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Personal

24.06.2000

Das Schwabentor

Kolumne in der Zürichsee-Zeitung vom 24. Juni 2000 von Christoph Blocher, Herrliberg Als siebtes Kind wuchs ich in einer elfköpfigen Kinderschar am Rheinfall auf. Wenn wir Kinder nicht mehr weiter wussten oder unsere Fantasie die Realität entstellte, ermahnte uns der Vater: "Geh zum Schwabentor und lies, was dort steht!" - Gemeint war der Schwabentorturm in der nahen Stadt Schaffhausen, ein mittelalterlicher Turm am ehemaligen Eingangstor der Stadt. Dort findet man am äusseren Torbogen noch heute den Spruch: "Lappi tue d'Augen uf. Ein Führungsgrundsatz In meiner wirtschaftlichen Tätigkeit denke ich oft ans Schwabentor: "Lappi tue d'Augen uf!" Wenn wirtschaftliche Modeströmungen die Runde machen - sei es der verlockende Ruf nach "Diversifikation", nach "New Management"; wenn allerlei Globalisierungs-Weisheiten oder immer neue Führungsmethoden mir verlockend den Kopf zu verdrehen beginnen, weil sie die mühsame Lebenswirklichkeit aufzulösen scheinen - dann hat mich der Führungsgrundsatz "Lappi tue d'Augen uf!" wieder auf den Boden gebracht und bis heute vor allerlei Unsinn bewahrt. Politischer Leitsatz In der Politik geht es mir ähnlich. Wie oft wird doch - völlig über alle Köpfe hinweg - eine Politik betrieben, die der Lebenswirklichkeit in keiner Weise entspricht. So wird beispielsweise von höchster Stelle verkündet, die Schweiz stehe bezüglich Staatsausgaben weit besser da als andere Staaten. Doch da taucht auf dem Internet eine Statistik der OECD auf, die der Schweiz diesbezüglich einen bedenklichen Platz zuweist. Laut dieser Statistik liegt in der Schweiz der prozentuale Anteil vom Volksvermögen, welcher dem Bürger zur freien Verfügung steht, am negativen Ende der Liste. Wurden in unserem Land 1990 40 % unseres Volkseinkommens durch den Staat der freien Verfügung entzogen, so sind es im Jahre 2000 bereits 50 %! Die Schweiz belegt damit in dieser Bedenklichkeitsrangliste hinter Frankreich mit 52 % und Schweden mit 56 % den dritten Platz. Alle anderen Industriestaaten schneiden weit besser ab. Plötzlich sieht also der "Lappi", der die Augen öffnet, dass die Schweiz in einer wohlstandsgefährdenden Entwicklung steht. Ein Alarmzeichen, müsste man meinen. Eine Einschränkung der Staatsquote drängt sich auf. Staatsausgaben und Steuern sind zu senken. Das verlangt die Aussagekraft dieser Zahlen. Wer die Augen offen hat, erkennt diese soziale Verantwortung. Doch was passiert? De Lappi tuet d'Auge zue Wer heute im Internet sucht, findet zwar immer noch die gleiche statistische Darstellung. Doch ein Staat fehlt plötzlich - die Schweiz. Nach Rückfrage auf dem OECD Sekretariat, warum die Schweiz dort nicht mehr erscheine, erhält man die Antwort: Die Schweiz habe diese Statistik ohne Angabe von Gründen zurückgezogen. Also wird selbst der "Lappi", der die Augen auftut, die Wirklichkeit nicht mehr erkennen und bekannt machen können. So können die Politiker weiterhin mit geschlossenen Augen getrost durch das Land ziehen und ihre falsche Politik betreiben in der Hoffnung, die Wahrheit bleibe noch lange unentdeckt. Wir können nur hoffen, dass sie bald am Schwabentor vorbeikommen und wenigstens dort mit offenen Augen lesen: "Lappi tue d'Augen uf!"

