Testi
04.10.2006
21.09.2006
Meinungs- und Sprachenvielfalt fördern die Verantwortung
Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der Jubiläumsfeier 10 Jahre "La Quotidiana" vom 21. September 2006 in Flims 21.09.2006, Flims Flims. Bundesrat Christoph Blocher drückt in seinem Referat seine Freude über das 10-jährige Bestehen der ersten eigenständigen rätoromanischen Tageszeitung aus und tritt für die Meinungsäusserungsfreiheit, sowie die Presse- und Sprachenvielfalt ein. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Geschätzte Damen und Herren Wohl niemand von den hier Anwesenden hätte vor 10 Jahren daran gedacht, dass ich heute zu Ihnen am 10-Jahres-Jubiläum der Quotidiana sprechen würde. - Aber so läuft das Leben! 1. Das Dreititelkonzept Aber etwas anderes habe ich schon vor zehn Jahren geglaubt – auch wenn verschiedene Bündner dies damals für ausgeschlossen hielten – nämlich, dass das "Bündner Tagblatt", das ich damals aus den Händen geben hatte, auch nach 10 Jahren noch existieren wird. Hätte ich nicht daran geglaubt, so hätte ich der Übertragung an das damalige Verlagshaus Gasser, der heutigen Südostschweiz Mediengruppe, wohl nie zugestimmt. Dass Sie heute mit dem neuen Klartext-Buch nicht nur das zehnjährige Funktionieren des Zweititelsystems "Bündner Tagblatt"/"Die Südostschweiz" feiern können, sondern auch noch das 10-jährige Bestehen der ersten eigenständigen rätoromanischen Tageszeitung, freut mich nicht nur politisch, sondern von Herzen. So hat dieser bevölkerungsmässig kleine, aber flächenmässig grösste Kanton Graubünden drei verschiedene Tageszeitungen. Das ist ein Angebot, dessen Wert man nicht hoch genug einschätzen kann. 2. Rettung des Bündner Tagblattes Als ich mich vor 20 Jahren entschloss, das damals bereits tot gesagte "Bündner Tagblatt" zu retten, herrschte in Graubünden nicht nur Freude. Die Linke befürchtete, ich wolle den ganzen Kanton bekehren und das "Bündner Tagblatt" als Plattform für mich allein beanspruchen. Als ob ich eine solche Plattform in Graubünden nötig gehabt hätte. Und der damalige Verlag Gasser sah darin eine ungerechtfertigte Konkurrenz durch einen Zeitungstitel, der aus wirtschaftlichen Gründen damals hätte sterben müssen. Unrecht hatte die damalige Bündner Zeitung eigentlich nicht. Doch das "Tagblatt" rettete ich allein deshalb, weil mir erstens dieser Kanton und zweitens die Meinungsvielfalt in diesem Kanton am Herzen lag und liegt. 3. Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit Die Meinungsäusserungs- und die Pressefreiheit sind für das Zusammenleben von Menschen in einer Gesellschaft von grosser Bedeutung. Nur so kann sich jeder einzelne Mensch entsprechend seiner inneren Überzeugung entfalten. Meinungen zu unterbinden, indem beispielsweise den Medien von aussen oder von innen Fesseln angelegt werden, das darf es in einem liberalen Staat nicht geben. Dass allerdings Tatsachen in den Medien falsch, ungenau, verdreht oder unvollständig wieder gegeben werden, ist zwar ärgerlich, besonders wenn es aus Kalkül, aus Bosheit und mit Absicht geschieht. 4. Wider die Einheit Aber noch schlimmer wird es dann, wenn sich die Herrschenden und die Meinungsmacher, also die Politiker und Journalisten, auf eine einzige Meinung verständigen und jeden, der nur schon ein bisschen von dieser Doktrin abweicht, gleich auf den medialen Scheiterhaufen führen. Das ist auch dann verwerflich, wenn es in so genannt „guter Absicht“ geschieht. Denn was heisst gut? Soll das die Macht bestimmen? Leicht wird die einheitliche Darstellung der herrschenden Zustände zur Lüge, auf die sich alle geeinigt haben. Das beste Mittel gegen solche Verhältnisse liegt jedoch nicht bei staatlicher Einflussnahme, sondern in der Gewährleistung redaktioneller Vielfalt. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn hinter den Redaktionen auch von einander unabhängige Verlage stünden. Nur ist das in Graubünden wirtschaftlich leider nicht möglich. Darum musste mit dem Dreititelkonzept – d.h. Unabhängigkeit der Redaktion und Gemeinsamkeit in Herstellung und Vertrieb – der zweitbeste Weg gewählt werden. 5. Einzige Lösung: Meinungsvielfalt Die Pressevielfalt kann wesentlich dazu beitragen, dass die Wahrheit ans Tageslicht kommt oder dass wirklich beide Seiten einer Medaille gezeigt werden. Ich sage bewusst "kann", denn die gegenseitige "Kontrolle" funktioniert eher selten und in vielen wesentlichen Fragen herrscht trotz Vielfalt der Titel leider ein grosser Einheitsbrei vor. Hier wünschte ich mir eine viel grössere Vielfalt. Denn je mehr Meinungen vorhanden sind, desto mehr wird in der Öffentlichkeit ein Thema diskutiert. Fakten werden ausgebreitet, Argumente pro und contra werden genauestens unter die Lupe genommen und abgewogen. Damit Sie mich klar verstehen: Ich erwarte nicht, dass die Medien eine bestimmte Meinung übernehmen. Ich bedaure einzig, dass die Pressevielfalt, die wir in der Schweiz glücklicherweise haben, nicht auch zu einer Meinungsvielfalt führt. Was nützt uns die Pressefreiheit, wenn doch keine Konkurrenz der Meinungen stattfindet? In Graubünden ist die Situation glücklicherweise nicht so schlimm wie auf nationaler Ebene. Aber ich denke, auch in Graubünden, wo ja mit drei Tageszeitungen nach wie vor gute Voraussetzungen bestehen, könnte die Meinungsvielfalt noch grösser sein. 6. Zur Meinungsvielfalt gehört auch die Sprachenvielfalt Wer die Meinungsfreiheit bejaht, muss auch die Sprachenfreiheit bejahen. Das eine ist ohne das andere nicht möglich. Denn nur wenn sich jeder in der Sprache äussern kann, die er am besten beherrscht, ist er in seiner Meinungsäusserung wirklich frei. Dass die kleine Schweiz noch immer vier Landessprachen kennt, ist alles andere als selbstverständlich. Schauen wir nur die sprachliche Entwicklung Europas in den letzten 100 bis 200 Jahren an. Sprachlich wurde Europa in dieser Zeitspanne immer eintöniger. Praktisch überall, wo sprachliche Minderheiten lebten, waren sie einem Homogenisierungsdruck durch das so genannte Mehrheitsvolk ausgesetzt. Die meisten europäischen Regierungen empfanden die Mehrsprachigkeit lange Zeit als Störung der nationalen Harmonie. In der Schweiz konnte sich die kleinste Landessprache nicht zuletzt auch deshalb behaupten, weil ein solcher Druck zumindest nicht von offizieller Seite kam. Im Gegenteil: Die Viersprachigkeit und damit insbesondere auch das Rätoromanische wurde früh zum Wesensmerkmal der Schweiz, das man nicht einfach hergeben möchte. Letztlich war es der föderalistische Staatsaufbau, dank dem die Mehrsprachigkeit der Schweiz erhalten blieb. Wäre die Schweiz ein zentralistischer Einheitsstaat geworden, würden wir heute wohl nur noch Deutsch oder allenfalls Französisch als Landessprache kennen. 7. La Quotidiana Das Rätoromanische aber ist ein wichtiges Stück unserer Kultur, und dies hat zuletzt auch zur „La Quotidiana“ geführt. Sie hat sich in den letzten zehn Jahren zu einem nicht unbedeutenden Sprachrohr der Rumantschia entwickelt und will mit ihren verschiedenen Plattformen sowohl die Meinungs- als auch die Sprachenvielfalt leben! Aber: Das Rätoromanische muss sich im Alltag bewähren. Eine Tageszeitung, die spannende Themen aufgreift und für ein breites Meinungsspektrum sorgt, ist dafür am besten geeignet. So hoffe ich für die Rumantschia, dass "La Quotidiana" mit starken Themen einen Beitrag leisten kann, um diese Sprache nicht nur am Leben zu erhalten, sondern als Sprache der Meinungen überleben zu lassen!
