Testi

 

20.05.2006

Blocher warnt von einem sinkenden Lebensstandard

«Bundesrat Christoph Blocher rät vom Agrarfreihandel mit der EU ab. Mit diesem Schritt sänken nicht nur die Preise, sondern auch die Löhne und die Qualität.» 20.05.2006, TagesAnzeiger, Anetta Bundi und René Lenzin Sind die Schweizer Manager fähige Leute? Bundesrat Christoph Blocher: Im Vergleich zu ihren Kollegen im Ausland schneiden sie gut ab. Das zeigt sich an den Resultaten, die sie mit ihren Unternehmen vorweisen können. Dies hat vermutlich mit dem hohen Stellenwert zu tun, der in der Schweiz der Eigenverantwortung sowie zuverlässiger, seriöser Arbeit eingeräumt wird. Das wird international sehr geschätzt. Früher hat man von Ihnen kritischere Töne vernommen. In der Swissair-Krise haben Sie sich etwa lautstark über den Filz in den Chefetagen beklagt. Ist er verschwunden? Der Untergang der Swissair hat viele Firmen dazu veranlasst, die gegenseitigen Verflechtungen zu lockern. Unternehmen wie die UBS beispielsweise haben zudem fremde Beteiligungen verkauft, jüngst etwa Motor Columbus. Es ist also einiges gegen den Filz getan worden. Leider fängt es jetzt aber wieder an: Meines Erachtens haben Vertreter der Banken in den Verwaltungsräten von Firmen, denen sie Kredite geben, nichts verloren. Das gilt natürlich auch umgekehrt. Das hört Ihr Parteikollege Peter Spuhler, der als Industrieller im Verwaltungsrat der UBS sitzt, vermutlich nicht gern. Ich weiss nicht, ob es überhaupt Kredite braucht. Da es nicht mehr viele Industrielle gibt, ist er natürlich gefragt. Aber auch er muss aufpassen, dass er nicht zuviele Verwaltungsratsmandate annimmt. Mit der Aktienrechtsrevision schlagen Sie vor, dass sich die Verwaltungsräte jedes Jahr einer Bestätigungswahl stellen müssen. Hilft dies gegen Lohnexzesse? In den grossen börsenkotieten Gesellschaften besteht heute tatsächlich die Gefahr, dass sich die Verwaltungsräte und Manager auf Kosten der Aktionäre bereichern. Letztere können ihre Interessen häufig nicht richtig wahrnehmen. Indem ihnen neu das Recht eingeräumt wird, die Verwaltungsräte jedes Jahr einzeln zu bestätigen, wieder- bzw. nicht zu wählen, können sie künftig über deren Leistung und bei Transparenz auch über deren Entschädigungspolitik befinden. Die Rechte der Aktionäre sind zu stärken. Die dazu nötigen Rahmenbedingungen muss der Staat schaffen: Er muss dafür zu sorgen, dass möglichst viele Unternehmen erfolgreich geführt werden und dass dasPrivateigentum – hier der Aktionäre – geschützt wird. Die Wirtschaftsverbände setzen aber lieber auf Selbstregulierung. Die von der Börse und den Wirtschaftsverbänden erlassenen Regeln sind nicht schlecht. Sie können aber jederzeit wieder geändert werden und genügen nicht. Um das Eigentum der Aktionäre zu wahren, braucht es verbindliche Schutzvorschriften. Die Wirtschaftsverbände, die durch die Verwaltungsräte von Firmen bestimmt werden, sind nicht geeignet um die Interessenabgrenzungen zwischen Verwaltungsräten und Aktionären zu lösen. Hier ist der Staat als Beschützer der Freiheitsrechte gefordert. Es wäre den Verwaltungsräten lieber, wenn sie nicht jedes Jahr gewählt werden müssten. Also sind die Verbände dagegen. Sie haben die Wirtschaftsverbände schon früher kritisiert. Was müssen sie ändern? Sie müssen eine radikalere Ordnungspolitik verfolgen. Kompromisse können dann immer noch die Politiker schliessen. Einen strammeren Kurs zu vertreten, ist aber nicht so einfach. Wer vom Staat für die Forschung 30 Millionen Franken offeriert erhält, sagt dazu ungern Nein, obwohl es ordnungspolitisch falsch ist. Hier braucht es von den Verbänden mehr Mut. Als Bundesrat können Sie aber auch nicht immer die reine Lehre vertreten: Der hoch subventionierten Landwirtschaft würde mehr Markt jedenfalls nicht schaden. Die Landwirtschaft untersteht in keinem Land der Welt der freien Marktwirtschaft. Dieser kann man nur Bereiche unterstellen, auf die man verzichten kann. Gemäss Verfassung müssen die Bauern jedoch die Landschaft pflegen, Nahrungsmittel herstellen und für die dezentrale Besiedlung sorgen. Nicht alle diese Aufgaben können im freien Markt erfüllt werden. Deswegen müssen die Bauern dafür vom Staat abgegolten werden. Natürlich kann man zum Schluss kommen, man wolle den Boden lieber verganden lassen. Dann müsste man aber zuerst die Verfassung ändern. Wären Sie dafür? Nein. Als ich vor einer Woche zur Bauernversammlung nach Huttwil gefahren bin, ist mir wieder einmal aufgefallen, wie liebevoll die Landschaft gepflegt wird. Ich finde, wir müssen uns das auch in Zukunft leisten. Aber die Nahrungsmittelproduktion selbst hat sich am Markt zu orientieren. Müsste man aber nicht den Agrarmarkt mit der EU öffnen, damit die Schweizer Landwirtschaft kompetitiver wird? Machen wir uns keine Illusionen: Falls die Marktöffnung auch alle vor- und nachgelagerten Bereiche der Landwirtschaft erfassen soll, werden nicht nur die Preise, sondern auch die Löhne und die Qualität sinken. Es ist dann zwar möglich, billiger zu produzieren. Damit sinkt bei uns aber auch der Lebensstandard. Das wollen wir doch nicht! Letztlich ist es wie beim EWR: Wir müssen uns entscheiden ob wir ein hochqualitatives Land bleiben wollen oder nicht. Wenn wir alles nivellieren, können wir zwar Massenware herstellen wie die anderen. Für Besonderheiten würden wir uns dann aber nicht mehr eignen. Aber dies ist die Stärke und die Chance der Schweiz. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich für einen starken Patentschutz einsetze. Der Forschungsstandort Schweiz ist zu erhalten. Also sind Sie gegen den Agrarfreihandel? Es ist ein offenes Geheimnis, das ich im Bundesrat zu den Bremsern gehöre. Der Agrarfreihandel würde nicht nur den Bauern grossen Schaden anrichten. Ich staune etwas, wie oberflächlich die Debatte geführt wird. So auch beim «Cassis de Dijon»-Prinzip. Damit will man ja, dass die in der EU zugelassenen Güter automatisch auch in der Schweiz frei zirkulieren können. Will man dies tun, muss man die Qualitätsvorschriften ändern. Zum Beispiel wieder Käfighühner zulassen, Prüfungserfordernisse beim Joghurt ändern usw. Das kann man tun. Aber will man das? Das ist für die meisten Konsumenten nicht mehr so wichtig. Viele Schweizer fahren Monat für Monat ins Ausland, um billigere Lebensmittel einzukaufen. Ich bin mir nicht sicher, ob wirklich ein Umdenken stattgefunden hat. Die meisten wollen zwar billigere Produkte, sie sind aber nicht bereit, die hohen Qualitätsstandards aufzugeben, sie wehren sich dagegen, zum Beispiel gentechnisch veränderte Lebensmittel ohne Anschreibepflicht zuzulassen. Auch dies müsste geschehen. Nun staunen wir aber doch etwas: Ausgerechnet Bundesrat Blocher, der sonst stets über zuviele Vorschriften klagt, verteidigt jetzt die Schweizer Regulierungswut. Wie ist dieser Gesinnungswandel zu erklären? Selbstverständlich bin ich immer noch für einen radikalen Abbau der Vorschriften. Von mir sie nicht. Aber man kann nicht beides haben: Man kann nicht billiger produzieren und die Qualität auf dem gleichen Niveau halten. Ob beim Joghurt Zusatzstoffe speziell vermerkt sind, ist mir egal. Vielen ist dies aber wichtig, darum wurde es ja beschlossen. Man darf daher nicht so tun, als ob man die Importe über Nacht vereinfachen könnte. Zuerst muss geklärt werden, auf welche Sonderregeln Parlament und Volk zu verzichten bereit sind. Jetzt wird das Wirtschaftdepartement frei. Reizt Sie ein Wechsel -­ trotz Ihrer Skepsis gegenüber diesem Departement? Ich habe tatsächlich einmal provokativ gesagt, dass es in einem Land mit freier Marktwirtschaft eigentlich kein Departement braucht, das die Wirtschaft reguliert. Auf Exportförderinstrumente und die Unterstützung von Bereichen, die der freien Wirtschaft unterstehen, könnte meines Erachtens verzichtet werden. Also wäre der Wechsel für Sie eine Horrorvorstellung? Sie meinen, der Staat sei für mich an sich eine Horrorvorstellung (lacht), aber Spass beiseite: Ob ich wechsle, wird sich an der Bundesratssitzung vom 16. Juni entscheiden. Im Moment habe ich mit der Revisionsaufsicht, dem Aktienrecht und dem Patentrecht viele wichtige Wirtschaftsvorlagen in meinem Departement. Haben Sie genug Zeit, um sich auch noch mit den Geschäften anderer Departemente zu befassen, wie Sie es sich bei Amtsantritt vorgenommen haben? Ich habe meine Zeit so eingeteilt, dass ich die Hälfte für die anderen Departementsgeschäfte, die im Bundesrat entschieden werden, aufwende. Man wirft mir bisweilen vor, ich mische mich zu fest ein, aber dies ist sehr wichtig. Nehmen Sie das öffentlich bekannte Swisscomgeschäft: Die Intervention hat dazu geführt, dass auf den Kauf der irischen Eircom - und damit auf Milliarden von Fehlinvestitionen - verzichtet wurde, dass man die Strategie geändert und – als Folge davon - das Management ausgewechselt hat. Das wichtigste Ziel ist erreicht. Ob der letzte Schritt, die Verselbständigung gelingt, wird man sehen. Das braucht wohl noch etwas Zeit. Diese Vorlage zeigt aber doch: Letztlich sind Sie ein Oppositionspolitiker geblieben, der Dinge verhindern, aber kaum eigene Projekte durchbringen kann. In einem liberalen Staat ist es häufig das Wichtigste, Fehlentwicklungen zu verhindern. Zum Beispiel eine falsche Strategie wie bei der Swisscom. Zudem habe ich eigene Projekte durchbringen können. Unter vielen sei das Asyl- und Ausländerrecht genannt, das im Parlament neu aufgegleist wurde. Und bei der Verselbständigung der Swisscom ist auch noch nicht aller Tage Abend. So etwas kann vielleicht nicht schon beim ersten Anlauf gelingen. Was der Bundesrat beschlossen hat, war ein Richtungswechsel, und der wirft zunächst einmal alles aus den Geleisen. Das war wie beim Verzicht aufs Kernkraftwerk Kaiseraugst. Früher kämpften Sie allein gegen Regierung und Verbände. Jetzt hat man den Eindruck, Sie seien Teil des Establishments geworden. Gefällt es Ihnen in dieser Rolle? Ich habe eine andere Aufgabe als früher und bin daher zwangsläufig in den Strukturen des Establishments tätig. Mache dort Widerstand und gestalte wo nötig. Im Grossen und Ganzen gefällt es mir. Nicht weil ich viel schöne Arbeit verrichte, sondern weil die bisherige Bilanz stimmt: Politisch habe ich innerhalb der Regierung mehr erreicht als ausserhalb.

