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31.01.2002

UNO: Gibt es ein Ausserhalb?

Streitgespräch mit Bundesrat Pascal Couchepin im St. Galler Tagblatt vom 31.Januar 2002 Die Schweiz ist ein kleines Land, das neutral und unabhängig bleiben will. Darin sind sich Bundesrat Pascal Couchepin und Nationalrat Christoph Blocher (SVP/ZH) einig. Trotzdem will der eine in die UNO und der andere nicht. Ein Streitgespräch. Gesprächsleitung: Denis Barrelet ("24 heures") und René Lenzin, St. Galler Tagblatt Herr Blocher, weshalb ist Ihr Bild der Schweiz nicht mit dem UNO-Beitritt vereinbar? Christoph Blocher: Die Schweiz ist ein kleines Land, das grossen Wert legt auf Freiheit, Selbstbestimmung, direkte Demokratie und die integrale, das heisst umfassende Neutralität. Das Erfolgsrezept der Schweiz im Bezug auf die Welt ist, dass sie weltoffen und mit allen befreundet ist, sich aber nicht einbinden lassen will. In der UNO sind wir überall dabei, wo es nicht um Kriegsfragen geht. Wir zahlen, reden und beschliessen dort mit. Beschlüsse in dieser technischen UNO sind jedoch nicht verbindend. Am 3. März geht es um die politische UNO und um die Frage, ob wir uns den verbindlichen Beschlüssen der UNO-Charta unterwerfen sollen, was gegen unsere Neutralität ist. Herr Couchepin, weshalb verträgt sich Ihr Bild der Schweiz mit dem Beitritt? Pascal Couchepin: Die Schweiz ist ein kleines, unabhängiges Land, das selbstsicher und stolz auf seine Eigenheiten ist. Sie ist aber auch ein realistisches Land, das weiss, dass es Freunde und ein Solidaritätsnetz braucht, um in der Welt zu existieren, dass man dort präsent sein muss, wo Weltpolitik gemacht wird. Stichwort Neutralität. Was ist an der Schweiz anders als an neutralen Ländern wie Schweden oder Finnland? Blocher: Die Schweiz ist umfassend und dauernd neutral. Schweden und Finnland haben eine Neutralität von Fall zu Fall, und da mag der Beitritt möglich sein. Weshalb unsere Neutralität dem Beitritt widerspricht? Lassen Sie mich den Bundesrat zitieren, der von 1945 bis in die 80er-Jahre stets erklärt hat: Der Beitritt in die politische UNO und das Unterschreiben der Charta ist nicht kompatibel mit der Neutralität, insbesondere nicht die Artikel 41 bis 43. Und in den 80er-Jahren hat der Bundesrat einen Schwenker vollzogen, indem er beschloss, der politischen UNO beizutreten, dann dem EWR, dann als strategisches Ziel den EU-Beitritt verkündete, damit musste er die Neutralität über Bord werfen. Weder der Beitritt in die politische UNO noch der EU-Beitritt ist mit der schweizerischen Neutralität vereinbar. Couchepin: Was Sie aus der Charta zitieren, ist ein isoliertes Element. Im Beitrittsbrief, den wir vorbereitet haben und der von der UNO akzeptiert ist, wenn Volk und Stände Ja sagen, behalten wir uns vor, unsere Rechte in der UNO nach unserer Neutralitäts-Konzeption wahrzunehmen. Es ist eine Beleidigung des Volkes und der von ihm gewählten Politiker, wenn Sie behaupten, dieser Vorbehalt würde nicht eingehalten. Es ist auch eine Unterstellung zu behaupten, der UNO-Beitritt sei der erste Schritt zum EU-Beitritt. Wer das behauptet, lässt die Behörden als Leute erscheinen, die das Volk betrügen. Das ruiniert die Demokratie. Blocher: Wenn man keine Argumente hat, drängt man den Gegner in eine Ecke... Couchepin: Das ist genau die Methode, die Sie beherrschen . . . Blocher: Für den unvoreingenommenen Bürger ist doch klar, was die Neutralitätspolitik besagt: Wir nehmen nicht teil an internationalen Konflikten. Treten wir jedoch der politischen UNO bei, unterschreiben wir einen Vertrag, wonach wir die Beschlüsse des Sicherheitsrats, als mächtigstes Organ der UNO, erfüllen müssen. Das heisst, wir müssen zum Beispiel Boykotte, Nahrungsmittelsperren, Abbruch von Verkehrsverbindungen und von diplomatischen Beziehungen - das sind alles Kriegsmittel - durchführen. Couchepin: Soll die Schweiz das einzige Land der Welt sein, das weiter mit Saddam Hussein Handel treibt? Gibt es Neutralität gegenüber dem Terrorismus, wenn man nicht die Schweiz selbst in Gefahr bringen will? Hätte die Schweiz den Boykott gegen Saddam Hussein nicht mittragen sollen? Blocher: Nicht in dieser Form. Der Boykott richtet sich nicht gegen Saddam Hussein, sondern gegen den Irak. Selbst die UNO hat eingesehen: Hunderttausende sind verhungert, der Diktator ist geblieben. Deshalb mussten die Sanktionen geändert werden: "Oil for food" heisst es jetzt. Ich hatte vorgeschlagen, die Kriegsmaterialausfuhr gemäss Gesetz zu verbieten, ansonsten den Courant normal zu pflegen und als neutraler Staat ein gezieltes Programm im Nahrungsbereich für die Ärmsten im Irak zu lancieren. Couchepin: Gerade solche Sanktionsdebatten können und müssen innerhalb der UNO geführt werden. Wenn man ausserhalb ist, lassen es die realen Machtverhältnisse nicht zu, dass man gegen die Beschlüsse der UNO verstösst. In der Praxis kann die Schweiz gar keine autonome Boykott-Politik betreiben. Mehr noch: Sie hat nicht einmal die Mittel, andere Argumente geltend zu machen. Blocher: Wer in der UNO ist, hat die Sicherheitsbeschlüsse gemäss Vertrag zu erfüllen. Als neutraler Kleinstaat können wir dort nicht eigene Wege gehen. Ausserhalb sind wir frei zu handeln und haben keine Rechtspflicht. Kann man vor dem Terrorismus neutral sein? Blocher: Terrorismus ist kein Staat, sondern eine Kampfform. Wir sind neutral gegenüber Staaten. Wie schützen wir uns gegen Terrorismus? Indem wir uns erstens neutral verhalten und damit den Terrorismus nicht anziehen. Zweitens indem wir mit Armee und Polizei dafür sorgen, dass sich in unserem Land kein Terrorismus und keine terroristischen Organisationen entfalten können. Couchepin: Terrorismus ist tatsächlich eine Kampfform, aber Afghanistan zeigt, dass er zuweilen von Staaten unterstützt wird. In diesem Fall wird klar, dass die Neutralität nicht mehr hilft. Denn den Terrorismus zu bekämpfen heisst auch, die Staaten zu bekämpfen, die ihn fördern. Blocher: Nun zum Brief des Bundesrats. Die SVP-Fraktion hat im Nationalrat einen Antrag gestellt: Wenn man schon in die politische UNO will, braucht es einen Neutralitätsvorbehalt, das heisst einen Vorbehalt, dass die Schweiz die Verpflichtungen des Sicherheitsrates nur erfüllen kann, soweit diese nicht der dauernd bewaffneten, bündnisfreien, frei gewählten, integralen Neutralität widersprechen. Dieser Vorbehalt hätte von der UNO gegengezeichnet werden müssen. Der Bundesrat hat erklärt, das gehe nicht, weil die Schweiz sonst die Charta nicht voll erfüllen könne, was sie jedoch wolle. Trotzdem schreibt er in seinem Brief, die Schweiz trete der UNO als neutraler Staat bei. Couchepin: Wir schreiben auch, dass wir unsere Pflichten konform zu unserer Interpretation der schweizerischen Neutralität erfüllen. Die UNO antwortet, dass die Schweiz unter diesen Bedingungen Mitglied werden kann. Das ist ein Vertrag. Blocher: Nein, das ist ein wertloser Brief, und anschliessend unterschreiben wir einen Vertrag, der das Gegenteil sagt. Couchepin: Es ist ein Vertrag, der nach dem Willen der Vertragspartner interpretiert werden muss. In der Praxis wird es gar kein Problem geben. Es ist fundamentalistisch, wenn Sie die Charta dermassen theoretisch-juristisch interpretieren. Völkerrechtler sehen keinen Widerspruch zwischen UNO-Beitritt und Neutralität. Sind Sie, Herr Blocher, kompetenter als diese Experten? Blocher: Diese Experten sprechen alle vom Neutralitätsrecht gemäss Haager Abkommen und nicht von der Neutralitätspolitik der Schweiz. Glaubwürdig ist die Neutralität nur, wenn die Schweiz nicht an fremden Konflikten teilnimmt. Die Völkerrechtler sagen, die UNO sei kein Staat, sondern eine Staatengemeinschaft. Aber wenn wir feindliche Massnahmen gegen andere Staaten ergreifen müssen, widerspricht das unserer Neutralitätspolitik. Das sind zwei verschiedene Ebenen. Couchepin: Es hat keinen Wert, über die grossen Theorien zu sprechen. Was beim Völkerrecht viel mehr zählt als Konzepte, ist die Realität. Die Vereinten Nationen haben die Charta seit 60 Jahren immer so interpretiert, wie wir das tun. Alles andere ist reine Theorie. Wenn wir schon bei der Praxis sind: Die Entscheide des Sicherheitsrats sind doch von den Interessen der Grossmächte geprägt. Stichwort Veto. Couchepin: Das Veto ist nicht Ausdruck von arroganter Macht, die dem Rest der Welt ihr Diktat aufzwingen will, sondern der Entscheid der Grossmächte, welche die Demokratien gerettet haben und welche es nach dem Krieg erlaubt haben, eine Welt ohne Hitler, ohne Mussolini und ohne das imperialistische Japan aufzubauen. Zudem kennen wir das Veto auch im schweizerischen politischen System. Das Ständemehr ist ein Vetorecht der kleinen Kantone gegenüber den grossen. Im Grunde wäre die UNO ohne Vetorecht ein System, in dem es nur das Ständemehr gäbe und in dem Andorra und Monaco ihren Willen den USA aufzwingen könnten. Alle demokratischen Systeme suchen solche Gleichgewichte. Blocher: Das ist nun wirklich eine romantische Darstellung des Vetorechts. Nicht die Mehrheit der Mächte hat ein Vetorecht, sondern ein Einziger kann alles blockieren. Das wäre, wie wenn in der Eidgenossenschaft der Kanton Zürich ein Vetorecht hätte. Für einen Demokraten ist das unerträglich. Die fünf Grossmächte haben die Sache so arrangiert, dass in ihrem Einflussbereich nie eine Massnahme gegen ihren Willen durchgesetzt werden kann. Das zeigt sich zum Beispiel im israelisch-palästinensischen Krieg, bei dem Resolutionen nicht durchgesetzt werden, weil die Grossmächte es nicht wollen. Couchepin: Aber das Vetorecht ist nicht einer einzigen Macht gegeben, sondern fünf verschiedenen, deren Interessen divergieren. Und das ist wiederum ein Schutz für ein Land wie die Schweiz, das nicht in Abenteuer hineingezogen werden will. Wenn