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21.11.2000

Der Auftrag ist das entscheidende Element

Keine Führungsunterschiede nach gesellschaftlichen Bereichen Mein Beitrag für die Neue Zürcher Zeitung vom 21. November 2000 Wie oft hört man: "So kann man in der Politik nicht führen, das kann man allenfalls in der Wirtschaft" oder: "Der führt die Partei wie ein Unternehmen" und meint damit etwas Verwerfliches. Neuerdings höre ich im Militär, das über die älteste und durchdachteste Führungsphilosophie verfügt: "Die Führung muss ziviler werden." Es herrscht offenbar die Auffassung vor, in Wirtschaft, Politik und Armee gelte es unterschiedliche Führungsgrundsätze zu befolgen. Davon halte ich nichts. Wo richtig geführt wird, bleibt das Grundsätzliche und damit das Erfolgsentscheidende überall gleich. Führung misst sich am Erfolg Wo heute über Führung gesprochen, gelernt oder doziert wird, spricht man - oft ohne es zu merken - vor allem über Führungshilfsmittel wie Kommunikation, Umgangsformen, zwischenmenschliche Beziehungen, Grundsätze der Teamarbeit und Motivation. So wichtig solche Hilfsmittel sein mögen, sie machen nicht das Wesentliche der Führung aus. Auch der viel zitierte Wandel in der Führung bezieht sich mehr auf Äusserlichkeiten, Nebensächlichkeiten und Hilfsmittel. Wenn Führung bedeutet, mit Mitarbeitern, Kollegen, Mitstreitern, Soldaten oder wie immer man Untergebene nennen will, ein vorgegebenes Ziel zu erreichen, so ist klar, dass sich die Qualität der Führung und der Führenden an einer einzigen Grösse zu messen hat, nämlich am erreichten Ziel, am Erfolg. Und weil jeder Führende stets sowohl Vorgesetzter als auch Untergebener ist - und damit stets einen Auftrag hat - ist seine Führungsqualität an der Erfüllung seines Auftrages zu messen. Das hat überall, wo geführt wird, zu gelten! Wird diese Grundwahrheit in der Wirtschaft weitgehend anerkannt, so ist sie in der Armee - vor allem in Friedenszeiten - verwässert worden und in der Politik fast vollständig verschwunden. Oft ist die Beliebtheit, die Anerkennung, die eigene Karriere wichtiger als die Erfüllung des Auftrages: Unternehmensleiter profilieren sich auf Kosten des Unternehmens, Parteipräsidenten sonnen sich in der Beliebtheit, während die Partei von Misserfolg zu Misserfolg eilt, militärische Kommandanten vergessen vor lauter Karrieredenken Auftrag und Soldaten. Unnötige Begründungen von Misserfolgen Es kann nicht genug betont werden: Allein die Erfüllung des Auftrages, die Erzielung des Erfolges ist in der Führung entscheidend. Der Auftrag steht im Mittelpunkt - und zwar der eigene. Deshalb ist erfolgreiche Führung immer auftragsorientiert. Von "menschenorientierter" Führung - die letztlich die eigene Person in den Mittelpunkt stellt - halte ich weder in Wirtschaft, Politik noch Armee etwas. Ebenfalls halte ich nichts von der Unsitte, dass Führungskräfte ihren Misserfolg begründen. Vor allem Politiker neigen dazu, einen Grossteil der Zeit damit zu vergeuden. Ich staune oft über das hohe Mass an kreativer Fähigkeit, das Chefs - vor allem Politiker, die sonst nicht durch besondere Kreativität auffallen - entwickeln, wenn es darum geht, den eigenen Misserfolg, die Nichterfüllung des Auftrages, wortreich zu begründen. Auch die oft gehörte Ausrede, der Grund des Misserfolges liege in der mangelhaften Qualität der Mitarbeiter oder in vorgegebenen Strukturen, ist inakzeptabel. Es gibt keine schlechten Mitarbeiter, nur schlechte Chefs. Das gilt auch, wenn man seine Untergebenen nicht selbst auswählen kann. Gute Chefs sorgen für gute Mitarbeiter, machen aus schlechten gute oder merzen deren Mängel aus, indem sie intensiver führen oder die Schwachen umgehen. Völlig abzulehnen ist die verbreitete Meinung, in der Politik gebe es Sachzwänge, gegen die man nichts unternehmen könne. Auch unfähige Manager berufen sich häufig darauf, um nichts machen zu müssen. Das Vorschieben von Sachzwängen ist nichts anderes als die Begründung des Misserfolges auf Vorrat. Das Laster der Gefallsucht Wenn ich erfolgreiche Führungspersönlichkeiten der Gegenwart und Vergangenheit analysiere, stelle ich fest, dass sie trotz verschiedensten Charakteren vor allem eine gemeinsame Eigenschaft auszeichnet: eine - manchmal fast unheimliche - Verpflichtung gegenüber der Sache, ein Ernstnehmen ihres Auftrages. Alles - auch und gerade die eigene Person - ordnen sie diesem unter. "Image", "gute Presse" und Beliebtheit haben in der Führung nichts zu suchen. Wenn man ganz bei der Sache ist, bleibt weder Kraft noch Zeit für Selbstverwirklichung, wenig Interesse an Selbstdarstellung, keine Lust, sich mit dem Beklagen eigener Mühsal und Sorgen zu beschäftigen. Wo erfolgreich geführt wird, steht die Auftragstreue im Mittelpunkt. Diese ist das