18.05.2006

Neosozialistisch statt neoliberal?

Eine kurze Verteidigungsrede von Freiheit, Demokratie und Markt (oder was es zu den Managersalären zu sagen gibt). Rede von Bundesrat Christoph Blocher am 36. St. Gallen Symposium 18.05.2006, St. Gallen St. Gallen, 18.05.2006. Anlässlich des St. Galler Symposiums gedachte Bundesrat Christoph Blocher dem liberalen Denker Wilhelm Röpke und verwies auf dessen Antworten auf auch heute noch aktuelle Fragen, wie zum Beispiel die Managerlöhne. Er betonte, dass die Entschädigung jedes Angestellten der Leistung und dem Marktwert entsprechen sollte und ging davon aus, dass die Eigentümer diese Löhne festlegen. Bundesrat Blocher sieht jedoch Probleme bei grossen börsenkotierten Unternehmen und spricht sich deshalb für die Corporate Governance und die laufende Aktienrechtreform aus. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. 1. Zum 40. Todestag Wilhelm Röpkes Es wird allerhand gefeiert in diesem Jahr: * Mozarts 250. Geburtstag. * Vor 150 Jahren verstarb Heinrich Heine. * In dessen Todesjahr 1856 kam der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, zur Welt. Aber im ganzen Taumel der Jubiläen geht ein Mann fast vergessen, der vor vierzig Jahren als Emigrant in der Schweiz gestorben ist: Wilhelm Röpke, ein bedeutender liberaler Denker des 20. Jahrhunderts. Ich halte Wilhelm Röpke für einen wichtigen Wegweiser zur Lösung der volkswirtschaftlichen Probleme unserer Zeit. Wie Mozart, Heinrich Heine und Sigmund Freud in ihrer Zeit war auch Wilhelm Röpke verfemt. So musste er schon 1933 Nazi-Deutschland verlassen. Das Regime hielt ihn wegen seiner – ich zitiere – „liberalen Gesinnung“ für eine Gefahr. 2. Warnung vor dem Sozialismus Röpke gehörte zu den grossen Verfechtern der Marktwirtschaft, die er im Zentrum einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft sah. Er ist das, was man heute verächtlich einen „Neoliberalen“ nennt. Tatsächlich ist es Mode geworden, im „Neoliberalismus“ – also in der Lehre der grossen Liberalen Ludwig von Mises, August Friedrich von Hayek, Wilhelm Röpke und später Milton Friedman – das Grundübel, ja das Böse schlechthin zu sehen. Deren Kritiker haben offensichtlich nicht begriffen, dass der Liberalismus das vielleicht unbequeme, aber unumgängliche Fundament zur Lösung unserer Probleme bildet. Die westlichen Industriestaaten kranken an einer überregulierten Wohlfahrt, an der Entfremdung des Bürgers vom Staat, sie sind gekennzeichnet von schwachem Wirtschaftswachstum und einer generellen Überforderung des Staates. Dabei wären die „Neoliberalen“ die wahren Sozialen, denn keine Lehre hat so zur hohen Beschäftigung, zu Wohlfahrt und zur Überwindung der Armut beigetragen wie diese! Aber auch zu aktuellen Fragen finden wir bei den Neoliberalen wichtige Antworten: So zum Beispiel über das zur Zeit in allen Industriestaaten viel diskutierte Thema der als überrissen bezeichneten Managersaläre. 3. Managersaläre Die jüngsten Debatten über Managersaläre sind von Unverständnis und oft auch Neid geprägt. Vergleiche zwischen Arbeiterlöhnen und Managerlöhnen führen uns jedoch nicht weiter und der Neid darf nicht die politische Agenda diktieren. Die Frage nach den „richtigen“ Managerlöhnen ist wesentlich komplexer, als es die plakativen Aussagen der Kritiker wie auch der Befürworter dieser Entschädigungen glauben lassen. Was also ist zu tun? Es sind hier ein paar Grundwahrheiten, die zur Zeit zugeschüttet sind, hervorzuholen und an den Anfang zu stellen: 4. Grundwahrheiten * Eine erste Grundwahrheit Aufgrund der Erfahrungen der letzten 200 Jahre ist es wohl unbestritten, dass privatwirtschaftliche, florierende Unternehmen die besten Arbeitsplätze, hohen Verdienst, breiten Wohlstand, Reichtum und Steuersubstrat und damit die Voraussetzungen für einen sozialen Staat schaffen. Als Unternehmer sagte ich mir stets: „Meine sozialste Aufgabe ist das Unternehmen erfolgreich zu führen“, denn erfolgreiche Unternehmen schaffen Beschäftigung und sind die Quelle für allgemeine Wohlfahrt. Als Bundesrat sage ich mir, es ist die sozialste Aufgabe, dafür zu sorgen, dass im Land möglichst viele Unternehmer ihr Unternehmen erfolgreich führen können. Wer immer noch auf sozialistische oder neosozialistische Rezepte setzt, hat die Weltgeschichte verschlafen. * Eine zweite Grundwahrheit Der Erfolg eines Unternehmens ist abhängig von der Führung. Entscheidend ist die Führungspersönlichkeit oder das Management an der Spitze: „Es gibt keine schlechten Mitarbeiter, sondern nur schlechte Chefs!“ Das gilt überall: In den Unternehmen, in Organisationen, Verbänden und Parteien. Das gilt auch in den Schulen und Universitäten und – wenn Sie mir diese kollegiale Bemerkung erlauben – das gilt auch für den Bundesrat. Darum ist es die Hauptaufgabe des Unternehmers, ein gutes Management bereit zu stellen. Das heisst aber auch: Ein Versager an der Spitze des Unternehmens ist unverzüglich abzusetzen, denn die Spitze des Unternehmens sorgt für das Resultat – für das gute oder das schlechte. * Eine dritte Grundwahrheit Gute Chefs an der Spitze zu finden, ist schwierig. Diese Menschen sind nicht allzu zahlreich. Darum sind sie in der Regel teuer. Aber: Es gibt für alle Mitarbeiterkategorien einen Markt – auch für Manager! Darum gilt es im Markt in freier Konkurrenz von Bewerbern auszuwählen. * Eine vierte Grundwahrheit Was ist denn ein Unternehmer? Ein klassischer Unternehmer ist ein Mensch, dem eine Firma gehört und der diese auch selbst führt. Er ist Manager und Eigentümer in einem. Sein Dasein – man könnte etwas pathetisch auch von Schicksal reden – ist eng mit der Firma verbunden, weil sein Kapital in der Firma steckt. Das unterscheidet ihn vom Manager, der als Angestellter die Firma nur führt. Bei den börsenkotierten Unternehmen ist es allerdings anders. Dort gibt es den klassischen Unternehmer – der Eigentümer und Manager zugleich ist – nicht. Führung und Eigentum fallen nicht zusammen. Der Eigentümer besteht darüber hinaus aus einer Vielzahl von Aktionären! Das erschwert die volle Interessenwahrung zusätzlich. * Eine fünfte Grundwahrheit Für den Erfolg ist es wichtig, dass die Eigentümer die Manager zu einem leistungs- und marktgerechten Salär einsetzen. Weder der Staat noch irgendwelche Aussenstehenden sind in der Lage, die richtige Entschädigung oder