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12.07.1998

Praxisferne Theorie als Grundlage für unsere Sicherheits-Politik?

Artikel vom 21. Juli 1998 Entgegnung auf den Artikel in der NZZ Nr. 162 vom 16. Juli 1998, Seite 15 "Altbekannte Rezepte mit wissenschaftlicher Begleitmusik - Kritische Anmerkungen zu Christoph Blochers Strategiebericht" In der NZZ vom 16. Juli 1998, Seite 15, kritisieren Thomas Bernauer und Stefan Brem vom auch für die NATO tätigen Zentrum für Internationale Studien (CIS) an der ETH meine Erkenntnis, dass das Festhalten an der dauernd bewaffneten Neutralität auch in Zukunft ein wichtiger Teil schweizerischer Sicherheitspolitik darstellt. Die beiden Autoren anerkennen, dass sich meine Analyse auf die neueste wissenschaftliche Literatur abstützt, bemängeln aber deren Einseitigkeit und werfen mir vor, dass ich "altbekannte und vorgefasste politische Positionen" vertrete und mich zu sehr vom "Realismus" statt vom "Institutionalismus" leiten lasse. Institutionalismus: vom Wunschdenken geleitet Tatsächlich lege ich im Gegensatz zu den erwähnten Hochschulpolitologen in meiner politischen und wirtschaftlichen Tätigkeit das Gewicht entschieden auf den Realismus. Der von Bernauer und Brem bewunderte neue "Institutionalismus" ist in meiner Arbeit von untergeordneter Bedeutung. Ich meine, gerade in der Sicherheitspolitik seien der Institutionalismus - eine besondere Form des Idealismus - und die Realitätsfremdheit ausgesprochen gefährlich. Wenn es um den Schutz vor Gewalt, um die Abwendung des Bösen und der menschlichen Unberechenbarkeit geht, so sind nicht idealistisches Wunschdenken oder lebensfremder Krisentourismus gefragt. Es ist bekannt, dass in den theoretischen Konstruktionen des Zentrums für Internationale Studien der ETH die Bedeutung der Neutralität ständig herabgespielt wird. Hier darf die Neutralität als an der geschichtlichen Wirklichkeit bewährtes und gewachsenes Element der Sicherheitspolitik keinen Platz haben, da sie der akademisch geschlossenen Welt multinationaler Kooperation und des ewigen Friedens widerspricht. Doch nützt es nichts, das Wort Krieg einfach durch das Wort Frieden, das Wort Macht einfach durch das Wort Institution zu ersetzen. Nur eines war in der Geschichte jederzeit beständiger als die Ankündigung des Endes aller Kriege: der Krieg selber! Weil die Konfliktforscher ihre Erkenntnisse lieber auf Wunschdenken als auf die Realität abstellen, schaffen sie sich ihre eigenen Konflikte: linksliberale oder sozialistische Idealisten, böse Realisten und nun auch noch Institutionalisten liegen sich in den Haaren. Die Wirklichkeit jedoch zieht an solchen akademischen Streitereien vorbei. Die Welt geht ihren eigenen Weg. Das Bild der Realität Entgegen aller institutionalistischer Theorie zerschlugen Indien und neuerdings Pakistan eine jahrzehntelange Ordnung der nuklearen Nichtverbreitung. Im Bürgerkrieg des ehemaligen Jugoslawien, gegenwärtig speziell im Kosovo, werden Dörfer zerschossen und Menschen umgebracht. Die Vertreter aller möglicher multinationaler Institutionen reisen und tagen ohne Erfolg. Bisher riefen sie: "Nie wieder Krieg!" Jetzt heisst es wesentlich kleinlauter: "Nie wieder Bosnien!" In aller Stille wappnen sich US-Verbündete auf die mögliche nächste Runde zum Schlag gegen Saddam Hussein, dessen Terrorkapazität biologischer und chemischer Waffen sie kaum etwas entgegenzusetzen haben. Bewaffnete Konflikte im Nahen Osten, im Kaukasus, in Zentralasien, in Nordafrika, südlich der Sahara und in Lateinamerika entziehen sich leider allen blauäugigen Schreibtisch-Konstruktionen friedensstiftender Einmischung. Wirklichkeit der Theorie anpassen? Die Hochschulpolitologen handeln richtig, wenn sie nach einer idealen Welt suchen. Ihre Theorien mögen im Streit der Praktiker gelegentlich klärend sein. Wenn sie aber Wunsch und Wirklichkeit verwechseln, wenn sie versuchen, die Wirklichkeit der Theorie anzupassen, wenn sie aus dem Gleichgewicht geraten, sobald man ihnen den Spiegel der eigenen Fachliteratur vorhält, dann sind sie auf dem Holzweg. Die Schweiz als neutraler Kleinstaat muss sich in der realen Welt zurechtfinden. Politologische Methoden und Ansichten kommen und gehen, die Menschen aber ändern sich nur an der Oberfläche. Gewalt im eigenen Land und Informationskrieg mit erpresserisch auftretenden Organisationen aus den USA sind die von unserer Verteidigungspolitik jetzt zu lösenden Probleme. Nicht Interventionismus im Sog anderer ist gefragt, sondern Anpassung an neue Bedrohungen. Eindrückliche neutralitätspolitische Erfolgsbilanz Die Gewährleistung der Sicherheit eines Landes ist eine äusserst anspruchsvolle Aufgabe. Sie wird besser erfüllt, wenn man sich an die Realitäten hält. Neben allen theoretischen Überlegungen ist eben auch die Erfahrung bisheriger Verteidigung eine wertvolle Hilfe. So wie der moderne Unternehmer nur Erfolg haben kann, wenn er sich auf die Lebenswirklichkeit und auf die Erfahrung abstützt, so werden wir in der Landesverteidigung erst recht nur Erfolg haben, wenn die Realität und die Lebenszusammenhänge richtig beurteilt werden. Die bewaffnete Neutralität hat zumindest den unbestrittenen Vorteil, dass die Schweiz dank ihr während nunmehr zweihundert Jahren vom Krieg verschont geblieben ist. Keine politologische oder soziologische Theorie kann auch nur im Entferntesten auf eine solche Erfolgsbilanz zurückblicken. Gerade in der auf uns zukommenden Zeit der Ungewissheit und der neuartigen Gefahren brauchen wir neben Weltoffenheit und Bewaffnung als Ausdruck von Selbstbehauptungswillen den Mut zur Selbstbeschränkung auf der weltpolitischen Bühne. Schweizerische Neutralität hat nicht nur Geschichte, sie hat Zukunft.

25.06.1998

Umfragen sind oberflächlich – weder EU noch EWR hätten eine Chance

Interview mit den Obersee-Nachrichten (ON) vom 25. Juni 1998 Am 1. Juli spricht in Rüti jener Politiker, der, obwohl er nicht Bundesrat ist, in unserem Land die grösste Macht hat: SVP-Nationalrat Christoph Blocher: Die ON sprachen mit dem Volkstribun. Interview: Peter Müller Sie sprechen am 1. Juli in Rüti. Worüber? Christoph Blocher: "Kann sich die Schweiz behaupten?" Dieser Tage wurden die bilateralen Verhandlungen mit der EU auf Basis Chefunterhändler abgeschlossen. Was bedeutet das für Sie? Kennen Sie die Inhalte? Blocher: Bei solchen Verhandlungen muss man darauf achten, dass man nicht bei jedem Treffen von Delegationen glaubt, dass es sich um abgeschlossene Verhandlungen handelt. Die Schweiz hat seit ein paar Jahren den Fehler gemacht, dass sie alle paar Monate von neuen "Durchbrüchen" gesprochen hat. Die Unterhändler haben auch jetzt gewisse technische Details neu geregelt und in gewissen Fragen eine Einigung erzielt. Beim Transitverkehr und beim freien Personenverkehr ist alles offen, die Konsequenzen noch nicht absehbar. Bevor die Verhandlungen nicht auf politischer Ebene, d.h. auf Ministerebene klar sind, kann das Ergebnis nicht beurteilt werden. Wenn das Resultat für unser Land untragbar ist, müsste das Referendum ergriffen werden, denn wir haben keinen Grund, alles zu akzeptieren. Sie haben immer wieder von einem Referendum wegen der Freizügigkeit im Personenverkehr gesprochen. Kommt dieses wirklich? Blocher: Auch das muss heute offen gelassen werden. Tatsache ist, dass ein freier Personenverkehr, wie ihn die EU für ihre Mitglieder vorgesehen hat, nicht in Frage kommt. Die Kosten für unser Land wären immens, was soziale Probleme und eine hohe Arbeitslosigkeit mit sich bringen würde. Wir können diese Freizügigkeit weder heute noch in späteren Jahren akzeptieren, ohne uns grosse Nachteile einzuhandeln. Ich denke dabei vor allem an die enormen Kosten für die Arbeitslosenversicherung, die unsere Bevölkerung zu tragen hätte. Das hängt damit zusammen, dass in den verschiedenen Ländern die Arbeitslosenkassen andere Leistungen erbringen. In Österreich beispielsweise kann ein Arbeitsloser im Laufe von zwei Jahren während maximal 100 Tagen eine Arbeitslosenentschädigung beziehen. In der Schweiz dagegen 520 Tage. In einer Rezessionszeit würden die Leute aus dem Ausland in der Schweiz Arbeit suchen. Wenn sie diese nach ein paar Monaten verlieren, könnten sie mit einer längeren Bezugsdauer rechnen. Verschiedene Umfragen bringen immer wieder das Ergebnis, Herr und Frau Schweizer möchten in die EU. Wie sähe Ihrer Meinung nach heute ein allfälliges Abstimmungsresultat aus? Blocher: Ich bin überzeugt, dass die Schweizerinnen und Schweizer einen EU-Beitritt heute massiv ablehnen würden. Man muss berücksichtigen, dass solche Umfragen oberflächlich sind. Vor einer Volksabstimmung erfolgt zuerst einmal ein in die Tiefe greifender Abstimmungskampf. Dann werden den Leuten auch die negativen Seiten eines EU-Beitritts bewusst. Und wie, wenn es "nur" um den EWR ginge? Blocher: Auch der EWR hätte heute keine Chance. All die Schreckensszenarien, die von den EWR-Befürwortern noch 1992 vorgelegt wurden und der Schweiz praktisch den Untergang voraussagten, haben sich als völlig falsch erwiesen. Das weiss