eigentliche Geheimnis erfolgreicher Führung. Aus diesem Grund verlange ich in unserem Unternehmen von allen Vorgesetzten, dass sie nie einen Auftrag erteilen, ohne die Untergebenen über den eigenen Auftrag zu orientieren. Auf diese Weise gibt man sich als Vorgesetzter einerseits vor der Auftragserteilung nach unten Rechenschaft über den eigenen Auftrag, andererseits sieht, spürt und erfährt der Untergebene, dass auch der Vorgesetzte einen klar bestimmten Auftrag zu erfüllen hat. Dies hat auch in der Politik zu gelten, und darum halte ich es auch als Parteipräsident so. Verantwortung ist unteilbar Wer leitet, wer führt, wer "das Sagen hat", ist in unserem Kulturkreis traditionsgemäss in erster Linie verantwortlich. Der Verantwortliche ist einem Auftrag unterworfen, untertan. Gerade Politiker sprechen verdächtig oft und leichtfertig von dieser Verantwortung. Worin besteht denn diese Verantwortung? Sie besteht darin, die Konsequenzen für Erfolg oder Nichterfolg persönlich zu tragen. Das gilt ausdrücklich auch dann, wenn man am Misserfolg keine Schuld trägt. Deshalb sind Positionen mit höherer Verantwortung auch besser bezahlt. Das heisst aber auch, dass die Zuständigen im Falle des Misserfolges verantwortlich gemacht werden. Es geht nicht an, unbrauchbare oder frühzeitig ausscheidende Führungskräfte mit Millionenbeträgen zu belohnen oder abgewählten oder vorzeitig zurücktretenden politischen Amtsträgern ihre Pension mit fürstlichen Renten zu vergolden. Das Tragen von Verantwortung bedeutet Risiko und darf nicht mit einem goldenen Fallschirm abgesichert werden. Konzentration der Kräfte Wer erfolgreich führt, weiss, dass es entscheidend ist, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Die militärische Führungslehre spricht von "Schwergewichtsbildung". Die Wirtschaft anerkennt dies heute erfreulicherweise auch. Sie spricht von "Fokussierung". Völlig unbeachtet bleibt leider der Grundsatz der Konzentration in der Politik. Hier machen alle alles, aber niemand etwas richtig. Die Politiker meinen, sich überall einbringen zu müssen, weil sie sich nicht die Mühe und Zeit nehmen, Prioritäten zu setzen. Dasselbe gilt auch für die Parteien. Die Vorstellung, Politiker und Parteien müssten sich zu allem äussern, ist falsch. Ich verwende einen Grossteil der Arbeitskapazität in der Zürcher SVP für die Festlegung der Programmschwerpunkte, die auf Grund der bestehenden Hauptprobleme und notwendigen Grundbedürfnisse der Bevölkerung bestimmt werden. Überall die gleichen Grundsätze Es wäre Zeit, endlich anzuerkennen, dass die wesentlichen Führungsgrundsätze überall, wo geführt wird, die gleichen sind. Nachdem man sich in den letzten Jahren in Praxis und Theorie allzu sehr mit Führungsnebensächlichkeiten befasst hat, sollten sich Wirtschaft, Politik und Armee wieder um das Zentrale kümmern: Es geht zuerst und vor allem um den Auftrag, seine Erfüllung und das Tragen von Verantwortung. Missachtet man dies, gehen in der Wirtschaft Unternehmen mit allen daraus resultierenden Konsequenzen für Mitarbeiter, Kapitaleigner und Gläubiger zugrunde. In der Politik trägt der Bürger den Schaden: Er wird das Opfer sinnloser Bürokratie, bezahlt zu viele Steuern für sinnlose Ausgaben und verliert immer mehr persönliche Freiheit an sich selbst verwirklichende und anmassende Politiker. Führungsschwäche in der Armee führt zum Verlust der Sicherheit und letztlich zur Preisgabe der Unabhängigkeit. Würden der Auftrag und die Verantwortung wieder in den Mittelpunkt gestellt, bekämen Erfolg und Niederlage den ihnen zustehenden Stellenwert: Was heute vielfach als Erfolg bezeichnet wird, nämlich das Glänzen einer Person im Rampenlicht, verbirgt oftmals die Niederlage, die Nichterfüllung des Auftrages. Umgekehrt ist die Niederlage oft gerade ein Beweis für die erfolgreiche Auftragserfüllung. Alfred Escher, der in Ungnade gefallene Erbauer der Gotthardbahn, konnte nicht einmal an den Festlichkeiten des Tunneldurchstichs teilnehmen. Es war sein Auftrag, die Nord-Süd-Transversale für unser Land zu verwirklichen, und nicht, sich dafür öffentlich feiern zu lassen. Winston Churchill durfte im Sommer 1945 die europäische Friedensordnung nicht unterzeichnen, weil ihn im Juli 1945 an der Viermächtekonferenz in Potsdam die Nachricht erreichte, er habe in England die Wahlen verloren und müsse abtreten. Dies zeugt von seiner Führungsfähigkeit: Es war sein Auftrag, Europa vor der nationalsozialistischen Bedrohung zu retten, und nicht, die Wahlen zu gewinnen. Als Soldat habe ich gelernt, dass Land und Volk zu verteidigen sind, schlimmstenfalls unter Einsatz und Preisgabe des eigenen Lebens. Gibt es eine grössere persönliche Niederlage, als zu sterben? Gibt es eine grössere Auftragstreue, als das Leben für seinen Auftrag zu lassen?