19.09.2006
Neues Ausländer- und Asylgesetz
Referat von Bundesrat Christoph Blocher vom 19. September 2006 in Biel/BE 19.09.2006, Biel Biel. In seinem Referat zum neuen Ausländer- und Asylgesetz sprach Bundesrat Christoph Blocher über die Ziele der beiden Vorlagen. Während mit beiden Gesetzen Missbräuche verhindert werden sollten, solle mit dem Ausländergesetz auch die Integration gefördert und mit dem Asylgesetz die humanitäre Tradition der Schweiz gewahrt werden. 1. Einleitung Es ist eine Tatsache, dass die Asyl- und Ausländerpolitik die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes stark beschäftigt. Die Schweiz hat heute in Europa mit 21,8 Prozent einen der höchsten Ausländeranteile überhaupt. Im Grossen und Ganzen funktioniert das Zusammenleben der einheimischen und der ausländischen Bevölkerung. Im Verlaufe der letzten Jahre haben sich jedoch Probleme gezeigt, die sowohl im Asyl- wie im Ausländerrecht zu lösen sind. Zudem haben sich die ausländerpolitischen Rahmenbedingungen mit der Einführung der Personenfreizügigkeit gegenüber den EU-Staaten grundsätzlich verändert. 2. Ziele des neuen Ausländergesetzes: Bessere Integration, weniger Missbrauch Das neue Ausländergesetz ist notwendig, damit die Schweiz die erforderlichen Arbeitskräfte erhält, ohne dass Arbeitslosigkeit entsteht und ohne dass die Sozialwerke unverhältnismässig belastet werden. Es gilt, die bestehenden Probleme, die unbestritten vorhanden sind, zu lösen: * Die Integration bedeutender Teile der ausländischen Wohnbevölkerung ist ungenügend. * Die Arbeitslosigkeit unter den Ausländerinnen und Ausländern ist mit 5.5 Prozent (Stand Juli 2006) deutlich höher als bei Schweizerinnen und Schweizern (2.4 %). * Besonders problematisch ist die Arbeitslosigkeit bei ausländischen Jugendlichen. Bei den ausländischen Jugendlichen betrug die Erwerbslosenquote im Jahr 2005 16.7 % und war mehr als 2.5 Mal so hoch wie diejenige der Schweizer Jugendlichen. * Die Straffälligkeit von Ausländern ist nach wie vor hoch. Gemäss der Polizeilichen Kriminalstatistik waren 52.8 % der Tatverdächtigen ausländische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Von diesen hatten 78.5 % Wohnsitz in der Schweiz. * Ein weiteres Problem ist die hohe Anzahl der IV-Bezüger unter den ausländischen Personen. Gemäss Bundesamt für Sozialversicherungen gab es (Stand Januar 2006, ohne Zusatzrenten für Ehegatten und Kinder) total 290'000 Rentenbezügerinnen und Rentenbezüger, davon 101'000 ausländische Personen (rund 35 %). * Im Weiteren fällt auf, dass die Sozialhilfestatistik des Jahres 2004 zeigt, dass 5.8 % der ausländischen Bevölkerung auf Sozialhilfe angewiesen ist. Bei den Schweizerinnen und Schweizern sind es 1.9 %. Die Hauptgründe für diese Probleme sind: * Schlecht qualifizierte ehemalige Saisonniers aufgrund der schweizerischen Rekrutierungspolitik v. a. in den 70er Jahren * Schlecht integrierte ausländische Jugendliche mit schulischen Schwierigkeiten, insbesondere wegen mangelhafter Sprachkenntnisse * Zu viele illegal anwesende Personen Das neue Ausländergesetz bekämpft diese Probleme: * Für Personen von ausserhalb der EU und der EFTA wird die Zulassung zum schweizerischen Arbeitsmarkt beschränkt und auf beruflich besonders qualifizierte Arbeitskräfte konzentriert. Stünde der schweizerische Arbeitsmarkt der ganzen Welt offen, wären hohe Arbeitslosigkeit und kaum verkraftbare Belastungen der Sozialwerke die Folgen. * Die Integration von Ausländerinnen und Ausländern wird verbessert, zum Beispiel durch eine möglichst frühe Einschulung ausländischer Kinder. * Berufs-, Stellen- und Kantonswechsel von Ausländerinnen und Ausländern