die Bevölkerung. Ich erhalte täglich zahlreiche Briefe von Leuten, die damals dem EWR zugestimmt haben und mir heute mitteilen, sie würden bei einem nächsten Mal ebenfalls dagegen stimmen. Dabei wäre bei einer EWR-Abstimmung mit den gleichen Problemen wie bei den bilateralen Verhandlungen beim Transitverkehr und beim Personenverkehr zu rechnen. Als Verwaltungsratspräsident bei Netstal haben Sie sich für die Minderheitsaktionäre eingesetzt. Jetzt treten Sie zurück. Was wird mit der Firma passieren? Blocher: Ich trete nicht freiwillig zurück. Der Hauptaktionär wird den Antrag stellen, mich abzuwählen. Dieses Vorhaben wird auch gelingen. Der Kampf hat sich insofern gelohnt, als der Hauptaktionär, welcher fast 90 % der Aktien besitzt, dem bisherigen Geschäftsleiter zugesichert hat, von der damals beabsichtigten massiven Einflussnahme abzusehen. Damit ist meines Erachtens eine gute Lösung für Netstal gefunden worden. Sie vertreten eine Direktwahl des Bundesrates durch das Volk. Wird eine Ini- tiative lanciert? Blocher: Diese Frage stellt sich heute noch nicht. Ich habe die Idee einmal in die leitenden Gremien der Schweizerischen Volkspartei hineingetragen und hoffe sehr, dass sie positiv aufgenommen wird. Wann und auf welchem Weg die Umsetzung erfolgt, ist noch offen. Die SVP sorgt immer wieder für Schlagzeilen wegen Differenzen ihres Zürcher Flügels und Bundesrat Adolf Ogi. Vertritt er noch einen SVP-Kurs? Blocher: Es ist die Aufgabe einer Partei, ihre Anliegen glaubwürdig, geradlinig und auch kompromisslos zu vertreten. Es ist unausweichlich, dass dies zu Differenzen mit Regierungsmitgliedern führt, namentlich mit solchen, welche in einer Mehrparteien-Regierung eingebunden sind, wie dies beim Bundesrat der Fall ist. Im Ganzen vertritt Bundesrat Adolf Ogi den SVP-Kurs, in aussenpolitischen Belangen allerdings ist er bedauerlicherweise davon abgewichen. Das Thema Ausländer ist allgegenwärtig - die SVP hat die "Kosovo-Abstimmung" in Zürich gewonnen. Wie viele und welche Ausländer verträgt die Schweiz? Blocher: Diese Frage ist falsch gestellt. Es ist eindeutig, dass unser Land zu viele illegale Einwanderer hat. Das hängt in erster Linie damit zusammen, dass die Schweiz viel zu attraktive Bedingungen bietet. Hier muss eingegriffen werden. Mark Kuster, Präsident der Jungen SVP, verkauft Hanfprodukte. Was halten Sie davon, haben Sie ihn deswegen schon gerügt? Blocher: Davon weiss ich nichts. Sofern dies nicht illegal ist, gibt es hier auch nichts zu rügen. Die SVP will sich noch weiter ausbreiten, so auch im Wallis, wo Sie sich selbst engagieren. Was ist für die SVP in der Schweiz möglich? Blocher: Ich freue mich natürlich, wenn an möglichst vielen Orten und in möglichst vielen Kantonen neue SVP-Ortssektionen gegründet werden, die einen klaren Kurs verfolgen, wie die SVP des Kantons Zürich dies schon seit Jahren tut. Das ist dringend notwendig, damit die anstehenden Probleme in unserem Lande gelöst werden können. Probleme, welche die übrigen Regierungsparteien leider zum Teil weder anpacken noch lösen. Und was erwarten Sie von den nächsten Nationalrats- und Ständeratswahlen? Blocher: Wir hoffen selbstverständlich bei den nächsten National- und Ständeratswahlen weitere Wähleranteile zu gewinnen, um unseren politischen Lösungen zum Durchbruch zu verhelfen.

29.05.1998

Den Bürger vor den Politikern schützen

Mein Beitrag für den Tages Anzeiger vom 29. Mai 1998 Meine ausgewählte Karikatur zum Thema: Ein Schweizer Parlamentarier: Vor der Wahl und nach der Wahl ("Nebenspalter" vom 28. Oktober 1899) Auch wenn sich die Geschichte nicht wiederholt, bietet sie uns zumindest Hinweise, welche Irrwege wir auf keinen Fall beschreiten dürfen. Das ist der Sinn des dreifachen Jubiläumsjahres 1998. Souveränität und Neutralität als Zukunftswerte Im Jahre 1648 erreichte die Schweiz in mühsamsten bilateralen Verhandlungen die Loslösung vom Deutschen Reich und damit die formelle schweizerische Souveränität und Unabhängigkeit. Vor 350 Jahren konnte alle Welt zur Kenntnis nehmen: "Es ist reichs- und weltkündig, dass die Eidgenossenschaft ein freier Stand ist, so neben Gott einzig von sich selbst abhängt." Dieser diplomatische Erfolg war nur möglich geworden, weil sich die Eidgenossenschaft im vorangegangenen Dreissigjährigen Krieg strikte Neutralität auferlegt hatte. Hätten sich damals nicht die Befürworter einer strikten Neutralität durchgesetzt, wäre die Schweiz zweifellos in die verheerende Kriegskatastrophe hineingezerrt worden und damit als selbständiger Staat untergegangen. Das offizielle Bern schweigt zu diesem Jubiläum. Schämt sich der Bundesrat etwa unserer Souveränität? Aber vielleicht können wir froh sein über das bundesrätliche Schweigen. Sonst müssten wir vielleicht noch erleben, dass sich unsere Regierung 350 Jahre nach Erringung der Unabhängigkeit gegenüber dem Ausland offiziell für die damalige Tat entschuldigen würde. Dabei steht fest: Wir brauchen in der Zukunft einen Staat, der seine Souveränität und Neutralität verteidigt, auch wenn beides bei den "besseren Kreisen" gerade einmal nicht hoch im Kurs steht. Eine Zukunft ohne "Gnädige Herren" Was gibt es denn 1798 zu feiern? Einen Einmarsch fremder Truppen? Den ruhmlosen Untergang der Alten Eidgenossenschaft von 1798? Ja. So kommt es heraus, wenn die notwendigen Reformen in Politik und Wirtschaft nicht aus eigener Kraft durchgesetzt werden, sondern von der Einmischung fremder Mächte erwartet werden. Die Ereignisse von 1798 waren die Quittung für die Herrschaft einer kleinen aristokratischen Oberschicht über die Masse der Untertanen; grosse Teile der Bevölkerung wurden von der Politik und von manchen Zweigen des Erwerbslebens ausgeschlossen. Die "Gnädigen Herren" vor 1798 waren dünkelhaft, borniert und selbstgefällig. Und heute? Die "Gnädigen Herren" sind im Anmarsch auf leisen Sohlen. Der Genfer Nationalrat Peter Tschopp beispielsweise - ein Freisinniger - will neuerdings das "Informationsmonopol" des Bundesrates durch ein Gesetz sicherstellen, um künftig zu verhindern, dass eine "einfache Privatperson" eine EU-kritische Broschüre in allen Haushaltungen senden darf. Nationalrat Franz Steinegger - der Präsident der Freisinnigen - findet es "unerträglich", wenn ich mir das Recht herausnehme, unsere Regierung und das Parlament zu kritisieren, weil sie sich immer öfters gegen den erklärten Volkswillen stellen. Figuren des Ancien Régime gibt es in der Schweizer Politik heute in zunehmendem Masse, auch wenn sie statt gepuderten Perücken nur Glatzen tragen. Die künftige Schweiz braucht keine "Gnädigen Herren". Gegen die Rückkehr zum Feudalismus Vor 200 Jahren wurde hierzulande das Prinzip der Gleichheit aller Staatsbürger und der persönlichen Freiheit verwirklicht. Die Herrschaft einiger weniger über viele wurde gebrochen. Der vor 200 Jahren überwundene Feudalismus - die Herrschaft weniger über viele - soll nun aber wieder auferstehen. "Auf in die EU, auf zur Rückkehr in feudalistische Zustände, Rückkehr zur Verminderung der Zahl der Entscheidungs-Träger und zur Einschränkung der Mitspracherechte des Volkes." - So die Devise der Regierung und des Parlamentes. Die Zukunft braucht aber das Gegenteil. Verrat an den Ideen von 1848 Vor 150 Jahren hatte die Schweiz den Mut, im Europa der Monarchen den Sonderfall einer demokratischen Republik zu schaffen. Dank eines freiheitlichen Wirtschaftssystems, dank eines schlanken Staates, der die Verantwortung des Einzelnen in den Mittelpunkt stellte, dank wagemutiger Unternehmer entwickelte sich die Schweiz zu einem der wohlhabendsten und gleichzeitig friedlichsten Länder der Welt. Ohne sich in fremde staatliche Interessen einbinden zu lassen, war sie stets weltoffen - globalisiert. Das globalisierte wirtschaftliche Denken prägte die Schweiz längst bevor es zum Schlagwort wurde. Handel mit aller Welt war die Devise der Glarner "Tüechler", der Aargauer Strohhütefabrikanten, der St. Galler Stickerei, der Winterthurer Maschinenbauer oder der Westschweizer Uhrenfabrikanten. Nicht die Einbindung in bürokratische Systeme, wo der Bürger machtlos wird, ist gefragt. Weltoffenheit ohne Einbindung, Kooperation statt Integration - das sei die Devise der Zukunft. Die Zukunft braucht den liberalen, auf Selbstverantwortung des Bürgers beruhenden, schlanken Staat. Volkssouveränität ausbauen Mit dem Jahr 1848 kam aber die Entwicklung der Eidgenossenschaft noch länst nicht zum Stillstand. In den folgenden Jahrzehnten erfolgte ein eindrücklicher Weiterausbau der Volksrechte und der direkten Demokratie. Bald schon musste das Schweizervolk nämlich merken, dass die von ihm gewählten Vertreter nur zu oft ganz andere Interessen vertreten, als es ihre Wähler erwarten. Locken die Kandidaten in Wahlzeiten mit unendlichen Versprechen, vergessen sie diese bereits am Abend der gesicherten Wahl. Also erkämpft sich das Volk seit den 1860er Jahren schrittweise wesentliche Mitbestimmungsrechte auch bei Sachvorlagen. Wie aber steht es um das Mitbestimmungsrecht des Schweizervolkes bei der Zusammensetzung seiner Regierung? Zu