24.06.2000

«Vielleicht ist alles falsch»

Ein Gespräch mit dem Zürcher Chemie-Unternehmer Dr. Christoph Blocher Tages-Anzeiger, Das Magazin Nr. 25 vom 24. Juni 2000 Von Roger Köppel Herr Blocher, Sie schuften und rackern für Ihr Unternehmen, die EMS-CHEMIE, und für Ihre Partei, die SVP. Sie haben Millionen verdient und beherrschen die Debatten. In der Politik gehen Sie bis zur körperlichen Erschöpfung ans Limit. Warum tun Sie sich das an? Christoph Blocher: In der Politik frage ich mich durchaus, weshalb ich mich immer wieder solchen Widerwärtigkeiten aussetze. Es ist ja nicht so, dass ich für einen sachlich begründeten Vorstoss wie die Umleitung des Nationalbankgoldes in die AHV Applaus bekäme. Je besser die Idee, desto grösser die Zahl der politischen Gegner. Aber: Je mehr Politiker mit dem Schwert drohen, desto sicherer bin ich, dass ich recht bekommen werde. Wieso ziehen Sie es immer wieder durch? Blocher: Nicht wegen, sondern trotz allem. Ich warte sehnsüchtig darauf, dass ich mich aus der Politik zurückziehen kann. Wenn ich nach Bern fahre, sage ich mir immer wieder: Wenn ich nur diese Politik nicht hätte. Trotzdem tue ich es. Sie wollen immer gewinnen. Das macht süchtig. Blocher: Ach wissen Sie, die Bilanz, die ich in der Politik einmal ziehen werde, ist ganz anders als die meiner Politikerkollegen. Für viele kommt es doch darauf an, dass sie stets bei den Gewinnern sind, dass sie etwas sind, dass sie auf ihren Erinnerungsfotos zeigen können, welchem Staatspräsidenten sie die Hand geschüttelt haben und nicht, dass sie etwas bewirken. Sie sagen: Schau da, diese Kutschenfahrt mit Chirac und hier diese schöne Militärparade. Ich frage anders, für einen Unternehmer vielleicht typisch: Was habe ich eigentlich geleistet? Ja, was eigentlich? Blocher: Vielleicht kann ich sagen, dass die Schweiz ohne mein Engagement heute dem EWR angehören würde. Hätten wir ihn angenommen - davon bin ich überzeugt - ginge es unserem Land heute viel schlechter. Ich gab den entscheidenden Anstoss, um die Steuern zu senken, weil ich weiss, dass ein schlanker Staat für das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger besser ist. Sollte es uns gelingen, das überschüssige Nationalbankgold in die AHV einfliessen zu lassen und nicht in die Solidaritätsstiftung, die dann zur Grundlage für weitere Erpressungen würde, wäre das erfreulich. Macht es da etwas aus, wenn man mich im Kampf um diese Anliegen kübelweise mit Schmutz überschüttet? Würden Sie Ihre politische Karriere als Erfolg bezeichnen? Blocher: Was bedeutet Erfolg? Ein bisschen Geltung erlangen? Herumdudeln? Viel von sich reden machen? In der Politik erlangen Sie schnell Aufmerksamkeit. Obwohl das arrogant tönt, sage ich Ihnen, dass in der Politik häufig Flaschen anzutreffen sind, weil nicht an den Taten, sondern an den Worten gemessen wird. Es fehlt an Leistungsdruck, an Konkurrenz, an Wettbewerb der Leistung und an hohen Anforderungen. In der Wirtschaft treffe ich auf beeindruckendere Persönlichkeiten. Viele Politiker folgen dem Prinzip des Ehrentisches, sie wollen ein bisschen dabeisein, mitreden, abgebildet werden. Ob es ihnen wirklich um das Wohl des Landes geht, bezweifle ich in manchen Fällen. Immer wieder frage ich mich: Hatte ich eigentlich Erfolg in der Politik? Wenn ja, ist dieser überhaupt messbar? Wurde dank meiner Tätigkeit etwas gestaltet, verbessert, Unsinn verhindert? Vielleicht wäre die EWR-Abstimmung ohne mich viel deutlicher zuungunsten des Beitritts ausgefallen. Wer weiss das schon? Habe ich wirklich etwas bewirken, etwas schaffen können? Ich bin mir da nicht so sicher. Viele meiner Gegner sind darüber frustriert, sich dauernd den Schädel