alle diese fünf Länder eine Massnahme akzeptieren, ist bewiesen, dass sie von der Gesamtheit der Staatenwelt getragen wird und nicht nur von den Interessen einer Macht. Blocher: Die fünf Mächte können zusammen auch Interessen vertreten, die uns nicht behagen. Nehmen Sie den Terrorismus: Alle haben sofort gesagt: Wir sind gegen den Terrorismus. Die Russen haben gesagt, es ist gut, damit sie freie Hand in Tschetschenien erhalten. Auch China hat ein Interesse daran, dass es frei gegen Terroristen vorgehen kann. Israel hat unverzüglich Ja gesagt, damit es die Palästinenser als Terroristen bezeichnen kann. Der Friedensnobelpreisträger Arafat ist plötzlich ein Terrorist. Man muss nicht naiv sein. Es geht um Interessen. Couchepin: Weder Sie noch ich sind naiv. Aber die Frage lautet: Sind Sie gegen den Krieg gegen den Terrorismus? Sind Sie gegen die Massnahmen gegen Al-Qaida? Blocher: Ich bin für den Kampf gegen Terroristen, aber ich will, dass wir selbst denken und entscheiden, wer Terroristen sind und wie man gegen Terroristen vorgeht. Couchepin: Selbstverständlich wollen wir über die Massnahmen diskutieren können, aber um das tun zu können, müssen wir Mitglied der UNO sein. Wenn nicht, müssen wir gehorchen, ohne mitbestimmen zu können. Beeinträchtigt der UNO-Beitritt die direkte Demokratie? Blocher: Jeder Beitritt zu einer internationalen Organisation wendet die Aktivitäten der Regierung von der Bevölkerung weg. Zwar können wir zu den Beschlüssen der Generalversammlung Ja oder Nein sagen, aber der Druck, die Beschlüsse zu übernehmen, ist natürlich gewaltig. Darum muss man aufpassen, dass man nicht zu viele Kompetenzen weit weg von der Bevölkerung vergibt. Couchepin: Noch nie in der Geschichte der Schweiz war die Aussenpolitik so breit abgestützt wie heute. Der Bundesrat teilt seine aussenpolitischen Kompetenzen mit dem Parlament, mit den Kantonen, es gibt breite Diskussionen in der Öffentlichkeit, es gibt die direkte Demokratie. Wenn das Volk Ja sagt zum UNO-Beitritt, weiss es, dass dieses Ja zusätzliche Verpflichtungen, aber auch zusätzliche Chancen birgt. Der UNO-Beitritt kostet zusätzlich 70 Millionen. Zu viel für die Schweiz? Blocher: Vor der Abstimmung kostet es immer wenig - nachher ist es ganz anders, siehe Expo, Krankenkassenprämien usw. Wir haben 110 Milliarden Schulden. Bei den etwa 70 Millionen Franken wird es nicht bleiben. Es kommen Konferenzen, Reisen und indirekte Dinge dazu, die das Volk bezahlen muss. Ich höre es schon. Wenn die Generalversammlung einstimmig beschliesst, man sollte 0,7 Prozent des Bruttoszialprodukts für die Entwicklungshilfe übernehmen, wird der Druck aufs Parlament gewaltig sein. Couchepin: Entscheidend sind die 70 Millionen auf ein Budget von 50 Milliarden. Alles andere ist Polemik.

30.01.2002

Arafat est aujourd’hui qualifié de terroriste, où est la vérité?

Débat avec conseiller fédéral Pascal Couchepin dans 24 Heures du 30. janvier 2002 Couchepin contre Blocher: un face-à-face sur l'ONU "Bonjour, M. le Chef de l'opposition", a dit le ministre de l'Economie au tribun zurichois en l'accueillant dans son bureau pour le débat organisé par 24 heures et le Sankt Galler Tagblatt. Les deux hommes ne se sont pas fait de cadeaux. Débat dirigé par Denis Barrelet (24 heures et Tribune de Genève) et René Lenzin (Sankt Galler Tagblatt) Quelle est votre idée de la Suisse? Christoph Blocher: La recette qui a fait le succès de la Suisse, c'est la liberté, l'indépendance, la démocratie directe et la neutralité intégrale. Nous sommes un pays ouvert au monde, ami de tous, mais qui ne veut pas se lier les mains. Coopération oui, intégration non. Pascal Couchepin: La Suisse est un pays indépendant et sûr de lui, fier de ses particularités. C'est aussi un petit pays réaliste qui sait que pour exister dans le monde il faut avoir des amis, qu'il faut avoir des réseaux de solidarité et être présent là où la politique mondiale se dessine. Et qu'en déduisez-vous à l'approche de la votation du 3 mars? Blocher: Que si nous entrions à l'ONU politique, nous nous soumettrions aux décisions du Conseil de sécurité, ce qui serait contraire à la neutralité. Mais il y a d'autres pays neutres au sein de l'ONU. Blocher: Un seul pays possède une neutralité intégrale: la Suisse. La Suède et la Finlande ont une neutralité de cas en cas. L'Autriche a une neutralité similaire, puisqu'elle lui a été imposée après la guerre, selon le modèle suisse. Mais, en tant que membre de l'Union européenne, elle est en train de l'abandonner. De 1945 jusqu'au début des années 1980, le Conseil fédéral a toujours prétendu que l'adhésion à l'ONU n'était pas compatible avec la neutralité, à cause des articles 41 à 43 de la charte, qui obligent les pays membres à se soumettre aux décisions du Conseil de sécurité. Avant la première votation sur l'adhésion à l'ONU en 1986, il a changé son fusil d'épaule. En fait, il a abandonné la neutralité. Cet abandon lui permettait surtout de lorgner en direction de l'Europe. Couchepin: Nous sommes un pays neutre et tenons à le rester. Dans la lettre d'adhésion que nous enverrons à l'ONU et dont les termes ont d'ores et déjà été acceptés par l'organisation, nous réservons l'exercice de nos droits dans le respect de la neutralité selon notre conception. C'est faire injure au peuple suisse et aux autorités qu'il élit de penser qu'ils trahiront cette condition de l'adhésion. Vous nous faites toujours des procès d'intention, M. Blocher. Quand les autorités disent quelque chose, vous les soupçonnez toujours de mentir au peuple. C'est profondément antidémocratique. Entre adversaires politiques, il y a au minimum une certaine bienveillance à avoir, sinon vous tuez le débat démocratique. Blocher: Passons sur ces attaques. Il est naturel que, lorsqu'on n'a plus d'argument à avancer, on pousse l'adversaire dans un coin, comme vous le faites maintenant. Couchepin: Il me semble que c'est plutôt votre méthode que la mienne. Blocher: Pour le citoyen, il est simple de savoir ce qu'est la neutralité. C'est de ne pas participer aux conflits des autres. Or, nous allons signer un contrat où il est dit que le Conseil de sécurité peut décider que la Suisse doit condamner un peuple à la famine, le boycotter, couper les transports. Ce sont des moyens de guerre. Dans l'article 43, les pays membres peuvent être obligés de mettre des troupes à disposition, selon leur procédure interne. Couchepin: Cela veut dire qu'ils peuvent refuser de le faire. Blocher: Juridiquement, vous avez raison, mais il y aurait une pression politico-morale. La neutralité empêche le gouvernement de se jeter tête baissée dans un conflit international. C'est son mérite. Couchepin: La neutralité n'est pas une condition d'existence de la Suisse. C'est un moyen pour assurer notre sécurité et nous voulons la respecter. Peut-on rester neutre face au terrorisme sans nous mettre nous-mêmes en danger? Voulez-vous que nous soyons le seul pays au monde qui continue à commercer avec Saddam Hussein? Blocher: La Suisse n'aurait pas dû participer au boycott de l'Irak sous cette forme. Un boycott alimentaire contre un pays provoque la mort de centaines de milliers d'innocents, sans toucher le dictateur visé. Celui-ci en sort même renforcé. J'ai proposé, à l'époque, de maintenir le courant normal et d'engager un programme ciblé pour soutenir les plus pauvres dans le pays. Couchepin: Ce boycott de l'Irak, c'est exactement le type de débat qui ne peut être conduit qu'à l'intérieur de l'ONU. Il faut être à l'intérieur pour pouvoir exprimer un avis divergent. Si la Suisse est à l'extérieur, il est totalement illusoire de croire qu'elle peut décider à sa guise du type de boycott qu'elle peut appliquer. Nous ne pouvons pas avoir de politique autonome efficace dans ce domaine. Vous me direz que, si nous sommes à l'intérieur, nous ne serons pas entendus. Eh bien! moi, je suis fier de mon pays et je crois qu'il a la capacité de faire entendre des arguments rationnels. Et le terrorisme? Blocher: Le terrorisme n'est pas un Etat, mais une forme de combat, celle des faibles. La meilleure façon de s'en protéger, c'est de se maintenir neutres entre les blocs, pour ne pas l'attirer chez nous, et de refuser que des organisations terroristes s'implantent sur notre sol. Il faut aussi que l'armée et la police fassent leur travail. Couchepin: Le terrorisme est une forme de combat, mais il arrive qu'il soit soutenu par un Etat, comme en Afghanistan. Lorsque c'est le cas, on voit bien qu'il n'y a pas de neutralité possible. En résumé, nous sommes neutres et nous voulons le rester, selon nos intérêts, à l'intérieur de l'ONU. Tout le reste n'est que théorie et conduit simplement à la disparition de la présence de la Suisse dans le monde. M. Blocher, vous estimez-vous plus compétent que l'ensemble des professeurs de droit international public de Suisse et de l'étranger, qui jugent la neutralité compatible avec la Charte des Nations Unies? Blocher: Tous parlent du droit de la neutralité selon la Convention de La Haye. Non de la politique de neutralité. La politique de neutralité de la Suisse, en particulier celle de la population, signifie qu'on ne participe à des conflits internationaux en aucune manière. Ces spécialistes disent que l'ONU n'est pas un Etat, mais une communauté d'Etats. En fait, si elle agit contre d'autres Etats et qu'elle nous oblige à le faire, ce n'est pas contraire à la neutralité peut-être, mais contraire à notre politique de neutralité. Ce sont deux plans différents. Vous êtes donc d'accord pour dire que la neutralité n'est pas violée par une adhésion, mais la politique de neutralité. Blocher: Oui. Le Conseil de sécurité est marqué par le poids des grandes puissances. Cela ne vous fait-il pas peur, M. Couchepin? Couchepin: Le veto, ce n'est pas l'expression de puissances arrogantes qui veulent imposer leur diktat au reste du monde. C'est la décision des grands Etats qui ont sauvé les démocraties et qui ont permis, après la guerre, de reconstruire un monde sans Hitler, Mussolini et le Japon impérial. Ce n'est pas quelque chose de totalement immérité. Deuxièmement, le droit de veto, nous le connaissons aussi dans notre système politique suisse. La majorité des cantons requise pour des modifications constitutionnelles, c'est le droit de veto des petits cantons à l'égard des grands cantons. Et, au fond, le système des Nations Unies sans le droit de veto des grands, c'est un système où il y aurait seulement la majorité des Etats. Andorre et la Principauté de Monaco pourraient imposer leur volonté aux Etats-Unis d'Amérique. Cela ne marche pas. Ou c'est comme si en Suisse, la majorité des petits cantons pouvait imposer aux grands cantons sa volonté. Tous les systèmes démocratiques cherchent un équilibre entre la puissance du nombre et la personnalité des Etats. Blocher: Voilà une description bien romantique du droit de veto. En Suisse, les petits cantons ont un droit de veto à condition d'obtenir une majorité. Au Conseil de sécurité, une grande puissance peut tout bloquer. C'est comme si Zurich avait un droit de veto. Ce serait insupportable pour un démocrate. Couchepin: Vous n'avez pas compris ce que j'ai dit. Blocher: Laissez-moi parler! Les cinq grandes puissances se sont arrangées pour qu'on ne puisse jamais leur imposer une résolution dans leur zone d'influence. Prenez le conflit israélo-palestinien: plusieurs résolutions de l'ONU condamnent la politique de colonisation israélienne. Elles ne sont pas appliquées, car les Etats-Unis s'y opposent. Si les grandes puissances n'obtiennent pas le soutien du Conseil de sécurité, elles se passent de l'ONU. La guerre au Kosovo a été faite par l'OTAN. C'était une guerre illégale, le Conseil de sécurité n'y avait pas donné son accord. En Afghanistan, les Etats-Unis ont mené la guerre seuls. Comme Etat neutre, nous ne devrions pas nous compromettre dans un tel système. Nous avons un rôle à jouer dans le domaine des bons offices. Malheureusement, ces dix dernières années, la Suisse n'a pratiquement plus assumé sa mission d'Etat neutre, simplement parce que le gouvernement voulait être comme les autres. Couchepin: Vous avez dit avec raison qu'une guerre qui n'est pas approuvée par les Nations Unies est une guerre illégale. Cela montre que spontanément, quand vous parlez avec bon sens - ce qui arrive souvent, mais pas toujours -, vous admettez que la seule organisation internationale qui dit le droit, c'est l'ONU. Et vous ne voulez pas en faire partie. Il ne faut pas oublier non plus que le droit de veto est donné à cinq puissances, dont les intérêts sont divergents. Pour un pays comme le nôtre qui ne peut pas être entraîné dans des aventures, c'est une protection. Si ces cinq pays acceptent une décision, c'est bien qu'elle est portée par l'ensemble de la communauté mondiale et non par les intérêts d'un seul groupe. Le droit de veto n'est pas une solution parfaite, mais c'est une solution moins imparfaite que si elle n'existait pas. Blocher: Je suis étonné qu'un démocrate trouve cela bien. Cela dit, même si les cinq pays n'exercent pas leur droit de veto, ils peuvent défendre des intérêts inavouables. Couchepin: Un exemple? Blocher: Tout le monde est contre le terrorisme. Mais cette unanimité est trompeuse. La Russie, par exemple, défend cette position pour avoir les mains libres en Tchétchénie. Couchepin: La seule question importante est celle-ci: M. Blocher, êtes-vous opposé à la guerre contre le terrorisme? Blocher: Je suis pour la guerre contre le terrorisme, mais je veux que nous puissions décider qui est terroriste et qui ne l'est pas. Le Prix Nobel Arafat est aujourd'hui qualifié de terroriste. Où est la vérité? Couchepin: Moi j'ai décidé. J'ai décidé que nous sommes heureux de pouvoir nous joindre à une coalition mondiale contre le terrorisme. Il y va de la sécurité dans ce pays et dans le monde. On ne peut pas isoler la sécurité de la Suisse de celle du reste du monde. Blocher: C'est vrai, mais la Suisse ne doit pas se contenter de singer les autres. Elle doit aussi réfléchir par elle-même. Couchepin: Bien entendu. Nous devons pouvoir discuter des mesures à prendre. Et pour cela, nous devons être à l'intérieur de l'ONU, car sinon, les décisions seront prises et nous seront imposées sans que nous ayons un droit de codécision. Blocher: Comment voterait la Suisse dans la guerre entre Israël et la Palestine si elle était au Conseil de sécurité? Couchepin: C'est une question très théorique. Il y a des résolutions des Nations Unies qui doivent être appliquées. Pour l'instant, nous ne sommes pas candidats au Conseil de sécurité. En fonction de notre vision de la neutralité, peut-être même que nous renoncerons à l'être. Vous invoquez souvent la démocratie directe, M. Blocher. Blocher: La participation dans des organisations internationales a pour effet d'éloigner le gouvernement de son peuple. Ce ne sont pas les représentants du peuple qui se retrouveront dans le palais de verre de Manhattan, mais des conseillers fédéraux, des diplomates, des fonctionnaires. Et ils seront soumis à des pressions politico-morales énormes, qui pourraient les forcer à prendre des décisions dont le peuple suisse ne veut pas. Couchepin: Jamais, dans l'histoire de la Suisse, les compétences en matière de politique étrangère n'ont été autant partagées. Le Conseil fédéral doit consulter le Parlement et les cantons. Il y a des débats publics. La démocratie directe est fondamentale pour moi dans ce pays, mais dans un cadre plus large voulu par le peuple. Celui-ci nous vaudra des engagements nouveaux, certes, mais aussi des chances supplémentaires. Blocher: Quoi qu'il en soit, notre souveraineté sera réduite massivement. Couchepin: La souveraineté est une notion admise par tous. Pourquoi s'appliquerait-elle de manière différente à la Suisse qu'aux autres nations? Etes-vous d'avis que les 189 pays membres de l'ONU ne sont plus des Etats souverains? Blocher: La différence, c'est qu'en Suisse, le peuple est souverain. C'est lui qui décide, par exemple, d'adhérer ou non à l'ONU. Que penser du coût de l'adhésion? Blocher: Avant la votation, ça coûte toujours peu. On parle de 75 millions, oui, mais on n'en restera pas là. Il y aura des dépenses indirectes. L'assemblée générale conseille déjà de consacrer 0,7% du produit national brut à l'aide au développement. La pression sur le Parlement suisse sera grande. Couchepin: Le seul élément important dans votre diatribe, c'est le chiffre de 75 millions sur un budget fédéral de 50 milliards de francs. Tout le reste, c'est de la polémique. Le 0,7% dont vous parlez, c'est une recommandation qui est faite à tous les pays de la Terre, membres ou non de l'ONU. C'est un objectif de développement qui peut se discuter. Je suis plutôt d'avis qu'il faut l'atteindre si c'est financièrement possible, car si on veut lutter contre le terrorisme, il faut aussi lutter contre les causes du terrorisme, dont l'une est la pauvreté et l'amertume qu'elle engendre. Ce qui frappe, c'est que le monde politique n'est pas seul à s'engager massivement pour l'adhésion. L'économie presque unanime aussi est favorable. Blocher: Je réalise presque 90% de mes ventes à l'étranger, sur tous les continents. L'adhésion n'est pas une question économique. Le combat est mené presque uniquement par de grandes entreprises, chimiques et banques en tête, qui croient que notre réputation à l'étranger sera meilleure si nous adhérons. Je trouve étonnant que ceux qui parlent ainsi soient aussi ceux qui ont ruiné Swissair. Je ne dis pas que l'adhésion nuirait à l'économie. Nous avons une très bonne réputation dans le monde, et l'adhésion passerait inaperçue. Couchepin: Je suis également convaincu que ce n'est pas une question économique. Par contre, l'économie ne peut pas vivre sous une cloche à fromage. Elle ne peut prospérer que dans un monde où il y a plus de sécurité, plus de solidarité, plus de justice. Ce sont les objectifs de la Suisse, et de l'ONU. L'ONU est la seule organisation internationale qui discute de ces problèmes à l'échelle mondiale. On doit être présents, et l'économie sait que des théories comme les vôtres sont irréalistes. Il faut la remercier, et ne pas la mettre sur le banc des accusés parce que l'un ou l'autre des responsables de l'économie a peut-être des problèmes. L'économie montre qu'elle a aussi le sens de l'intérêt général, et c'est tant mieux. L'ONU a-t-elle dans le monde des effets plutôt positifs ou plutôt négatifs? Blocher: C'est difficile à dire, car on ne sait pas ce que serait le monde sans l'ONU. Il y aurait peut-être d'autres organisations. Cela dit, je ne combats pas l'ONU. La Suisse fait d'ailleurs partie de toutes les organisations de l'ONU, sauf de celle qui décide des guerres et des boycotts. Mais dès qu'il s'agit de faim dans le monde, des réfugiés, du climat, des droits de l'homme, des questions économiques, nous sommes présents et nous payons un demi-milliard par an. Les décisions prises dans les organisations spécialisées ne sont pas toujours la panacée Mais des organes suprarégionaux sont nécessaires. L'important, pour moi, c'est que les décisions qui y sont prises ne sont jamais obligatoires pour le pays membre. Le droit national prévaut toujours. Avec l'ONU, c'est autre chose. Si nous adhérons, nous devons nous soumettre au Conseil de sécurité. Couchepin: La moitié des arguments des opposants porte sur la prétendue faiblesse des Nations Unies, et l'autre moitié, exprimée aujourd'hui par M. Blocher, stigmatise la volonté trop