den vornehmsten Grundsätzen jeder echten Volkssouveränität gehört das Prinzip, dass sich das Volk seine Regierung wählt. Nur durch ein Zufallsmehr von 10 gegen 9 Stimmen ist 1848 die Revisionskommission der Bundesverfassung mit der Begründung, die Schulbildung des Volkes sei dafür noch zu gering, abgewichen. Seither hat sich aber in allen Kantonen zur allgemeinen Zufriedenheit die Volkswahl der Kantonsregierungen durchgesetzt. Verkommene, unglaubwürdige Ränkespiele wie sie heute bei jeder Bundesratswahl zur Tagesordnung gehören, würden bei einer Volkswahl der Regierung unmöglich. Und wie oft hat sich der Bundesrat in den vergangenen Jahren über demokratisch zustande gekommene Volksentscheide hinweggesetzt. Heute hat auch die Kumpanei zwischen Bundesräten und Medien geradezu unappetitliche Züge angenommen. Erst bei der Möglichkeit einer Wahl oder Abwahl durch den Souverän wüsste unsere Regierung wieder, wem sie in all ihrem Tun letztlich verantwortlich ist. Wir brauchen einen Staat, in dem die Volkssouveränität durch die Möglichkeit einer Regierungswahl durch das Volk konsequent verwirklicht ist. Eigentum stärkt den freiheitlichen Staat Oft genug werden bei den gegenwärtigen Jubiläumsfeiern unsere Freiheits- und Grundrechte bejubelt. Leider stellt sich kaum jemand ernsthaft die Frage, was seither mit ihnen geschehen ist, etwa mit dem Schutz des persönlichen Eigentums. Dabei ist die Möglichkeit des Erwerbs von Eigentum die Voraussetzung für eine freiheitliche Lebensweise. Doch was wir heute erleben, ist nichts anderes als einen staatlich inszenierten Raubzug auf das Eigentum. Vertreterinnen und Vertreter des arbeitenden Mittelstandes werden heute mit saftigen obligatorischen Lohnabzügen eingedeckt. Die Zahlenden erhalten diese entgegen den Versprechungen keineswegs im vollen Umfang als AHV, IV, Pensionskasse usw. zurück. Es wird umverteilt. Auf das Jahreseinkommen sind ständig steigende Steuern, auf das Ersparte Vermögens-Steuern, auf dem Lohn Einkommenssteuern zu bezahlen. Wer etwas kauft, hat Mehrwertsteuern abzuliefern. Der Hausbesitzer versteuert sein Haus nicht nur als Vermögen, sondern zusätzlich als sogenannter Eigenmietwert. Das Verschenken der Ersparnisse an Verwandte wird steuerlich bestraft; nicht besser soll es nach dem Willen vieler Politiker denen ergehen, die etwas anlegen und später einen Gewinn auf dem Ersparten erzielen. Neuerdings wird die Erkenntnis verkündet, die älteren Menschen, die durch Sparen vorgesorgt haben, hätten eigentlich die von ihnen mitgetragene AHV gar nicht nötig. Wer stirbt und etwas hinterlässt, zahlt Steuern. In nichts sind sich die Politiker so schnell einig, wie im Raubzug auf das Eigentum des Bürgers: Steuererhöhungen, Lohnabzüge, neue Mehrwertsteuerprozente etc. Das ist die weit verbreitete Konsenspolitik. Ähnlich verwahrlost präsentiert sich heute der Umgang mit dem Gesamteigentum des Volkes, mit dem Volksvermögen. Es herrscht eine geradezu liederliche Ausgabenmentalität, die einer Verschleuderung des Volksvermögens gleichkommt. Regierung und Politiker gründen unter dem grossmäuligen Wort "Solidarität" eine Stiftung und verkünden aller Welt eine grosszügige Geldverteilung - selbstverständlich aus Volksvermögen, das ihnen nicht gehört. Wir brauchen einen Staat, der das Eigentum der Bürgerinnen und Bürger nicht ausplündert, sondern schützt. Wir brauchen wieder einen Staat, der Tüchtigkeit, Eigeninitiative und Risikobereitschaft belohnt statt bestraft. Dies ist die grosse soziale Forderung der künftigen Schweiz. Für die moderne Schweiz gilt es, den Bürger vor der Raffgier der Politiker zu schützen.

27.05.1998

Wieviel Steuern braucht der Staat?

Rede an einer Veranstaltung des Bund der Steuerzahler vom 27. Mai 1998 in Zürich "Liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler", das wäre etwa die Anrede eines Politikers, der demnächst gewählt werden will, denn vor den Wahlen sind alles "liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler"; nach den Wahlen merkt man dann, dass die Steuerzahler so begehrt sind, weil bei ihnen am meisten zu holen ist. Sie haben mir die Frage gestellt: "Wieviel Steuern braucht der Staat?". Da Sie meine politische Tätigkeit kennen, wird es Sie nicht wundern, wenn ich sage: "Auf jedenfall weniger als heute". Aber glauben Sie nicht, ich mache es mir so einfach und sage: ''Steuern zahlen ist nichts Schönes, also trete ich dafür ein, dass wir weniger bezahlen müssen''. Das Thema geht wesentlich tiefer. Verschleuderung des Volksvermögens Zuerst zur Ausgangslage: Wenn Sie täglich Zeitungen lesen, wenn Sie Politiker, den Bundesrat, Regierungen hören, dann hat man das Gefühl, dieser Staat werde langsam ausgehungert. Wenn man den Aeusserungen glauben darf, wird von morgens bis abends gespart. Wie oft höre ich im Parlament vom Bundesrat: "Die Zitrone ist ausgepresst!" Bei genauem Hinsehen (als Mitglied des Nationalrates bin ich natürlich näher am Geschehen als Sie) stellt man fest, das der Mensch, der diese Zitrone ausgepresst hat, gelähmt sein muss! Für jemanden, der wie ich gleichzeitig in der Wirtschaft tätig ist, ist es unglaublich zu sehen, wie leichtsinnig das Geld im Staate ausgegeben wird. Ausserdem ist es nicht wahr, dass dieser Staat immer weniger Geld bekommt. Im Gegenteil: Er bekommt dauernd mehr! Betrachten wir die letzten 40 Jahre, so stiegen die Einnahmen in galoppierendem Tempo (ich rede nur von den Einnahmen, nicht von den Ausgaben): 1960 haben Bund, Kanton und Gemeinden gesamthaft 5,8 Milliarden Franken eingenommen. 1980, 20 Jahre später, waren es bereits 35,8 Milliarden Franken. Für diesen Sprung brauchte man 20 Jahre, 1992 aber sprechen wir bereits von 70 Milliarden Franken. Sie sehen also, es geht rasant bergauf! Der Bund allein nahm im Jahre 1960 2,8 Milliarden Franken ein, im Jahre 1980 - also 20 Jahre später - 14,5 Milliarden Franken. 1992 waren es bereits 30 Milliarden Franken und 1998 schliesslich 40 Milliarden Franken. Sie sehen also: Nach sechsjähriger Rezession bekommt der Staat noch 10 Milliarden Franken pro Jahr mehr Geld vom Bürger. Dies beweist, dass Sie das Märchen vom ausgehungerten Staat vergessen können. Grundsätzlich dagegen, aber im konkreten Fall dafür Praktisch bei allen bürgerlichen Parteien heisst es: "Wir sind grundsätzlich gegen Steuererhöhungen. In den nächsten Jahren soll es grundsätzlich keine höheren Steuern geben". Das hören Sie überall. Die Sozialdemokraten sind grundsätzlich für mehr Steuern, die Bürgerlichen grundsätzlich dagegen. Leider kommt dies für den Steuerzahler aufs gleiche heraus. Die Sozialdemokraten haben kein besseres Rezept, als uns das Geld wegzunehmen. Die Bürgerlichen merken, dass sie gegen diesen Raubzug, gegen diese Enteignung an sich antreten müssten, also sind sie "grundsätzlich" dagegen. Bei jeder konkreten Steuererhöhung fehlt ihnen dann aber die Kraft, dagegen zu sein. Damit wird die "grundsätzliche" Ablehnung von mehr Steuern zur höflichsten Form der Steuererhöhung im Einzelfall. Beachten Sie nur die Steuer-Erhöhungen, die der Bund bzw. der Bundesrat, also eine sogenannt bürgerliche Regierung vorsieht - und zwar nicht auf Druck der Sozialdemokraten oder einer anderen Partei. 25 % mehr Bundessteuern in den nächsten 5 Jahren Für die kommenden Jahre stehen Steuererhöhungen von ungefähr 12 Milliarden Franken an. Man plant also bei den Steuern und Abgaben eine Erhöhung von über 25 %, ohne dass Sie dies im einzelnen realisieren: Mehrwertsteuererhöhung von heute 6,5 % auf neu 7,5 %, wobei 17 % dieser - angeblich wegen der Überalterung der Bevölkerung notwendigen - Erhöhung stillschweigend in der allgemeinen Bundeskasse verschwinden. 1% MWST entsprechen etwa 2,2 Milliarden Franken im Jahr. Das sind riesige Summen, welche man dem Kreislauf entzieht. Die Schwerverkehrsabgabe, über die Sie im September abstimmen, führt - wenn sie das Maximum erreicht hat - zu Transportkostenerhöhungen von ungefähr 1,8 bis 2 Milliarden Franken pro Jahr. Und wenn Sie glauben, das treffe nur die Lastwägeler, dann täuschen Sie sich. Das trifft alle, die in der Schweiz etwas transportieren. Das erhöht die Transportkosten in jedem Haushalt und verteuert die Produkte, die hier produziert und an den Bestimmungsort geführt werden. Es handelt sich um eine Steuer. Jetzt wird argumentiert: "Leistungs-abhängige Schwerverkehrsabgaben - das steht doch in der Bundesverfassung". Wer dort liest, sieht, dass man die heutige Schwerverkehrsabgabe zur Finanzierung der Strassenkosten - und nur dafür - durch leistungsabhängige Abgaben ersetzt. Dafür wäre aber lediglich etwa 1/5 notwendig. Die Schwerverkehrsabgaben ziehen dem Bürger 2 Milliarden Franken (immer pro Jahr) aus dem Sack. Allein das beschlossene Mehrwertsteuerprozent und die allenfalls - was ich nicht hoffe - in Kraft tretende Schwerverkehrsabgabe macht 4 Milliarden Franken aus. Sie haben sicher alle gelesen, dass sich alle Partner am runden Tisch bezüglich Sanierung der Bundesfinanzen geeinigt haben. Jetzt werde gespart. Wenn Sie jemanden auf der Strasse fragen (ich habe das Exempel gemacht), ob er wisse, was man beschlossen habe, dann bekommen Sie die Antwort: "Ja, jetzt wird gespart". Diesen Eindruck hat man vermittelt. Stillgeschwiegen wird, was an diesem runden Tisch zu später Nachtstunde ebenfalls vereinbart wurde: 2,5 Milliarden Franken neue Steuern und Abgaben wurden vereinbart. Man tut dies einerseits bei der Arbeitslosenversicherung durch ein drittes Lohnprozent, also weitere 2,5 Milliarden. Sie sehen: 1 % MWST - bereits beschlossen, die LSVA und ein drittes Lohnprozent - bereits 6,5 Milliarden muss der Bürger mehr bezahlen. 