sergio Marchionne und Lonza-Chef Markus Gemünd an der Tour, die nach Boston, New York, London und am Freitag nach Zürich führte. Lonza sei aber nicht direkt in den Verkauf des Ebner-Paketes involviert, wurde betont. Auch die Deutsche Bank wollte nicht bestätigen, dass sie den Auftrag zum Versteigern der Titel erhalten hat. Der Schluss liegt aber nahe, dass Marchionne die Roadshow nutzte, um gleich persönlichen Kontakt mit potenziellen Käufern von Anteilen des Ebner-Paketes zu suchen, die ihm genehm sind. Marchionne hätte am liebsten mehrere institutionelle Investoren im Aktionariat, wie er an dieser Stelle Anfang Oktober erklärt hatte. Ein möglicher Investor könnte aber Christoph Blocher sein. Es ist bekannt, dass er bereit ist, für die Ems-Chemie einen Anteil von bis zu 33% an Lonza zu erwerben. Eine vollständige Übernahme schliesst er aus. «Das ist ein zu grosser Brocken», erklärt er. Die Ems-Chemie besitzt knapp 12% an Lonza. Werden die knapp 9% in Put-Optionen nicht gezählt, weil sie der Ems nur je nach Kurs angedient werden, kann Blocher zusätzlich bis zu 20% an Aktien erwerben. Beispielsweise in dem für nächste Woche erwarteten Auktionsverfahren. Die andere Möglichkeit, seinen Anteil aufzustocken, wäre der Erwerb des 10%-Paketes, das die Zürcher Kantonalbank durch die Übernahme der BK Visionen erworben hat. Die ZKB hat zwar erklärt, sie wolle keine industrielle Verantwortung wahrnehmen und ihre Anteile reduzieren. Doch gemäss Pressesprecher Urs Ackermann sieht sie keine Eile, dies zu tun. Offenes Geheimnis Nach Ebners Rücktritt, der Zurückhaltung der ZKB, sich in operative Fragen einzumischen, und der Rückkehr von Marchionne als starkem Mann sagt Blocher: «Nach dem Verkauf des Paketes der BZ-Gruppe sieht Ems als grösster Aktionär seine Interessen nicht mehr gewahrt und müsste wieder im Verwaltungsrat vertreten sein.» Erst schien es zwar, Marchionne werde die Position als VR-Präsident nur vorübergehend innehaben. Nun hat der Italo-Kanadier in einem Interview in «Stocks» erklärt, er sei nicht nur für zwei bis drei Monate Chairman. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Blocher und Marchionne unterschiedliche Ansichten über die Zukunft der Lonza haben. Während Marchionne eher der Finanzarchitekt ist und in der Vergangenheit für Lonza gerne auf Einkaufstour gegangen wäre, in seinen Plänen aber unter anderem durch Blocher eingeschränkt wurde, möchte dieser sich vor allem auf das operative Geschäft konzentrieren und Lonza von innen heraus wachsen lassen. Der Ausbau der Beteiligung durch die Ems würde Blocher mehr Gewicht geben, seinen Anspruch auf einen Verwaltungsratssitz durchzubringen. Ende März 2001 war Blocher aus dem Verwaltungsrat von Lonza ausgeschieden, weil «die Trennung von Aluminium und Chemie vollzogen war». Ein VR-Sitz ist für Christoph Blocher wohl die Bedingung, dass er an seinem Aktienpaket überhaupt festhält.