werden vereinfacht, was den Zugang zur Erwerbstätigkeit erleichtert und viele bürokratische Hindernisse abbaut. * Die Massnahmen gegen Missbräuche wie Schleppertätigkeit, Schwarzarbeit und Scheinehen werden verstärkt. Freizügigkeitsabkommen und Ausländergesetz Das Freizügigkeitsabkommen mit der EU und der EFTA regelt den Personenverkehr mit diesen Staaten umfassend; nach einer Übergangsfrist ist hier eine uneingeschränkte Rekrutierung von Arbeitskräften möglich. Das neue Ausländergesetz gilt daher nur noch für Personen aus Staaten, mit denen kein Freizügigkeitsabkommen besteht. Personen ausserhalb der EU/EFTA - also Staaten wie zum Beispiel den USA, Indien oder China - können im Rahmen von Kontingenten nur dann zugelassen werden, wenn: * Sie beruflich besonders qualifiziert sind * Der Bedarf nach ihrer Arbeitskraft gegeben ist * Weder ein Schweizer noch ein EU/EFTA-Angehöriger dafür zu finden sind * Und ihnen die orts- und berufsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen gewährt werden. Diese besonders qualifizierten ausländischen Personen erhalten eine verlängerbare Aufenthaltsbewilligung oder eine befristete Kurzaufenthaltsbewilligung. Jahresaufenthalter und neu auch Kurzaufenthalter können die Familie nachziehen. Auch der Ehepartner hat die Möglichkeit, in der Schweiz zu arbeiten. Bei einer guten Integration kann die Niederlassungsbewilligung bereits nach fünf Jahren erteilt werden. Sie gewährt eine gute Rechtsstellung in der Schweiz, die mit dem Freizügigkeitsabkommen vergleichbar ist. 3. Asylgesetz Ziel der Teilrevision des Asylgesetzes ist: Die humanitäre Tradition der Schweiz wahren – und Missbräuche verhindern. Ende Juni 2006 befanden sich über 46'000 Personen im Asylbereich. Davon sind rund 25'000 Personen vorläufig aufgenommen. 9'300 Personen sind im Vollzug und müssen die Schweiz verlassen. Für über 6'300 von ihnen müssen zuerst Papiere beschafft werden. Wo liegen heute die Probleme im Asylbereich? * Eine Mehrheit der Asylsuchenden kann keine Gründe vorbringen, die zur Gewährung von Asyl führen. Im Jahr 2005 waren dies rund 86 Prozent. * Eine Mehrheit der Asylsuchenden, im Jahre 2005 waren es 73.5 %, gibt keine amtlichen Identitätspapiere (Pass oder Identitätskarte) ab. Erhalten diese Personen einen negativen Asylentscheid und müssen die Schweiz verlassen, so können sie mangels gültiger Reisedokumente nicht in den Herkunftsstaat zurück gebracht werden. Sie erzwingen so den Aufenthalt in der Schweiz. * Mit den heute bestehenden Zwangsmitteln ist es schwierig, ausreisepflichtige Asylsuchende zur Zusammenarbeit und zum Vorlegen von vollzugstauglichen Ausreisepapieren zu bewegen. * Die Kantone beklagen sich immer wieder, dass Personen die Ausschaffungshaft in Kauf nehmen, weil sie wissen, dass sie nach spätestens 9 Monaten wieder frei gelassen werden müssen. * Zahlreiche Asylsuchende nutzen die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel auch in offensichtlich hoffnungslosen Fällen. Wir brauchen das revidierte Asylgesetz, damit die bestehenden Probleme, vor allem im Vollzugsbereich, gelöst werden können. Zum Seitenanfang Zum Seitenanfang Verbesserungen sind bei denjenigen Personengruppen vorgesehen, die voraussichtlich für eine längere Zeit oder für immer in der Schweiz bleiben werden. Diese müssen besser integriert werden: * Vorläufig aufgenommene Menschen sollen einen erleichterten Zugang zur Erwerbstätigkeit erhalten, ihre Familien nach drei Jahren nachziehen sowie von Integrationsmassnahmen profitieren können. * Im Zusammenhang mit der Neuregelung der vorläufigen Aufnahme wird auch eine neue Härtefallregelung für den Asylbereich vorgesehen. So