28.09.2000

Der Pubertierende schlägt oft den Sack und meint den Esel

Neun Fragen an Christoph Blocher zum Thema Rechtsextremismus Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung, 28. September 2000 Interview: se. In der Diskussion über die Ursachen des Rechtsextremismus wird generell eine Verrohung der politischen Kultur beklagt. Es steht die Frage im Raum, ob provokative politische Kampagnen das Terrain für rechtsextremistische Strömungen ebnen. Nationalrat Christoph Blocher zeigt sich vom Gegenteil überzeugt: Nur das Unterdrücken von Themen - wie etwa in der Asylfrage - habe den Rechtsextremismus geschürt. Christoph Blocher nimmt im Folgenden zu neun Fragen Stellung, die ihm die NZZ nach einem vorbereitenden Gespräch schriftlich zukommen liess. Herr Blocher, wo sehen Sie die gesellschaftlichen und politischen Ursachen für rechtsextremistische Strömungen? Blocher: Was verstehen Sie unter "rechtsextremistischen Strömungen"? Meinen Sie kriminelle Gewalttaten gegen Menschen und Sachen? Denken Sie an die Verherrlichung des Totalitarismus, des staatlichen Kollektivs, des Naziterrors? Meinen Sie den braunen Rassenhass, der ebenso verabscheuungswürdig ist wie der rote Klassenhass? Meinen Sie kahlköpfige Skinheads, oder meinen Sie gar alles, was nicht links ist? Vielleicht sogar das Einstehen für die Schweiz und einen gesunden Patriotismus? Heutzutage ist es ja bald so weit, dass diejenigen, die sich für eine unabhängige, neutrale, föderalistische und direktdemokratische Schweiz einsetzen, bereits als "rechtsextrem" gelten. Dies ist umso bemerkenswerter, als bis vor zehn, fünfzehn Jahren praktisch alle Bürgerlichen unseres Landes noch einmütig zu diesen Werten gestanden sind und die Schweiz diese in den schweren Jahren 1933 bis 1945 in bewundernswürdiger Weise gegen Rechtsextremisten verteidigt hat. Jede Art von Extremismus ist eine untolerierbare Überreaktion auf Bewegungen, die den eigenen Anschauungen widersprechen oder bestehende Missstände tabuisieren. Diese Überreaktionen können so weit gehen, dass sie ganze Wertordnungen, insbesondere den Schutz der persönlichen Integrität der Mitmenschen, in Frage stellen. Was sind Ihrer Meinung nach die richtigen Mittel, um gegen den Rechtsextremismus vorzugehen? Blocher: Wer sich kriminell verhält, wer droht, schlägt, schiesst und einschüchtert, ist mit der vollen Härte des Gesetzes zu bestrafen. Das ist Sache der Polizei und der Gerichte. Es gibt kein einziges politisches Motiv, weder auf der rechts- noch auf der linksextremen Seite, das solches Treiben rechtfertigen würde. Das Verheerende am Wirken von Diktatoren und Massenverbrechern wie Hitler oder Stalin war eigentlich nicht, dass sie krank- und wahnhafte Vorstellungen hatten, sondern dass ihnen eine allmächtige Staatsorganisation ermöglichte, diese in schrecklicher Weise in die Wirklichkeit umzusetzen. Das "beste Mittel": SVP Soweit Extremisten nicht Straftäter sind, tritt man ihnen am besten mit einer glaubwürdigen Politik entgegen. Das beste Mittel gegen den Rechtsextremismus ist daher, die Politik der SVP zu unterstützen: Wir kämpfen wie niemand sonst gegen die ständige Ausbreitung der Staatsallmacht und gegen die Missachtung des Individuums. Totalitäres Gedankengut ist zu verabscheuen, ob es von links oder rechts kommt. Bei vielen Skinheads handelt es sich aber auch um Pubertierende. Je mehr man sich über ihre Äusserlichkeiten (Haartracht, Kleidung, Sprache, ausgestreckte Arme usw.) aufregt, desto interessanter finden sie sich. Der SVP aber auch der Auns wird von verschiedener Seite der Vorwurf gemacht, sie seien mit ihrer Politik und mit ihren provokativen Kampagnen Wegbereiter für den Rechtsextremismus. Wie stehen Sie zu diesen Vorwürfen? Blocher: Es handelt sich um niederträchtige Vorwürfe und Konstruktionen politischer Gegner oder des "Blicks" und ähnlicher notorischer Lügenblätter. Sie haben ein Ziel: uns mundtot zu machen. Die SVP wie die Auns führen inhaltlich prononcierte politische Kampagnen mit Themen, die zahlreiche Bürgerinnen und Bürger dieses Landes beschäftigen. Das Artikulieren solcher Themen verhindert Extremismus, das Unterdrücken der Diskussion und die Untätigkeit durch die Regierenden fördern ihn. Darum sind gerade diejenigen die grössten Förderer des Rechtsextremismus, die so laut rufen: "Haltet den Dieb!", um von ihrer Tatenlosigkeit abzulenken. Halbwüchsige Skinheads geben als Motiv für ihre Gewalttaten "Hass gegen Linke und Fremdean. Wie kommen jugendliche Rechtsextremisten Ihrer Meinung nach auf solche Motive? Blocher: Da müssten Sie diese selber fragen. Waren die Meinungsmacher in Politik, Medien und Kultur früher mehrheitlich konservativ und die Pubertierenden links, ja sogar linksextrem, so schlägt das Pendel heute auf die andere Seite, weil die veröffentlichte Meinung mehrheitlich links steht. Der Pubertierende reagiert kopflos, schlägt oft den Sack und meint den Esel. Darum hat man den Missbrauch unseres Asylwesens sowie den Kriminaltourismus - nicht zuletzt im Interesse der bei uns ansässigen Ausländer, die sich tadellos verhalten - zu bekämpfen. Wer das nicht tut, fördert den Extremismus. Am Asylmissbrauch und an der illegalen Einwanderung sind weniger die Einwanderer als die untätigen Verantwortlichen schuld. "Gefühl der Hilflosigkeit und Wut" Blocher: Ein übersteigertes nationalistisches Verhalten ist möglicherweise auch eine Gegenreaktion zum ständig betonten Internationalismus der Classe politique, zur