deren Obergrenze festzulegen. Auch nicht die Manager selbst. Denn das Unternehmen gehört nicht ihnen. Es ist die Sache des Eigentümers – bei den Aktiengesellschaften der Aktionäre – die Bezüge des Managements festzulegen. * Eine sechste Grundwahrheit Wie hoch soll die Entschädigung denn sein? Generell gesprochen sollte die Entschädigung so hoch sein, dass sie der Leistung und dem Marktwert entspricht. Das gilt für alle Angestellten. Auch für die obersten. Die Anstellungsbedingungen sollen hervorragende Leistung zu einem möglichst günstigen Preis generieren. Im Gegensatz zum Markt für kaufmännische Angestellte, Arbeiter, Verkäufer, Lehrer und Professoren ist der Markt für Manager kleiner und es gibt keine eindeutigen Hinweise auf das „richtige“ Lohnniveau, auf den Marktlohn. * Eine siebte Grundwahrheit Das Anliegen, ein gutes Management an der Spitze zu haben, ist für eine erfolgreiche Unternehmung dermassen wichtig, dass es auch falsch wäre, das Lohnniveau von einer generellen Akzeptanz der Öffentlichkeit oder der Medien abhängig zu machen. Soziales Denken heisst, dafür zu sorgen, dass die Unternehmen von erfolgreichen Managern so geführt werden, dass sie Gewinn abwerfen und Wohlstand erzeugen. Das Salär richtet sich allein nach der Leistung und dem Marktwert. 5. Schutz der Freiheitsrechte? Wie gesagt: Die Unternehmer, die Eigentümer, die Aktionäre oder die Verwaltungsräte – als die Treuhänder der Eigentümer – haben diese sieben Grundwahrheiten zu beherzigen. Deshalb stellt sich die Frage: Ist der Ruf nach dem Staat angesichts der enormen Managersaläre überhaupt gerechtfertigt? Hat der Staat in diesem Bereich überhaupt etwas zu suchen? Ich meine ja. Gerade als Verfechter des liberalen Rechtstaates bin ich dieser Überzeugung. Warum? Der Schutz der Freiheitsrechte ist eine der zentralen Aufgaben im liberalen Rechtsstaat. Und hier im Besonderen der Schutz des Privateigentums. In grossen Publikumsgesellschaften mit Tausenden von Aktionären ist es für die Eigentümer heute kaum möglich, ihr Eigentumsinteresse zu wahren und durchzusetzen. Die Eigentümerfunktion ist häufig so pulverisiert, dass der Einzelne seine Interessen kaum wahrnehmen kann. Es ist fast wie im Kommunismus: Auch dort hat man immer wieder verkündet, das Eigentum gehöre allen. Nur konnte letztlich niemand seine Eigentumsinteressen wahrnehmen, so dass es schliesslich die Nomenklatur tat. Sie hat vorgeblich die Privatinteressen betreut - aber zum eigenen Nutzen. Weil der Schutz des Privateigentums jedoch eine zentrale und für den wirtschaftlichen Erfolg ausschlaggebende Staatsaufgabe ist, besteht für den Staat immer dann Handlungsbedarf, wenn er feststellen muss, dass das Privateigentum nicht genügend geschützt ist. Bei grossen börsenkotierten Aktiengesellschaften braucht es staatliche Vorschriften über die Corporate Governance, damit das Eigentum geschützt ist. Sonst besteht die Gefahr, dass sich die Verwaltungsräte und das Management zu Lasten der Eigentümer ungerechtfertigt bereichern und damit das Privateigentum verletzen. 6. Massnahmen im schweizerischen Aktienrecht Hier muss der Staat ernst machen. Dies ist aktueller Gegenstand der schweizerischen Aktienrechtsreform: Der Entwurf liegt jetzt in der Vernehmlassung. Was will diese Reform? 1. Die Bezüge der Verwaltungsräte müssen im Einzelnen bis ins Detail veröffentlicht werden, ebenso das höchste Salär der Geschäftsleitung und das Gesamtsalär der Geschäftsleitung. Die Revisionsstelle hat dies zu prüfen und zu bestätigen. Diese Regelung ist bereits beschlossen, sie wird auf den 1. Januar 2007 in Kraft treten. Damit kann der Eigentümer die Managemententschädigungen im Verhältnis zur Leistung und zum Markt beurteilen. 2. Die einzelnen Verwaltungsratsmitglieder sind jährlich einzeln zu wählen bzw. zu bestätigen. So können die Eigentümer, d.h. die Aktionäre, bei der jährlichen Wahl bzw. Wiederwahl des Verwaltungsrates direkt oder indirekt über die Leistung und die Bezüge der obersten Führungskräfte urteilen. 3. Damit dem Willen der Eigentümer zum Durchbruch verholfen werden kann, müssen stimmenverfälschende Aktionen untersagt werden (so insbesondere das Depotstimmrecht der Banken oder die Stimmenmanipulation durch geborgte Aktien). 4. Der Verwaltungsrat hat die Auswahlprozesse – wie bei allen Mitarbeitern – auch bei den führenden Managern anzuwenden. Der Salärfindungsprozess ist in freier Konkurrenz und nicht unter Koordination einiger weniger Beratungsfirmen zu gewährleisten. Der Verwaltungsrat ist Treuhänder der Eigentümer, und nicht die Beratungsfirmen. Er hat diese Funktion wahrzunehmen. Tut ein Verwaltungsrat, der für getreue Geschäftsbesorgung verantwortlich ist, dies nicht, ist er zur Rechenschaft zu ziehen. Die gesetzlichen Vorschriften dazu bestehen schon heute! 5. Für die nichtbörsenkotierten Firmen ist vorgesehen, dass die Bezüge der Verwaltungsräte auf Verlangen von Aktionären bekannt gegeben werden müssen. Damit können auch Aktionäre in kleinen Firmen als Unternehmer über Leistung und Entlöhnung durch die Stimmabgabe bestimmen. Solche Bestimmungen sind kein staatlicher Interventionismus. Wer von der Marktwirtschaft überzeugt ist, für den ist es selbstverständlich, dass der Staat die Rahmenbedingungen schafft, damit Leistung, marktgerechte Entschädigung und das Privateigentum gewährleistet sind. Andere Lösungsvorschläge wie gesetzliche Höchstlöhne von Managern, die Festsetzung der Löhne durch Aussenstehende oder gar der sozialistische Schlachtruf „gleiche Löhne für alle“ sind unsinnig und hätten verheerende Folgen für die Volkswirtschaft eines Landes. Mit dem neuen Aktienrecht werden die unseligen Diskussionen über die Managerlöhne ein Ende nehmen. 7. Röpke in Genf Kommen wir nochmals kurz auf Wilhelm Röpke zu sprechen. Nach seiner Emigration in die Schweiz fand Wilhelm Röpke einen neuen Wirkungsort in Genf, am Institut Universitaire des Hautes Etudes Internationales. Sein äusserst positives Urteil über die Schweiz hing nicht nur mit seiner speziellen Biographie als Emigrant zusammen. Er erkannte in der Schweiz eine „Ausnahme wie alles in der Geschichte einigermassen Gelungene“ (in Gesellschaftskrisis der Gegenwart). Möge dies auch für die Aktienrechtsreform gelten! Lasst den Staat tun, was er unbedingt tun muss. Der Rest sei Demokratie, Marktwirtschaft und Freiheit.