einzurennen. Bodenmann ist ins Wallis verschwunden, Frau Koch ist von der Bühne gesprungen, Ledergeber hat sich in die Stadtregierung zurückgezogen. Es kann schon ein sehr kräftezehrendes Geschäft sein, wenn man etwas bewirken will. Am publizistischen Seminar der Universität Zürich werden bereits Forschungsarbeiten gemacht, die Ihre immense Wirkung auf die Medien analysieren. Wie fühlt man sich als "Phänomen"? Blocher: Von "Phänomen" merke ich nichts. Die Belastung ist enorm. In letzter Zeit wurde ich im Zusammenhang mit den bilateralen Verträgen mit Briefen bombardiert, weil man meine Bedeutung wieder einmal masslos überschätzte. Diesen Leuten schreibe ich: Wenn das Wohl der Schweiz nur noch von mir abhängt, ist es schlecht bestellt. Sie wird auch ohne mich bestehen. Das klingt jetzt etwas depressiv. Blocher: Auch als Unternehmer bin ich manchmal verzweifelt - trotzdem mache ich es gern. Das gilt auch für die Politik. Ein bildlicher Vergleich: Es muss schrecklich sein, in den Krieg zu ziehen. Gehen wir doch einmal zurück ins Mittelalter, als man noch Kriegspferde hatte. Ich stelle mir vor: Jetzt ist Krieg, das ist schrecklich. Vielleicht muss ich töten oder werde getötet. Aber sitzt man erst einmal auf dem Ross und gibt diesem die Sporen, dann geht es los, vielleicht in freudigem Galopp. Es muss sein. Und Ihr Ur-Antrieb? Blocher: Diese Frage stellte ich mir nie. Ich habe dieses Land gern. Wenn ich ein Problem erkenne und das Gefühl habe, etwas machen zu müssen, dann mache ich es. Das liegt in meinem Naturell. Ich frage mich auch nicht, ob ich fähig bin, ich tue es einfach. Das war schon in der Kindheit so. Meine Mutter soll jeweils überall humoristisch gesagt haben: "Der Kleine muss immer alles anpacken, das wird wohl noch gefährlich mit ihm." Was ist das Geheimnis der Menschenführung? Blocher: Eines der faszinierendsten Themen, das ich kenne. Ich beschäftige mich laufend damit, denke nach, diskutiere, lese Bücher darüber. Zu welchen Schlüssen sind Sie gekommen? Blocher: Ein Unternehmer ist ein Pferd, ein Lasttier, das vorangeht. Er hat seinem Auftrag alles unterzuordnen: ein angenehmes Leben, Gesundheit, Geld und Familie. Das hören Ehefrauen nicht gern. Blocher: In diesem Punkt habe ich mit meiner Frau von Anfang an intensiv arbeiten müssen. Vor acht Jahren - als die Belastung als Unternehmer und Politiker besonders gross war - sagte ich ihr: Es wäre für Dich sicher angenehm, einen entspannten Ehemann zu haben, der abends gemütlich im Sessel sitzt. Du musst aber sehen: Erstens habe ich über 2'000 Mitarbeiter - Familien, die vom Unternehmen leben - und dann ist da die Schweiz. Wenn ich jetzt nicht dafür sorge, dass der EWR abgelehnt wird, dann sitzt das Land in der Tinte. Was gibt es da noch abzuwägen? Ein entspannter Ehemann gegen das Anliegen eines freien Landes, das Selbstbestimmung und Wohlfahrt der Schweiz sichert? Auch sie hat glücklicherweise dem Anliegen für eine freie Schweiz den Vorzug gegeben. Das muss Konflikte gegeben haben. Blocher: Aber sicher. Für viele haben Männer einen Heiligenschein, wenn sie den Wunsch ihrer Ehefrauen über alles stellen. Das muss man offen zur Sprache bringen, darf den Konflikt nicht scheuen. Die umfassende Harmonie ist nicht das höchste Glück der Ehe. Hätten Sie Ihre Familie dem Unternehmen geopfert? Blocher: Das habe ich mir mehrmals überlegt. Wenn es nur um die Annehmlichkeiten der Familie gegangen wäre, hätte ich dies getan. Eine Ehe muss solche Belastungen ertragen. Der Familie ist etwas zuzumuten. Aber entscheidend ist das Motiv. Wäre meine Frau plötzlich krank geworden, hätte ich andere Prioritäten gesetzt, weil die Familie mich dann gebraucht hätte. Was ist Ihre