23.09.2002

Die SVP hat enorm an Ansehen gewonnen

Christoph Blocher ist zufrieden. Er hat die Solidaritätsstiftung gebodigt und der SVP neuen Schub verliehen. Interview mit der Berner Zeitung vom 23. September 2002 Interview: David Sieber Herr Blocher, sind Sie zufrieden und glücklich mit sich und dem Schweizervolk? Christoph Blocher: Ich bin zufrieden und glücklich, aber nicht überglücklich. Wir sind sehr froh, dass die Solidaritätsstiftung abgelehnt worden ist. Ich glaube nicht, dass nochmals jemand mit einer solchen Idee kommt. Das Volk lässt sich nicht erpressen. Das ist sicher auch der Hauptgrund, weshalb der Gegenvorschlag bachab geschickt wurde. Eigentlich war ja unsere Initiative der Gegenvorschlag, nämlich auf die Ankündigung der Solidaritätsstiftung durch den damaligen Bundespräsidenten Arnold Koller. Nein zur SVP-Initiative und Nein zum Gegenvorschlag. Ist für Sie das Glas nun halb leer oder halb voll? Blocher: Es ist halb voll. Denn es besteht noch immer die Chance, dass man die Goldreserven sinnvoll verwenden wird. Gegen den Vorschlag, das Geld für den Schuldenabbau von Bund und Kantonen zu verwenden, habe ich nichts, wenn man gleichzeitig in der Verfassung die Höchstgrenze der Verschuldung festschreibt. Sonst würde bei der Schuldenbremse einfach die obere Grenze gelten, mit der Folge, dass man die Schulden sofort wieder aufhäuft. Das Schweizervolk würde zweimal zur Kasse gebeten. Denn es hätte nichts von den 20 Milliarden Franken - ausser, dass die Staatsquote um diese Summe steigen würde. Und das hätte wiederum negative Folgen für die Wirtschaft. Doch eine Limitierung lehnen CVP und FDP ab. Möchten Sie deshalb zwei Drittel der Erträge von 700 bis 800 Millionen Franken jährlich der AHV und einen Drittel den Kantonen geben Blocher: Nachdem unsere Initiative praktisch den gleich hohen Ja-Stimmen-Anteil wie der Gegenvorschlag erreicht hat, wäre das wohl die beste Lösung. Das ist sehr viel und erstaunlich für eine Partei, die auf sich selbst angewiesen war. Sie vergessen die Gewerkschaften, die offen mit der SVP-Initiative liebäugelten. Blocher: Im Abstimmungskampf haben sie uns nicht geholfen. Sie waren mit ihrem doppelten Ja auf der anderen Seite. Und nun nehmen sie sich bei der Hand. Blocher: Ich habe keine Berührungsängste. Wenn die Gewerkschaften ebenfalls auf die AHV-Lösung setzen, umso besser. Wie werten Sie das Abstimmungsergebnis im Hinblick auf die Parlamentswahlen vom nächsten Jahr? Blocher: Die SVP hat durch die Initiative enorm an Ansehen gewonnen. Wir konnten uns klar als Partei positionieren, die für die Schweiz einsteht, mit dem Geld haushälterisch umgeht und die Sozialwerke ernst nimmt. Das kann man von den andern Parteien nicht sagen. Wie sich das auf die Wahlen im kommenden Jahr auswirken wird, ist schwer zu sagen. Und Sie selbst? Blocher: Das weiss ich nicht und ist mir auch egal. Wissen Sie, bei mir geht es immer auf und ab. Sie haben die UNO-Abstimmung verloren und nun einen Achtungserfolg errungen. Blocher: Die Volksgunst ist sehr wechselhaft. Darauf schaue ich nicht. Ich äussere meine Meinung, und die kommt einmal an und einmal nicht. Besteht die FDP, die nicht sehr geschlossen aufgetreten ist, nur noch aus «Weichsinnigen», wie Ihre Zürcher SVP meint? Blocher: Die FDP hat eine traurige Rolle gespielt. Im Parlament war sie noch Feuer und Flamme für die Solidaritätsstiftung. Als sie merkte, dass der Gegenvorschlag bachab geht, hat sie eine Doppelrolle zu spielen begonnen. Die FDP merkt, dass links nichts zu holen ist, setzt das aber nicht um. Haben sich die Chancen der SVP auf einen zweiten Bundesratssitz nun verbessert? Blocher: Das glaube ich nicht. FDP, CVP und SP werden uns nun erst recht keinen Sitz geben wollen, weil sie immer noch meinen, wir hätten Freude, zwei Bundesräte zu stellen. Dabei nehmen wir nur unsere Pflicht wahr. Wir bleiben gerne in der Opposition.