16.05.2006

Das Autogewerbe – ein hoch innovativer und anpassungsfähiger Wirtschaftszweig

Rede von Bundesrat Christoph Blocher an der Generalversammlung der ESA (Einkaufsorganisation des Schweizerischen Auto- und Motorfahrzeuggewerbes), 16. Mai 2006 in Interlaken 16.05.2006, Interlaken Interlaken, 16.05.2006. An der Generalversammlung der Einkaufsorganisation des Schweizerischen Auto- und Motorfahrzeuggewerbes ESA pries Bundesrat Christoph Blocher das marktwirtschaftliche, kapitalistische Wirtschaftssystem. Dieses habe im Verlauf der Zeit zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen aller Gesellschaftsschichten geführt, während der Sozialismus ganze Staaten und Völker in den wirtschaftlichen Ruin getrieben habe. Es gebe wohl kaum einen Wirtschaftszweig, der so sichtbar die Vorzüge des Wettbewerbs aufzeige wie das Autogewerbe. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. 1. Vielfalt dank Marktwirtschaft Der Automobilmarkt ist ein Milliardengeschäft. Täglich sind Millionen von Fahrzeugen in dieser Welt unterwegs. Man braucht kein Prophet zu sein: Auch die Chinesen möchten ihr Velo so bald wie möglich gegen einen Personenwagen eintauschen. Damit erschliesst sich ein neuer, gewaltiger Markt. Das Auto ist in diesen Ländern Zeichen des Wohlstandes. Auf der ganzen Welt aber eben auch Ausdruck von Mobilität und Wirtschaftskraft. Dieser Milliardenmarkt Auto ist hart umkämpft. Es gibt wohl kaum einen Wirtschaftszweig, der so sichtbar die Vorzüge des Wettbewerbs aufzeigt wie das Autogewerbe. Asiatische, europäische und amerikanische Hersteller kämpfen um alte und neue Kunden. Dieser Wettbewerb zwingt zur permanenten Weiterentwicklung und führt zu immer neuen Errungenschaften. Ich habe den Titel des heutigen Referats nicht zufällig gewählt: Das Autogewerbe ist tatsächlich einer der innovativsten und anpassungsfähigsten Wirtschaftszweige überhaupt. Der Druck, das Produkt zu verbessern, die Sicherheitsstandards zu erhöhen, das Design zu erneuern, die Innenausstattung auszubauen und vieles mehr – und erst noch zu kundenfreundlichen Preisen – ist gewaltig. Und wenn wir von der Automobilbranche reden, dann sind die abertausenden von Zulieferern mitgemeint. Gerade im Zuliefererbereich hängen auch in der Schweiz viele Betriebe und somit auch viele Arbeitsplätze von einer florierenden Autoindustrie ab. Es gibt heute eine kaum mehr überblickbare Zahl von Motorfahrzeugen. Der Kunde kann aus unzähligen Marken und Modellen auswählen. Das ist immer ein Zeichen dafür, dass die Marktwirtschaft funktioniert. Innerhalb von hundert Jahren hat das Automobil einen vergleichslosen Siegeszug angetreten, obschon die Skeptiker der ersten Stunde dieser Erfindung wenig Zukunft prophezeiten. Diese horrenden Fortschritte in der Entwicklung sind nur in einem zwar harten, aber gleichzeitig weitgehend freien Wettbewerb möglich. Zugleich erfüllt das Automobil ein Bedürfnis, das offenbar eine sehr grosse Mehrheit der Menschen umtreibt: sich schnell, bequem und individuell fortzubewegen. 2. Vom Luxus zum Alltäglichen Mein Vater, ein protestantischer Landpfarrer, besass ein Fahrrad. Heute würde man sagen, ein Militärvelo. Das Velo verfügte über einen Gang, wog ziemlich schwer, war aber für die Ewigkeit konstruiert. Mein Vater konnte sich Zeit seines Lebens kein Auto leisten. Dafür brachte er elf Kinder durch und jedes durfte eine Ausbildung absolvieren. Hier war die Rechnung relativ schnell gemacht. Ein Auto stand gar nie zur Diskussion – „es lag nicht drin“, wie man so schön schweizerisch sagt – und als die Jungen auszogen und eine Anschaffung finanziell vielleicht möglich geworden wäre, war der Vater in einem Alter, in dem man sich besser nicht mehr auf solche Experimente einliess. Was vor wenigen Jahren also ein absoluter Luxusgegenstand war, gehört mittlerweile praktisch in jeden Haushalt. Man muss kein Historiker sein, um mit aller Deutlichkeit festzuhalten: Der heutige ungelernte Hilfsarbeiter darf heute die wesentlich besseren Lebensbedingungen für sich beanspruchen als vor fünfhundert Jahren der deutsche Kaiser persönlich. Dies verdanken wir einzig einem marktwirtschaftlichen, kapitalistischen Wirtschaftssystem. Der Status der ärmeren Bevölkerung hat sich gerade in den Ländern, die eine freie Wirtschaftsordnung kennen, beständig verbessert. Während der Sozialismus ganze Staaten und Völker in den wirtschaftlichen Ruin führte. Ob wir es wollen oder nicht: Wir haben dauernd für die Prinzipien der Marktwirtschaft zu kämpfen. Wo sich der Tüchtige und Erfinderische ungehindert entfalten kann, geht es vorwärts und aufwärts. Wo der Tüchtige und Erfinderische eingeschränkt, der Erfolgreiche mit Steuern bestraft, der strebsame Bürger übervorteilt wird, geht es konsequent in eine andere Richtung: nach unten. Die Forderung nach möglichst viel Marktwirtschaft ist der soziale Ruf unserer Tage! 3. Wettbewerb ist innovativ Es wird permanent versucht, das Auto moralisch schlecht zu reden. Dabei wird mit Vorliebe auf die Verkehrsunfälle einerseits und die Umweltbelastung andererseits verwiesen. Ich möchte auf beide Bereiche kurz zu sprechen kommen und nochmals festhalten: Die Errungenschaften in der Sicherheit sind in erster Linie die Frucht der Innovationsfähigkeit der Automobilbranche. Airbags, ABS, IPS (Intelligent Protection System), verbesserte Gurtentechnik, Knautschzonen haben entscheidend zur Senkung der schweren Unfälle beigetragen. Auch wenn gewisse Politiker nach wie vor überzeugt sind, sie hätten höchstpersönlich die Zahl der Verkehrstoten gesenkt. Nein, auch hier zeigen sich die Vorzüge der Marktwirtschaft. Der Kunde erwartet ein sicheres Gefährt. Also müssen ihm die Hersteller ein solches anbieten. Wer nicht mitzieht, wird vom Markt bestraft. Denn der Kunde wählt aus. Gnadenlos. Kommen wir zur Umweltbelastung. Da besteht in der Tat ein Problem bei den Verbrennungsmotoren. Aber auch hier schafft der Markt bzw. die Nachfrage die entsprechenden Angebote. Ich garantiere Ihnen, die Aussicht der Autoindustrie durch verbrauchsarme Fahrzeuge oder alternative Brennstoffe gute Geschäfte zu erzielen, wird deren Entwicklung viel schneller vorantreiben als alle bisherigen und zukünftigen staatlichen Interventionen und politischen Predigten. Ich bin überzeugt, dass der Privatverkehr seinen Siegeszug fortsetzen wird. Ob das Auto der Zukunft mit Benzin, Wasserstoff, Rapsöl, Ethanol, Hanf oder sonst was angetrieben wird – wer weiss das? Lassen wir die freie Forschung, lassen wir den Wettbewerb, lassen wir den Markt spielen. Dann kommt es gut. Viel problematischer wird es, wenn übermütige oder ideologische Politiker glauben, die Weichen selber stellen zu müssen. Wir haben bereits benzinsparende Hybridmotoren auf dem Markt, welche Bremsenergie, die sonst verpufft, speichern und dem Motor wieder als Elektroenergie zuführen. Eine grandiose Leistung. Nur möchte ich auch bei diesem konkreten Beispiel darauf verweisen: Der Hybridantrieb ist durch einen privaten Autokonzern entwickelt und technisch umgesetzt worden – und nicht durch die Politik oder irgendein Gesetz. Verbieten, verteuern, verhindern sind keine kreativen Lösungen. 4. Ein Dank Sie stehen alle in der Marktwirtschaft. Sie tragen alle dazu bei, dass die Schweiz mobil ist, dass die Schweizerinnen und Schweizer in jedem Sinn beweglich bleiben. Sie tragen alle mit ihrer Arbeit zur Wertschöpfung in unserem Land bei. Mit Ihrer Organisation ermöglichen Sie die kostengünstige und effiziente Belieferung von Ersatzteilen für das schweizerische Auto- und Motorfahrzeuggewerbe. Ich habe gelesen, dass sich über 7'000 Genossenschafter – vor allem PW- und LKW-Garagenbesitzer – in Ihrer Organisation zusammengeschlossen haben. Das haben Sie getan, weil Sie so besser, schneller, kostengünstiger Ihrer Arbeit nachgehen können. Das ist gelebte Marktwirtschaft. Aber zuoberst in den von Ihrer Organisation festgehaltenen Grundsätzen steht: „Alles dreht sich um unsere Kunden.“ Diese Einstellung gefällt mir. Auch in der Politik sollten es heissen: „Alles dreht sich um das Wohl unserer Bürger.“