Führungsphilosophie? Blocher: Die Menschen direkt führen. Das Ziel, den Auftrag auf die Mitarbeiter übertragen, sie begeistern und mit gutem Vorbild vorangehen. Ich glaube, dass viele Managerschulen nur das Rationale erfassen und nicht das Wesen der Führung. Sie entwickeln Theorien - oft modische Tendenzen - die kommen und gehen, aber sie erfassen nicht, worauf es wirklich ankommt. Worauf kommt es an? Blocher: Die Mitarbeiter müssen spüren, dass es ernst gilt, dass der Chef seiner Aufgabe alles unterordnet. Man muss mit dem Irrationalen rechnen. Ich messe dem Irrationalen - in der Politik wie im Unternehmen - grosse Bedeutung bei. Je älter ich werde, desto klarer wird mir, dass das Irrationale bei der Menschenführung die Hauptrolle spielt. Das Irrationale ist der Mensch, ein Bündel von Leidenschaften, die sich nur schwer berechnen lassen. Blocher: So sehe ich es. Im Vordergrund steht der Mensch, den man gern haben muss, um erfolgreich zu führen. Wir alle sind unvollkommen. Unvollkommene führen Unvollkommene. Als Führender muss man die Menschen gern haben, so wie sie sind und nicht, wie man sie am liebsten haben möchte. Erst wenn ich ihn gern habe, kann ich ihn verstehen. Erst wenn ich ihn verstehe, kann ich ihn führen. Das kann man eigentlich nicht lernen. Lernen kann man die Führungstechnik. Wie führen Sie? Blocher: Technisch - sei es im Unternehmen, in der Partei, der Politik oder im Militär - immer gleich: 1. Ich messe der Orientierung über meinen eigenen Auftrag, der Frage, worum es geht, grosse Bedeutung zu. So wird der Untergebene ernst genommen. Dann gebe ich meine Absicht und Ziele bekannt. 2. Ich gebe den Auftrag, verteile die Verantwortlichkeiten. 3. Ich weise auf besondere Probleme und Gefahren hin. Der Auftrag - der eigene und der, den ich erteile - steht im Mittelpunkt. Es gibt natürlich Kritiker, die mir deshalb einen militärischen Führungsstil andichten. Sie verwechseln Auftrag mit Kommando, haben nichts begriffen. Ich pflege eine militärische Führungstechnik, keinen militärischen Führungsstil, das ist ein grosser Unterschied. Mich beeindruckt die militärische Führungstechnik westlicher Armeen, die sich im Ernstfall während über 2000 Jahren bewährt hat. Im Militär geht es um Leben und Tod. Daraus kann man lernen. Welche militärischen Führer bewundern Sie? Blocher: Der englische General Fraser hat ein hochinteressantes Buch über den deutschen Feldmarschall Erwin Rommel geschrieben, den Wüstenfuchs, der im Zweiten Weltkrieg das deutsche Afrikakorps kommandierte und schliesslich von den Nazis ermordet wurde. Ursprünglich interessierte mich daran, was ein englischer General über den General einer ursprünglichen Feindesmacht schreibt. Die Lektüre wurde dann für mich zu einem Führungserlebnis. Fraser hat Rommels Führungsstil mit unglaublichem Respekt vor dessen Person analysiert. Fraser hat Rommel nicht verurteilt, obwohl er Deutscher war. Auch Rommels Gegenspieler, Feldmarschall Montgomery, der damals die englischen Panzerarmeen führte, verachtete Rommel nicht, im Gegenteil: Er brachte ihm grosse Sympathie entgegen und hatte ein Bild von ihm in seinem Panzer. Was haben Sie von Rommel gelernt? Blocher: Die Lektüre hat mich in einem entscheidenden Punkt bestätigt: Das Irrationale ist zentral. Rommel führte sehr irrational, missachtete und veränderte im Interesse des Auftrages sogar Befehle, erfasste Situationen intuitiv, ohne genau zu wissen, warum. Es gelang ihm, seine Soldaten selbst in ausweglosen Situationen zu begeistern, weil er sie gern hatte. Rommel liebte sogar den Feind und verlangte, dass die Gefangenen gut zu behandeln seien. Er war kein Moralist, der sich für etwas Besseres hielt. Und dann das