forte de l'ONU. On ne peut pas défendre ces deux sortes d'arguments à la fois. La réalité, encore une fois, c'est que l'ONU est la seule organisation du village mondial. Et vouloir faire partie de tout ce qui est décidé à l'Assemblée générale, c'est-à-dire des organisations spécialisées, sans faire partie du noyau central de l'organisation, c'est payer en se privant des moyens de donner son avis dans la communauté. On est un petit pays, c'est vrai. Quand je vais voter, je suis un citoyen parmi d'autres. Quand j'étais conseiller national, j'étais un parmi 200. Et je n'avais pas l'idée de renoncer à mes activités politiques parce que je n'étais qu'un sur 200. La Suisse pourra jouer un rôle plus fort que celui qui revient à un Etat sur 189. Blocher: Moi je n'entrerais pas dans un club où l'un des membres a un droit de veto et m'impose sa volonté sur des questions aussi importantes que la guerre et la paix. Le fait que si la Suisse n'adhère pas, elle sera le seul pays avec le Vatican a ne pas être membre de l'ONU, ça ne vous gêne pas? Blocher: Non. Au fond, dans le monde, sur ces questions de guerre et de sanctions, il n'existe que sept pays vraiment indépendants: les cinq grandes puissances, le Vatican et la Suisse. Ce sont les seuls pays qui peuvent encore librement décider de mesures contre un autre pays. L'ONU n'est pas une organisation de droit, mais de puissance. Comme petit pays, la Suisse doit s'en tenir au droit. Couchepin: J'ai beaucoup de respect envers le Vatican, mais la Suisse a une autre vision du monde que le Vatican et joue sur un autre registre. L'adhésion à l'ONU s'inscrit dans un projet de politique extérieure du Conseil fédéral. Quelle serait la suite après une adhésion à l'ONU? Couchepin: Le but général et essentiel de la politique étrangère est d'assurer un maximum d'identité, de présence et de capacité de décision à notre pays. C'est de permettre de résoudre les problèmes qui se posent à notre pays. Dans le cadre de l'ONU, nous pouvons mieux résoudre nos problèmes de sécurité qu'en dehors. Nous essayons de régler une partie de nos problèmes avec les bilatérales. Pour l'instant, il n'y a pas d'autres ambitions concrètes à court terme que celle-là. On verra plus tard si le but stratégique de l'adhésion à l'UE doit se concrétiser. Comme vous le savez, c'est une question qui se posera au minimum dans sept ans et probablement plutôt dans dix ans. Blocher: C'est en fait la question de la position de la Suisse dans la politique étrangère. Nous combattons l'adhésion à l'ONU, à l'UE et à l'OTAN parce qu'elle est contre les principes de l'autodétermination, de la souveraineté, de la neutralité et de l'ouverture au monde sans intégration. Depuis une dizaine d'années, le Conseil fédéral file du très mauvais coton. Cela a commencé par ce rapprochement avec l'ONU, heureusement avorté en 1986, puis l'EEE et le but stratégique de l'adhésion à l'UE. Il a même fait les yeux doux à l'OTAN. Mais pour gagner la votation sur les soldats suisses à l'étranger, il a dû y renoncer. Il semble bien, M. Blocher, que la seule chance que vous ayez de gagner, c'est d'obtenir la majorité des cantons. Cela ne vous dérange-t-il pas d'imposer une solution à la Suisse contre la volonté de la majorité du peuple? Blocher: Non, je n'impose rien. Notre système prévoit ces deux majorités pour les affaires importantes. C'est un des éléments qui fait l'équilibre et la force de notre démocratie. J'avoue que, comme nous avons peu de moyens financiers, nous nous concentrons sur certains cantons. Nos adversaires font la même chose, sauf qu'ils utilisent l'argent du contribuable et des grandes entreprises. Quand on a obtenu 2 milliards pour Swissair, on peut bien dépenser quelques millions pour cette campagne. Couchepin: Le 3 mars, est-ce un jour important? Blocher: Ce jour-là, il s'agira de savoir si nous voulons conserver les piliers qui ont rendu la Suisse forte. Si nous adhérons à l'ONU, la Suisse se soumettra au Conseil de sécurité et deviendra moins sûre. Nous attirerons la guerre et le terrorisme. Et le peuple perdra de son influence. Couchepin: Le 3 mars, le peuple décidera comment il veut assurer le mieux la sécurité et la présence de ce pays dans le monde. L'ONU regroupe la totalité des Etats de la planète. C'est elle aussi qui fait le plus concrètement le droit international. La Suisse doit y être présente pour apporter sa voix originale, et participer au combat pour un monde plus juste, plus sûr.  

28.01.2002

Die Ärmsten sind verhungert, der Diktator ist geblieben – und immer noch Uno-Mitglied…

Streitgespräch mit Bundesrat Joseph Deiss im Tages-Anzeiger vom 28. Januar 2002 Während Bundesrat Joseph Deiss vom Uno-Beitritt mehr Souveränität für die Schweiz erwartet, warnt Christoph Blocher, mit der Uno hole man sich Krieg ins Land Das Gespräch führten Bruno Vanoni und Luciano Ferrari Können Sie sich die heutige Welt ohne Uno vorstellen? Christoph Blocher: Durchaus. Es gäbe dann halt andere Gesprächsgremien für internationale Fragen: Hunger, Flüchtlinge, Menschenrechte, Klima und andere grenzüberschreitende Probleme. Bei all diesen Uno-Organisationen sind wir dabei und bezahlen 500 Millionen pro Jahr, reden und stimmen mit. Doch diese Unterorganisationen geben nur Empfehlungen ab, die die Schweiz übernehmen kann oder nicht. Aber in der politischen Uno, in der wir die Entscheide des Sicherheitsrates befolgen müssten und wo es um Krieg, um kriegerische Massnahmen gegen andere Länder geht, ist die Schweiz nicht dabei. Der Sicherheitsrat ist das einzige Gremium, das für die Schweiz verbindliche Beschlüsse fassen würde. Macht diese Unterteilung in eine unproblematische technische Uno und in eine politische denn heute noch Sinn? Joseph Deiss: Die Welt ist ohne internationale Foren undenkbar. Neben spezialisierten Organisationen braucht es aber auch übergeordnete Gremien, die koordinieren und führen. Wenn die Schweiz schon in allen Uno-Unterorganisationen mitmacht, ist es doch logisch und im Interesse des Landes, dass sie auch in den Dachgremien des Uno-Systems zum Beispiel über Budget- und Personalfragen mitentscheiden kann. Die Unterscheidung zwischen technischer und politischer Uno tönt zwar verführerisch, ist aber eine Fiktion. Auch in den Spezialorganisationen, in denen wir vertreten sind, wird Politik gemacht. Blocher: Die Begriffe "politische Uno" und "humanitäre Uno" stammen vom Bundesrat. Bis in die 80er-Jahre hat der Bundesrat erklärt, der Beitritt in die politische Uno sei mit der Neutralität unvereinbar. Dann aber begann er die Selbstbestimmung, die Weltoffenheit, ohne sich einbinden zu lassen, und die integrale Neutralität zu relativieren und preiszugeben. So wollte er 1986 plötzlich in die politische Uno und 1992 in den EWR und die EU. Heute will er "Schengen", wieder in die Uno, und er liebäugelt mit der Nato. Ist die Schweiz, die fast eine halbe Milliarde Franken an die Uno bezahlt, gegenüber dieser Uno überhaupt noch neutral? Blocher: Wir müssen nicht gegenüber der Uno neutral sein, sondern gegenüber den Uno-Staaten und Machtblöcken. Wir dürfen uns nicht einbinden in die undemokratischen Beschlüsse des Sicherheitsrates, der Kriegsmassnahmen gegen einzelne Länder von uns verlangen kann. Müsste die Schweiz bei einem Nein am 3. März nicht auch konsequenterweise aus allen Unterorganisationen austreten? Blocher: Ich wüsste nicht warum. Am 3. März geht es allein um die Frage, ob die Schweiz die Uno-Charta unterschreiben soll. Dieser Vertrag verpflichtet die Schweiz zu Kriegsmassnahmen auf Befehl des Sicherheitsrates. Und wer bestraft wird, bestimmen die Grossmächte mit ihrem Vetorecht. Ein Beispiel: Die Uno hat Israel vielfach aufgefordert, seine Siedlungspolitik aufzugeben. Doch dazu gezwungen wurde es nie, weil es unter der Protektion der USA steht. Wie nehmen wir Partei? Für den Kleinstaat Schweiz ist der Grundsatz "Neutralität und Solidarität" das Richtige. Auch wenn es für den Bundesrat, Diplomaten und Funktionäre vielleicht verlockender wäre, im Uno-Glaspalast an vorderster Front über die ganze Welt zu reden, ohne Verantwortung zu tragen. Deiss: Jetzt muss ich aber einer ganzen Serie von Behauptungen widersprechen, Herr Blocher. Sie haben weit zurückgreifen müssen, um bundesrätliche Zitate für Ihre Argumentation zu finden... Blocher: Nur bis zum Gesinnungswechsel in den 80er-Jahren. Deiss: Eines ist klar: Der Bundesrat hat die Neutralität nie aufgegeben. Aber wir können unsere Zukunft nicht mit Argumenten bewältigen, die aus der Zeit des Kalten Krieges stammen. Die Zeiten haben sich halt geändert und mit ihnen die Welt. Sie haben ja gerade selber festgestellt, dass wir gegenüber der Uno nicht neutral sein müssen... Blocher: ...gegenüber den Unterorganisationen, habe ich gesagt... Deiss: ..auch gegenüber der Uno. Damit haben Sie bestätigt, dass wir als Uno-Mitglied kein Problem mit der Neutralität haben können. Denn es geht da nicht um Konflikte zwischen zwei Staaten, in denen die neutrale Schweiz keine Partei ergreifen darf. Es geht um die Völkergemeinschaft, die Frieden, Demokratie, Völkerrecht durchsetzen will. Dabei können ihr die fünf Grossmächte allein nichts vorschreiben. Immerhin haben sie ein Vetorecht. Deiss: Für einen Beschluss des Sicherheitsrats braucht es mindestens neun Stimmen. Die fünf Grossmächte können Beschlüsse mit ihrem Veto bloss verhindern. Das ist während des Kalten Krieges sehr oft passiert, hatte aber wenigstens den Vorteil, dass die Grossmächte in die Uno eingebunden waren und keinen Krieg gegeneinander begannen. Es liegt auch im Interesse der kleineren Staaten, die nur auf das Recht zählen können, dass auch die Grossmächte aufs Völkerrecht verpflichtet sind. Und neues Völkerrecht kann nur von der einstimmigen Generalversammlung