11.05.2006

Die Wirtschaft im Banne der Politik

Rede von Bundesrat Christoph Blocher zur Eröffnung des Swiss Economic Forum vom 11. Mai 2006 im Schadausaal, Thun 11.05.2006, Thun Thun, 11.05.2006. Am Swiss Economic Forum in Thun referierte Bundesrat Christoph Blocher über verschiedene Aspekte der Wirtschaft. Er ging auf die Ängste der Unternehmer ein und zeigte Alternativen auf. Schliesslich forderte er die Anwesenden auf, sich auf ihre Stärken zu konzentrieren und von besseren Konkurrenten zu lernen, um von der Schweiz aus im Weltmarkt zu bestehen. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. 1. Die Schweiz im Weltmarkt Wo heute von der Wirtschaft die Rede ist, hören Sie immer wieder Schlagworte, die beunruhigen. Globalisierung, chinesischer Drache, Lohndruck, Auslagerung, Massenarbeitslosigkeit…Wer ehrlich ist, muss zugeben, dass er bei all diesen Wörtern zunächst Angst bekommt. Angst, nicht bestehen zu können. Angst, nicht überleben zu können. Tatsächlich: Ganze Nationen mit niedrigen Löhnen, grossem Leistungswillen, gut ausgebildetem Personal, weniger Regulierung, mit sehr tiefen Steuern drängen auf die Weltmärkte. Es gilt einem ungeheurem Konkurrenzdruck zu begegnen. Die Wirtschaft blickt deshalb wie gebannt auf die Politik und die Politik wiederum blickt mindestens so gebannt auf die Wirtschaft. Doch für einen Unternehmer ist die bange Frage: Kann ich mit meinem Unternehmen, mit meinen Produkten, mit meinen Kosten, mit meinem Marketing vor der Konkurrenz bestehen? Das ist zwar eine alltägliche Frage. Und nur schlechte Unternehmer stellen sich solche existenziellen Fragen nicht andauernd. Meine persönliche Erfahrung zeigt: Der Unternehmer steht mit den Fragen, die sein Unternehmen in seiner Existenz betreffen, stets allein. Die grosse Gefahr ist, dass man die besseren Bedingungen der Konkurrenz (seien es tiefere Lohnkosten, weniger Regulierung, niedrigere Steuern etc.) überschätzt und damit auch deren Einfluss auf den Erfolg. Die erste Reaktion lautet deshalb häufig: Ich will die gleichen Bedingungen, ich verlege meine Produktion in jene Länder, wo so gute Bedingungen vorherrschen. Oft sieht man in der Auslagerung sogar die einzige Überlebenschance für einen Betrieb. Vielfach blendet man jedoch andere, schlechte Bedingungen, gerade von Billiglohnländern, aus. Es mag schon Situationen geben, wo man nur noch ein billiges Massenprodukt im eigenen Betrieb hat und darum die Auslagerung die einzige Möglichkeit ist. Aber ist dies die Regel? 2. Alternativen Was kann man in der Schweiz denn noch herstellen? Oder besser: Was nicht? Billige Massenwaren herzustellen in unserem hochqualitativen und teuren Land – das heisst, Produkte, die jeder beherrscht und wo es nur noch auf den Preis ankommt – dafür ist die Schweiz tatsächlich kein Standort. Die Schweiz ist ein teures Produktionsland. Das ist an sich keine negative Eigenschaft. Länder mit hohem Lebensstandart sind teure Länder. Bei der Massenproduktion sind uns die Billiglohnländer haushoch überlegen. Aber Massenprodukte sind nicht die einzige Möglichkeit. Länder mit hoher Qualität können andere Produkte herstellen. Zunächst gilt es: Einen klaren Kopf zu behalten. Man hat das zu tun, was man als Unternehmer in schwieriger Situation eben oft nicht tut: Man hat seine eigenen Stärken zu suchen. Nicht nach den eigenen Schwächen zu fragen. Diese werden in schlechten Zeiten ohnehin und ohne Zutun sichtbar. Was – in schwierigen Zeiten – weit schwieriger zu erkennen ist, sind die eigenen Stärken. Viele Unternehmen beschäftigen sich in panischem Aufruhr stets mit den eigenen Schwächen und fragen, was andere besser machen. Nein: Fragen Sie, was Sie besser können! Jedes Unternehmen hat eine Stärke. In guten Zeiten überschätzt man die eigene Stärke, in schlechteren unterschätzt man sie. Das gilt auch für die Standortqualität eines Landes. 3. Globalisierungsängste von gestern Ich habe gleich zu Beginn meiner Ausführungen von den Globalisierungsängsten gesprochen. Diese Ängste sind nicht neu. Die Vergangenheit anzuschauen kann diese Ängste in einem grösseren Zusammenhang erscheinen lassen. 1985 wurde in der Schweiz eine – auch aus heutiger Sicht – aufschlussreiche Umfrage erhoben. Gegenstand der Untersuchung: Wie schätzen die Schweizerinnen und Schweizer die Wirtschaftsnation Japan ein und wie erklären sie sich deren Erfolg (Japan wurde damals als die grosse Gefahr der Industrieländer bezeichnet – ähnlich wie heute China). Unser Land befand sich noch in den Ausläufern einer Rezession und man schaute gebannt nach Japan, dessen hochtechnologische Produkte sowohl in Preis und Qualität die europäischen Anbieter ausstachen. Fazit der Umfrage: 1985: „Zwei von drei Schweizer haben Angst vor Japans Wirtschaft.“ Nur ein Fünftel der Befragten stufte die Zukunftschance der Schweizer Wirtschaft höher ein als jene Japans. Schauen wir nun aber, wie sich Japan in der Folge weiterentwickelte. Ich lese Ihnen dazu ein paar Zeitungsmeldungen aus den letzten zwanzig Jahren vor. Zunächst ging der japanische Aufschwung scheinbar unaufhaltsam weiter. 1993 zeichnet sich eine Wende ab. Eine Zeitung titelt mit leicht schadenfroher Poesie: „Das Schwert des Samurais rostet.“ 1994: „Japans Sonne sinkt.“ 1995: „Japans Wirtschaftsmassnahmen am Ziel vorbei.“ 1998 werden die Prognosen noch düsterer: „Die grosse japanische Krise steht noch aus.“ Ein Schweizer Nachrichtenmagazin reimt: „Der Riese in der Krise.“ (Facts). 1999. Die ehemalige Bewunderung kippt endgültig ins Höhnische: „Das Land der untergehenden Börse.“ 2001. „Japan kommt nicht aus der Krise heraus.“ Ein diesmal deutsches Nachrichtenmagazin weiss auch warum: „Japan fühlt seine wirtschaftliche Vormachtstellung durch China bedroht.“ Das war 2002. Schon ein Jahr darauf heisst es: „Japans Wirtschaft zieht wieder an.“ 2004. „Die Angst in Japan ist verflogen.“ – „Wer in Asien investiert, kommt an Japan nicht vorbei.“ 2006. „Japans Wirtschaft gewinnt an Fahrt.“ Das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ fasst zusammen: „Nach Jahren der Dauerkrise häufen sich die guten Nachrichten aus Japan: Die Wirtschaft wächst, die Börse boomt. Asiens Industrienation Nummer eins verdankt sein Comeback ausgerechnet seinem neuesten und härtesten Konkurrenten — China.“ Was können wir diesem Wechselbad der Nachrichtenmeldungen entnehmen? Die Bedrohungen erweisen sich als Chancen. Japan musste sich regenerieren, indem es sich wieder auf seine Stärken besann und auf die Prinzipien der Marktwirtschaft. Die staatlichen Interventionen verzögerten diesen Prozess nur. Auf unsere Verhältnisse übertragen: Die Bedrohung in der Marktwirtschaft heisst nicht Japan oder China oder Indien. Die Bedrohung ist immer der bessere Mitbewerber. Die Reaktion auf einen besseren Konkurrenten kann deshalb nicht darin bestehen, den Konkurrenten schlechter zu machen, ihn mit Schutzzöllen zu bestrafen, ihn politisch auszuhebeln. Die Reaktion kann auch nicht darin bestehen, den Schwächeren künstlich zu stärken mit staatlichen Mitteln. Der einzige Weg führt über das bessere Produkt, den besseren Preis, die bessere Entwicklung. Wir müssen anders sein, besser sein als unsere Konkurrenten. Für den Staat heisst dies nicht, serbelnde Wirtschaftszweige unterstützen, sondern dafür sorgen, dass die Wettbewerbsfähigen vorankommen! An dieser Tagung treffen sich ja Geschäftsführer oder Angestellte von Firmen, die in der Schweiz arbeiten, produzieren, investieren und hoffentlich auch Geld verdienen. Sie beweisen, dass es sehr wohl möglich ist, von der Schweiz aus im Weltmarkt zu bestehen. Ich möchte deshalb noch einmal auf die Umfrage von 1985 zurückkommen. Wie gesagt, äusserten damals zwei Drittel ihre Besorgnis über die aufsteigende Wirtschaftsnation Japan. Allerdings sagte auch die Hälfte der Befragten, Japans Qualitäten (namentlich der Arbeitseifer) könnten Vorbild und Ansporn für uns sein. Auf diese Hälfte müssen wir setzen. Und ich gehe davon aus, dass Sie sich auch zu dieser Hälfte zählen. Ich wünsche Ihnen hierbei viel Erfolg. Als Bundesrat sage ich Ihnen: Wir – der Staat – haben dafür zu sorgen, dass Sie ein Umfeld bekommen, in dem Sie produzieren können. Das heisst: weniger Vorschriften, gute Schulen, weniger Steuern, Abgaben und Gebühren, gute Verkehrsbedingungen und vor allem: möglichst viel unternehmerische und persönliche Freiheit! Ich wünsche Ihnen und mir viel Erfolg, dass dies alles gelingt!