Instinktive: wann angreifen, wo angreifen - aus dem Bauch heraus. Rommel war das Gegenteil von Montgomery, der alles durchkalkulierte und dem Deutschen gegenüber materialmässig im Vorteil war. Aber auch Montgomery schätze ich sehr. Sie waren im Vorgehen grundverschieden, in ihrer Einstellung aber Vorbilder. Rommel war ein Spezialist des Überraschungsangriffs. Er hat dann zugeschlagen, wenn es niemand erwartete. Blocher: Es war beeindruckend für mich, wie sich diese militärischen Erfolgsrezepte auf das Unternehmerische übertragen lassen. Ich habe ein anderes Büchlein gelesen, das mich in dieser Hinsicht prägte: den Bericht von Eisenhowers Stabschef über die Landung der Alliierten in Europa. Wieder haben sich die militärischen und unternehmerischen Führungsgrundsätze eins zu eins gedeckt: Konzentration der Kräfte, vermeide die Verzettelung. Ein Beispiel: Seit Jahren vertrete ich im Unternehmen die Auffassung, dass die Konzentration - nicht die Diversifikation - den Erfolg bringt. Was verstehen Sie darunter? Blocher: Schuster, bleib bei Deinem Leisten. Ist das nicht selbstverständlich? Wenn Sie wenig richtig machen, haben Sie Erfolg. Und wenn Sie alles oder zuviel machen, haben Sie keinen Erfolg, weil Sie sich verzetteln. Als Unternehmer muss ich mich fragen: Wo bin ich stark, was kann ich, wo bin ich schwach? Als ich die marode EMS vor siebzehn Jahren übernahm, habe ich die Schwächen ausgemerzt, mich wie im Militär auf die Stärken konzentriert: Wo bilde ich ein Schwergewicht? Wenn ich in der Führung kein Schwergewicht habe, mache ich überall etwas, aber nichts richtig. Interessanterweise wechselten viele Managerschulen, die in den 80er Jahren den Grundsatz der Diversifikation predigten, nun zum Prinzip der Konzentration. Natürlich erfand man dafür ein gewichtigeres Wort: Fokussierung. Wie finden Sie die Gewissheit, dass Sie richtig liegen? Blocher: Diese Gewissheit hat man nie. Ich handle intuitiv, tue etwas, weil ich es tun muss, kann mich oft nur auf mein Gefühl verlassen. Waren die Kampagnen der SVP Ausdruck solcher Spontaneingebungen? Blocher: Manchmal. Es gehört zum Schicksal intuitiver Menschen, dass Eingebungen hinterher zu einem gewaltigen Kater führen können. Realisiert man erst einmal, was man beschlossen hat, kommen tiefe Zweifel. Man fängt an, die Sache vernunftmässig zu analysieren. Man denkt nach, d.h. ja, man denkt "hinterher". Oft frage ich mich: Blocher, warum hast Du das beschlossen? Was bist Du für "en fräche Siech"? War das gut überlegt? Hadern Sie auch vorher? Blocher: Nein. Im Vorfeld bin ich ganz sicher, vollständig überzeugt. Aber nachher habe ich jeweils eine ganz schwere Woche, schlaflose Nächte, mache mir unglaubliche Vorwürfe. Das muss so sein. Man findet plötzlich alles falsch, wundert sich darüber, weshalb man genau das Gegenteil von dem tat, was die andern täten. Doch dieser Denkprozess ist wichtig. Er führt bei neuen Entscheiden intuitiv zu Gewissheiten. Welches war Ihre schwierigste Führungssituation? Blocher: Die Übernahme der EMS-Chemie vor siebzehn Jahren ohne Eigenkapital. Die Ausgangslage war verfahren: Die Firma war am Serbeln, der Eigentümer gestorben, die Kinder wollten verkaufen, hohe Verluste, niemand glaubte mehr an den Erfolg, vor der Türe stand ein amerikanisches Unternehmen, das kaufen wollte, um dann einen grossen Teil zu schliessen. Die Frage lautete: Was machen wir jetzt? Auf der Suche nach Käufern bin ich durch die halbe Schweiz gefahren. Niemand zeigte an einer derart schwer verschuldeten Firma Interesse, bis mir dann ein bedeutender Schweizer Industrieller sagte: Kaufen Sie sie doch selber! Wie sollte ich ohne Geld eine Firma kaufen? Immerhin ging es um über 