geschaffen werden.... Blocher: ...das Problem ist nicht die Generalversammlung, sondern das mächtigste Organ, der Sicherheitsrat. Deiss: Der Sicherheitsrat ist von der Generalversammlung beauftragt, die sicherheitspolitischen Fragen zu behandeln. Er hat immerhin viele Konflikte eindämmen können. Nehmen Sie nur die aktuellsten Beispiele: Osttimor oder Kosovo. Wir konnten 50'000 Asylbewerber zurückführen, weil die Uno dort Sicherheit geschaffen hat... Blocher: Wir stimmen aber am 3. März nicht darüber ab, ob in diesem oder jenem Land etwas schief gelaufen ist. Wir stimmen darüber ab, ob die Schweiz einen Vertrag unterschreiben soll, mit dem sie sich den Verpflichtungen des Sicherheitsrats und damit der Interessenpolitik der Grossmächte unterordnet. Bei der politischen Uno geht es um Konflikte, Krieg, Terror. Die Teilnahme der Schweiz in diesen Konflikten verstösst gegen die schweizerische Neutralität. Denn Neutralität heisst: Wir nehmen nicht teil an internationalen Konflikten. Wenn der Bundesrat schon in die Uno will, hätte er den Vorbehalt anbringen und von der Uno bestätigen lassen müssen, dass die Schweiz die Massnahmen des Sicherheitsrates nur so weit erfüllt, als sie mit der dauernd bewaffneten, frei gewählten, bündnisfreien und umfassenden Neutralität nicht im Widerspruch stehen. Dies lehnte der Bundesrat ab, weil er auch Neutralitätswidriges erfüllen will. Ist diese Bedingung nicht ohnehin erfüllt, nachdem die Uno den Wert der Neutralität ausdrücklich anerkannt hat und die Charta nicht zur Beteiligung an militärischen Zwangsmassnahmen verpflichtet? Deiss: Ich kann nur wiederholen: Der Bundesrat bleibt der Neutralität treu und diesem Verfassungsgrundsatz verpflichtet. Wir können der Uno beitreten, ohne die Neutralität zu gefährden. Wenn wir uns als Mitglied den Sanktionen des Sicherheitsrates anschliessen müssen, so ist dies kein Neutralitätsfall. Warum denn nicht? Deiss: Es geht dabei ja nicht darum, Partei für einen Staat gegen einen andern Staat zu ergreifen. Es geht darum, gemeinsam mit der Völkergemeinschaft, Rechtsbrecher in die Schranken zu weisen. Wir werden als Uno-Mitglied nicht zur Entsendung von Truppen verpflichtet. Von einem Neutralitätsvorbehalt hat auch das Parlament nichts wissen wollen, weil wir unsere Neutralität selber bestimmen und nicht von der Uno definieren lassen wollen. Der Bundesrat wird aber im Beitrittsgesuch nochmals klar machen, dass die Schweiz als Uno-Mitglied neutral bleiben wird. Das dies möglich ist, zeigt das einhellige Urteil der Experten und auch die Praxis: Alle andern neutralen Staaten sind problemlos in der Uno, bis in ihre höchsten Gremien. Blocher: Wer die Uno-Charta unterschreibt und sich dann den Massnahmen des Sicherheitsrates gegen ein Land anschliessen muss, wird Partei, kann nicht mehr neutral sein und helfen. Insbesondere die Artikel 41 bis 43 sind neutralitätswidrig. Artikel 43 verpflichtet alle Mitglieder im Grundsatz, dem Sicherheitsrat nach Massgabe von Sonderabkommen Streitkräfte zur Verfügung zu stellen. Deiss: Wissen Sie, wie viele Länder schon solche Sonderabkommen abgeschlossen haben? Blocher: Ich weiss nur, dass 130 Staaten bereits einmal Truppen zur Verfügung gestellt haben - ob mit oder ohne Abkommen. Was nützt es, wenn der Bundesrat verspricht, er werde nie ein Sonderabkommen abschliessen: Wenn wir in der Uno sind, wird er sich wie in letzter Zeit fast immer dem politisch-moralischen Druck beugen. Ein Neutralitätsvorbehalt hätte das Volk vor einem willfährigen Bundesrat beschützt, der die Neutralität innerlich aufgegeben hat. Deiss: Herr Blocher, kein einziges Land hat bisher ein solches Sonderabkommen abgeschlossen! Blocher: Dann stellen also die 130 Staaten ihre Truppen ohne Sonderabkommen zur Verfügung. Das müsste uns doch zu denken geben! Für die Sache hat dies aber nichts zu bedeuten. Deiss: Doch. Es bestätigt, dass jeder Staat von Fall zu Fall entscheiden kann, ob er Truppen stellen will. Das geht auch aus dem dritten Absatz von Artikel 43 der Uno-Charta hervor, von dem Sie in ihren Nein-Inseraten nur immer den ersten Satz zitieren. Auch nach einem Uno-Beitritt wird das Militärgesetz massgebend bleiben, das vom Volk am 10. Juni angenommen worden ist und das bewaffneten Auslandeinsätzen enge Grenzen setzt. Sie dürfen den Leuten nicht immer Angst machen, indem Sie die Lektüre der Uno-Charta überstrapazieren. Sie finden darin nirgends eine Bestimmung, mit der die Schweiz zu Truppeneinsätzen gezwungen werden kann. Blocher: Nach Artikel 43 sind die Uno-Mitglieder "verpflichtet", Truppen zur Verfügung zu stellen nach Massgabe von Sonderabkommen, die gemäss innerstaatlichem Recht erlassen werden. Der Druck auf ein solches Abkommen - das rein technisch ist - wird gewaltig sein. Sie haben Kosovo als positives Beispiel genannt. Der Kosovo-Krieg hatte kein Uno-Mandat, sondern war eine illegale Aktion der Nato, die von den USA dominiert wird. Was wollen Sie damit sagen? Blocher: Die Grossmächte führen Krieg, wie es ihnen passt: wenns geht mit der Uno - und sonst halt ohne. In Afghanistan haben die Amerikaner den Krieg allein geführt, ohne Mandat des Sicherheitsrats. Die Russen und Chinesen haben es geduldet. Man soll nicht so tun, als gehe es um eine friedliche übergeordnete Gemeinschaft - auch die Grossmächte vertreten immer handfeste Interessen. Da dürfen wir uns nicht hineinziehen lassen, sonst wird die Neutralität unglaubwürdig, und Krieg und Terrorismus werden ins Land geholt. Kann man sagen, dass sich die Uno seit dem Ende des Kalten Krieges immer mehr in staatliche Konflikte eingemischt und sich dabei auch militarisiert hat? Ist das wirklich nicht problematisch für die Neutralität? Deiss: Nein. Es geht nicht um eine Militarisierung. Was sich verändert hat, ist die Natur der Konflikte. Es gibt heute fast keine Kriege mehr zwischen Staaten. Dafür gibt es häufiger innerstaatliche Konflikte mit teilweise unkontrollierten Kräften - von Unabhängigkeitskämpfern bis zu Kriminellen, die aus puren materiellen Gründen ganze Länder unsicher machen. Doch diese internen Konflikte haben auch für uns Konsequenzen: Wenn in Kosovo Krieg herrscht, strömen Flüchtlinge in die Schweiz. Ein einzelner Staat kann diese Konflikte nicht lösen. Es ist deshalb nötig und legitim, dass die Uno eingreift. Und wenn die Uno in Jugoslawien interveniert, weil Milosevic die Menschenrechte missachtet, ist das eben kein Neutralitätsfall. Wenn die Uno gegen Saddam Hussein vorgeht... Blocher: ...gegen den Irak, das ist ein Unterschied... Deiss:...dann sind wir hoffentlich Partei: Denn es geht darum, ein Regime zu bekämpfen, das biologische und chemische Waffen entwickelt und einsetzt. Über die Qualität der Irak-Sanktionen kann man diskutieren, aber das Wort "Hungersperre" braucht nur noch Saddam Hussein. So simpel ist die Sache aber nicht. Blocher: Die Ärmsten sind verhungert - man spricht von 500'000 -, der Diktator ist geblieben und immer noch Uno-Mitglied. Daraufhin hat die Uno den Boykott gelockert. Deiss: Die Irak-Sanktionen wollen das Regime treffen, nicht das Volk. Damit es mit Nahrungsmitteln, Medikamenten und andern humanitären Gütern versorgt werden kann, gibt es das Programm "Oil for food". Und das funktioniert. Die Schweiz hat sich auch als Nichtmitglied der Uno auf die Seite des Rechts stellen und die Sanktionen übernehmen müssen. Die Neutralität wurde damit nicht verletzt. Im Übrigen stelle ich fest, dass Sie lauter Behauptungen aufstellen, aber keinerlei Beweise erbringen. Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, der Bundesrat wolle die Neutralität nicht mehr aufrecht erhalten oder betrachte sie als etwas Unangenehmes. Das stimmt nicht. Geben Sie mir ein Beispiel, wo der Bundesrat von der Neutralitätspolitik abgewichen ist. Blocher: Ich gebe Ihnen zwei: Er will den neutralitätswidrigen Uno-Vertrag und in die EU... Deiss: ...Es gibt kein einziges Beispiel. Das wird auch so sein, wenn wir in der Uno sind. Sie können die Charta hin und her interpretieren und, wenn Sie mit der einfachen Lektüre nicht durchkommen, sich auf irgendeinen Grundsatz berufen. Fest steht: Es gibt in dieser Charta kein Element, das unsere Neutralität in Frage stellt. Am Ende weichen Sie dann jeweils noch auf die Diplomaten aus, die Sie in ein schiefes Licht stellen. Blocher: Die einfache Lektüre der Artikel 41 bis 43 genügt. Im Übrigen rücke ich niemanden in ein schiefes Licht, wenn ich sage, dass es leichter ist, im Glaspalast und an grossen Konferenzen über die ganze Welt zu reden, als mühsam für die Interessen des Kleinstaates zu kämpfen. Deiss: Sie versuchen, die Diplomaten lächerlich zu machen. Gerade unsere Mitarbeiter in New York aber hatten in den letzten Herbstwochen eine schwierige Situation zu bewältigen und haben dies mit sehr viel Courage und Kompetenz gemacht. Unsere Diplomaten engagieren sich, um unser Land im Ausland zu vertreten, und sie werden ganz strengen Bedingungen unterstellt. Zu sagen, unsere Diplomaten seien legere Typen, die gerne ein bisschen diskutieren, ist zu einfach. Blocher: Ich habe nichts gegen jene Diplomaten, die unsere Interessen gegenüber anderen Ländern vertreten. Aber in der politischen Uno Reden halten zu wollen... Deiss: ...Man muss die Interessen dort vertreten, wo sie auf dem Spiel stehen, und heute ist es so, dass die Aussenpolitik zunehmend auf der multilateralen Ebene stattfindet, und es ist sträflich, wenn wir dort nicht dabei sind. Sie interpretieren auch die Situationen immer so, wie es Ihnen passt. In Kosovo ist doch nur dank den Uno-mandatierten Truppen eine gewisse Ruhe eingekehrt. Das hat erlaubt, Flüchtlinge zurückzuführen, Wahlen abzuhalten. Es behauptet niemand, dass alle Probleme gelöst sind... Blocher: ...die Kosovo-Intervention war ein Krieg der Nato. Es gab kein Uno-Mandat