können die Kantone mit Zustimmung des Bundesamtes für Migration, unabhängig des Verfahrensstandes, einer gut integrierten Person eine Aufenthaltsbewilligung erteilen. Neben diesen wichtigen Integrationsmassnahmen müssen wir Missbräuche gezielt bekämpfen: * Denn zu viele Asylsuchende vernichten ihre Papiere, verschleiern ihre Identität und machen falsche Angaben, so dass ein geordnetes Asylverfahren schwer durchzuführen ist. Zu lange dauernde Asylverfahren, hohe Kosten und langer rechtswidriger Aufenthalt von abgewiesenen Asylsuchenden sind Folgen, die wir nicht länger verantworten können. Das neue Gesetz sieht deshalb vor, Asylsuchende, die keine Identitätspapiere abgeben, in einem beschleunigten Verfahren (Nichteintretensentscheid) abzuweisen, ausser sie können * glaubhaft erklären, warum sie keine Papiere haben, oder * wenn es offensichtlich Flüchtlinge sind, oder * wenn zusätzliche Abklärungen notwendig sind. Somit entfällt der Anreiz, vorhandene Ausweispapiere zu vernichten und nicht mit den Behörden zusammen zu arbeiten. * Viele abgewiesene Personen, die das Land verlassen müssen, reisen nicht aus. Durch die Ausrichtung grosszügiger Sozialhilfe an Personen, welche sich trotz eines negativen Asylentscheides rechtswidrig in der Schweiz aufhalten, entstehen der Allgemeinheit hohe Kosten. Die Ausrichtung von Sozialhilfe gibt Asylsuchenden zudem einen Anreiz, illegal in die Schweiz einzureisen, sich illegal hier aufzuhalten und das Asylrecht zu missbrauchen. Deshalb soll – wie dies bereits seit über zwei Jahren mit guten Erfahrungen bei Nichteintretensentscheiden gemacht wird – auch bei abgewiesenen Asylsuchenden bei Bedarf nur eine Nothilfe ausgerichtet werden. Damit wird die humanitäre Tradition unseres Landes gewahrt, aber die Schweiz ist für den Missbrauch im Asylbereich weniger attraktiv. * Den Kantonen soll ermöglicht werden, für renitente, illegal anwesende ausländische Personen die notwendigen Zwangsmassnahmen anzuwenden, z. B. die Verlängerung der Ausschaffungshaft von 9 auf 18 Monate und die Einführung der Durchsetzungshaft bis zu maximal 18 Monate. Allerdings setzt dies eine periodische Überprüfung durch den Richter voraus. 4. Schlusswort Meine Damen und Herren, das neue Ausländer- und Asylgesetz wahren die humanitäre Tradition der Schweiz und verhindern Missbräuche. Das neue Ausländergesetz ist notwendig, damit die Schweiz die erforderlichen Arbeitskräfte erhält, ohne dass Arbeitslosigkeit entsteht und die Sozialwerke in einer Art und Weise belastet werden, die wir nicht mehr verantworten können. Mit dem neuen Asylgesetz wird durch gezielte Massnahmen gegen Missbräuche verfolgten Menschen Schutz garantiert. Die Schweiz wird für illegale Einwanderer, Schlepper, Schwarzarbeiter und Kriminelle weniger attraktiv. Mit diesen beiden Revisionen wird auch dem Willen des Volkes Rechnung getragen, eine Gesetzgebung zu schaffen, die der tatsächlichen Situation im Asyl- und Ausländerbereich Rechnung trägt und die wahren Probleme dieses Landes wirksam angeht. Die humanitäre Tradition der Schweiz wollen und werden wir weiterhin wahren: Personen die auf den Schutz der Schweiz angewiesen sind, werden diesen nach wie vor vollumfänglich erhalten. Die im revidierten Asylgesetz vorgeschlagenen Neuerungen sind verfassungsmässig und völkerrechtskonform. Meine Damen und Herren, nur wenn es uns gelingt, Missbräuche so weit wie möglich zu verhindern, werden wir auch in Zukunft auf die Unterstützung der Bevölkerung für tatsächlich Verfolgte zählen können. Ich fordere Sie deshalb auf, am 24. September zweimal Ja zu stimmen; Ja zum neuen Ausländergesetz und Ja zum angepassten Asylgesetz.