05.05.2006

Die Kantone im Kampf um Arbeitsplätze und Steuerzahler

Rede von Bundesrat Christoph Blocher vom 5. Mai 2006 am SVP-Anlass in der Zentralschweiz, Restaurant Casino in Zug 05.05.2006, Zug Zug, 05.05.2006. Anlässlich des SVP-Anlasses in der Zentralschweiz äusserte sich Bundesrat Christoph Blocher positiv über den Entschluss des Kantons Obwalden, mit einem neuen Steuergesetz eigene Wege im Kampf um Arbeitsplätze und Steuerzahler zu gehen. Für eine wettbewerbsfähige Schweiz gelte es, fünf Grundsätze zu beachten. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. 1. Ein Schrei geht durch das Land Vor einigen Monaten hat der Kanton Obwalden in gut demokratischer Weise ein neues Steuergesetz beschlossen. 86 Prozent der Stimmberechtigten stimmten der Vorlage zu. Das Ziel war, Obwalden zu einem steuerlich attraktiven Kanton zu machen, so dass sich neben guten Steuerzahlern vor allem auch Firmen ansiedeln, um dem Kanton Arbeitsplätze, wirtschaftliches Wachstum und Wohlfahrt für alle zu bringen! Was ist daraufhin passiert? Ein Schrei geht durch das Land! Kantone, die durch eine Hochsteuerpolitik und ein schlechtes Finanzgebaren den Weg Obwaldens nicht gehen wollen, sprechen von Wettbewerbsverzerrung. Politiker von links bis weit ins bürgerliche Lager hinein kritisierten diesen Schritt und schliesslich glaubte auch die EU, die kantonale Steuerhoheit in der Schweiz tadeln zu müssen! Warum wohl? Es ist klar, wenn einer etwas besser macht, dann schimpfen alle, weil sie Angst haben, sie würden gezwungen, es dann auch besser zu machen. Dann pfeift man lieber den Tüchtigen zurück. Ein Kanton hat sich erfrecht, eigene Wege im Kampf um Arbeitsplätze und Steuerzahler zu gehen. Vor Obwalden sind schon andere Kantone in der Zentralschweiz - Zug, Nidwalden, Schwyz - ähnliche Wege gegangen. Mit Erfolg! 2. Historische Würdigung Nicht nur wegen diesen steuergesetzlichen Pioniertaten bin ich gerne Gast in der Zentralschweiz. Ich mag den eigenwilligen, widerständigen Geist, der hier durch die Berge weht. Mir gefällt diese Gegend auch aus historischen Gründen: Sie erinnert uns an die Ursprünge der Eidgenossenschaft. An den Freiheitskampf der alten Schweizer. Die eigenwilligen – weltweit modernen – Steuergesetzentscheide knüpfen wohl an diesen Freiheitskampf an. Nämlich sich von den Fesseln der „Steuervögte“ zu befreien. Im Nachbarkanton Schwyz steht bekanntlich ein Ableger des Landesmuseums. Dort befindet sich der Bundesbrief von 1291. Viele Leute erschraken, als sie erfuhren, dass dieser Bundesbrief im Original an eine Ausstellung in die USA gehen sollte. Man begreift diese Sorge, denn der Bundesbrief ist nicht irgendein ersetzbarer Vertrag, sondern die Gründungsurkunde der drei Waldstätte und damit gleichsam der Geburtsbrief der Schweiz. Geht der Bundesbrief verloren, wären wir alle wieder Habsburger, d.h. als deren Nachfolger wären wir Österreicher… Wollen wir das wirklich? Gut, wir gehörten dann vielleicht wieder zu den weltbesten Skifahrern, aber – und das wäre wohl das Verhängnisvolle – wir wären auch umgehend Mitglied der Europäischen Union. Was nicht nur dem Freiheitsgedanken der Innerschweiz, sondern dem Weg der Schweiz überhaupt widersprechen würde. Doch Spass beiseite: Es tut gerade uns Politikern gut, die Erinnerung an die 700jährige Geschichte der Schweiz wach zu halten. Es war der tief eingepflanzte Widerwille vor fremden Richtern und fremden Herrschern, der den schweizerischen Unabhängigkeitsdrang immer speiste. Es ist die Selbstbestimmung des Staates, die sich in der Eigenverantwortung seiner Bürger widerspiegelte, die unser Land so erfolgreich werden liess. Wir täten gut daran, diesen Werten noch heute zu folgen. Denn ein Staat ohne Geschichte, ohne ein gemeinsames Bekenntnis, ohne eine tiefere Bestimmung ist ein seelenloser Staat. Ein Staat, der seine Geschichte nicht achtet, wird auch von anderen Staaten und Völkern nicht geachtet. 3. Erfolgsrezept Föderalismus Unser Land ist im Gegensatz zu fast allen Staaten Europas nicht durch einen Fürsten oder König erobert und zusammengeschweisst worden. Es ist vielmehr aus dem freiwilligen Zusammenschluss autonomer und sehr unterschiedlicher „Völker“ – wie es in der früheren Bundesverfassung noch hiess – entstanden. Die Kantone haben sich im Laufe von mehr als 600 Jahren zu einem Bundesstaat, zu einer föderalen Schweiz zusammengefügt. Die Schweizer wollten so ihre Unabhängigkeit und Selbständigkeit sichern und für ihr eigenes Wohlergehen sorgen! Sie schufen eine Alternative zu den anderen europäischen Nationalstaaten – die meisten waren bei der Gründung des schweizerischen Bundesstaates noch Monarchien. Die Schweiz ist ein Bildnis selbständiger Kantone. Die Schweiz ist eine Willensnation, in welcher der Föderalismus – schon aus historischen Gründen – der einzige Weg ist, um in Einheit zu leben. Der Föderalismus ist wesensnotwendig für unser Land und es gilt, zu ihm Sorge zu tragen. Ich bin auch aus anderen Gründen für einen föderalistischen Staat. * Der Föderalismus gewährt die höchstmögliche direktdemokratische Mitbestimmung in einem überblickbaren Raum. * Der Föderalismus, d.h. das Prinzip der möglichst autonomen Einheiten, ist ein vielfach erprobtes Erfolgsrezept! Das gilt übrigens auch in der Unternehmensführung! * Der Föderalismus weist eindeutig Verantwortungen zu in klar überschaubaren Einheiten. Es ist kein Zufall, dass Politiker gerne aus dieser Struktur ausbrechen wollen in grössere, am liebsten übernationale Gebilde. In diesen Grossgebilden sind zwar alle für alles, aber niemand für etwas verantwortlich. Darum kann das auf die Dauer nicht funktionieren. * Föderalismus macht aber nur Sinn, wenn die kleine Einheit, d.h. hier die Kantone, über eine möglichst grosse Autonomie verfügen. Das betrifft besonders die Steuerhoheit. 4. Der Wettbewerb führt zu Besserem Wie der Titel meines heutigen Referats sagt: Die Kantone stehen im Kampf um Arbeitsplätze und Steuerzahler. Das ist so und diese Beschreibung klingt weit martialischer, als sie in Wahrheit ist. Unser föderalistisches System ermöglicht den Wettbewerb zwischen den Kantonen, ja sogar zwischen den Gemeinden. Volkswirtschaftlich gesehen gehört dieser Wettbewerb zu den grossen Standortvorteilen der Schweiz. Denn er zwingt die Politik besser zu arbeiten. Lassen Sie sich durch das veranstaltete Lamento der Verliererkantone bzw. der Wettbewerbsgegner nicht beirren. Der Kampf um Steuerzahler und Arbeitsplätze heisst nicht, dass es beispielsweise nur eine bestimmte Summe von guten Steuerzahlern gibt, die nun wie Nomaden immer dem besten Steuersatz nachreisen. Erstens, orientiert sich jeder Bürger auch an anderen Kriterien als dem Steuersatz. Zweitens – und das ist entscheidend: Ein gutes Steuerklima schafft wirtschaftliches Fortkommen, Arbeitsplätze, Wohlfahrt, Reichtum und damit mehr neue, gute Steuerzahler. Dieser Wettbewerb ist aktueller denn je. Nicht nur die Kantone, auch die Schweiz steht unter dem Wettbewerbsdruck der Globalisierung. Neue Länder drängen in den Markt, werden Wettbewerber. Ein freisinniger Nationalrat hat einmal gesagt: Das Hochlohnland Schweiz kann sich deshalb behaupten, weil wir eine Stunde frührer aufstehen als alle anderen. Diese Aussage liegt einige Jahre zurück. Wie ist es heute? In vielen Ländern stehen die Leute mittlerweile auch eine Stunde früher auf