dafür. Deiss: Ja, und die Schweiz hat sich auch herausgehalten. Wir sind während des Konflikts neutral geblieben und haben der Nato keine Überflüge bewilligt. Erst als ein Uno-Mandat da war, konnten wir uns an der internationalen Friedenstruppe beteiligen. Sie haben Afghanistan als Beispiel gebracht und gesagt, da habe nicht die Uno, sondern Amerika eingegriffen. Blocher: Die Amerikaner haben den Krieg allein geführt. Das war nicht die Uno. Deiss: Das stimmt nicht. Die Uno hat schon 1999 und 2001 gegen die Taliban Sanktionen verhängt, und wir Schweizer haben sie übernommen - ohne jegliche Probleme mit der Neutralität. Am 12. September, einen Tag nach dem Terroranschlag, hat der Uno-Sicherheitsrat eine Resolution gegen den Terrorismus verabschiedet. Der Uno ist es gelungen, in Afghanistan relativ rasch eine Übergangsregierung einzusetzen und die Lage zu beruhigen. Sie sagen, die Amerikaner hätten das allein gemacht. Das stimmt nicht. Die Uno hat das Mandat für die Friedenstruppen verabschiedet, die jetzt dort im Einsatz sind, und die Uno ist im humanitären Bereich und im Wiederaufbau aktiv. Blocher: Die jetzigen so genannten Friedenstruppen haben nichts mit der amerikanischen Interventionsarmee zu tun, die allein Afghanistan besiegte... Deiss: Die USA hatten immer die volle Abdeckung durch die Uno. Blocher: ...Sie haben mich unterbrochen bei den Beispielen, die zeigen, dass der Bundesrat die Neutralität nicht ernst nimmt. Die Unterschrift unter den Uno-Vertrag ist ein solches Beispiel. Zweitens will er in die Europäische Union, und dort hat die Neutralität keinen Platz mehr. Das kann ja eine Position sein: Die Schweiz ohne integrale Neutralität. Aber zu sagen, wir bleiben natürlich neutral, auch wenn wir diesen Organisationen beitreten, da kommen Sie in ganz schwere Konflikte. Geben Sie doch zu, dass Sie die Neutralität lieber aufgeben würden. Deiss: Das sind doch keine Beispiele. Blocher: Uno-Vollmitgliedschaft und EU-Mitgliedschaft sind schlagende Beispiele. Die Neutralität schützt das Volk vor leichtfertigen Abenteuern der Regierung in internationalen Konflikten, und schützt damit vor Krieg und Terrorismus. Es ist doch seltsam, dass alle angeblich friedliebenden 189 Uno-Staaten sich gegen den Terrorismus ausgesprochen haben. Es kostet eben nichts, gegen den Terrorismus zu sein. Auch alle Terroristenstaaten haben die Hand in die Höhe gestreckt und gesagt, wir sind gegen den Terrorismus... Deiss: Welche Terroristenstaaten? Blocher: Sicher Afghanistan, Libyen. Heute wird auch Saudiarabien als Unterstützer Bin Ladens genannt... Deiss: Sie müssen aufpassen, wenn Sie Länder als Terroristenstaaten bezeichnen. Blocher: Der Terrorismus kommt ja von irgendwo her. Deiss: Wenn Sie Länder als Terroristenstaaten bezeichnen, kommen Sie mit der Neutralität in Konflikt. Blocher: Ich muss ja nicht neutral sein. Nicht der Bürger, sondern der Staat ist neutral. Ich bin nicht der Staat, wir haben ja keine Gesinnungsneutralität. Die USA erklären, zwei Drittel der Uno-Mitglieder seien Schurkenstaaten. Der Bundesrat sagt jetzt, gegenüber dem Terrorismus können wir nicht neutral sein. Kunststück: Der Terrorismus ist kein Staat, sondern eine Kampfform. Es ist, wie wenn wir sagen würden, wir können gegenüber dem Nahkampf nicht neutral sein. Das ist Unsinn. Wir müssen den Terrorismus vor allem im eigenen Land bekämpfen. Die UCK hat in diesem Land sehr lange ihre Unwesen treiben können. Hier müssen wir ansetzen. Zweitens bin ich nicht bereit, alles als Terrorismus zu bezeichnen, was die Grossstaaten als solches erklären; und ich bin auch nicht bereit, alles blindlings zu übernehmen. Deiss: Es gibt zwölf Uno-Konventionen gegen den Terrorismus. Die Schweiz hat zehn davon übernommen - Sie als Mitglied des Parlaments wahrscheinlich auch -, und der Bundesrat hat erklärt, dass er die letzten zwei noch in diesem Jahr ratifizieren will. Die kommen dann vors Parlament, und Sie können dazu Stellung beziehen. Die Schweiz kann frei entscheiden. Da ist kein Zwang und nichts. Blocher: Ich rede nicht von Konventionen, sondern von Kriegsmassnahmen des Sicherheitsrates. Herr Blocher, Sie kritisieren den Sicherheitsrat und das Veto der Grossmächte. Sie sagen, dass das Veto der USA eine Lösung des Palästinakonflikts verhindert, das Veto Russlands und Chinas die Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien und in Tibet deckt. Sollte die Uno denn in diesen Regionen eingreifen, um dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen? Blocher: Bei den Beschlüssen des Uno-Sicherheitsrats geht es nie ums Recht, da zählt nur die Macht. Es gibt auch keine Rechtsmittel in der Uno, um etwa all die Resolutionen durchzusetzen, die von den eigenen Mitgliedern verletzt werden. Deiss: Ah, jetzt kommen Sie in Schwierigkeiten: Zuerst sagen Sie, man würde in der Uno zu etwas gezwungen, und dann heisst es plötzlich, es gebe keine Mittel, um die Resolutionen durchzusetzen... Blocher: Keine Rechts-Mittel! Es gibt nur Macht-Mittel. Diese richten sich nur gegen den Kleinen. Nie gegen die Weltmächte. Deiss: Der Grosse hat die Macht, ob er nun in der Uno ist oder nicht. Nun frage ich Sie aber: Wer gibt dem kleinen Staat Recht, wenn die Uno nicht da ist? An wen wenden wir uns, wenn wir einer terroristischen Attacke ausgesetzt sind? Blocher: Die bewaffnete Neutralität und ein glaubwürdiger Rechtsstaat sind Schutz gegen Terroristen. Zusätzlich haben Polizei und Armee präventiv den Kampf im eigenen Land zu führen. Deiss: Das können wir doch nicht allein bewerkstelligen. Aber wer gibt dem kleinen Staat Recht, wenn er angegriffen wird? Blocher: Der Kleinstaat muss in erster Linie dafür sorgen, dass er sich nicht ins Unrecht setzt. Zum Beispiel, indem er Verträge unterschreibt, dann aber nicht einhält. Das kann sich der Grossstaat leisten, etwa die USA, wenn sie das Kyoto-Protokoll nicht einhalten, obwohl sie es unterschrieben haben. Würde die Schweiz das tun, müssten wir mit Sanktionen und Retorsionen rechnen. Der Kleinstaat schützt sich, indem er sich nicht ins Unrecht setzt. Herr Blocher, Ihre Haltung wirkt zwiespältig, Sie kritisieren die Grossmachtpolitik der USA und die Vetopolitik Chinas, die verhindert, dass in Tibet die Menschenrechte durchgesetzt werden. Gleichzeitig machen Sie mit diesen beiden Nationen gute Geschäfte. Blocher: Ich habe keine Probleme damit. Ich bewundere in China den wirtschaftlichen Aufbruch, würde aber die sozialistische Politik nie übernehmen wollen. Ich liebe Amerika als Staat der Freiheit, aber ich möchte mich den USA nicht unterwerfen. Darum geht es: um die Schweiz, ihre Freiheit. Herr Deiss argumentiert rein juristisch - er ist ja auch Jurist... Deiss:...Ich bin kein Jurist, ich bin Ökonom. Blocher: Gut, aber Sie argumentieren spitzfindig juristisch. Die Ökonomen haben in ihrer Ausbildung ja auch sehr viel Jurisprudenz (lacht). Deiss: Wollen Sie jetzt bestimmen, ob ich Jurist oder Ökonom bin? Blocher: Nein, es ist auch gleichgültig. Aber gegenüber einem Machtsystem wie der Uno kann man nicht nur formaljuristisch argumentieren - auch wenn Sie also nicht Jurist sind. Deiss: Das beweist doch, dass Sie immer alles durcheinander bringen. Blocher: Gut, Herr Deiss ist Systematiker und Blocher selbstverständlich ein Chaot (lacht). Der tatsächliche Druck auf unsere Freiheit wird zunehmen, wenn wir auch noch in der politischen Uno sind. Das Volk bezahlt und verliert an Freiheit und Sicherheit. Deiss: Das Gegenteil ist der Fall. Die Schweiz würde gerade als Vollmitglied der Uno ihre Eigenarten, den Mehrwert, den sie in die internationale Politik einbringen kann, besser zum Tragen bringen. Wir werden als Uno-Mitglied an Souveränität gewinnen und nicht verlieren. Blocher: Wer wir? Deiss: Die Schweiz. Blocher: Das Volk? Deiss: Die Schweiz als Volk. Blocher: Der Souverän? Unser Volk? Wer glaubt das? Deiss: Ja, unsere Souveränität, unser Volk werden an Bedeutung gewinnen. Wir werden nicht nur unsere Neutralität nicht verlieren, sondern sie viel besser ins Spiel bringen können. Indem wir wieder vermehrt in friedensvermittelnde Kooperationen eingesetzt werden. Herr Blocher, würden Sie bei einem Ja am 3. März akzeptieren, dass das Schweizervolk einen anderen Neutralitätsbegriff hat als Sie? Blocher: Bei einem Ja müsste ich akzeptieren, dass man die Neutralität nicht mehr ernst nimmt. Bei einem Ja wird der Bundesrat direkt zur zweiten Etappe in seiner Salamitaktik übergehen, nämlich zum EU-Beitritt. In der EU aber wird der Verlust für die Schweiz noch grösser. Das alles gilt es am 3. März zu verhindern. Deiss: Ich will hier keine EU-Diskussion führen. Blocher: Dieser Zusammenhang ist offensichtlich... Deiss: Den machen Sie, und wenn die Leute das am Ende glauben, ist es wegen Ihnen und nicht wegen mir. Es wäre schade, wenn die Schweizer über einen Uno-Beitritt abstimmen und dabei die EU im Kopf hätten. Dies wäre keine gute Grundlage, um einen richtigen Entscheid zu fällen. Welche Auswirkungen hätte ein Nein auf Ihre Aussenpolitik? Deiss: Dann sind wir genauso gute Demokraten wie Nationalrat Blocher und akzeptieren diesen Entscheid... Blocher: Sicher? Das wäre neu. Deiss: Sie zweifeln daran? Blocher: Ja klar. Nach dem EWR-Nein wurde der EU-Beitritt zum "strategischen Ziel" erklärt und nach dem Nein zur EU-Initiative das EU-Beitrittsziel bekräftigt. Deiss: Das Beitrittsgesuch war schon vor dem EWR-Nein in Brüssel eingereicht worden. Ein Nein zur Uno wäre sicher schwierig nach aussen zu erklären. Wir müssten grosse Anstrengungen unternehmen, um den Imageschaden abzufedern. Ein Nein würde als Absage an die Gemeinschaft der Völker verstanden, die sich in der Uno versammelt haben. Aber wir dramatisieren nicht: Die Schweiz würde auch diese Situation meistern, allerdings mit einem massiven Imageschaden.