20 Millionen. Wie haben Sie die Summe aufgetrieben? Blocher: Ich musste die Banken unter Druck setzen, drängte darauf, einen Kredit von über 20 Millionen zu bekommen. Die Banken konnten es sich nicht leisten, nein zu sagen, weil bei EMS 1'500 Arbeitsplätze auf dem Spiel standen. Ich selber warf meine ganze Existenz in die Waagschale, mein Haus, meinen Garten - alles gepfändet. Die Banken verboten mir sogar, eine Lebensversicherung abzuschliessen, worauf meine Frau rebellierte, das sei Wahnsinn. Was denn passiere, wenn mir etwas zustosse. Sie mit vier kleinen Kindern, 20 Millionen Franken Schulden und einem so schwer defizitären Unternehmen! Offenbar haben Sie sich wieder einmal durchgesetzt. Blocher: Ich riet ihr, ihr Erbe dann auszuschlagen und sagte: Diese Firma muss doch gerettet werden. Dann habe ich meinen Bruder Gerhard eingeladen. Wir brauchten einen Theologen, einen Aussenstehenden. Ich kann mich noch gut erinnern. Morgens um zwei Uhr sagte er: "So, Schluss jetzt, macht doch kein solches Theater. Wenn einer - nicht weil er es will, sondern weil er es muss - eine Firma übernimmt, passiert ihm auch nichts." Da wusste ich: Jetzt kann ich nicht mehr anders. Und es kam gut: Die Firma gerettet, keine Bank hat Geld verloren, vorläufig müsste meine Frau kein Erbe ausschlagen. Brauchen Sie das Chaos, um selber leistungsfähig zu sein? Blocher: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich Veränderungen im Unternehmen, im Staat, beim Menschen selber nur in Krisen erzwingen lassen. Im Unternehmen gehe ich so weit, dass ich eine Krise schaffe, wenn ich keine habe. Dann ärgere ich mich zwar darüber, aber da muss ich durch. Wie gehen Sie mit Widerspruch um? Blocher: Ich pflege ihn bewusst. Selber oder durch die Verpflichtung von Leuten, die Ihnen widersprechen? Blocher: Beides. Wenn jemand einen Antrag einbringt, verpflichte ich jemand anderen, diesen zu zerzausen. Ich will sehen, wer die besseren Argumente hat. Wenn einer nach fünf Minuten nachgibt, hat er sich die Sache nicht gut genug überlegt. Das ist wieder das Pessimistische, das in allem Konservativen liegt: Bei mir schlummert in jedem Entscheid ein Fehlentscheid. Deshalb will ich die Schattenseiten kennen. Sie veranstalten Wortduelle. Blocher: Duelle von Argumenten schaffen das Klima für gute Entscheide. Deshalb ist der Tisch in meinem Sitzungszimmer so gross. Wir sitzen hier oft ganze Tage zusammen und streiten. Dabei können natürlich auch Gefühle verletzt werden. Es muss aber möglich sein, dass man in der Hitze des Gefechtes jemanden einen Trottel schimpfen, ein Argument als Unsinn bezeichnen kann. Es darf keine falschen Empfindlichkeiten geben. Man muss mit hochrotem Kopf sagen dürfen, was einem durch den Kopf geht. Dieses Prinzip hat sich bei Ihnen auch ins Politische übertragen. Blocher: Ja, aber die Lust am Widerspruch kommt vom Unternehmerischen her. Ich sage immer: Am schlimmsten ist es in Bern, wenn Einigkeit herrscht. Das ist dermassen absurd, dass ich mich oftmals querstelle. Ich begebe mich dann manchmal ans Pult, um diese gefährliche Harmonie, diese Selbstzufriedenheit zu stören und die Schattenseiten ans Tageslicht zu bringen. Man sagt Ihnen nach, Sie hätten in diesem Land die Politik polarisiert und brutalisiert. Blocher: Brutal ist höchstens die salonfähige Verlogenheit. Die schweizerische Politik leidet nicht unter zuviel, sondern unter zu wenig Polarisierung und Auseinandersetzung. Die direkte Demokratie bringt wenigstens noch ein gewisses Mass an Auseinandersetzung, im Parlament fehlt sie weitgehend. Ich betrachte es als grosse Stärke des Unternehmens, dass wir konfliktfähig sind, weil wir mit Krisen konfrontiert sind. Werden