6,5 Milliarden Franken werden dem privaten Kreislauf entzogen! Aber die rasante Fahrt geht weiter: Der Bundesrat sieht vor, die MWST bis zum Jahre 2010 zugunsten der Sozialwerke um weitere 2,5 % zu erhöhen; mindestens weitere 5 Milliarden Franken, womit wir bei 11 Milliarden Franken angelangt sind! Die NEAT-Vorlage will die MWST zugunsten der NEAT um weitere 0,2 % erhöhen. Sie werden sagen: "Wegen 0,2 % muss man wirklich kein Theater machen". Ich sage Ihnen einfach, dass das 400 Mio. Franken sind! Der Erwerbsausfalltopf, den die Unternehmen für die Soldaten füllten, soll für die Mutterschaftsversicherung "umgepolt" werden, nachdem man schon 2,5 Milliarden Franken in die IV überwiesen hat. Die weitere Finanzierung mit 0,2 Lohnprozenten macht wiederum 400 Mio. Franken aus! Ich muss keine weiteren Ausführungen machen. Es geht wie gesagt um weitere 12 Milliarden Franken pro Jahr, die dem Bürger entzogen werden. Das sind nicht irgendwelche Forderungen von irgendwem, sondern das ist der Konsens, auf den sich das Parlament einigen wird. Wenn niemand das Referendum ergreift, ist dies beschlossene Sache. In Wahrheit entsprechen die 12 Milliarden Franken einer Bundessteuererhöhung von mehr als 25 %! Das realisiert niemand, oder niemand will es sehen. Hohe Staatsquote führt zu Arbeitslosigkeit und Armut Was haben dermassen erhöhte Steuern denn eigentlich für Folgen? In einem Land, in dem die Staatsquote zu hoch ist - das heisst, dem Bürger viel Geld für den Staat abgezogen wird - entstehen Arbeitslosigkeit und Armut, die Wirtschaft ist nicht mehr konkurrenzfähig. Das ist die bittere Warheit, die dahintersteht, und deshalb wird es ernst. Es geht nicht nur darum, ob wir mehr Steuern zahlen oder nicht, sondern um die einschneidenden volkswirtschaftlichen Folgen. Eine zu hohe Belastung mit staatlichen Abgaben, Gebühren und Steuern führt zu einer schlechten Wirtschaftssituation und zur Arbeitslosigkeit! Im Extremfall kennen wir das von den zusammengebrochenen Oststaaten, aber auch von anderen. Andererseits gibt es eine ganze Reihe von Staaten, die den Kreislauf durchschaut und Remedur geschafft haben. Dem Bürger wieder mehr Geld lassen Die kontinental-europäischen Staaten laufen alle in die falsche Richtung, auch die Schweiz! Frühzeitig gemerkt haben es hingegen die angelsächsischen Staaten, allen voran Amerika. Vielleicht erinnern Sie sich noch, dass sich Amerika zur Zeit von Präsident Reagen in jeder Beziehung in himmeltrauriger Verfassung befand, die durch ein wahnsinniges Defizit und grosse Arbeitslosigkeit manifestiert wurde. Ein Staat mit hoher Kriminalität, in dem Sie kaum die Untergrundbahn benutzen konnten, in dem obdachlose Leute auf den Strassen schliefen, die Armut in den Städten omnipräsent und beelendend war, ein Staat, der zu wenig Geld hatte. Riesige Defizite, schlechte Wirtschaft, hohe Arbeitslosigkeit prägten das Land. Präsident Reagen hat als erstes die Steuern gesenkt und zwar nicht um 1 %. Er hat den Höchststeuersatz praktisch halbiert, nämlich von über 50 % auf 28 %. Alle sagten, der ist verrückt. Er hingegen sagte: "Ich muss dafür sorgen, dass die Leute wieder Geld bekommen, damit sie investieren, etwas machen, kaufen, konsumieren, sparen". Erst anschliessend hat Reagan die Ausgaben beschnitten. Der Bevölkerung machte er klar, dass das Defizit in der Staatskasse dadurch im nächsten und übernächsten Jahr noch grösser sein werde, die Situation sich aber danach verbessern würde. Leute, die arbeiten, etwas leisten wollen, die wieder anfangen zu investieren, können auch Steuern bezahlen, die - selbst bei tieferem Ansatz - zum Abbau des Defizits führen. Er versprach, die Arbeitslosigkeit werde sinken. Schauen Sie sich Amerika heute an. Es liegt mir fern, Amerika zu verherrlichen, aber der ökonomische Sachverstand, der hinter dieser Entwicklung steht, ist beeindruckend. Als Filmschauspieler wurde Reagan in ökonomischen Belangen offensichtlich hervorragend beraten. Das heutige Amerika hat - damals unvorstellbar - kein Staatsdefizit mehr. Und das nicht durch Steuererhöhungen sondern durch Steuersenkungen. Clinton hat den Höchststeuersatz zwar wieder ein wenig angehoben, aber lediglich auf etwas über 30 %. Das ist immer noch wesentlich weniger als bei uns. Amerika hat jetzt eine der tiefsten Arbeitslosigkeitsraten der letzten Jahren und eine Hochkonjunkturdauer von rund 8 Jahren. Ein ähnliches Rezept verfolgen Neuseeland und England, wo die Radikalkur durch Frau M. Thatcher durchgeführt wurde. Solche Prozesse können nicht von Politikern eingeleitet werden, die jeden Tag gerühmt sein wollen. Es braucht Leute, die bereit sind, den Kopf hinzuhalten. Frau Thatcher brach die Macht der Gewerkschaften, weil sie davon überzeugt war, das Land könne nur durch die Senkung von Steuern, Abgaben und Gebühren sozial in Ordnung gebracht werden. Hohe Steuern, Abgaben und Gebühren sind unsozial. Sie schaffen Arbeitslosigkeit und Armut. England hat jetzt einen Labour-Premierminister, das wäre bei uns ein Sozialdemokrat. Dieser setzt die Politik von Frau Thatcher voll und ganz um, legt in der Konsequenz gar noch einen "Zacken" zu. Er hat beispielsweise die Fürsorgeunterstützung für ledige Mütter gestrichen. Ein anderer Premierminister wäre wahrscheinlich politisch ins Abseits gestellt worden. Blair hat diese Kürzung nicht vorgenommen, weil er etwas gegen ledige Mütter hat, sondern weil er davon überzeugt ist, den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen zu müssen. Und es ist kein Zufall, dass sich die Beschäftigungs-Situation in England durch die Umsetzung dieser Politik wesentlich verbessert hat. Und bei uns? Hier bastelt man an einer Mutterschaftsversicherung herum. Solche Prozesse dauern jahrelang. Die Tragik dabei ist - und das ist in der Politik ja häufig so - dass diejenigen, welche etwas Gutes einführen und umsetzen, die Früchte nicht mehr ernten können. Richtig politisieren heisst eben nicht, von morgens bis abends einen Glorienschein herumzutragen, sondern meistens das Gegenteil. Stärke zeigt jemand, der sich gegen Widerstände durchsetzt und auf "Glorie" verzichten kann. Die Wiederwahl Clintons in Amerika war die Folge der guten Wirtschaftslage. Diese ist allerdings nicht sein Verdienst, sondern derjenige seiner Vorgänger Reagen, Bush usw. Er kann nun ernten, was die andern gesät haben. In Neuseeland wurde der Premierminister, der diese Reform durchführte, abgewählt. In England profitiert Blair davon, dass die harte Arbeit bereits gemacht war. Zurück zur Tugend Kommen wir zurück zur Schweiz. Bis in die 60er Jahre galt die Devise: ein schlanker Staat, Eigeninitiative und Selbstverantwortung. Erst in den 70er Jahren, den guten Jahren, vergass man diese Tugenden und wurde zum Sozialstaat, zum Umverteilungs-Staat. Ganz gross in Mode ist heute das Wort Solidarität. Das Motto "Jeder sorgt für den anderen, aber niemand für sich selbst" hat zu einer Misere geführt. In der Rangliste der schlanken Staaten, die wir einst angeführt haben, wurden wir inzwischen von den USA, Japan, England - und schon gar nicht zu reden von den kommenden asiatischen Staaten - überholt. Der Abstand zu den Europäischen Staaten wird immer kleiner, und man wundert sich über die hohe Arbeitslosigkeit der letzten Jahre. Sie sehen: Es geht mir nicht nur allein darum, dass der Steuerzahler weniger zahlen muss, sondern um ein volkswirtschaftliches Anliegen. Einem Staat kann es nicht gut gehen, wenn man dem Einzelnen so viel wegnimmt. Politiker zeigen dauernd auf das Defizit. Sie behaupten, man nehme zu wenig ein. Sie haben gehört, wieviel mehr die Politik uns weggenommen hat oder wegnehmen wird. Da die Ausgaben gleichzeitig unverhältnismässig zunahmen, wurde das Defizit aber noch grösser. Man kommt nicht umhin, dies als Misswirtschaft zu bezeichnen. Der Staat aber gibt selbstverständlich nicht zu, dass er Misswirtschaft betreibt. Der Staat gibt zuviel aus und darum enteignet er den Bürger Wir geben viel zuviel Geld aus. Wo geben wir zuviel aus? Wir haben heute abend über die NEAT gesprochen. Wenn Sie im Privatbereich eine NEAT bauen müssten, würden Sie doch den Bedarf abklären. Die Autos müssen auf den Zug statt auf die Strasse - gut, das leuchtet mir ein. Was kostet das Projekt, was kostet der Unterhalt, wie hoch sind die Betriebskosten? Wieviel Autofahrer werden von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, wie hoch ist der Fahrpreis? Kann das rentabel sein? Sollten Sie dabei den Eindruck erhalten, der Bedarf sei gar nicht