15.09.2006
«Ich habe die Gegner nicht verunglimpft»
Christoph Blocher wehrt sich gegen den Vorwurf, unfair fürs Asylgesetz zu kämpfen. Er ist überzeugt, die Abstimmung zu gewinnen und denkt nicht über eine nächste Revision nach. 15.09.2006, Tages-Anzeiger, Philipp Mäder und Gaby Szöllösy Erst sah es so aus, als sei der Abstimmungskampf für Sie ein Sonntagsspaziergang. Nun kritisiert sogar der langjährige Chef des Bundesamts für Flüchtlinge, Urs Hadorn, das Asylgesetz als unverhältnismässig und wirkungslos. Erstaunt? Nein. Ich habe die Abstimmung nie als Sonntagsspaziergang betrachtet. Ich wusste stets, dass es auf diesem Gebiet militante Gegner gibt. Diese haben nun sogar Herrn Hadorn als Kritiker ausgegraben. In einem Punkt hat er aber recht: An den langen Verfahrensdauern wird sich auch mit dem neuen Gesetz leider nicht viel ändern. Herr Hadorn sagt aber auch... ... ich will mich jetzt nicht mit Urs Hadorn auseinander setzen, der dreissig Jahre im BFM tätig war und vielleicht auch ein bisschen ein schlechtes Gewissen hat, dass er nicht schon früher ein wirkungsvolleres Gesetz gemacht hat. Herr Hadorn hat ein schlechtes Gewissen, Rolf Bloch ist gegen das Asylgesetz, weil er Jude ist, die Kritik der Kirchen ist heuchlerisch - gehört es zu Ihrem Konzept, die Gegner zu verunglimpfen? Ich habe die Gegner nicht verunglimpft, sondern ich frage nach den Motiven. Nicht die Kirche - zu der auch ich gehöre - ist heuchlerisch. Aber die Behauptungen der Kirchenleute, sie müssten Leute aufnehmen, die sonst verhungern würden, und dann auf unsere Nachfrage hin keinen einzigen Fall nennen können. Und Rolf Bloch hat auch keine lauteren Gründe, gegen das Gesetz zu sein? Herr Bloch hat an einer Versammlung erklärt, er als Jude sei dagegen, weil er Angst habe, es komme wieder zu Situationen wie im Zweiten Weltkrieg. Daraufhin habe ich geantwortet und Verständnis gezeigt, dass die Juden in einer besonderen Situation seien, aber dass die Angst unbegründet sei. Tatsächlich hat man im Zweiten Weltkrieg eine Zeit lang, echte Flüchtlinge an der Grenze abgehalten. Doch mit dem neuen Gesetz werden wir gerade ausdrücklich keine Verfolgten abweisen. Doch befassen wir uns mit Gesetzen, nicht mit Gegnern. Reden wir also über den Inhalt. Am Problem der Rückschaffungen ändert sich nichts: Wenn sie die Identität der Leute nicht kennen, können Sie sie nicht ausschaffen. Wenn es aber nur noch Nothilfe gibt, reisen mehr freiwillig aus, was dazu führt, dass weniger unechte Flüchtlinge kommen. Da haben wir mit der Streichung der Sozialhilfe bei denjenigen mit einem Nichteintretensentscheid gute Erfahrungen gemacht. Deshalb will das neue Asylgesetz diese Massnahme nun auf alle Abgewiesenen ausweiten. Es gibt Leute, die unser Land verlassen müssen. In einzelnen Staaten bekommen illegal Anwesende nach einer gewissen Zeit überhaupt keine Unterstützung. Dafür bekommen im Ausland Schwangere, Kranke und Kinder die nötige Unterstützung. Bei uns steht das nicht im Gesetz. Diese Leute bekommen auch bei uns weiterhin die benötigte Unterstützung. Dafür sind die Kantone zuständig. Doch es bleibt im Ermessen der Kantone. Die