Wie Christoph Blocher (69) zum Jungjäger wurde

Interview von Karl Lüönd für die Zeitschrift «Jagd & und Natur» in der Juli-Ausgabe 2010

90 Kandidaten, ein Viertel davon Frauen, sind dieses Frühjahr zur Vorarlberger Jägerprüfung angetreten, 60 haben bestanden, darunter auch alt Bundesrat Dr. Christoph Blocher (69). «Der Lehrstoff war fast umfassender als beim juristischen Doktorexamen,» sagte er hinterher. Der prominente Politiker will in Zukunft im Montafon jagen.

«Aufgefallen ist er am Anfang schon,» erinnert sich Jörg Gerstendörfer, Leiter der Vorarlberger Jägerschule. «Nicht nur wegen seines Jahrgangs, sondern weil er meist in Anzug und Krawatte kam. Aber er hat sich sofort toll integriert und war bald mit allen per Du.» Besonders beeindruckt hat den Schulleiter, dass Christoph Blocher auch auf den meisten Exkursionen und Anschuss-Seminaren dabei war, sogar an den Erste-Hilfe-Kurse, die er als ehemaliger Offizier nicht mehr hätte mitmachen müssen. Der Kurs umfasst immerhin rund 25 Abende mit je vier Lektionen, dazu je zwei Stunden Hin- und Rückfahrt. Gelernt hat Christoph Blocher vor der Prüfung vor allem am frühen Morgen. «Ich bin einfach zwei Stunden früher aufgestanden, dafür weiss ich jetzt, wie viele Eier das Rebhuhn legt.»

Warum Vorarlberg?

Christoph Blocher sagte im Gespräch mit J&N: «Weil ich im Vorarlberg zur Jagd gekommen bin, und weil ich voraussichtlich dort weidwerken werde. Und weil ich genau die gleichen Bedingungen erfüllen wollte wie die anderen Jäger dort auch, habe ich den Vorarlberger Kurs gebucht. Ich wollte keinerlei Sonderrechte. Mancher Teilnehmer hat sich darüber gewundert, und mehr als einer hat mir nachher beim Bier gesagt: Unsere Politiker hätten sich diese Mühe sicher nicht gemacht, sondern wären auf andere Weise zum Jagdschein gekommen…»

Vor fünfzehn Jahren hat Christoph Blocher, der als Luftschutzoberst immer ein guter Schütze gewesen ist, auf Gästekarte sein erstes Tier erlegt, einen Rehbock im Silbertal. «Wir hatten gepirscht, ich lag im Gras, das Tier lag sofort.» Kurz nachher folgte seine erste Gams. Dies alles geschah im Revier Gafluna im Silbertal hinter Schruns, das seit mehr als zwei Jahrzehnten von den Zürcher Pächtern Walter Frey (alt Nationalrat) und Prof. Franz (Schurle) Rhomberg bewirtschaftet wird. Blocher hatte Walter Frey zur Politik gebracht, Autoimporteur Frey begeisterte ihn im Gegenzug für die Jagd.

«Prüfung ablegen war Ehrensache!»

«Was als Versuch und Ferienplausch angefangen hatte, wurde bald zur Passion. Es hat mich nicht nur interessiert, zu schiessen, sondern ich beobachte auch gern und lerne gern etwas über Tier und Natur. Schliesslich wurde es für mich zur Ehrensache, dass ich wie alle anderen auch die Prüfung ablegte. Ob Blocher nun in der Gafluna zum Mitpächter aufsteigt, ist noch offen. Dass er auch noch die Zürcher Jägerprüfung ablegen wird, ist aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich, «aber wenn sich die konkrete Frage stellt, würde ich es mir überlegen,» sagt der Mann, der seit Jahren die Schweizer Politik bewegt wie kaum ein zweiter.

«Erlegen kommt etwa an vierter Stelle.»

Was sieht der frisch brevetierte Jungjäger Blocher heute anders als früher, als er noch als unbewaffneter Berggänger unterwegs war? «Als Laie hatte man den Eindruck, es gehe bei der Jagd vor allem um das Erlegen. Jetzt weiss ich, dass das erst etwa an vierter Stelle kommt. Die Zusammenhänge zwischen Wald und Wild, die Hege, der Landschaftsschutz und die Rücksicht auf andere Nutzer, vor allem die Sicherheit, sind wichtiger. Ich habe gespürt und war auch beeindruckt, wie ernst es die Jäger nehmen und wie wichtig ihre Rolle im Naturkreislauf ist; das ist für den Laien nicht so ersichtlich. Auch die Zusammenarbeit zwischen Jägern, Förstern, Landwirten und Naturschützer sehe ich heute viel breiter.»

Von Christoph Blocher ist bekannt, dass er jeden Morgen seine sechs Kilometer läuft – ideale Voraussetzungen für einen bewegungsfreudigen Jagdhund! Wie steht es damit? «Unser Jagdaufseher hat einen Kleinen Münsterländer. Bei mir ist das Problem halt, dass ich immer noch aktiv und deshalb bei weitem nicht immer zuhause bin.»
Und ins Bundeshaus müsste Christoph Blocher, um seinen Stil zu wahren, eher einen scharfen Terrier mitnehmen…

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