vorhanden oder das Angebot zu teuer, würden Sie selbstverständlich von einem Bau absehen. Politiker denken anders. Sie sagen: "Es braucht eine NEAT, weil wir wollen, dass die Autos auf den Zug umsteigen". Niemand fragt: "Wollt ihr auf den Zug, seid ihr bereit, zu bezahlen"? Dann lässt man eine Studie machen, weil das so in Mode ist. Klugerweise beauftragt der Bundesrat damit ein ausländisches Büro: Coopers & Lybrand in England. Dies hatte zwar den Nachteil, dass die Studie in englischer Sprache abgefasst wurde, aber den Vorteil einer neutralen Beurteilung, da die Engländer aufgrund ihrer geographischen Lage kein Interesse an der NEAT haben. Coopers & Lybrand kamen zur Erkenntnis, dass die jetzigen Kapazitäten - selbst wenn man den Lastwagenverkehr auf die Schiene bringt - bis ins Jahre 2020 ausreichen. Nachher müsste man ausbauen. Dann haben wir ja mindestens bis ins Jahr 2020 Zeit. In einem Szenario heisst es, wir brauchen sie früher. Wenn sich der Verkehr verzehn- oder verfünfzehnfacht (was eigentlich nicht anzunehmen ist), dann könnte man sogar zwei bauen. Jetzt sagt man im Bundeshaus: "Beim aktuellen Defizit in der Bundeskasse wird die NEAT nicht gebaut, bevor sie finanziert ist". Trotzdem bewilligt man jedes Jahr Kredite in der Grössenordnung von 800, 900 Mio. Franken für sogenannte Probebohrungen. Sehen Sie sich doch einmal in Sedrun im Kanton Graubünden um. Die NEAT wird unter dem Deckmantel "Probebohrungen" gebaut. Betrachten wir die Zwangsabgaben bei der Krankenkasse. Der Grundgedanke war, arme Leute zu unterstützen. Aber viele andere kommen in den Genuss. Alle, die in der Steuererklärung ein niedriges Einkommen ausweisen. Das ist bei weitem nicht dasselbe! Meine drei studierenden Kinder, auf deren Steuererklärung logischerweise 0 Einkommen und 0 Vermögen steht, erhalten Zuschüsse. Zuschüsse, auf die man nicht einfach verzichten kann. Man muss schriftlich mitteilen, dass man von diesen Zuschüssen nicht Gebrauch machen will. Man hat den Brief zu frankieren und zum Briefkasten zu bringen. Sie müssen sich also nicht dafür wehren, dass Sie Geld bekommen, sondern sich zur Wehr setzen, dass Sie keines bekommen. Das ist schwachsinnig. In diesem Bereich geht es für den Staat nicht um einen kleinen Betrag, sondern immerhin um 500 Mio. Franken! Ich habe bei der Zürcher Regierung reklamiert, das sei wohl nicht der Zweck der Uebung. Antwort: "Es sei unsozial, wenn die Leute sich melden müssten, um das Geld zu erhalten". Sie sehen, wie weit wir in Sachen Eigenverantwortung gekommen sind. Der, welcher vom Staat kein Geld will, muss sich melden. Das sind nur kleine Beispiele, die Spitze des Eisberges. Sie können sich vorstellen, wie es unter der Wasseroberfläche aussieht, wie sorglos der Staat mit dem Geld umgeht. Dabei handelt es sich um Leute, die im täglichen Leben nicht mit Milliarden umgehen, nie eine Investition tätigen müssen, die über die Grösse einer Kaffeemaschine hinausgeht. Aber sie haben keinen Respekt vor Millionen und Milliarden! Wie oft höre ich: "Ja, wegen ein paar ''Milliöönli". Zu einem Kommissionsmitglied sagte ich: "Für Sie gibt es scheinbar nur noch "Milliöönli", für mich sind das Millionen. Weder bei Ausgaben noch bei Steuergeldern gibt es die Niedlichkeitsform". Selbst in einem gut gehenden Unternehmen stellt man sich stets die Frage: "Können wir uns diese Investition von einer halben Mio. Franken leisten oder nicht"? Bessere Bewirtschaftung des Volksvermögens Auch am Beispiel der SUVA, die mit Beiträgen finanziert wird, sehen Sie, wie der Bund Geld ausgibt. Der Präsident, Herr Steinegger, ist bürgerlich. Schauen Sie einmal, zu wieviel Prozent er die Gelder anlegen liess. Oder das Beispiel des AHV-Fonds, der lediglich 3,5 - 4 % Rendite aufweist. Hätte man dieses Geld bei einer normalen schweizerischen Pensionskasse angelegt, hätte man in den letzten Jahren 1 - 2 % MWST-Prozent für die AHV sparen können! Nehmen Sie die Pensionskasse für die Mitarbeiter eines Unternehmens. Diese ist - im Gegensatz zum Bund - in Sachen Anlagemöglichkeiten sehr eingeengt. Der Bund könnte sich mittels eines entsprechenden Gesetzes die volle Freiheit verschaffen. Als private Pensionskasse aber darf man beispielsweise nur 30 % in Schweizer Aktien investieren. Die Pensionskasse meiner Unternehmen hat das Geld in den letzten vier Jahren so angelegt, wie man das macht, wenn man mit der notwendigen Sorgfalt arbeitet. Nichts besonderes hat man gemacht, nur das ordentliche. Die Früchte sind nicht ausgeblieben: Letzte Woche konnte unsere Pensionskasse folgende Verwendung der Anlagegewinne beschliessen: - Erhöhung des Deckungskapitals pro aktive Versicherte um 10 %, was einer Rentenerhöhung von 10 % für die heute noch bei EMS tätigen Mitarbeiter entspricht. - Reduktion der Arbeitnehmer-Beiträge während mindestens 4 Jahren um 25 %, was für die Mitarbeiter einer Lohnaufbesserung von durchschnittlich 1,5 % gleichkommt und einer Reduktion der Arbeitgeberbeiträge im gleichen Ausmass entspricht. - Jeder Rentner erhält ab dem 1. Juli 1998 eine Rentenerhöhung von 15 % und zusätzlich eine einmalige Sommerzulage von Fr. 1'000.--. Vielleicht müssen die Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Beiträge später wieder erhöht werden, sicher aber nicht in den nächsten vier Jahren. Mit den 20 Milliarden, die im AHV-Fonds liegen, hätte man die gleiche Rendite erzielen können. Ich habe Herrn Villiger vorgeschlagen, das Vermögen des AHV-Fonds in sechs gleiche Teile zu splitten und diese bei sechs Banken zu platzieren. Die Bevölkerung wird darüber informiert, welche Banken den Zuschlag bekommen. Am Jahresende wird veröffentlicht, wie die Rendite der einzelnen Banken aussieht. Die zwei mit der besten Rendite erhalten auch die Anteile der zwei schlechtesten zur Anlage in den kommenden Jahren. Die Resultate wären sicher erfreulich gewesen. So arbeiten wir auch im Privatbereich. Jedes Jahr vergleichen wir, welche Bank uns am besten beraten, das Geld am besten angelegt hat. Sie sollten die Beamtenversicherungskasse des Bundes sehen. Als Privatmann müsste ich für eine solche Misswirtschaft ins Gefängnis. Seit zehn Jahren wurde die Rechnung wegen Unstimmigkeiten nicht mehr abgenommen. Die Verantwortlichen wissen nicht, wem was zusteht, wer was einbezahlt hat, vermutlich ist das Deckungskapital falsch. Mit Sicherheit könnte man dies allerdings nur sagen, wenn man genau wüsste, wem was gehört und zusteht. Die Eidgenössische Finanzkontrolle hat festgehalten, dass man die Rechnung ein weiteres Mal nicht abnehmen kann, weil sie falsch ist. Ein Mitglied der Kasse hat sich zu Wort gemeldet: "Ich weiss nicht, ob das Deckungskapital stimmt. Da ich in einem Jahr pensioniert werde, habe ich nachgefragt, wie hoch mein Guthaben ist. Bei mir fehlten drei Beitragsjahre. Wenn das bei allen so ist, ist das Deckungskapital sicher um 10 % zu klein, oder aber auf jeden Fall kleiner als man meint". Ich führe diese Beispiele nicht auf, um mich lustig zu machen, sondern um darzulegen, dass wir keine Ordnung haben - weder bei den Ausgaben, noch bei den Geldanlagen. Nationalbankreserven gehören den Bürgern Auch ich glaube, dass die Reserven der Nationalbank zu hoch sind. Allerdings kann man eigentlich nicht sagen, wie hoch diese sein müssen. Die Amerikaner sagen: "Ein Dollar ist ein Dollar und unsere Volkswirtschaft ist die Reserve". Ich gehe aber davon aus, dass die schweizerische Nationalbank Reserven braucht. Die Experten-Kommission schätzt vorsichtig, die heutigen Reserven seien um 20 Milliarden Franken zu hoch. Diese 20 Milliarden Franken sind dem zu geben, dem sie gehören. Die Politiker fragen sich nicht, wem dieses Geld gehört, sondern wie sie es verteilen sollen. 7 Milliarden davon wollen sie in eine Solidaritätsstiftung einschiessen. Mit diesem Betrag - so meldet man über den Äther nach Amerika - sind selbstverständlich auch die Holocaustopfer abzugelten. Sie sollten sehen, was die internationalen Zeitungen aus dieser Meldung gemacht haben. Die beste Interpretation kam aus Honolulu und titelte "Die Schweiz verschenkt 7 Milliarden Raubgold". Es mag ja gut und recht sein, Geld zu verschenken. Doch kann es nicht Aufgabe der Politiker sein, Geld zu verschenken, das ihnen nicht gehört! Das hat nichts mit Solidarität zu tun. Das Geld muss dem Eigentümer zurückgegeben werden - dem Volk. Zu diesem Zweck habe ich verschiedene Vorschläge gemacht: - Man könnte jedem Schweizer per Briefträger ca. Fr. 3'000.