selbstverleugnenden, kriecherischen Haltung gegenüber andern Staaten und internationalen Organisationen. Vielleicht handelt es sich um den Ausdruck eines Gefühls der Hilflosigkeit und Wut, dass die offizielle Politik dieses Landes sich um die Interessen der eigenen Bürger zuletzt zu kümmern scheint Pubertierende haben ja ein gewisses Gespür, wenn bei der Autorität etwas nicht stimmt. Sie reagieren auf ihre Weise darauf. Sie vertreten Haltungen wie "Die Schweiz den Schweizern". Fördert eine solche Einstellung nicht den Fremdenhass? Blocher: Nein. Denn jedes Land dieser Welt hat das Recht, seine historische, kulturelle und gesellschaftliche Eigenart vor einem unkontrollierten Zustrom von Fremden zu bewahren, die allein durch ihre Masse die Identität dieses Landes gefährden würden. Den Fremdenhass fördern jene, welche die Augen vor den Problemen einer unbegrenzten Immigration verschliessen. Allerdings verkennen chauvinistische Extremisten die Tatsache, dass der wahre Patriotismus zwar die Liebe und die Identifikation mit der Heimat bedeutet, niemals aber die Verachtung anderer Länder und von deren Menschen. Die SVP hatte in den letzten Jahren grosse Wahlerfolge zu verzeichnen. Sie hat dabei unter anderem den kleinen Parteien am rechten Rand des Parteienspektrums den Boden abgegraben. Gab es damit einen Rechtsrutsch innerhalb der SVP? Blocher: Wenn Sie unter "rechts" das Einstehen für eine freiheitliche Gesellschafts- und Marktordnung, für die Selbstverantwortung der Bürger, für die Betonung des Einzelmenschen anstelle der staatlichen Vermassung und den Kampf für weniger Staat und weniger Steuern verstehen, kann ich diesen Rechtsrutsch nur begrüssen. Es ist ja interessant: Bürgerliche Politiker beteiligen sich an sogenannten "Demonstrationen gegen rechts", die "Weltwoche" tritt einem internationalen Medienverbund "Netz gegen rechts" bei. Mit andern Worten: Selbst Vertreter von FDP und CVP oder die Journalisten der "Weltwoche" sagen neuerdings: Wir bekämpfen alles, was nicht links ist! Das ist ja wohl auch der Sinn des heuchlerischen Kampfes gegen Skinheads, die ohnehin von 99,99 Prozent aller Leute abgelehnt werden. "Gesinnungsschnüffelei" In verschiedenen Kantonen hatten Sie schon Probleme mit Parteimitgliedern, die als Rechtsextremisten verschrien sind. Herr Maurer hat angekündigt, man werde künftig sorgfältiger hinsehen bei neuen Parteimitgliedern. Wird das gemacht? Blocher: Extremisten und Fundamentalisten gibt es in jeder Partei, in jedem Verein, in jeder Kirche und in jedem Wirtschaftsverband. Probleme gibt es nur, wenn diese den Ton angeben und die Übermacht erringen. Die FDP schloss Fischbacher aus, ein freisinniger Ex-Grossrat stellt seine Räumlichkeiten Skinheads zur Verfügung, die Tessiner CVP ortet Kriminelle mit Mafia-Kontakten in ihren Reihen. Bei der SP stehen die Verherrlicher totalitärer, mörderischer Unrechtsregimes noch heute in Amt und Würden, und bei 1.-Mai-Demonstrationen schlagen ihre Freunde ganze Strassenzüge in Trümmer. Solche Missstände muss man bekämpfen und handeln, aber eine systematische Gesinnungsschnüffelei lehne ich aus Gründen der Meinungsfreiheit ab. Herr Blocher, Sie werden mit Attributen wie Nationalkonservativer, Nationalist oder Rechtspopulist versehen. Was halten Sie von solchen Zuschreibungen? Blocher: Ich bin liberalkonservativ; wie mich meine Gegner benennen, ist ihre Sache. Liberal bin ich in meinem Einstehen für die Freiheit des Einzelnen, für die Marktwirtschaft, für das Eigentum und in meinem ständigen Kampf gegen die Allmacht des Staates. Ein Wertkonservativer bin ich in meiner Achtung vor dem über lange Zeiträume organisch Gewachsenen, vor den nationalen und regionalen Eigenarten und schliesslich vor der Familie und andern privaten Kreisen als Gegenkonzept zum staatlichen Organisationsprinzip. Zum Schluss: Was halten Sie von der Antirassismus-Strafnorm? Blocher: Eine solche Strafnorm ist in einer freien Gesellschaft äusserst fragwürdig. Ich habe dem Bundesrat vor deren Einführung empfohlen, die Hände von einem Antirassismusartikel zu lassen, denn diese Strafnorm werde Holocaust-Leugnern und ähnlichen Wirrköpfen nur eine riesige Plattform bieten und den Rassismus allgemein fördern. Genau so ist es leider herausgekommen! Als Bundesrat und Parlament diesen Artikel genehmigten, wollte ich dann nicht gegen die Vorlage antreten, um nicht den Applaus aus der falschen Ecke zu erhalten. Als Freund der Freiheit ist mir jede Gesinnungs-Tyrannei - wie sie etwa die selbst ernannten "Rechtsextremismus-Experten" und linke Berufsschnüffler betreiben - ein Greuel. Dasselbe gilt für die bundesrätliche Antirassismus-Kommission: Man zementiert damit einen wissenschaftlich unhaltbaren "Rassen"-Begriff, während längst feststeht, dass weder Schweizer noch Juden oder Schwarze usw. eine "Rasse" sind. Es ist im Übrigen immer falsch, wenn der Staat Lehrämter über die Gesinnung errichtet, denn solche Lehrämter werden ja nie an die Geeigneten übertragen, sondern immer an jene, die ihre Hände am gierigsten danach ausstrecken Übereifer von Gutmenschen Strafrechtler und Politiker wollen jetzt die Ausweitung des Antirassismusartikels auf Äusserungenim Privat- und Familienkreis ernsthaft einführen. Dieser Übereifer von "Gutmenschen" führt zu viel gefährlicheren totalitären Tendenzen als das provokative Treiben einiger pubertierender Skinheads, die mit ihrem unreifen Gedankengut unsere freiheitlich-demokratische Rechtsordnung gewiss nicht zum Einsturz bringen werden.

