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17.06.2010
16.06.2010
«Wie wir auch stimmen, es ist falsch»
Interview zum UBS-Staatsvertrag mit David Sieber, «Südostschweiz», 16.6.2010 Herr Blocher, jetzt ist der UBS-Staatsvertrag doch noch unter Dach und Fach. Dazu war ein weiterer Strategiewechsel der SVP nötig. Haben Sie noch den Durchblick? Christoph Blocher: Aber natürlich. Ich weiss nichts von einem weiteren Strategiewechsel. Es galt und gilt: Obwohl sehr schlecht, wird die SVP dem Vertrag zum Durchbruch verhelfen, wenn die von der SP gestellten und vom Bundesrat beantragten Zusatzbedingungen wegfallen. Die Öffentlichkeit hat aber Mühe, der SVP-Politik zu folgen. In komplizierten Situationen kann es sein, dass von aussen die Strategie vorerst nicht nachvollzogen werden kann. Das mussten wir in Kauf nehmen. Das braucht Kraft. Diese Kraft hatten einige in der Fraktion nicht. Begreiflich. Es bleibt aber dabei: Dieser Vertrag ist eine Katastrophe, eine Schande. Lehnt man ihn ab, wird die Schweiz vertragsbrüchig, stimmt man ihm zu, verletzen wir schweizerisches Recht und die schweizerische Rechtssicherheit. Alles hohe Rechtsgüter! In diese Lage hat der Bundesrat das Parlament gebracht! Dennoch führte kein Weg an einem Ja vorbei. Schlussendlich schon. Wie wir auch stimmen, es ist falsch. Es gilt dann aber, alles daran zu setzen, dass nicht andere Staaten das gleiche Recht fordern. Ob die Regierung die Kraft hat zu sagen, die USA erhalten Kundendaten, ihr aber nicht? Warum ist die SVP einen solchen Zickzackkurs gefahren? Ich weiss nichts von einem Zickzackkurs. Nachdem die SP eine Unternehmenssteuer verlangt hat, was ihr gutes Recht ist, hat der Bundesrat unerklärlicherweise diese Bitte erfüllt. Dazu kam, dass die Mitteparteien nichts vorkehren wollten, um solche Verträge in Zukunft zu verhindern. Nachdem wir dem schlechten Vertrag auch ohne SP zum Durchbruch verhelfen konnten, konnten wir diese wirtschaftsfeindlichen Zusätze wegbringen. Also: Keine Unternehmenssteuer und die Staatsvertragshoheit beim Parlament. Dies ist nach einigen Umwegen und Unterzügen schliesslich erfüllt worden. Und deshalb hat sich die SVP nun mehrheitlich der Stimme enthalten? Ja, sonst wäre der Vertrag mit unannehmbaren Unternehmenssteuern genehmigt worden. Es gab auch Nein-Stimmen aus Ihrer Fraktion. Der Fraktionsbeschluss erfolgte mit 35 zu 17 Nein-Stimmen. Würden Sie im Parlament sitzen, könnten Sie solche Alleingänge besser unterbinden. Ich wäre näher dran, aber im Grunde sind wir alle einer Meinung: Der Vertrag ist miserabel. Nur um Schlimmeres zu verhindern, halfen wir zum Ja. Machen Sie ein Referendum? Selbstverständlich muss ein solcher Beschluss eine Referendumsklausel haben, aber ich glaube nicht, dass es ergriffen wird. Ist das nicht ein Trick, um am Schluss das Ganze zu kippen? Wir machen keine Tricks. Nachdem unsere Bedingungen erfüllt sind, wird die Mehrheit Wort halten. Das ist eine Charakterfrage.