- (20 Milliarden geteilt durch 7 Millionen) überbringen lassen - Sie lachen! Weil wir es nicht gewohnt sind, Geld zurück zu erhalten, das der Staat für uns verwaltet. Dabei wäre das naheliegend. Zugegebenermassen könnte es bei der Erstellung des Verteilschlüssels Schwierigkeiten geben. Ausserdem würde es zu einer Konjunkturüberhitzung führen, wenn dieses Geld gleichzeitig gesamthaft ausgegeben würde. - Wir könnten mit den 20 Milliarden Franken eine AG gründen, das Geld anlegen und allen Bürgerinnen und Bürger Aktien geben. Diese Aktien kann man behalten oder verkaufen. - Da diese Reserven der Nationalbank durch die Bevölkerung erarbeitet wurden, wäre es die gerechteste Lösung, diesen Ueberschuss in den AHV-Fonds einzubringen. Die AHV könnte dadurch für einen gewissen Zeitraum gesichert werden, was allerdings nicht von der Verpflichtung entbindet, den Fonds besser zu bewirtschaften als dies bisher der Fall war und die Kasse zu sanieren. Die junge Generation würde ebenfalls profitieren, weil die MWST nicht erhöht werden müsste. Was ist zu tun? Sie sehen, Politiker, Regierungen nehmen Geld aus allen Kassen. Jetzt denken Sie bestimmt, dann soll er uns doch sagen, was man machen soll. Was ist zu tun? Auf keinen Fall dürfen wir ja sagen zu höheren und neuen Steuern. Die SVP hat letztes Jahr jede Steuererhöhung konsequent abgelehnt, ob es nun um den Steuerfuss des Kantons Zürich, die Mehrwertsteuer oder die Erbschaftssteuer im Kanton Zürich ging. Aus diesem Grund lehnt die SVP-Fraktion auch die Schwerverkehrsabgabe ab. Im Kanton Zürich war uns leider mit der Abschaffung der Erbschaftssteuer kein Erfolg beschieden. Ich bin froh, dass der Bund der Steuerzahler die Initiative ergriffen hat und Druck macht. Damit will ich sagen, dass es dringend notwendig ist, sich gegen jegliche Erhöhung von Steuern, Gebühren und Abgaben zur Wehr zu setzen und in Kauf zu nehmen, dass das Defizit noch grösser wird. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler hat zu Recht erwähnt, dass die Ausgaben in den Jahren, in denen wir dem Staat höhere Einnahmen überlassen haben, unverhältnismässig schnell gestiegen sind. In den 70er Jahren hat das Schweizervolk zwei Steuererhöhungen verworfen. Als Resultat wurden die Ausgaben drastisch reduziert. Aufgabe des Bundes der Steuerzahler Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Sie Ihre Organisation vergrössern und referendumsfähig werden! Der Trend läuft heute da hin, dass alle Verbände, die referendumsfähig sind (Privatpersonen sind das nicht), sich vorgängig einigen. Das hat man am Beispiel der Arbeitslosenversicherungsrevision erlebt, als man die Lohnabzüge um 1 % erhöhte und die Leistungen massiv ausbaute. Da fürchtete man ein Referenum und hat dafür gesorgt, dass sich die Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigten. Die Arbeitgeber sagten: "Es ist gut, wenn wir eine Arbeitslosenkasse haben, dann ist es einfacher, die Leute zu entlassen". Die Arbeitnehmer stimmten in der Ueberzeugung zu, breiteste Unterstützung zu haben. Die Rechnung zahlt der Bürger und Steuerzahler. Wenn es der Bund der Steuerzahler schafft, bei angekündigten Steuererhöhungen in einem Monat 50'000 Unterschriften zu sammeln, bekommt er das notwendige Gewicht in Bern. Die Politiker fürchten sich vor Referenden. Man muss es nicht einmal ergreifen, allein schon die Tatsache, dass die Möglichkeit besteht, ist äusserst beunruhigend für die Politik. Natürlich müssen auch weitere Ausgaben - beispielsweise die NEAT - abgelehnt werden. Ein EU-Beitritt würde uns 5 bis 7 Milliarden Franken pro Jahr kosten. Das heisst, wir würden 1/8 bis 1/7 sämtlicher Steuerausgaben direkt nach Brüssel abliefern. Von den indirekten Kosten rede ich gar nicht. Wenn Sie sich nur überlegen, dass die Vorstellungen bezüglich des freien Personenverkehrs darauf hinauslaufen, hinsichtlich des Bezuges von Sozialleistungen alle gleichzustellen. Selbst wenn jemand nur wenige Monate in der Schweiz tätig ist, soll er während fünf Jahren sämtliche Sozialleistungen ausschöpfen dürfen. Das würde zu einem gefährlichen Gefälle führen. In Österreich zum Beispiel ist die maximale Bezugsdauer von Arbeitslosengeldern auf 100 Tage in zwei Jahren limitiert, in der Schweiz werden für 520 Tage Leistungen ausbezahlt. Das wird zu einem regen "Sozial-Tourismus" führen, der mit hohen zusätzlichen Kosten verbunden ist! Unsere Partei hat schon letztes Jahr ein Papier vorgelegt, in welchem wir aufzeigten, welche Ausgabenreduktionen möglich wären. Seit neustem erhebt man Steuern für einen bestimmten Zweck und sagt dann, es sind ja nur wenige davon betroffen - bei der Kapitalgewinnsteuer die Reichsten, bei den Schwerverkehrsabgaben das Lastwagengewerbe. Inzwischen sollte es jedem Konsumenten einleuchten, dass die LSVA den Endpreis des Produktes massgeblich erhöhen wird. Noch gefährlicher ist es, bei Steuererhöhungen Aussagen wie: "Wenn das Schweizervolk dieser Vorlage nicht zustimmt, ist die AHV in Gefahr" zu machen. Als man Herrn Bundesrat Villiger kürzlich sagte, er ginge als Minister der Steuererhöhungen in die Geschichte ein, antwortete er, die Steuern würden ja gar nicht erhöht, sondern lediglich Mehreinnahmen zugunsten der Sozialwerke erhoben. Merken sie etwas? Man gibt sich plötzlich zweckgebunden, damit man das Geld anderweitig brauchen kann. Selbstverantwortung als Grundlage Ich bin der Meinung, dass die Wohlfahrt der Bevölkerung nur gesichert werden kann, wenn das Verantwortungsgefühl, die Selbstverantwortung des Einzelnen wieder in den Mittelpunkt gestellt wird. Diejenigen, die für sich und ihre Familien sorgen, dürfen nicht bestraft, sondern müssen belohnt werden. Und wir müssen die Fürsorge-Unterstützungen wieder auf die wirklich Hilfsbedürftigen reduzieren. Wenn wir diesem Giesskannen-Verteilsystem Abhilfe schaffen, bin ich an sich sehr zuversichtlich. Eine der wichtigsten Hürden ist die Volksabstimmung! Unsere Vorfahren haben gut daran getan, die Steuern in die Verfassung zu integrieren. Wenn es um die Erhöhung der Mehrwertsteuer geht, bestehen in Bern riesige Hemmungen. Man versucht dann, die Konsequenzen mit Aussagen wie: "Der Kaffee wird dann nur um 4 Rappen teurer" oder bei der Schwerverkehrsabgabe: "Der Joghurt wird dadurch nur um 1 Rappen teurer" abzuschwächen. Ich glaube, Herr Dr. Schlüer hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass 1 Rappen lediglich die Zusatzkosten für den Transport von der Molkerei zum Laden beinhalte. Zuvor aber müssen ja schon die Milch und - wenn es sich um Fruchtjoghurt handelt - auch die Früchte hergeführt werden, weil normalerweise weder Kühe noch Fruchtbäume direkt in der Molkerei stehen. Man spricht also stets bewusst nur vom letzten Glied in der Kette und verschweigt die andern. Die wirtschaftlichen Zusammenhänge werden vernachlässigt. Je weniger die Leute im Alltag damit zu tun haben, desto weniger verstehen sie dies, und das ist höchst gefährlich. Auch bei den AHV-Beiträgen besteht die Gefahr, dass man sie über Steuerabgaben erhebt. Bereits heisst es, diejenigen, die mit 65 Jahren noch Ersparnisse besitzen, sind ja gar nicht auf die AHV angewiesen. Also kürzen oder streichen wir ihnen die AHV-Rente. Wenn das Schule macht, bekommt - wie bei einer Versicherung eigentlich üblich - nicht mehr derjenige die Leistung, der sie finanziert hat, sondern der, der mit 65 nichts hat. Derjenige, der spart und vorsorgt, wird also nicht belohnt, sondern bestraft. Ganz so extrem drückt man es natürlich nicht aus. Man sagt lediglich, die Bessergestellten brauchen weniger. Bei der Kapitalgewinnsteuer heisst es, das trifft die ganz Reichen, die an der Börse Kapitalgewinne erzielen. Überlegen Sie, wen es wirklich trifft. Professionelle Anleger bezahlen heute schon Kapitalgewinnsteuern wie juristische Personen. Sozialversicherungswerke hingegen werden nicht belastet, weil sie ja keine Steuern zahlen. Es trifft also den, der nicht professionell anlegt, sondern ein paar Wertschriften kauft und verkauft, also den Mittelstand. Dann gibt es noch solche, die reich geworden sind. Ich gehöre zum Beispiel zu diesen. Trotzdem wäre ich von der Kapitalgewinnsteuer nicht betroffen, weil ich noch nie einen Kapitalgewinn erzielt habe. Ich bin reich, weil meine Unternehmen an Wert zugenommen haben. Dafür bezahlt man heute sehr hohe Vermögenssteuern. Je weniger die Steuerzahler zahlen, desto weniger können die Politiker ausgeben. Zahlen wir mehr, wird mehr ausgegeben. Gibt man viel aus und verteilt viel, lähmt man die Eigeninitiative und Selbstverantwortung. Ich bin zum Beispiel davon überzeugt, dass man das Schweizervolk von einem guten Konzept bei der Arbeitslosenkasse überzeugen könnte, wenn sich dadurch beispielsweise die Lohnabzüge um 1 % reduzieren liessen. Vor einiger Zeit habe ich vorgeschlagen, bei beginnender Arbeitslosigkeit eine Karenzfrist von vier Wochen einzuführen. Es sollte nach menschlichem Ermessen zumutbar sein, während einer Erwerbstätigkeit für vier Wochen vorzusorgen. Allein diese Massnahme würde schon zu Einsparungen von rund 2 Milliarden Franken führen. Auch die Bezugsdauer könnte gekürzt, die Zumutbarkeit ausgedehnt werden. Dann liessen sich die Beiträge bestimmt reduzieren. Sonst würde ja niemand eine Leistungskürzung in Kauf nehmen. Aber das sind bereits Detailprobleme. Sagen Sie also Nein zu mehr Steuern. Nein heisst nämlich in diesem Fall Ja zu einem guten, gesunden, wirtschaftlich starken Staat mit wenigen Arbeitslosen, in dem die Armut nicht überhand nimmt. Das ist das politische Programm für die kommenden Jahre, und ich hoffe, dass der Bund der Steuerzahler diese Stossrichtung mit allen ihm zur Verfügung stehenden Kräften unterstützt.