und in manchen Ländern arbeiten sie abends dazu noch eine Stunde länger. Glücklicherweise hat der Föderalismus die Schweiz einigermassen wettbewerbstauglich erhalten können. Darum kämpfen heute alle um Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze. Die mangelnde Beschäftigung ist die Herausforderung unserer Tage. Gerade westliche Wohlfahrtsstaaten leiden unter einer teilweise erschreckend hohen Arbeitslosigkeit. Diese ist meist hausgemacht: Ein überregulierter Arbeitsmarkt. Zu hohe Lohn- und Lohnnebenkosten. Viele Arbeitslose unter den Zugewanderten und deren Nachkommen. Umso wichtiger ist ein griffiges Ausländergesetz, das wenigstens die Zuwanderung aus den Nicht-EU-Staaten regelt. Es sollte doch eine Selbstverständlichkeit sein, dass wir unsere Zuwanderungspolitik am Interesse der ansässigen Bevölkerung ausrichten. Dass wir versuchen, die Immigration einigermassen unter Kontrolle zu bringen, hat nichts mit Abschottung zu tun, sondern mit der Tatsache, dass wir in einem Sozialstaat leben, der für viele Zugewanderte attraktiver ist, als sich im Arbeitsmarkt zu behaupten. Hier sind wir verpflichtet, die Anreize richtig zu setzen. Noch erschrecken uns in der Schweiz keine Bilder im Stil der französischen Vororte. Doch es wäre blauäugig, die Anzeichen zu verkennen. Gewalt, Jugendarbeitslosigkeit, mangelhafte Sprachkenntnisse sind auch bei uns ein Thema, gerade bei Jugendlichen mit bestimmten familiären und kulturellen Hintergründen. 5. Wettbewerbsfähig bleiben Der Staat setzt den Wettbewerb in den von ihm kontrollierten Bereichen nicht um. Aber überall sonst: Er redet viel von Wettbewerb, nämlich dem Wettbewerb unter Privaten. Im eigenen Bereich lässt der Staat aber keinen Wettbewerb zu. Das ist verständlich, denn man hat sich stets mit dem Besseren, dem Tüchtigeren zu messen. Das zwingt jeden dazu, es noch besser zu machen. Das gilt auch für den Wettbewerb unter den Kantonen. Auch wenn Politiker und die Verwaltung den Wettbewerb scheuen wie der Teufel das Weihwasser: der Wettbewerb ist notwendig, auch der Wettbewerb der Systeme zwischen Kantonen und Ländern. Harmonisierung und Ausgleich sind zwar angenehm, aber sie zerstören die lebendige Ungleichheit, die eben durch eine freiheitliche Ordnung entsteht. Eigenständiges Handeln wird verfemt mit Begriffen wie „Kantönligeist“ oder „nationalstaatlicher Egoismus“. Dabei kann nur auf der Basis der Eigenständigkeit erfolgversprechend gearbeitet werden. Gleichheit darf kein Ziel sein. Wer Gleichheit durchsetzen will, kann dies nur gegen das Leben tun. Ungleichheit ist eine Vorbedingung und eine Folge von Lebendigkeit und Dynamik. Je mehr Gleichheit wir in unserem föderalistischen System schaffen, desto mehr wird die Vitalität des Föderalismus erstickt. 6. Aufgabe der Kantonalparteien Bei der Staatsgründung 1848 war der Föderalismus ein etwas wild wuchernder, aber durchaus kräftiger Baum. In den letzten 157 Jahren hat man ihn immer wieder zurückgestutzt. Im Moment kommt der Baum – oder muss ich mittlerweile von einem Bonsai sprechen? – vor lauter Zurückstutzen gar nicht mehr richtig zum Blühen. Die Zentralschweiz hat hier Kontrapunkte gesetzt. Obwalden ist das letzte, mutige und konsequente Beispiel. Glücklicherweise gibt es noch Kantone in diesem Land, die ihren Spielraum erkennen und ausnützen. Nur so bewegt sich die Schweiz als Ganzes. Die teilweise harschen Reaktionen zeigen, dass das neue Obwaldner Steuergesetz eine empfindliche Stelle getroffen hat. Von dem beleidigten Gejammer sollte man sich nicht beirren lassen. Viel wichtiger ist, dass hier ein heilender Prozess ausgelöst wurde. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir uns an den dynamischen Kantonen ausrichten. Die Harmonisierungsbestrebungen laufen nämlich immer in die andere Richtung. Dort orientiert man sich am Schwachen. Das bringt ein Staat volkswirtschaftlich nicht voran. Es ist eine Illusion zu glauben, der Schwache werde stärker, wenn man den Starken schwächt. 7. Der Weg des Kantons Obwalden Doch zurück zu Obwalden. Was hat dieser kleine, bisher kaum beachtete Bergkanton getan? Als erster Schritt: Die Schulden abgebaut. Sie mögen jetzt einwenden, mit dem Nationalbankgold sei das nicht so schwierig gewesen. Das stimmt. Aber es war trotzdem der einzig richtige Entscheid und immerhin hat Obwalden der Versuchung widerstanden, das „Sondergeld“ für irgendwelche „Sonderausgaben“ zu verwenden. Als zweiter Schritt hat die Regierung ihre Ausgaben stabilisiert. Nicht gekürzt. Aber immerhin praktisch auf der Basis der Teuerung eingefroren. Hier braucht es schon mehr Standhaftigkeit. Und man darf sich ruhig fragen, woher der Wille kommt, auch auf der Ausgabenseite anzusetzen. Ganz so freiwillig macht das nämlich keine Regierung. Dazu braucht es – so meine ich – eine unbequeme SVP im Nacken. In allen Kantonen und Gemeinden. Eine starke, aktive, auch oppositionelle SVP kann hier am meisten bewirken. Der Epochenwechsel in Obwalden geht einher mit der erfolgreichen Umsetzung der SVP-Initiative, die Regierung auf fünf Mitglieder zu verkleinern. Die Exekutive hat diese Systemänderung als Chance begriffen. Der dritte Schritt war schliesslich die angesprochene Verabschiedung eines neuen Steuergesetzes. Dieses hat man von der Urne bestätigen lassen und tatsächlich stimmte eine überwältigende Mehrheit von 86 Prozent für die steuerliche Entlastung. Natürlich fühlten sich träge Kantone übervorteilt. Aber so funktioniert der Wettbewerb: Er zwingt jemanden, besser, kostengünstiger, effizienter zu sein, als er ist oder sein will. Wenn der andere nicht mitzieht, wird er überrundet. Im Wirtschaftsleben läuft Trägheit auf einen Konkurs hinaus. In politischen Gebilden kann der Konkurs leider mit Verschuldung und neuen Steuern noch auf Jahre hinaus vertuscht werden. Was uns Obwalden wieder gelehrt hat: Wer tätig ist, ist immer ein Affront gegenüber den Untätigen. Doch der mediale Aufschrei soll als das gewertet werden, was er eigentlich ist: ein Kompliment. 8. Fünf Grundsätze für eine wettbewerbsfähige Schweiz Dass sich die Schweiz auch innerhalb ihrer Grenzen bewegt, ist nur durch eine möglichst föderalistische Struktur möglich. Darum gilt es folgende fünf Grundsätze zu beachten. 1. Anstatt den Kantonen und Gemeinden mit immer neuen Bundesbeiträgen zu Hilfe zu eilen, sollte der Bund mit einem Abbau seiner Aufgaben und seiner Steuerlast die finanziellen Spielräume der Kantone und Gemeinden erhöhen. 2. Anstatt der Vereinheitlichung und Harmonisierung das Wort zu reden, ist der Wettbewerb der Systeme zu fördern. Nur der Föderalismus schafft diesen Freiraum. 3. Anstatt „Zusammenwirken“ und "Mitverantwortung" zu propagieren, ist die Eigenständigkeit in den Vordergrund zu rücken. Das muss auch unser Leitprinzip sein, wenn es um unser Verhältnis zur EU geht. 4. Es war Konrad Adenauer, der gesagt hat, dass die Linken nichts vom Geld verstünden, ausser wie man es den anderen abnimmt. Nur ein Wettbewerbssystem kann dieser Zwangsumverteilung entgegen wirken. 5. Lassen Sie sich nicht von der moralistischen Front unter Druck setzen. Wer für den Wettbewerb und für die Marktwirtschaft eintritt, wird heute in ein schiefes Licht gerückt. Das ist zum Einen ein verheerendes gesellschaftliches Signal. Und zum anderen völlig falsch: Sozial ist, wer Arbeit schafft und für sich und seine Nächsten sorgt.