Kantone tragen ihre Verantwortung. Die Kritiker beobachten sie geradezu mit dem Feldstecher. Auch die Asylbefrager erhalten mit dem neuen Gesetz mehr Ermessensspielraum: Sie entscheiden neu, ob die Geschichte eines Asylbewerbers, der sich ohne Papiere präsentiert, glaubwürdig ist und er damit Anrecht auf ein Asylverfahren hat. Steigt damit nichtdas Risiko von Fehlentscheiden? Nein. Die einzige Änderung ist, dass wir nur noch Pass und Identitätskarte als Beweis anerkennen. Denn es hat sich gezeigt, dass Fahrausweise, Geburtsurkunden in der Regel gefälscht sind. Es ist nicht die einzige Änderung: Für Asylbewerber ohne Papiere wird die Hürde erhöht, um ins Verfahren zu kommen. Ein Asyl Suchender muss glaubhaft begründen, weshalb er keine Papiere hat oder weshalb er verfolgt ist. Und er muss im Verfahren mitwirken, er muss uns sagen, wer er ist und woher er kommt. Ist das etwa zuviel verlangt? Die Befürworter des Gesetzes monieren, viele Asylbewerber würden missbräuchlich ein Gesuch einreichen. Wie gross ist das Problem tatsächlich? 85 Prozent reichen ein Gesuch ein, obwohl sie keine Asylgründe haben. Das nennt man Missbrauch. Zu den 15 Prozent der anerkannten Flüchtlinge kommen noch die über 30 Prozent der vorläufig Aufgenommenen. Auch bei ihnen anerkennt die Schweiz, dass sie zurecht Zuflucht gesucht haben. Warum erwähnen Sie diese mit keinem Wort? Weil sie keine Verfolgten sind, sondern ihre Heimkehr nicht unzumutbar ist. Aber sie sind aus Orten geflohen, an denen ihr Leben in Gefahr war - zum Beispiel aus dem Irak. Im Moment kann man sie nicht zurückschicken. Aber wenn sich die Lage wieder bessert, müssen sie zurück. Wenn man die vorläufig Aufgenommenen als Flüchtlinge anerkennen würde, hiesse das für die Menschen in allen Ländern: Geht in die Schweiz und schaut, dass ihr wegen Krankheit, Schwangerschaft oder aus anderen Gründen nicht zurückgeschickt werden könnt, dann lebt ihr wie ein Flüchtling. Kein Staat akzeptiert dies. Sie sagen jeweils, es sei nur ein Asylbewerber zu Unrecht zurückgeschickt worden: Stanley Van Tha aus Burma. Amnesty International hingegen hat ein halbes Dutzend weitere Fehlentscheide dokumentiert. Wir haben diese Fälle geprüft. Und ich bleibe dabei: Bis jetzt ist uns nur ein Fehlentscheid bekannt. In allen anderen Fällen hatten die Verhaftungsgründe nichts mit dem Asylgesuch zu tun. Im Fall von Stanley Van Tha haben Sie zuerst gesagt, er könnte wegen «Diebstahl oder so etwas» verhaftet worden sein... ...wieso unterstellen Sie mir eigentlich immer solche Sachen? Das war doch nicht eine endgültige Aussage. Das steht im Protokoll des Ständerats. Ich habe erklärt: Wir wissen im Moment nicht, weshalb er verhaftet wurde. Es müsste untersucht werden, warum. Ist es wegen Diebstahls? Oder wegen Dienstverweigerung? Oder ist es etwas anderes? Wir wissen es auch heute noch nicht. Obwohl Sie es noch nicht wissen, sagten Sie kürzlich, Van Tha sei verhaftet worden, weil er den Militärdienst verweigert habe. Was wir heute glauben ist, dass für Vergehen, welche die Burmesen ihm zur Last legen - darunter auch verweigerten Militärdienst -19 Jahre Haft zuviel