16.09.2000

Politkultur im Alpenland

Kolumne für die Zürichsee-Zeitung vom 16. September 2000 von Christoph Blocher, Herrliberg An einem kalten Wintertag des letzten Jahres fragte mich ein SVP-Kantonalpräsident, ob ich bereit wäre, am 1. September anlässlich des Appenzellerfestes einen öffentlichen Vortrag zu halten. Am liebsten hätte man ein Referat über die politische Kultur. "Politische Kultur? Nein, davon verstehe ich nichts!". Der Einladende liess jedoch nicht locker. Da der 1. September noch in weiter Ferne lag und ich für die Appenzeller zudem besondere Hochachtung empfinde, sagte ich zu. Das Thema würden wir später bestimmen. Im Frühling sprach mich einer der Verantwortlichen wieder an: "Wäsch, s'get e chli Chretz wäg ösere Veraschtaltig. Di Obere vom Appezöllerfescht wönd nüd, dass Du chonsch. Sie hönd Schess, dass Du ene d'Lüüt wegnensch." Die Zeitungen - so vernahm ich - hätten das Thema bereits aufgenommen, es sei ein grosses Kesseltreiben im Gange. "Dann komme ich nicht", meinte ich. Das gehe auch wieder nicht, liess man mich wissen, besonders nachdem die Zeitungen bereits ein Politikum daraus gemacht hätten. Man sei mit dem Festkomitee so verblieben, dass ich zwar willkommen wäre, mein Referat und meine Anwesenheit aber nicht öffentlich ausgeschrieben werden dürfe. Aber schön wäre es, wenn ich ein Grusswort an die Anwesenden richten würde. "Ond" - so führte mein Kontrapart maliziös bei - "rede chasch denn, solang dass wetsch". Der Abend war schön. Drei Politiker dreier verschiedener Parteien sprachen - aufgelockert durch melancholisch-ergreifenden Appenzellerjodel - über politische Kultur. Zum Schluss - als ob eine heimliche Sünde begangen werden müsste - forderte mich dann einer unschuldig auf, doch noch ein "Grusswort" an die versammelte Gemeinde zu richten. Ich gab mir Mühe, vor allem "Grüssgott" und "Guten Abend" zu sagen, erzählte, wie ich eingeladen und halb wieder ausgeladen worden war, weil die "Oberen" meine Anwesenheit anscheinend als gefährlich betrachteten. Ich führte aus, wie schön es doch sei, in einer direkten Demokratie, einem Land der Freiheit ein offenes Grusswort an die Versammelten richten zu dürfen und vergass nicht, zwischendurch immer wieder "Grüssgott" zu sagen. Als ich merkte, dass fast ein Vortrag über politische Kultur daraus werden könnte, bekräftigte ich nochmals meinen Gruss und verliess die Bühne - nicht ohne zu erwähnen, dass es sich lediglich um ein Grusswort gehandelt habe. Ich wunderte mich über den heftigen Applaus. Hatten die Leute verstanden? Sagte ich zwischen den Zeilen mehr über die heutige Politkultur, als der Obrigkeit lieb war? Erst nachträglich erfuhr ich, dass die SVP-Vertreter das Organisationskomitee nachdrücklich auf die Folgen der Nichtausschreibung hingewiesen hatten: Dann kämen zu wenig Leute, um das Festzelt zu füllen. Sofort erklärte sich das Komitee bereit, Fr. 5'000.- ans Defizit zu bezahlen. Defizitdeckung oder Schweigegeld? Am Montag berichteten die Zeitungen über das Appenzellerfest. Sie vergassen nicht zu erwähnen, dass Idee und Durchführung des Festes einem honorablen Alt-Ständerat zu verdanken seien. Dieser "liberale" Politiker hätte gewiss keinen Augenblick gezögert, einen Vortrag über die politische Kultur zu halten und dann dem freien Wort, der Offenheit, der Toleranz und der Achtung vor dem Gegner das Wort zu reden...

31.08.2000

Nicht so ernst nehmen

Interview mit FACTS vom 31. August 2000 Neonazis soll man ignorieren, solange sie nicht straffällig werden, meint Christoph Blocher. Und die Befürworter der 18-Prozent-Initiative kann er gut verstehen. Von Sabine Windlin und Markus Schneider An der diesjährigen Albisgüetli-Rede haben Sie gesagt, die Gefahr sei gross, dass sich Volksvertreter, kaum sind sie gewählt, über das Volk erheben. Haben Sie sich über das SVP-Volk erhoben? Christoph Blocher: Wie kommen Sie auf diese Idee? In Zusammenhang mit der 18-Prozent-Initiative. Blocher: Wer eine andere Meinung hat, braucht sich deswegen nicht über das Volk zu erhe ben. Sich über das Volk erheben heisst: das Volk nicht ernst nehmen, es verachten. Das ist bei mir nicht der Fall. Die Probleme der Überfremdung sind ernst zu nehmen, allerdings taugt eine Bestandesquote nicht als Lösung. Nur: Wer eine Quote will, ist deswegen doch kein Rassist, Rechtsextremer oder Fremdenfeind. Er will einen meines Erachtens falschen Weg. Sie werden nicht zum ersten Mal von Ihrer Basis überstimmt. Bei den bilateralen Verträgen ist die Auns ausgeschert. Blocher: Ich war der Meinung, die Auns solle keine Parole ausgeben, weil das kein Thema für die Auns war. Die Auns ist eine Lobby für die Unabhängigkeit und die Neutralität und keine Partei. Die Mitgliederversammlung war dann anderer Meinung. Das gehört doch zur Demokratie. Sonst müssten wir gar keine Abstimmungen durchführen, wenn die Mitglieder keine andere Parole fassen dürften als der Präsident. Wenn man mir vorwirft, ich hätte die Basis nicht mehr im Griff, ist das die Sprache von Diktatoren. Nur Diktatoren haben Leute im Griff. Sie haben gesagt, die bilateralen Verträge seien schlechte Verträge... Blocher: ...eindeutig. Und trotzdem haben Sie diese Verträge nicht bekämpft. Sie haben auf die Wirtschaft Rücksicht genommen, Sie sind ein Opportunist. Blocher: Einer der wenigen Vorwürfe, die ich noch nie gehört habe. Ich habe bereits im Nationalrat erklärt, diese Verträge seien schlecht, denen könne ich nicht zustimmen. Aber ich war gegen das Referendum. Denn selbst wenn das Volk