26.01.2002

«Ich bin doch kein Isolationist»

Schon wieder muss Christoph Blocher für die Heimat und Freiheit kämpfen Interview mit der Neuen Luzerner Zeitung (NLZ) vom 26. Januar 2002 Interview: Jürg auf der Maur und Andrea Willimann Für Sie ist heimatmüde, wer für einen UNO-Beitritt ist. Trifft das auch auf Ihre Parteikollegen in Bern oder Graubünden zu, die für ein Ja sind? Christoph Blocher: Jene, die sagen, wir sollen in die EU, in die UNO, in die Nato, nach Schengen, die vernachlässigen die Grundsäulen, die unser Land stark machten. Die sind der Heimat, der Schweiz, etwas müde geworden. Die Werte Volksrechte, Freiheit, Wohlfahrt, um die uns das Ausland beneidet, sind zu selbstverständlich geworden und sollen aufgegeben werden. Mit solchen Äusserungen beleidigen Sie viele Leute in diesem Land, die sich sehr wohl mit bestem Gewissen für die Schweiz einsetzen, beispielsweise Bundespräsident Kaspar Villiger. Er gilt als Patriot, als Retter der Swissair. Blocher: In die Swissair haben die Steuerzahler 2 Milliarden Franken gesteckt. Deren Manager litten am Gleichen wie viele Politiker: Ein solides Konzept wurde aufgegeben, weil man nach Grösserem strebte. Statt klein und fein galt gross und teuer. Dasselbe in der Politik: Man will in die EU, UNO, Schengen? Bewährte Freiheit und Selbstbestimmung wird preisgegeben. Nochmals, solche Äusserungen sind doch beleidigend. Blocher: Dass der Bundesrat solche Sachen nicht gerne hört, ist mir schon klar. Die Regierung sagt aber auch Dinge, die die Bürger nicht gerne hören. Droht der Begriff "Heimat" nicht missbraucht zu werden? Blocher: Ich weiss nicht, ob jemand den Begriff missbraucht. Die Heimat ist das, wozu die Schweizerinnen und Schweizer stehen. Wenn man diese Eigenheiten nicht mehr schätzt, wenn man all das, was die Schweiz stark gemacht hat, preisgeben will, dann vernachlässigt man die Heimat. An der Albisgüetli-Tagung warfen Sie der "Elite" den Fehdehandschuh zu. "Elite" ist für Sie die Steigerung der Classe politique? Blocher: Ich habe den Fehdehandschuh nur der falschen Elite zugeworfen. Und wer ist das? Blocher: Die wahre Elite braucht es. Es braucht "Obere". Diese müssen aber ihre Fähigkeiten richtig einsetzen. Wir haben viel zu viele Unternehmen, die durch falsche Eliten an den Rand des Abgrunds geführt wurden. Das gilt auch für die Politik, nicht nur für die Wirtschaft. Ich erinnere ans KVG, wo man dem Volk tiefere Prämien versprach, und nun bezahlt man jedes Jahr mehr. Was passierte bei der Abstimmung? Was denn? Blocher: Das Gleiche wie jetzt bei der UNO-Abstimmung. Man disqualifiziert die Gegner. Um dem entgegenzuwirken, machen Sie nun rund fünfzig Auftritte oder geben grössere Interviews. Macht Ihnen das überhaupt noch Spass? Fünfzigmal gebetsmühlenartig das Gleiche zu sagen? Blocher: Ich bleibe bei meiner Sache, wechsle die Meinung nicht dauernd. Spass macht mir das nicht. Und trotzdem machen Sie es? Blocher: Es geht im Leben nicht nur darum, Spass zu haben. Sie spüren eine Berufung? Blocher: Ich habe das Gefühl, dass ich es machen muss. Ob es eine Berufung ist? Das weiss ich nicht. Im Leben weiss man nicht immer, warum man etwas macht. Ich habe die Schweiz gerne, deshalb finde ich es schade, dass wir in die UNO gedrängt werden sollen. Beim EWR- oder EU-Beitritt musste ich das auch schon machen. Auch damals war ich mehr oder weniger allein. Heute danken mir die Banken, dass ich sie vor diesem Schlamassel bewahrt habe. Ein wichtiger Punkt im Abstimmungskampf ist die Neutralitätsfrage. Der Bundesrat sagt, die Neutralität der Schweiz werde durch den Beitritt nicht tangiert, Sie behaupten das Gegenteil. Was macht Sie so sicher? Blocher: Das kann eigentlich jeder in der UNO-Charta nachlesen. Deshalb hat der Bundesrat auch bis in die Achtzigerjahre gesagt, die Schweiz könne der politischen UNO aus Neutralitätsgründen nicht beitreten. Wir müssten heute den genau gleichen Vertrag unterschreiben. Da steht erstens, dass wir die Anordnungen des Sicherheitsrates zu befolgen hätten, zum Beispiel Boykotte gegen andere Länder, dass sogar diplomatische Beziehungen abgebrochen werden müssten. Das sind Kriegsmittel. Die Charta verlangt in einem Artikel sogar, dass die Mitglieder Truppen zur Verfügung stellen. Wer das macht, ist doch nicht mehr neutral. Um Truppen stellen zu müssen, bräuchte es Sonderabkommen. Blocher: Ja, schon. Aber was heisst das? Das ist doch das Gleiche, wie wenn wir beide heute einen Autokauf abmachen, gleichzeitig aber vereinbaren, über die Farbe und den Preis uns später zu einigen. Der Druck, tatsächlich Truppen zu stellen, wird kommen. Sind wir einmal in der UNO, wird es heissen: "Wir können nicht eine gute Armee haben, dabei sein und nicht mitmachen." Juristisch kann die UNO keinen Druck aufsetzen. Blocher: Rein juristisch könnte die Schweiz vielleicht sogar noch klemmen. Aber politisch ? moralisch? Diesem Druck wird man schnell nachgeben. Die heutige Regierung ist nicht bekannt dafür, dass sie ausländischem Druck standhält. So bei den Holocaust-Entschädigungen. Auch beim Schwerverkehr oder beim Luftverkehr hat die Schweiz sehr schnell nachgegeben. Wenn unser Gesuch angenommen wird, akzeptiert die UNO, dass wir neutral sind. Blocher: Nein, gerade nicht, weil sie auf einen Neutralitätsvorbehalt verzichtet hat. Das Parlament lehnte diesen ausdrücklich ab, auf Antrag des Bundesrates. Wir wollten einen Vorbehalt für unsere freigewählte, bewaffnete, dauernde bündnisfreie und integrale Neutralität. Jetzt schreibt der Bundesrat im Beitrittsgesuch lediglich, die Schweiz trete der UNO als neutrales Land bei. Eben! Blocher: Das stimmt schon. Zum Zeitpunkt des Beitritts sind wir neutral, nachher unterzeichnen wir das Gegenteil. Immerhin: 60 der 189 Staaten mussten noch nie Truppen stellen. Ein Sonderabkommen wurde noch nie gemacht. Blocher: Mit anderen Worten: 129 Staaten stellten schon Truppen. Das wusste ich gar nicht. Das ist ja unfassbar. Da muss man dann noch schauen, was das für 60 Staaten sind. Ein Grossteil dieser 60 Staaten hat gar keine genügend ausgebildete oder gar keine Armee. Die könnten gar keine Truppen stellen. Nochmals: Juristisch könnte die Schweiz vielleicht schlüpfen. Aber politisch-moralisch wäre das nicht möglich. Die Moralfrage stellt sich aber auch, wenn die Schweiz nicht beitritt. Die Schweiz kann doch nicht immer abseits stehen, beispielsweise beim Kampf gegen den Terrorismus? Blocher: Ja, und dagegen habe ich auch nichts. Wir sind ja Mitglied und Partner der UNO. Wir sind überall dabei ausser bei der politischen UNO. Wir haben den Terrorismus zu bekämpfen, vor allem zuerst im eigenen Land, aber wir wollen selbst denken und entscheiden können, wer für uns Terroristen sind und wie wir vorgehen. Das läuft doch letztlich einfach auf einen autonomen Nachvollzug hinaus. Blocher: Wenn der Bundesrat nachvollzieht schon. Aber das muss er nicht. Wir sind stolz auf die Freiheit und wollen uns nicht unterjochen lassen, und stolz auf unsere Neutralität, die man für die Weltgemeinschaft nutzen kann. Nämlich dort, wo die UNO- Staaten nicht helfen können, weil sie Partei sind. Ich bin sehr besorgt über die Weltlage. Erstens gibt es heute rund vierzig Kriege, zweitens stelle ich fest, dass die Grossmächte heute diktieren, wo es langgehen soll. In den USA, einem so freiheitlichen Land, darf jetzt kaum jemand zum Afghanistankrieg Fragen stellen. Bei den vierzig Kriegen handelt es sich um innerstaatliche Konflikte, die Neutralitätsfrage stellt sich gar nicht. Blocher: Nein. Nein. Ist Palästina-Israel ein innerstaatlicher Konflikt? Seit Jahren spricht sich die UNO gegen die Siedlungspolitik Israels aus, passieren tut nichts. Nur weil eine Schutzmacht mit Vetorecht im Sicherheitsrat vorhanden ist. Sind wir auch in der politischen UNO, unterwerfen wir uns dem Sicherheitsrat und werden Partei. Sind wir unpolitisch, können wir helfen, wo Neutralität gefragt ist. Sie sprechen die "Guten Dienste" an, die gemäss Bundesrat aber praktisch nur noch innerhalb der UNO spielen. Blocher: Ich sage nicht, dass es die Schweiz in allen Fällen braucht. Aber ich sage, dass dort, wo die UNO nichts unternehmen kann, sich eine Chance für die Schweiz bietet. Beispielsweise im Serbenkonflikt. Der Bundesrat wurde von den USA angefragt, ob er ihre Interessen gegenüber den Serben vertreten würde. Er lehnte ab, weil er im Hinblick auf die UNO-Abstimmung das auch gar nicht mehr wollte. Aber ist Ihre auf Isolationismus ausgelegte Politik langfristig im Sinne der Schweiz? Hat die Schweiz noch Freunde? Blocher: Ich bin doch kein Isolationist. Ich bin ein international tätiger Unternehmer. Olympische Spiele werden nicht in die Schweiz vergeben, die Afghanistankonferenz fand trotz Schweizer Bemühungen in Deutschland statt. Bei globalen Fragen lässt sich die Schweiz draussen? Blocher: Die Schweiz ist geachtet. Auch als Mitglied der politischen UNO würde uns die Olympiade nicht einfach zufallen. Weshalb fand die Afghanistankonferenz in Deutschland statt? Weil die Schweiz sie nicht bekam. Blocher: Nein, weil es die Schweiz gar nicht brauchte. Den Neutralen braucht es nur, wenn Sieger und Verlierer dabei sind. In Deutschland waren die Sieger unter sich. Da braucht es keine Neutralität. Moment: Die Taliban waren eingeladen, kamen aber nicht. Blocher: Ja, weil sie wussten, dass nicht Neutrale einluden. Deshalb sind die Taliban nicht gekommen. Ein anderes Argument sind die Kosten. Die Schweiz müsste 70 Millionen Franken mehr bezahlen. Seit 1980 stieg der Beitrag, und das, ohne Mitglied zu sein... Blocher: Wir können schon heute überall mitreden, wo wir bezahlen. Da haben wir auch ein Stimmrecht. Wir zahlen schon heute 500 Millionen Franken. Dagegen habe ich eigentlich nichts. Doch beim Vollbeitritt gingen wir einen entscheidenden Schritt weiter. Sie haben keine Angst vor einem Imageschaden für die Schweiz bei einem Nichtbeitritt? Blocher: Ich habe auf der ganzen Welt noch nie jemanden kennen gelernt, der wusste, dass wir nicht Vollmitglied sind. Wenn wir jetzt Nein sagen ... ... wissen es alle. Blocher: Das war schon 1986 so und war drei Tage später vergessen.