ist. Tatsache ist, dass wenn man es gewusst hätte, die zuständigen Leute anders entschieden hätten. Also war es ein Fehlentscheid. Wo entschieden wird, kann es auch einmal einen Fehlentscheid geben. Tatsächlich korrigiert die Asylrekurskommission (ARK) ein Viertel aller beanstandeten Fälle. Das zeigt doch, dass die Fehlerquote schon heute hoch ist. Im Jahre 2005 wurden total 15.7 % der Gesamterledigungen von der ARK gutgeheissen beziehungsweise das Bundesamt für Migration wurde angewiesen, den Fall neu zu beurteilen. Aber dazu hat man ja die Asylrekurskommission! Ich habe nie gesagt, man solle sie abschaffen. Aber Sie haben sie wiederholt kritisiert. Ich habe die langen Fristen kritisiert. Sie kritisierten die Asylrekurskommission auch harsch, weil diese zwei angeschuldigten Albanern Asyl gewährte. Ja, weil sie Asyl bekamen und man sie damit nicht zur gerichtlichen Beurteilung bringen konnte. Ich habe den Zeitpunkt kritisiert. Die Sache kratzte an Ihrer Glaubwürdigkeit. Sie hätten den Ständerat in dieser Sache angelogen, rügte die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Parlaments. Ich war im Ständerat überzeugt, nichts Falsches gesagt zu haben. Erst danach habe ich mir meine mündliche Rede nochmals angehört. Und dabei gemerkt, dass ich entgegen meinem schriftlichen Text versehentlich die Albaner als Kriminelle statt als mutmasslich Kriminelle bezeichnet hatte. Darauf habe ich öffentlich erklärt, dass mir dies Leid tut. Es kam als Stimmungsmache gegen Ausländer an - untergräbt die Geschichte Ihre Glaubwürdigkeit im Abstimmungskampf? Ich merke - ausser bei denen, die ohnehin Gegner sind - nichts davon. Dass es mir passierte, liegt daran, dass ich eben frei spreche. Ich werde es - trotz des Risikos - weiterhin tun. Sie wären gerne bei der jetzigen Revision noch etwas weiter gegangen - kommt bald die nächste Reform auf den Tisch? Ich denke nicht über eine nächste Revision nach. Was wären die Folgen eines Nein? Fürs Land wären die Folgen tragisch. Die Zahl der unechten Asylgesuche würde rapid ansteigen, weil sich unter Schleppern herumspräche, dass die Schweiz Verschärfungen abgelehnt habe. Ja? Das jetzige Gesetz wäre doch weiter gültig und die Anzahl Asylgesuche sinkt ja heute schon beträchtlich. Das Problem ist aber, dass wir für über 6'000 Personen, die die Schweiz verlassen müssten, Papiere zu beschaffen haben. 9000 aus dem Asylbereich sollten das Land verlassen, sind aber widerrechtlich hier. Ich glaube übrigens, dass das Gesetz angenommen wird. Die Gegner haben keine Lösungsvorschläge für die bestehenden Probleme. Probleme, die unsere Bevölkerung zu Recht beschäftigen. Deshalb führen sie den Kampf nur noch auf einer persönlichen Ebene. All diese angeblich so prominenten Gegner. Unlängst fragte mich jemand, wie man prominent werde. Da hab ich ihm geantwortet: Du musst sagen: „Ich bin bürgerlich und bin gegen das Asylgesetz“, dann giltst Du als prominent. Da muss man gar nicht so viel von der Materie verstehen. Spielen Sie auf Herrn Rauh an? Ich spiele auf niemanden an. Ich sage nur, dass man auf diese Weise sehr schnell zur Prominenz gehört.
14.09.2006