diese Verträge abgelehnt hätte, hätte ja dieselbe Regierung neue Verträge aushandeln müssen. Das Resultat wäre kaum besser geworden. Es gibt Situationen in der Politik, in denen man sich auch mit Schlechtem, Ungenügendem abfinden muss. Wir erleben Sie sonst mit anderem Temperament. Blocher: Ich kämpfe für das Wesentliche. Beim EWR-Vertrag lohnte es sich, bis zu den Grenzen der Erschöpfung zu gehen, denn wenn der EWR durchgegangen wäre, wäre die Schweiz innert kürzester Zeit in der EU gelandet. Da musste ich alles geben. Bei den bilateralen Verträgen hätte sich der Einsatz nicht gelohnt. Und bei der 18-Prozent-Initiative muss ich auch nicht auf die Barrikaden, weil es 190 andere Parlamentarier gibt, die dagegen ankämpfen - zudem erst noch all die Moralisten, all die selbstge rechten und selbst ernannten Apostel. Sie meinen die Leute vom "Appell für eine tolerante Schweiz"? Blocher: Ich meine die, die jetzt jeden Tag in der Zeitung sagen, man müsse tolerant sein. Das sind doch Heuchler. Es gibt kein Land auf der ganzen Welt, das die Einwanderung nicht beschränkt. Sie, Herr Blocher, spielen den Wirtschaftspolitiker, und Ihr Auns-Sekretär Hans Fehr ist der Mann fürs Grobe, der einmal gegen die Bilateralen, dann für die 18- Prozent-Initiative kämpft. Eine ideale Arbeitsteilung. Blocher: Wir haben nichts abgemacht, ich habe gar nicht gewusst, dass Hans Fehr nach Genf geht und für die 18-Prozent-Initiative redet. Er ist gewählter Nationalrat, er vertritt sei ne Meinung, ich die meine. Ihr Mann fürs Grobe? Blocher: Ich kenne Fehr schon lange. Er hat einen direkten politischen Stil und sagt, was er denkt. Er trägt seine Gedanken holzschnittartig vor, und das ist gut so. Holzschnitzartig? Blocher: Nein, holzschnittartig. Wer einen Holzschnitt macht, muss sich differenziert mit einem Gegenstand befassen, um ihn dann aufs Wesentliche zu reduzieren, um ihn in wenigen Zügen aufs Papier bringen zu können. Wer als Politiker nicht anstösst, malt so lange, bis er am Schluss keine Konturen mehr hat. Werden Sie nun von rechts überholt? Blocher: Das weiss ich nicht, das ist mir auch egal. Rechts von der SVP sollte es keine demokratisch legitimierte Partei geben - und andere interessieren mich nicht. Die Berner SVP-Nationalrätin Ursula Haller klagt über den ausländerfeindlichen Ton in der SVP. Blocher: Ich habe mit Ursula Haller schon ein paar Mal darüber gesprochen. Sie ist persönlich betroffen, weil sie einen Adoptivsohn aus Indien hat. Ich sage ihr: Du darfst nicht so empfindlich sein. Es hat niemand etwas gegen deinen Adoptivsohn. Adolf Ogi sprach vom Flugsand der Unzufriedenen. Blocher: Ich wehre mich gegen das Wort "Flugsand". Nazis haben Menschen als Flugsand bezeichnet. Ich wehre mich dagegen, dass man Leute, die unzufrieden sind, als Flugsand bezeichnet. Von hier ist es nicht mehr weit bis zum Kanonenfutter. Sie überfordern Ihre Basis intellektuell. Wirtschaftlich sind Sie weltoffen, politisch ein Isolationist. Blocher: Wir sind doch keine Isolationisten, so ein Unsinn. Politisch schon. Blocher: Nein. Wir sind für eine weltoffene Schweiz, aber wir sind dagegen, dass man die Schweiz so einbindet, dass sie nicht mehr selber entscheiden kann. Das hat nichts mit Isolation zu tun. Ich betrachte es auch als Überheblichkeit, es als intellektuelle Überforderung zu bezeichnen, wenn die Basis anderer Meinung ist. Die einfachen Leute durchschauen die politischen Zusammenhänge nicht schlechter als die Intellektuellen. Bei der 18-Prozent-Initiative sieht die SVP-Basis wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht. Blocher: Diese Leute wollen ein Zeichen setzen, damit denen in Bern klar wird, dass die Politik zu ändern ist. Leute, die nicht so gebildet sind, haben andere Antennen. Dass die schlechter sind, glaube ich nicht. Es ist leichter, Intellektuelle oder höhere Kader mit einer falschen Theorie hinters Licht zu führen als einfache Leute. Am leichtesten ist es bei den "Halbgebildeten". Die Arbeiter aber fragen: Meint er wirklich, was er sagt? Steht er zum Unternehmen? Steht er zu uns? Das Motiv ist ihnen das Wesentliche. Aus einem guten Motiv resultiert selten etwas Schlechtes, aber aus einem schlechten Motiv kommt selten etwas Gutes. Die Intellektuellen glauben gern an die Theorie, die ja konstruiert sein kann. Übernimmt der rechte Rand der Unzufriedenen die Mehrheit der SVP? Blocher: Nein. Und was heisst schon die Unzufriedenen? Der Mittelstand ist heute zu Recht unzufrieden. Warum soll er nicht den Ton angeben? Ich bin auch unzufrieden, dass die Schweiz von allen OECD-Staaten dasjenige Land ist, das in den letzten Jahren die Steuern am meisten erhöht hat - erst noch mit bürgerlicher Mehrheit. Sind Sie auch unzufrieden, dass der 1. August von Neonazis gestört wurde? Blocher: Ich bin nicht zufrieden, wenn 1.