21.01.2002

Geschwätz über den service public

Mein Beitrag in der Berner Zeitung vom 21. Januar 2002 Nur die private Marktwirtschaft könne die Bedürfnisse der Menschen befriedigen, sagt SVP-Nationalrat Christoph Blocher. Die Staatswirtschaft sei dazu nicht in der Lage. Leider gelte vielerorts das Gegenteil. Christoph Blocher Eine funktionierende Brotversorgung gehört zu den wichtigsten Diensten an der Öffentlichkeit. Sie ist daher ein Service public. Doch sagen sollte man dies nicht zu laut, sonst finden sich schnell linke und nette Politiker, die die Brotversorgung verstaatlichen möchten, vor allem, wenn eine bedeutende Bäckerei in den Konkurs geraten sollte. Denn für Linke ist Service public nur durch Staatsbetriebe zu gewährleisten. Was wäre die Folge einer solchen Verstaatlichung? Täglicher Brotmangel oder Brotüberschuss, wahrscheinlich beides gleichzeitig, Preisanstieg und armseliges Brotsortiment, unzufriedene Kunden und Konsumenten, alles mangels Konkurrenz. Dazu kommen Subventionen, die Bäckereien über Wasser halten. Im Interesse der Menschen Wo der freie Markt, wo Konkurrenz und Wettbewerb möglich sind, kann nur die private Marktwirtschaft die Bedürfnisse der Menschen befriedigen. Die Staatswirtschaft ist untauglich. Obwohl dies längst erwiesen ist, gilt vielerorts das Gegenteil. So hält sich der Staat ein eigenes Fernsehen und behindert dadurch die Meinungsvielfalt. Ausgerechnet im Land der direkten Demokratie! Tele 24 und TV3 sind gestorben, weil der Staat keinen echten Wettbewerb zulässt. Hier ist dringend Liberalisierung geboten. Die Swisscom bezeichnet man zwar als privatisiert. Doch der Staat hält weit über 50 Prozent ihrer Aktien. So behindert ein privilegierter Staatsbetrieb die private Konkurrenz, indem er zum Beispiel das Monopol über die letzte Meile hält. Die Gefahr ist gross, dass sich auch hier die privaten Konkurrenten zurückziehen müssen. Damit wird Telefonieren teurer. Der Swisscom-Bundesanteil ist deshalb rasch zu veräussern. Allen Anbietern sind die Infrastrukturen zu gleichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Ebenso ist die Export-Risiko-garantie (ERG) auf private Basis zu stellen, und die staatliche, halbstaatliche und kartellisierte Stromwirtschaft ist aufzubrechen. Diese hat der Schweiz, dem Wasserschloss Europas, die höchsten Energiepreise Europas beschert! Das revidierte Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) liberalisiert nur mangelhaft. Verheerend ist die neue Staatsbeteiligung - und damit die Ausserkraftsetzung der Marktwirtschaft - in der Flugfahrt. Die Flugkonsumenten und Steuerzahler haben das Nachsehen. Die neue Crossair ist ein Rückfall in eine Staatswirtschaft mit all ihren negativen Folgen. Die neue Lösung freut nur Politiker und private Investoren, die Angst vor dem freien Markt haben, weil sie dort weitgehend versagt haben. Auch sind die Preise vieler Produkte, die durchaus in der freien Marktwirtschaft bestimmt werden könnten, staatlich festgelegt oder reguliert. Die Missstände sind hier offensichtlich. Es ist kein Zufall, dass im Jahr 2002 vor allem diejenigen Preise erneut und dauernd steigen, die entweder staatlich festgelegt oder staatlich reguliert sind. So beim Bier (durch die Erhöhung der Biersteuer), bei den Mieten, im öffentlichen Verkehr, im ganzen Gesundheitswesen, bei den Krankenkassen usw. Würde man die Preisfestsetzung dem Wettbewerb aussetzen, wäre das Preisniveau überall tiefer. Monopolbetriebe Aus natürlichen oder wirtschaftlichen Gründen können bei grossen Infrastrukturen, wie beispielsweise bei Strassen, Schienen, Pipelines, Stromleitungen und Wasser-Versorgungen, die Bedürfnisse nur durch einen Monopolbetrieb befriedigt werden. Wo ein solches Monopol unumgänglich ist - aber nur dort -, ist ein staatliches Monopol mit demokratischer Kontrolle besser als ein privates Monopol. Dies gilt aber ausdrücklich nicht für zum Beispiel die ganze Abfallwirtschaft, die Telekommunikation, das Fernsehen, die Gütertransporte auf Schiene und Strassen, die öffentlichen Bauten, die Crossair oder das gesamte Gesundheitswesen. Nein zur Mischwirtschaft Neuerdings werden so genannte Service-public-Unternehmen halbprivatisiert. Das heisst, die Privatwirtschaft und die Politik betreiben die Betriebe gemeinsam. Was gibt es Schöneres als "Wir sitzen so traulich beisammen und haben einander so lieb". Überwacher und zu Überwachende sitzen am gleichen Tisch und sind oft gar die gleiche Person. Zu leiden haben wieder die Benutzer. So war es bei der alten Swissair, und so wird es noch verstärkt bei der Crossair sein. So ist es bei den "privatisierten" Rüstungsbetrieben, bei der SRG, bei der Expo, um nur einige Bespiele zu nennen. Mit diesen gemischtwirtschaftlichen Formen ist aufzuräumen. Sie führen zur Vettern-Wirtschaft, zu "Sauhäfeli - Saudeckeli" und zur Korruption. Sie dienen einzig Politikern und Funktionären sowie einigen Privaten, die das Licht der Marktwirtschaft scheuen. Landwirtschaft Die Landwirtschaft hat gemäss Verfassung und Gesetz der Nahrungsmittelversorgung, dem Schutz des Landes vor Vergandung und der dezentralen Besiedelung des Landes zu dienen. Die beiden letzten Staatszwecke lassen sich mit der freien Marktwirtschaft nicht erreichen, weil es nichts zu verkaufen gibt. Dazu braucht es aber nicht die heutige unheilvolle Agrarbürokratie, nicht diesen zerstörerischen Interventionismus, der die Landwirtschaft unheimlich verteuert und dem Bauern jede unternehmerische Freiheit nimmt. Vielmehr ist - abgestuft nach Nutzungszonen - den Bauern ein Flächenbeitrag zur Bewirtschaftung des Landes zuzuweisen, mit der Verpflichtung, das Land minimal zu bewirtschaften. Das sind keine Sozialbeiträge, und sie haben mit der Einkommenshöhe nichts zu tun. Für den Rest kann die Agrarbürokratie abgeschafft und dem Bauern und den Produkten die Freiheit des Marktes gegeben werden. Die Post ist gefordert Die Umwälzungen sind wohl am stärksten bei der Post. Durch die starke Verschiebung vom Briefverkehr auf die elektronische Kommunikation (z. B. E-Mail, SMS, Telefax, Internet, starke Verbesserung der Telefonverbindungen) und die zunehmenden, qualitativ einwandfreien, privaten Kurierdienste und Verteilorganisationen kommt die Post nicht darum herum, die Kosten zu senken, um konkurrenzfähig zu sein. Damit die Posttaxen nicht ins Unbezahlbare steigen und der Druck von dritter Seite nicht noch mehr erhöht wird, sind vermehrt auch von der Post unkonventionelle Lösungen zu verwirklichen. Sie kann nur bestehen, wenn sie konkurrenzfähig ist. Um namentlich auch abgelegene Orte bedienen zu können, sind dort vermehrt auch Gemeinschafts-Lösungen zu treffen. Warum nicht die Post mit den Gemeindekanzleien, dem Dorfladen oder gar dem Pfarrer zusammenlegen? Eine Postbank - nach den Kantonalbanken -, das heisst eine eidgenössische Bank, die den Wettbewerb verzerrt, nein danke. Auch das wäre kein Dienst am Kunden, kein Service public, sondern wieder eine Staatsbank zur Freude von Politikern und Funktionären.