sie nicht bewältigt, stirbt das Unternehmen. Bis der Staat Krisen als solche erkennt, dauert es sehr lange. In Bern leben Verwaltungs-Abteilungen, obwohl sie schon lange tot sind. Es gibt Departemente, deren einzige Blutzufuhr in Salären besteht. Sie leben nicht mehr, weil sie keine Krisen hatten bzw. nicht wahrnahmen. Man hat versäumt, durch hervorgerufene Krisen Widerspruch zu erzeugen. Ihre Partei, die SVP, fällt nicht durch eine Ballung von Personen auf, die Ihnen Paroli bieten können. Haben Sie dort nur Ja-Sager? Blocher: Natürlich nicht. Aber gerade die, die nach aussen den Eindruck der anderen Meinung erwecken, bieten nicht Paroli. Wer leistet Ihnen denn jenen Widerstand, den Sie offensichtlich brauchen? Blocher: Im kleinen Kreis geht es hitzig zu, wird hart gestritten. Christoph Mörgeli beispielsweise ist im engen Rahmen - im guten Sinne - ein ganz giftiger Geselle. Diese Art der Meinungsfindung schätze ich sehr. Was die Auseinandersetzung zwischen der Zürcher und der Berner SVP anbelangt, so vermisse ich dabei, dass uns die Berner Kritiker nicht ebenbürtig die Stirn bieten. Sie haben keine Lösungen, melden sich anlässlich der Fraktionssitzungen kaum zu Wort. Kaum sind diese beendet, informieren sie die Presse darüber, dass sie nicht auf meiner Seite seien! Das ist ihre Schwäche, deshalb kommen sie nicht voran. Ich suche die Gegenmeinung, aber in der direkten Auseinandersetzung. Die Bilanz hat Ihnen vorgeworfen, Sie duldeten keinen Widerspruch. Blocher: Wenn entschieden ist, muss der Entscheid knallhart durchgezogen werden. Da bin ich unerbittlich. Aber für die Entscheidungsfindung suche ich den Widerspruch, provoziere ihn auch. In der Politik habe ich selbst dann widersprochen, wenn ich zunächst gar nicht anderer Meinung war. Das habe ich immer aus der Überzeugung heraus getan, dass es sich oftmals um eine Sackgasse handelt, wenn alle kopflos freudig hineinrennen. Mir liegt daran, die besseren Argumente aus meinen Gegnern herauszukitzeln. Die Intervention ist wichtiger als die Position, die vertreten wird? Blocher: Oft ist es so. Ich habe Persönlichkeiten gekannt, die nur aus dem Widerspruch, der Infragestellung herausführten. Das ist auch das Wesen der Entscheide. Entscheide sind das Resultat von Prozessen. Bei guten Entscheiden sind die meisten nicht ganz glücklich, aber wenn der Prozess der Infragestellung objektiv war, hat man am Schluss automatisch die am wenigsten schlechte Lösung. So führe ich. Sie sind ein Anhänger der direkten Demokratie, die langsam und bedächtig funktioniert, ein Klotz am Bein der Macher. Gleichzeitig sind Sie als Unternehmer ein Verfechter des Effizienzgedankens. Im "Magazin" hat Credit-Suisse-Chef Mühlemann dargelegt, die Politik müsse effizienter werden. Blocher: Er war für die Einschränkung der direkten Demokratie. Deshalb habe ich ihn kritisiert. Es kommt eben darauf an, was durch die direkte Demokratie gebremst wird. Ich bin bei allen politischen Prozessen, auch dort, wo es schnell gehen muss, für demokratische Mitwirkung. Die Verankerung von Entscheiden in der Bevölkerung ist wichtiger als Effizienz. Was Mühlemann angeht: Er meint, in Bern würden ausnahmslos hervorragende Entscheide getroffen, die man möglichst rasch umzusetzen habe. Dabei handelt es sich meistens um Eingriffe in die Freiheit der Bürger. Ich gehe noch weiter: zu grosse Effizienz im Staat führt zu Absolutismus. Taugen erfolgreiche Unternehmer überhaupt für Exekutivämter in der Politik? Blocher: Vielleicht noch weniger als Professoren, denen meistens jede Bodenhaftung fehlt. Unternehmer laufen Gefahr, sich schnell zu kleinen Königen zu entwickeln. Sie heben ab, sobald die Konkurrenz fehlt. Deshalb