-August-Feiern gestört werden, ob von Neonazis oder von anderen. In diesem Jahr buhten sie bei Bundesrat Villiger, letztes Jahr bei mir. Aber es darf doch einer Buh rufen, wenn ich rede. Auch wenn es ein Neonazi ist? Blocher: Dann vor allem. Ich bin froh, wenn er mit mir nicht einverstanden ist. Ich bedaure, dass es da so Spinner gibt, Wirrköpfe wie Skinheads. Ihre Gestaltungskraft muss man nicht so ernst nehmen. Spinner? Nicht ernst nehmen? Blocher: Spinner können gefährlich werden. Wenn sie Unrecht begehen, schiessen, gewaltsam werden, dann sind sie wie Kriminelle zu behandeln. Aber nur weil jemand Buh ruft, kann man ihn nicht einkacheln. Die Neonazis haben auf dem Rütli nicht nur Buh gerufen. Blocher: Das weiss ich nicht. Hingegen weiss ich, dass kürzlich ein chilenischer Exminister zu einer Vorlesung an die Uni Zürich eingeladen wurde. Er wurde gehindert, seine Rede zu halten. Ich habe nun im "Tages-Anzeiger" gelesen, das sei auch eine demokratische Meinungsäusserung, wenn man einen Redner nicht zu Wort kommen lasse. Da bin ich anderer Meinung. Wird man am Reden gehindert, ist die Versammlungsfreiheit in Gefahr. Wenn Villiger auf dem Rütli am Reden gehindert worden wäre, hätte man diese Leute strafen müssen. Wie soll der Staat gegen Neonazis vorgehen? Blocher: Wir haben eine Rechtsordnung. Wenn die verletzt wird, muss man diese Leute bestrafen. Fertig. Auf der andern Seite muss man untersuchen: Was sind das für Junge? Was führt diese Jungen in diese Zirkel? Eine verbale Verurteilung wird wohl das Gegenteil bewirken. Soll man sie ignorieren? Blocher: Solange sie nicht kriminell werden, kann man sie ignorieren. Sein lassen. Die wichtigste Grundlage, mit dem der Bundesrat gegen Neonazis vorgehen will, ist das Anti-Rassismus-Gesetz. Da waren Sie nur halbherzig dafür. Blocher: Nachdem der Bundesrat diesen unseligen Artikel vorgelegt hatte, wollte ich nicht antreten, um nicht den Applaus der falschen Leute zu erhalten. Ich habe in der Vernehmlassung jedoch dem Bundesrat geschrieben, er solle den Artikel nicht vorlegen. Der Rassismus-Artikel werde den Rassismus fördern. Das traf leider auch ein. Wenn die Gesinnung unter Strafe gestellt wird, findet der Rassismus im Untergrund statt und dehnt sich dann aus. Ich bin der Meinung, Rassismus soll man gar nicht erst aufkommen lassen, indem man ihn offen widerlegt. Sie fordern Prävention? Blocher: Ich habe diese Skinheads nur einmal gesehen, bei einer Kundgebung von uns in Zürich. Mein Frau sagte ihnen, dass wir sie bei unserem Umzug nicht dabei haben wollten. Sie machten einen innerlich verwahrlosten Eindruck, abstrus und ausgestossen. Bei den Skinheads gibt es keine geistigen Köpfe wie damals bei der Roten-Armee-Fraktion, die gewaltsam den Staat umkrempeln wollte. Sie verharmlosen. Blocher: Ich wiederhole: Wenn sie straffällig werden, muss man gegen sie vorgehen, strikt, und nichts entschuldigen mit einer schweren Jugend oder sonstwie. Man muss gegen die vorgehen wie gegen ein Kind in der Pubertät: Man muss klare Grenzen setzen. Skinheads tun ja auch wichtig. Wenn die ihre Hand in die Höhe halten und merken, dass uns das stört, tun sie es wieder. Bei Nichtbeachtung hören sie von selbst auf. Welche nächsten Ziele verfolgt der Politiker Blocher? Blocher: Die Steuern, Abgaben und Gebühren müssen runter. Als ich im Albisgüetli vor drei Jahren sagte, wer zu viel Steuern zahle, schade der Heimat, gab es ein furchtbares Gejaule. Aber jetzt will auch Villiger um eine Milliarde senken. Im Kanton Zürich haben wir die Erbschaftssteuer abgeschafft, die Kantonssteuern wurden um 3 Prozent gesenkt, aber wir wollen sie um weitere 17 Prozent senken. Der Kanton Zürich ist ein wichtiger Kanton, das gibt einen Schneeballeffekt. Die Nationalratswahlen waren erfreulich heilsam: Wir haben jetzt ein viel stärkeres Gewicht. FDP und CVP nehmen in den Sachvorlagen jetzt aus Angst vor Wählerschwund mehr Rücksicht. Wo? Blocher: In der Europafrage ist es ganz frappant, aber auch in der Steuerfrage. Ich merke es im Rat, bei den Abstimmungen, etwa bei der zweiten Gotthardröhre. Das ist auch der Sinn von Wahlen, dass etwas passiert. Es ist erfreulich, dass die Freisinnigen bei den drei Energieabstimmungen auf das Dreimal-Nein eingeschwenkt sind. Kommt es zum Drei-mal-Nein, will die Linke die Liberalisierung des Stroms verhindern. Ein Eigengoal. Blocher: Dann werden wir eine Volksinitiative zur Liberalisierung der Elektrizitäts-Versorgung einreichen, da- mit der Strom endlich billiger wird. Was heisst wir? Blocher: Ich werde mich in der SVP dafür einsetzen, dass wir dies tun. Dann hoffe ich auf die Unterstützung der Wirtschaftsverbände. Eine künstliche Verteuerung der Energie werden wir nicht zulassen. Sie wollen die SVP zur Wirtschaftspartei Nummer eins machen? Blocher: Punkto Ordnungspolitik sind wir seit Jahren die führende Partei. Dazu passt das Ja zur 18-Prozent-Initiative aber ganz und gar nicht. Blocher: Eine Partei entscheidet nie ganz lupenrein ordnungspolitisch. Doch die Gesamtbilanz der SVP ist erfreulich. Wird die SVP, wenn Ogi zurücktritt, aus dem Bundesrat geworfen, wie es Christiane Brunner fordert. Blocher: Ich glaube es nicht, aber das war schon immer der Wunsch der Sozialdemokraten. Sie wollen uns draussen haben, dann werden sie stärker in der Regierung. Das müssen vor allem die andern bürgerlichen Parteien entscheiden. Wir sind ja heute schon halb draussen. Obwohl wir die stärkste Partei sind, haben wir nur einen Sitz im Bundesrat. Das ist ein Auftrag zu vermehrter Opposition. So gesehen ist das Ja zur 18-Prozent-Initiative nur logisch. Blocher: Wenn wir zwei Bundesräte hätten und diese beiden Bundesräte in der Partei verankert wären, hätten die mit der Partei vorher reden müssen. Die hätten dann den SVP-Delegierten erklären können, warum eine Regierungspartei, die zwei Sitze im Bundesrat hat, gegen diese 18-Prozent-Initiative antreten müsste. Aber sie hätten auch darlegen müssen, was zur Lösung des Ausländerproblems getan wird. Herr Blocher, wir kommen vom Eindruck nicht los: Im Grunde genommen finden Sie es ganz gut, dass die SVP die Ja-Parole ausgegeben hat. Blocher: Nein. Ich bedaure das. Aber ich verachte die SVP-Delegierten deswegen nicht.