09.05.1998

AUNS Mitgliederversammlung vom 9. Mai 1998

Standortbestimmung Liebe Mitglieder, meine Damen und Herren Zur 13. ordentlichen Mitgliederversammlung der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) heisse ich Sie herzlich willkommen. Haben wir unsere erste Mitgliederversammlung noch in einem 100 Sitzplätze umfassenden Saal des Bürgerhauses abgehalten, so müssen wir dieses Jahr feststellen, dass selbst dieser grosse Saal zu klein geworden ist. Ich bitte Sie, die engen Platzverhältnisse zu entschuldigen. Wenn Konzeptionslosigkeit und Widerspruch regieren Die Wahrung der Unabhängigkeit unseres Landes gegen aussen, eine der wichtigsten Staatsaufgaben, die die Bundesverfassung unseren verantwortlichen Behörden und Parlamenten zuschreibt, zeichnet sich heute durch Konzeptlosigkeit sowie Orientierungslosigkeit und darum auch Hilflosigkeit aus. Wie wäre sonst folgendes zu erklären? - Das Volk hat sich vor fünf Jahren mit dem EWR-Nein eindeutig für die Wahrung der Unabhängigkeit und die Neutralität des Landes entschieden. Der Bundesrat und das Parlament wurden dadurch verpflichtet, diesem Auftrag nachzukommen. Der Bundesrat entschloss sich, mit der Europäischen Union bilaterale Verhandlungen zu führen, um die Interessen und die Unabhängigkeit des Landes zu wahren. Doch mitten in den Verhandlungen erklärt der Bundesrat, das Ziel sei der EU-Beitritt - also nicht mehr die Unabhängigkeit des Landes. Daraus schliesst die Europäische Union verständlicherweise, die Schweiz sei bereit, bei den bilateralen Verhandlungen auch all das zu akzeptieren, was die Schweiz bei einem EU- bzw. bei einem EWR-Beitritt auch übernehmen müsste - insbesondere den freien Personenverkehr und die Verkehrspolitik der EU. Wen wundert es noch, wenn die bilateralen Verhandlungen nicht vom Fleck kommen? - Der für die bilateralen Verhandlungen zuständige Aussenminister und heutige Bundespräsident wird nicht müde, überall EU-Beitrittsvorträge zu halten und falsche Signale auszusenden. Die bilateralen Verhandlungen werden vor allem aufgrund der Konzeptionslosigkeit des Bundesrates mühsam. Wie kann man bilaterale Verhandlungen führen, wenn man im Grunde das Gegenteil will? Die Konzeptionslosigkeit hat Folgen. - Auch der Chef der schweizerischen Verhandlungsdelegation, der die Verhandlungen führen sollte, verkündet neuerdings in Zeitungsartikeln, dass die Schweiz eigentlich in die EU gehöre, was bei der Leserschaft und der Verhandlungsdelegation auf der Seite der EU zur zwingenden Schlussfolgerung führt, man brauche eigentlich gar keine bilateralen Verhandlungen. Man kann nicht gleichzeitig zwei sich widersprechende Konzepte verfolgen. - Die CVP hat vor den Wahlen 1995 erklärt, der EU-Beitritt sei bis ins Jahr 2000 überhaupt kein Thema. Nur gut zwei Jahre später - im März 1998 - will die CVP, dass die Schweiz der EU jetzt beitritt. Die Presse kommentiert diesen Entscheid wie folgt: "Damit kommt die CVP ihrem Bundesrat Cotti entgegen". Das bedeutet, dass sie demjenigen Bundesrat entgegenkommt, der eigentlich das Gegenteil zu tun hätte, nämlich die bilateralen Verhandlungen zu führen, damit unser Land dem EWR und der EU nicht beitreten muss. Wievielen Herren kann die CVP gleichzeitig dienen? - Die SP vollbringt das grösste Kunstwerk: Sie will der EU, welche bekanntlich für die direkte Demokratie keinen Platz hat, sofort beitreten. Gleichzeitig verspricht sie ihren Wählern - als handle es sich hier um lauter Dummköpfe -, sie werde die direkte Demokratie ausbauen. - Im Ferienort Interlaken beschloss die FDP im Jahre 1995, sie befürworte einen EU-Beitritt. Am 17. April 1998 verkündet sie, der Bundesrat solle bis Ende Jahr "die EU-Kompatibilität schweizerischer Normen" und die "Auswirkungen einer EU-Mitgliedschaft auf die direkte Demokratie" abklären. Zuerst entscheiden, um drei Jahre später die notwendigen Grundlagen für diesen Entscheid bereitzustellen. - Ein "Club der Unentwegten", dem leider auch gewisse Anpasser der SVP angehören, erklärt nun, man solle dem EWR beitreten, weil man sich in den Dossiers Verkehrspolitik und freier Personenverkehr bilateral nicht einigen werde. Richtig: Wären wir im EWR, dann müssten wir nicht mehr verhandeln, es gälte das Diktat der EU: Freier Personenverkehr und die Verkehrspolitik der EU. Wie kommt man dazu, einen Kolonialvertrag zu unterzeichnen? Meine Damen und Herren, zur Zeit regieren Konzeptionslosigkeit, Widersprüchlichkeit und viel, viel Doppelzüngigkeit. Wo ist der Auftrag? Würde man den Auftrag in den Mittelpunkt stellen, wäre alles ganz einfach. Und wie lautet der Auftrag? Die Bundesverfassung und das Schweizervolk haben mehrmals (EWR, Blauhelme, UNO) den Auftrag der Wahrung der Unabhängigkeit und Neutralität erteilt. Meine Damen und Herren, darauf haben unsere Politiker einen Eid abgelegt. Die Regierung hat nur zwei Möglichkeiten: Entweder, sie akzeptiert diesen Entscheid und setzt ihn ohne Wenn und Aber um, oder - wenn sie dies nicht will - muss sie zurücktreten. Zur Dekadenz der jetzigen Situation gehört aber auch, dass das Parlament selbstverständlich nur Bundesräte wählt, welche diesen Auftrag nicht erfüllen wollen. Die Folgen der Auftragsmissachtung Das Nichternstnehmen der Unabhängigkeit hat natürlich Folgen weit über die EU hinaus. Wen wundert es, dass unser Land den unverschämten, unbegründeten, erpresserischen Forderungen amerikanischer Kreise so schwach und unbestimmt entgegentritt? Um entschieden und überlegen aufzutreten, um die Interessen der Schweiz zu verteidigen, muss man zu ihr und ihren Werten stehen. Tut man das nicht, kann man seine Aufgabe nur schlecht erfüllen. Nimmt man die Neutralität nicht mehr ernst, lässt man sich überall hineinziehen, missachtet man die direkte Demokratie und den Wählerwillen zusehends, muss man sich im Ausland für Volksentscheide entschuldigen. Weil die direkte Demokratie und die Neutralität der Eingliederung der Schweiz in die Europäische Union entgegenstehen, beginnt man diese abzubauen. Zweifelt man selbst an der Souveränität des Landes, so besitzt man die Voraussetzungen und die Kraft nicht mehr, die Interessen des Landes zu verteidigen. Wo diese Werte nicht mehr respektiert werden, wo man nicht mehr die Kraft besitzt, diese zu vertreten und hochzuhalten, wird ein Land erpressbar. Schwäche auch in der Landesverteidigung Konzeptionslosigkeit zeigen sich leider nie nur an einzelnen Orten, sondern werden überall sichtbar. So steuert auch das Verteidigungsdepartement in Sachen Sicherheitspolitik einen gefährlichen Kurs. Er verunmöglicht es diesem Departement, die ihm gestellte Aufgabe, nämlich unsere höchsten Güter, die Freiheit, Unabhängigkeit und die direkte Demokratie gegen Gewaltanwendung von aussen zu verteidigen. Auch im Verteidigungsdepartement findet man zunehmend mehr Gefallen an grossspurigen internationalen Aktionen als an der Erfüllung des eigenen Auftrages. Die Schweiz im Jubiläumsjahr 1998 Meine Damen und Herren, wir feiern in diesem Jahr ein dreifaches Jubiläum: - 1648: Das heisst 350 Jahre Loslösung der Schweiz vom Deutschen Reich und damit 350 Jahre formelle schweizerische Souveränität und Unabhängigkeit - 1798: 200 Jahre Helvetik und damit Freiheit und Gleichheit aller Bürger - 1848: 150 Jahre schweizerischer Bundesstaat 1648: Westfälischer Friede Vor 350 Jahren erreichte der Basler Bürgermeister Johann Rudolf Wettstein, welcher mühsamste bilaterale Verhandlungen und unzählige Einzelgespräche zu führen hatte, durch seine diplomatische Mission bei Verkündung des Westfälischen Friedens die europäische Anerkennung der (für die meisten eidgenössischen Orte im Grunde seit den "Schwabenkriegen" von 1499 geltenden) Souveränität, so dass 1648 alle Welt lesen konnte: "Es ist reichs- und weltkündig, dass die Eidgenossenschaft ein freier Stand ist, so neben Gott einzig von sich selbst abhängt." Meine Damen und Herren, ist es etwa ein Zufall, dass Bundesrat und Parlament 1648 nicht feiern wollen? - Will denn das offizielle Bern 350 Jahre Loslösung vom Reich, 350 Jahre staatliche Souveränität und 350 Jahre kaiserlose Zeit nicht feiern? - Hat man in Bern etwa Angst, die schweizerische Bevölkerung oder gar ausländische Staaten würden auf die Souveränität der Schweiz aufmerksam? - Hat man Angst, ausländische Staaten würden uns diese gar übel nehmen? - Schämen sich Bundesrat und Parlament der Souveränität der Schweiz? Vielleicht müssen wir froh sein, wenn das offizielle Bundesbern zu diesem Jubiläum schweigt. Sonst müssten wir am Ende noch erleben, dass man sich - 350 Jahre nach Erringung der schweizerischen Unabhängigkeit - dem Ausland gegenüber offiziell für diesen "ungeheuerlichen" Akt entschuldigt. Ich zweifle nicht daran, dass sich Leute finden würden, die die Erringung der Unabhängigkeit gar als unsolidarisch bezeichnen würden. Sicher liessen sich irgendwelche Kreise finden, welche mit internationalem Druck Geld für diese Souveränitäts-Erringung fordern würden und bestimmt gäbe es in diesem Land heute genügend Politiker, die diesen Kreisen aus allerlei Fonds und Stiftungen Volksvermögen versprächen. 