04.06.2010
Die Trachtenvereinigungen sind wichtig für ein Land
Interview in der Mittellandzeitung am 4. Juni 2010 mit Silvan Hartmann Herr Blocher, Sie sind nach 1998 erneut Hauptsponsor des eidgenössischen Trachtenfests. Was liegt Ihnen daran, diesen Anlass zu unterstützen? Christoph Blocher: Die Trachtenvereinigung hat immer Mühe, Sponsoren zu finden. Das ist verständlich, die Wirtschaft unterstützt den Sport. Dort sind die Massen auch über das Fernsehen erreichbar. Sponsorengelder gibt die Wirtschaft nicht nur aus Sympathie. Sie betreibt damit Werbung. Darunter leidet etwa die Kultur - so die Musik und die Kunst. Die Trachtenvereinigungen sind wichtig für ein Land. Sie halten die Tradition aufrecht. Deshalb habe ich mich bereit erklärt, diesen Anlass zu unterstützen. Wäre denn die Durchführung ohne Ihre Unterstützung gefährdet gewesen? Blocher: Ich bin mir nicht sicher. Die Organisatoren sind dieses Mal frühzeitig an mich gelangt. Ich nehme an, dass sie grosse Mühe gehabt hätten. Beim Trachtenfest 1998 habe ich mich im letzten Moment bereit erklärt, weil kurzfristig ein Gönner ausgestiegen ist und das Fest sonst wohl nicht stattgefunden hätte. Man hört, dass Sie einen sechsstelligen Betrag zur Verfügung stellen. Wie hoch ist der Betrag genau? Blocher: Über den Betrag spreche ich nicht. Mehr als eine halbe Million? Blocher: Wir spielen hier kein Ratespiel. Haben Sie sich aber mit dem sechsstelligen Betrag das Recht erworben, am Trachtenfest eine Rede zu halten? Blocher: Nein, ich halte auch keine Rede. An Gelegenheiten Reden zu halten, mangelt es mir nicht. Das Einzige, was ich tun werde, ist den Trachtenumzug zu verfolgen wie alle anderen auch. Ich will möglichst im Hintergrund bleiben. Geheim halten kann man diese Gönnerschaft nicht, darum weiss man es ja auch. Warum wollten Sie denn nicht, dass es bekannt wird? Blocher: Es soll der Anlass im Mittelpunkt stehen und nicht der Gönner. Bei Sponsoren ist der Name wichtig - es geht ihnen um den Werbeeffekt. Beim letzten Trachtenfest vor zwölf Jahren hatten sich aktive Festteilnehmer über ihren Zustupf beklagt, weil die Bevölkerung so meine, Sie verpassten dem Anlass eine SVP-Etikette. Waren Sie darüber enttäuscht? Blocher: Ja natürlich, sehr enttäuscht. Die Organisatoren waren wenige Tage vor dem Anlass bei mir und baten innigst um Hilfe. Ich habe geholfen unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Dann beklagte sich die Geschäftsführerin des Verbandes am Radio! So etwas hatte ich zuvor noch nie erlebt. Die Organisatoren haben sich später aber entschuldigt, und die Person ist nicht mehr dort. Aber diese "Dreckelei" wurde dann in der ganzen Schweiz bekannt. Sie hätten sehen sollen, wer am Trachtenfest den grössten Applaus bekommen hat. Drei Tage wird Schwyz im Trachtenfieber sein. Wann wird man Christoph Blocher am Trachtenfest antreffen? Blocher: Ich bin mir noch nicht sicher, ich wurde für alle Tage eingeladen. Den Umzug am Sonntag werde ich sicher verfolgen, wohl auch den Festakt. Aber ich stehe nicht im Mittelpunkt und ich trage auch keine Tracht. Haben Sie aber eine Lieblingstracht? Blocher: Nein, eine bestimmte Lieblingstracht habe ich nicht. Aber es gibt viele schöne Trachten wie etwa die Appenzeller Tracht mit dem wunderschönen Kopfschmuck. Und dann gibt es viele schöne, einfache Trachten wie die Zürcher Werktagstracht oder die Berner Trachten. An einem Trachtenfest wird immer auch gesungen und gejodelt. Können Sie selber jodeln? Blocher: Nein, das eigentliche Jodeln beherrsche ich nicht. Ab und zu bei Festen fangen einige an zu jodeln, da gesellt man sich dazu und singt mit. Das ist doch wahre Kultur. Was ist für Sie sonst noch Schweizer Kultur – ausser Trachten? Blocher: Ich weiss nicht, ob es ein Land gibt mit so vielen Laientheatern, Musikschulen etc. Da wird durch das ganze Jahr hindurch sehr viel Kultur gelebt. Die Schweiz ist reich an Kultur. Und deshalb bin ich gegen eine staatliche Kulturförderung. Die Kultur sollte man laufen lassen, sie entwickelt sich automatisch. Was halten Sie von der Burka-Diskussion? Ist die Burka nicht auch eine Tracht? Blocher: Nein, das ist keine Tracht. Eine Tracht trägt jemand, damit er ein schönes Kleid anhat. Aber nicht als religiöses Symbol, um den Körper zu verhüllen, um Frauen zu unterdrücken. Trachtentragen ist ein Fest der Freude, das ist bei der Burka nicht so. Sie sammeln bekanntlich Hodler- und Anker-Bilder und unterstützen das Trachtenwesen. Pflegen Sie nicht ein antiquiertes Schweiz-Bild? Blocher: Hodler- und Anker-Bilder sind bestimmt nicht antiquiert und auch kein Schweiz-Bild. Sie haben Botschaften gemalt, die ewig gültig sind. Da spielt es keine Rolle, in welchem Jahrhundert das Bild gemalt wurde Hie und da tragen sie Trachten, weil man damals Trachten trug. Ich habe Freude, wenn ich Menschen in schönen Trachten sehe. Sie sagen, es mögen nicht alle Leute Trachten. Es gibt auch solche, die haben eine andere Menschenauffassung und meinen, sie müssten halb nackt herumlaufen. Gönnen wir auch Ihnen ihre Freude. Mit anderen Worten: Sie wird man nie beim Nacktwandern antreffen? Blocher: (lacht) Ich habe nicht das Gefühl, dass ich so schön bin, um dies zu tun.