22.08.2000

Nicht das Gescheiteste

Christoph Blocher bedauert das Ja der SVP zur 18-Prozent-Initiative. Er selbst wird Nein stimmen. Interview mit dem Tages-Anzeiger vom 22. August 2000 Autor: Mit Christoph Blocher sprach Iwan Städler Herr Blocher, haben Sie mit dem Ja der SVP-Delegierten zur 18-Prozent-Initiative gerechnet? Blocher: Ich musste damit rechnen, erwartete aber eine Nein-Parole. Die Vorlage war ja bereits in der Bundeshausfraktion umstritten. Wir verlangten damals einen Gegenvorschlag, der im Parlament abgeschmettert wurde. Der Entscheid der Delegierten ist ein Aufbegehren gegen die verfehlte Ausländerpolitik des Parlaments und des Bundesrats. Wie erklären Sie sich, dass Ihre Zürcher SVP mit der Nein-Parole für einmal regierungsfreundlicher ist als die Schweizer SVP mit der Ja-Parole? Blocher: In Zürich sind wir programmatisch weiter. Wir haben die Frage einer Ausländerquote schon vor Jahren ausgiebig diskutiert und sie in unserem Kantonalprogramm verworfen. In Genf sprachen aber Ulrich Schlüer und Hans Fehr für eine solche Quote. Sie, Herr Blocher, fehlten in Genf. Warum? Blocher: Ich war an der Generalversammlung unserer börsenkotierten Firma. Dieser Termin muss schon ein Jahr im Voraus festgelegt werden. Ich bedaure diese Terminkollision. Die Parteileitung hat ihre Basis offensichtlich nicht mehr im Griff. Blocher: Nur Diktatoren haben "die Basis im Griff". Wenn die Delegiertenversammlung immer der Parteispitze folgen würde, müsste man die Versammlung gar nicht mehr durchführen. Bei der SVP bestimmt aber die Basis. Da werden die Parolen nicht von oben her konstruiert wie bei den anderen Parteien. Nun hat die Basis etwas beschlossen, das meines Erachtens nicht das Gescheiteste ist. Werden Sie die Geister nicht mehr los, die Sie gerufen haben? Blocher: Wie kommen Sie denn darauf? Das Messerstecher-Inserat, das Plakat mit dem Ausländer, der eine Schweizer Fahne zerreisst… Blocher: Ich habe diesen saudummen Kommentar im "Tages-Anzeiger" gelesen. Das Messerstecher-Inserat hatte nichts mit Ausländern zu tun, sondern mit Kriminellen schlechthin. Auch das Plakat gegen Asylmissbrauch zeigt einen Verbrecher - das sieht jeder. Wollen Sie bestreiten, dass Ihre Politik bei der Basis eine Ausländerfeindlichkeit geschürt hat, die nun bei Fragen wie der 18-Prozent-Initiative unangenehm wird? Blocher: Nicht jeder, der für diese Initiative stimmt, ist ein Ausländerfeind. Sonst wäre auch der Bundesrat und das Parlament ausländerfeindlich, wenn sie die Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten begrenzen. Ich kenne kein Land, das die Einwanderung nicht begrenzt. Warum sind Sie gegen die 18-Prozent-Initiative? Blocher: Die Hauptprobleme sind die illegale Einwanderung und der Asylrechtsmissbrauch. Beides wird durch eine Quote nicht gelöst. Mit dieser Initiative würden ja die illegal Eingewanderten bleiben, neue legal Einreisende dürften aber nicht kommen. Das scheint mir eine komische Ausländerpolitik zu sein. Würde die Annahme der Initiative der Schweiz schaden? Blocher: Das kommt auf die Umsetzung an. Für die Wirtschaft wäre sie wohl nicht eben förderlich. Glauben Sie, dass die SVP mit ihrer Ja-Parole bei der Wirtschaft an Rückhalt verlieren wird? Blocher: Dieser Entscheid hat ihn sicher nicht gefestigt. Dennoch ist die SVP klar die wirtschaftsfreundlichste Partei. Sie hat sich stets gegen neue Steuern gewehrt. Befürchten Sie, dass die Wirtschaft der SVP jetzt weniger Spendengelder zukommen lässt? Blocher: Wenn dies der Fall wäre, würden die übrigen Parteien schon lange nichts mehr erhalten. Werden Sie selbst die 18-Prozent-Initiative ablehnen? Blocher: Selbstverständlich werde ich Nein stimmen. Werden Sie auch für ein Nein kämpfen? Blocher: Nicht an vorderster Front. Ich muss mich auf jene Vorlagen konzentrieren, wo ich alleine kämpfe. Bei der 18-Prozent-Initiative gibt es genügend andere Parlamentarier, die dagegen sind. Ich werde die Energieabgaben bekämpfen. Die sind für die Wirtschaft weit schädlicher.