1798 Vor 200 Jahren versetzten französische Truppen unserem Land, das damals von einer dumpfen, langweiligen und muffigen Politik geprägt war, den Todesstoss. Der Todesstoss galt der alten Eidgenossenschaft, in der damals eine kleine, aristokratische Oberschicht über die Untertanen herrschte. Die Regierenden von 1798 waren in erschreckendem Masse selbstgefällig, realitätsfremd, dünkelhaft und borniert; sie fühlten sich über die breite Volksmasse weit erhaben. Meine Damen und Herren, solche Figuren mussten ersetzt werden. Aber Sie merken: Keine Zeit ist vor solchen politischen Figuren gefeit. Sie finden sich auch heute. Wie wäre es sonst möglich, dass zum Beispiel der Genfer Nationalrat Tschopp - seines Zeichens Vizepräsident einer Regierungspartei der Schweiz - in einem "offenen Brief" findet, es sei geradezu staatsgefährlich, dass ich meine Schrift "Die Schweiz und Europa - 5 Jahre nach dem EWR-Nein" in alle Haushaltungen verteilen liess. In einer Interpellation - so kündete er in diesem Brief an - will Tschopp das "Informations-Monopol" des Bundesrates in politischen Fragen sicherstellen und die Initiative "einfacher Privatpersonen" durch ein neues Gesetz unterbinden. Hat Herr Professor Tschopp noch nicht gemerkt, dass das Informationsmonopol des Staates 1798 seinen Niedergang gefunden hat, dass seit 1848 die Meinungsäusserungsfreiheit in der Bundesverfassung verankert ist? Sie sehen, meine Damen und Herren, ganz wie vor 1798 sind die gnädigen Herren wieder am Auferstehen, auch wenn Sie heute keine gepuderten Perücken mehr tragen. Ist es vielleicht ein Zufall, dass gerade diese Leute den vor 200 Jahren überwundenen Feudalismus, d.h. die Herrschaft weniger über viele, durch den EU-Beitritt nun wieder auferstehen lassen wollen? Der bürokratische Brüsseler Zentralismus bedeutet nichts anderes als eine Rückkehr Europas zu feudalistischen politischen Zuständen, nämlich die Verminderung der Zahl der Entscheidungsträger und die Einschränkung des Mitspracherechtes des Volkes. 1848 Die Schweiz hat sich 1848 aus eigener Kraft eine neue, liberale und freiheitliche Gestalt gegeben: Unser Land hatte damals endlich den Mut, einen Sonderfall zu schaffen. Im Gegensatz zu den Verfassungen von Helvetik (1798), der Mediation (1803) und der Restauration (1814) entstand die Bundesverfassung von 1848 ohne Einmischung fremder Mächte, allein aus dem Willen der Mehrheit des Schweizer Volkes. Nachdem die Schweiz rund 50 Jahre lang ausländischem Druck und ausländischen Interessen nachgegeben hatte, fand sie 1848 den Mut in voller Eigenständigkeit und Souveränität das ihr richtig Scheinende zu tun. Das übrige Europa betrachtete diese Entwicklung auch damals mit Skepsis, Misstrauen und sogar ausgesprochenem Widerwillen. Unser Land aber hatte 1848 mehr als genug von den Zumutungen, den Einmischungen und den Erpressungsversuchen fremder Regierungen. Die Schweiz blieb als demokratische Republik in Europa noch bis ins 20. Jahrhundert ein europäischer Sonderfall. Was den Föderalismus, die direkte Demokratie, die Neutralität und die Gemeindeautonomie betrifft, so ist sie bis zum heutigen Tag ein Sonderfall geblieben! Sogar weltweit! Meine Damen und Herren: Wer heute die nationale staatliche Souveränität aufgeben will, verrät die Idee des Bundesstaates von 1848! Die Schweiz wurde nach 1848 eines der friedlichsten Länder der Welt. Wer sich Neutralität und Nichteinmischung auferlegt und mit aller Welt Handel treiben will, ist nicht versucht, Kriege zu entfesseln. Der Bundesstaat hat 1848 den Kantonen den Abschluss von Militärbündnissen und wenig später den Kriegsdienst von Schweizern im Ausland verboten. Wer heute unsere Soldaten ins Ausland schicken will - ohne daran zu denken, dass sie dabei auch ihr Leben verlieren können und dass man dabei in die Parteilichkeit internationaler Mächte miteinbezogen wird - verrät die Idee des Bundesstaates von 1848. Der Auftrag der AUNS In einer Zeit in der Missachtung der Unabhängigkeit und der Neutralität geradezu zur Mode geworden ist, trägt die AUNS eine grosse Verantwortung. Vor gut zehn Jahren hat sie sich aufgemacht, um sich der Wahrung der Unabhängigkeit und Neutralität anzunehmen. Damals begann sich die Orientierungslosigkeit in unserem Lande abzuzeichnen. Die AUNS hat heute einen wichtigen Auftrag zu erfüllen. Die AUNS muss für diese höchsten Staatsgüter kämpfen. Sie hat dabei leider auch gegen die Obrigkeit anzutreten, die gemäss der Verfassung Unabhängigkeit, Selbständigkeit und Sicherheit unseres Landes zu schützen hätte. Die AUNS - wer denn sonst - hat diesen Kampf an vorderster Front zu führen. Ich weiss, was Sie denken, und ich verstehe Sie: Viele Menschen in diesem Land verzweifeln ob der Übermacht von Regierung, Parlament, Presse, Medien und Verbandsbürokratie, die diesen falschen Kurs beschreiten. Angesichts der Horden, die leichtsinnig einem modischen Trend nacheifern, greift ein Gefühl der Ohnmacht und der Machtlosigkeit um sich. Aber wenn ich auf die letzten zehn Jahre zurückblicke, so kann ich auch auf zunehmende Stärken auf unserer Seite hinweisen: 1. Unsere Lagebeurteilungen und die darauf gestützten Konzepte haben sich als richtig herausgestellt. Deshalb mussten wir weder die Konzepte noch unsere Aktionen jedes Jahr auswechseln. Die gründliche Lagebeurteilung, das nächtelange Ringen Ende 1991 und anfangs 1992 vor dem Kampf gegen den EWR hat sich gelohnt, weil wir dadurch sowohl die EU selbst als auch die Entwicklung in unserem Land richtig beurteilten. Der Entscheid, dass - die Freiheit - d.h. das Recht, im Lande selbst zu bestimmen und frei wählen zu können -, - die direkte Demokratie - d.h. auch bei Sachabstimmungen als Bürger entscheiden zu können - - und die Wohlfahrt in einem unabhängigen, neutralen und weltoffenen Kleinstaat Schweiz am besten aufgehoben sind, hat Bestand. Daran gibt es nichts zu rütteln! 2. Das Schweizervolk und die Stände haben sich trotz der Übermacht, die das Gegenteil wollte - mehrmals - für Unabhängigkeit und Neutralität entschieden. Das hat die Schweiz 5 Jahre lang vor grössten Missgriffen der Politik bewahrt. 3. Unsere Stärke aber liegt vor allem im Engagement unserer Mitglieder: Das haben wir unseren Gegner voraus, welche zwar über materielle Mittel verfügen, aber ohne Herz, Geist und Seele mit nichtssagenden Worthülsen wie "Öffnung, Globalisierung, Solidarität" kämpfen. Wer Strömungen nachäfft, braucht weder zu denken, noch sich zu engagieren, noch zu kämpfen. Nur wer denken kann, wer kritisch ist, kann all dem widerstehen. Selbstverständlich werden Leute, die nicht mit dem Strom schwimmen, verunglimpft und ausgegrenzt. Aber gerade dadurch werden wir widerstandsfähig, unabhängig und stark. Denken Sie daran: Nur wer gegen den Strom schwimmt, gelangt schliesslich zur Quelle! 4. Unsere Ausgangslage ist heute wesentlich besser als 1992, weil wir besser organisiert sind: - Die AUNS zählt heute bereits über 30'000 Mitglieder. Zum EWR-Kampf mussten wir noch mit 7'200 antreten. Allein seit dem letzten Jahr hat sich unser Nettobestand um über 23 %, d.h. um über 5'700 Mitglieder erhöht. - Unser Abstimmungskampffonds beträgt heute Fr. 3,1 Mio. Damit lässt sich etwas erreichen. Aber das allein genügt nicht: Das Engagement all unserer Mitgliedern in jeder Gemeinde, im Bekanntenkreis, am Arbeitsplatz, im Freundeskreis, ist von allergrösster Bedeutung. - Die Geschäftsstelle wurde zwischenzeitlich personell und administrativ verstärkt: - Seit dem 1. April ist Herr Nationalrat Hans Fehr als vollamtlicher Geschäftsführer tätig, nachdem Herr Gartenmann das Amt mit grossem Ausharrungsvermögen in einem 50 % Pensum ausgezeichnet versehen hat . Herr Gartenmann nimmt in einem Halbtagespensum die Stellvertretung von Hans Fehr wahr. - Im vergangenen Jahr wurde unsere EDV-Anlage durch die Installation neuer Hard- und Software massiv verstärkt. - Die AUNS hat letztes Jahr eine eigene Internetseite aufgeschaltet, mit der den einseitigen Presseberichten entgegengewirkt werden kann. Durch diese Massnahmen wurde die Schlagkraft der AUNS wesentlich erhöht, was für die bevorstehende Auseinandersetzung notwendig ist. Wir haben schwierige Abstimmungskämpfe vor uns, welche für die Erhaltung der Unabhängigkeit und Neutralität von grosser Bedeutung sind. Wir haben uns für mögliche Urnengänge bereitzuhalten: - für eine EU-Abstimmung - für eine zweite EWR-Abstimmung - für eine allfällige Abstimmung im Zusammenhang mit einem unbefriedigenden Ergebnis in den bilateralen Verhandlungen - für eine neue UNO-Abstimmung - für eine Verfassungs- bzw. Gesetzesänderungen, welche bewaffnete Truppen im Ausland vorsehen Lichtblick Meine Damen und Herren, in vielem hat sich die Ausgangslage für uns verbessert. Erfreulich ist, dass in der Wirtschaft fast niemand mehr für einen EU-Beitritt plädiert. Offen verkünden heute Leute der Wirtschaft, welche noch 1992 und danach einen EU-Beitritt als wirtschaftlich notwendig erachteten, dass ein EU-Beitritt nicht in Frage komme. Sie geben öffentlich zu, dass die hohen Summen von 5 - 7 Mia. jährlich untragbar und ein EU-Beitritt mit unseren Volksrechten nicht in Einklang gebracht werden kann. In Wirklichkeit hat die Wirtschaft die Standortvorteile der unabhängigen, neutralen, weltoffenen Schweiz ausserhalb der EU erkannt. Die Wirtschaft wird sich kaum mehr für einen EU-Beitritt einsetzen. Und das meine Damen und Herren ist von Bedeutung: Dank der EWR-Abstimmung, dank dem unermüdlichen Einstehen für die Unabhängigkeit, haben immer mehr Vertreter der Wirtschaft erkannt, dass der EU-Beitritt eine schlechte Lösung ist und bleibt. Die Zeit hat für uns gearbeitet. Schlusswort Meine Damen und Herren: Wer die EU-Diskussionen, wer die willfährige Haltung unserer Regierung gegenüber den Erpressungen amerikanischer Kreise, wer das leichtfertige Vorgehen in Sachen Solidaritätsstiftung, wer die vielen Zeichen, die ins Ausland geschickt werden, um eine Schuldanerkennung zu suggerieren, wer die Konzeptionslosigkeit und Orientierungslosigkeit, die bei den bilateralen Verhandlungen zum Ausdruck kommt, verfolgt, der merkt, dass die bereits im Vorjahr gemachte Bemerkung leider auch dieses Jahr Gültigkeit hat: Noch nie in diesem Jahrhundert sind Unabhängigkeit, Neutralität und Selbstbestimmung der Schweiz stärker bedroht worden als in diesen Jahren - und zwar von innen, von Seiten der Regierung und des Parlamentes. Dagegen, meine Damen und Herren, haben wir anzutreten. Wir, die AUNS, haben diesen Kampf mit vielen Gleichgesinnten dieses Landes zu führen. Schon beim EWR-Abstimmungskampf standen wir wie ein David dem Goliath gegenüber. Aber es ist eine biblische Tatsache, dass hin und wieder auch David gegen Goliath gewinnen kann. Wir haben die gute Sache, die Argumente auf unserer Seite. Dies macht mich zuversichtlich!