01.06.2010
Eine Schlamperei von A bis Z
Interview zum Staatssvertrag in der Mittelland Zeitung vom 01.06.2010 mit Martin Rupf Herr Blocher, was sagen Sie zum Inhalt des GPK-Berichts, soweit Sie diesen überblicken? Christoph Blocher: Es ist das heraus gekommen, was ich erwartet habe. Nämlich? Blocher: Eine Schlamperei von A bis Z. Was die SVP schon damals, als der Bundesrat die ersten knapp 300 Kundendaten herausgegeben hat, bekannt gegeben hatte. Wo genau hat der Bundesrat Ihrer Meinung nach geschlampt? Blocher: Keine saubere Projektführung, kein Terminplan in der Verwaltung und mit dem Bundesverwaltungsgericht. Am Schluss reichte die Zeit nicht mehr, um die Dossiers zu bearbeiten und man gab sie rechtswidrig hinaus. Wie hätte das Debakel Ihrer Meinung nach vermieden werden können? Blocher: Es braucht weder eine Verwaltungsreform noch mehr Staatssekretäre. Sondern es braucht nur Bundesräte und eine Verwaltung, die ihre Arbeit so machen, wie sich das gehört. Im Bericht heisst es, der Bundesrat habe sich vom Finanzplatz instrumentalisieren lassen. Ihre Einschätzung? Blocher: Klar hat der Finanzplatz versucht, den Bundesrat zu beeinflussen. Das macht eigentlich auch nichts. Wie bitte? Blocher: Viele Verbände und Interessensgruppen versuchen, auf die Politik Einfluss zu nehmen. Längst nicht alle, die mit einer hohlen Hand ums Bundeshaus rumstreichen, sind Clochards. Entscheidend ist, dass der Bundesrat dem Einfluss nachgegeben hat – ja nachgeben musste. Wieso hat der Bundesrat nachgegeben? Blocher: Die zwei Schweizer Banken sind so gross, dass man sie nicht fallen lassen durfte, weil das die Schweizer Wirtschaft in den Abgrund gezogen hätte. Deshalb muss das "To-big-too-fail"-Problem endlich gelöst werden. Mit einer Holdingstruktur? Blocher: Ja. Unser Modell sieht zum Beispiel eine UBS USA, eine UBS China, eine UBS Schweiz etc. vor. Diese ausländischen Einheiten dürfen finanziell nicht verknüpft sein. Dann könnte eine ausländische Einheit notfalls Konkurs gehen, ohne dass die Schweiz UBS davon betroffen wäre. Zurück zum GPK-Bericht. Braucht es jetzt noch eine PUK? Blocher: Ja. Die Prüfungskompetenz einer PUK reicht viel weiter als diejenige der GPK. Welche Fragen könnten dann noch beantwortet werden? Blocher: Die PUK hat ähnliche Kompetenzen wie ein Gericht, nur leider besteht sie aus Parlamentariern (lacht). Ganz entscheidend ist die Klärung der Frage, ob die Aufsichtsbehörde eine gute Arbeit gemacht hat oder nicht. Ich bin überzeugt, eine vom Bund gewählte Aufsicht ist bei der heutigen Bankenorganisation nicht in der Lage, eine Grossbank wie die UBS mit all ihren Auslandtätigkeiten zu überwachen. Der GPK-Bericht kritisiert vor allem Finanzminister Hans-Rudolf Merz. Ist sein Rücktritt nun überfällig? Blocher: Natürlich trägt Hans-Rudolf Merz eine grosse Verantwortung in dieser ganzen Angelegenheit. In die Pflicht zu nehmen ist aber auch der Bankenausschuss (Merz, Calmy-Rey und Widmer-Schlumpf) und ebenso der Gesamtbundesrat, die es verpasst haben, Merz kritische Fragen zu stellen, einen sauberen Ablauf zu verlangen und die Verantwortung zu übernehmen. Mit Rücktrittsforderungen gegenüber einzelnen Personen ist es nicht getan. Die Schlamperei ist die Folge des schönrednerischen, süsslichen Kollegialprinzips ohne persönliche Verantwortung für das Ganze.
29.05.2010