brauchen sie Widersacher. Sie hassen sie zwar wie die Pest, brauchen sie aber, weil sie sie auf den richtigen Weg treiben. Diese Einsicht bestimmt auch mein Verhältnis zu meinen politischen Gegnern - ich bin ihnen zutiefst dankbar. Woran erkennen Sie einen guten Mitarbeiter? Blocher: 50 % daran, ob er in der Lage ist, einen Auftrag vollständig auszuführen. Die anderen 50 % ergeben sich aus seiner Fähigkeit, den Chef durch gute Anträge zu führen. Ein guter Mitarbeiter fragt den Chef nie etwas. Wenn es in seinen Bereich gehört, handelt er. Wenn er nicht weiss, ob er handeln darf, handelt er. Wenn er sicher ist, dass der Chef handeln muss, dann sagt er ihm, wie zu handeln ist. Also entweder handelt er oder stellt dem Chef einen Antrag: "Wenn ich Sie - Chef - wäre, würde ich das Problem, das ich auf meiner Stufe nicht lösen kann, auf diese Weise angehen." So geraten Sie nicht in die Gefahr, dass die Leute zu Kopfnickern werden und gewinnen ausserdem enorm an Führungskraft. Ein Mitarbeiter sollte den Chef nie fragen? Blocher: Nie. Er versäumt die Führungskraft, statt selbst zu denken und Anträge zu unterbreiten. Er macht es sich einfach, indem er sagt: "He Chef, Sie sind doch viel schlauer als ich, sehen immer Lösungen - sicher haben Sie auch hier eine". Und schon gibt der geschmeichelte Vorgesetzte Antwort. Man muss den Mitarbeiter zwingen, einen Antrag zu stellen. Namentlich der Kopfnicker will ja immer nur herausfinden, was der Chef denkt, damit er nach dessen Vorstellungen handeln kann. Das praktizieren Sie so? Blocher: Fragen Sie meine Mitarbeiter. Immer wieder versuchen mir Journalisten bei Werkbesuchen in Domat/Ems das Gegenteil zu beweisen. Sie gehen meistens erstaunt nach Hause. Mein Modell erfordert auf allen Stufen selbständig denkende Leute. Es ist primär kein hierarchisches Modell. Ich will die Mitarbeiter zum Ehrgeiz erziehen, Ihren Chefs hervorragende Anträge vorzulegen. Dazu braucht es auch die richtigen Vorgesetzten. Die meisten haben es gar nicht gern, wenn ihnen einer der Angestellten sagt, wie sie zu entscheiden haben. Würden Sie sich als Realisten bezeichnen? Blocher: Sicher eher als meine Gegenspieler in Bern. Die glauben zum Beispiel, dass Politiker nie lügen. Sie glauben das nicht? Blocher: Realistischer wäre es, davon auszugehen, dass Politiker auch Gauner sein können. Nehmen Sie den Fall Kohl: Alle meinten, er sei ein Heiliger, nehme keine Spendengelder. Gerade bei einem solchen Machtpotential ist es realistischer, dies von Anfang an anzunehmen. Weil ich davon ausgehe, dass Politiker nicht plötzlich bessere Menschen sind, bin ich auch nicht so erstaunt, wenn einer seine Macht tatsächlich missbraucht. Die heuchlerische Entrüstung über den Fall Kohl in Bern war irritierend. Warum um Himmels willen soll ein Bundeskanzler nicht lügen? Er ist doch nur ein Mensch. Mit einer derartigen Naivität käme man in der Führung eines Unternehmens nicht weit. Man muss die Menschen realistisch, nicht idealistisch sehen. Hat Ihnen das Ihr Vater gesagt? Blocher: Mein Vater - ein Pfarrer - sagte: Du kannst im Leben mit allen Menschen verkehren: mit leisen, lauten, groben, gestrandeten, auch mit Gaunern. Bei einer Sorte aber musst Du aufpassen: bei den "Frommen". Nimm Dich in Acht vor den Süssen und den Heuchlern. Er erklärte diese Aussage theologisch: Die moralistischen "Frommen" neigen dazu, das Evangelium umzukehren. Wir leben davon, dass wir die Gnade Gottes haben, von oben nach unten. Die selbstgerechten Frommen sagen: "Wir sind gut, weil wir an ihn dort oben glauben. Ich bekenne mich zu Gott, folglich bin ich fehlerlos". Wenn ich im Geschäftsleben auf Süsse und Moralisten treffe, dann weiss ich, dass ich aufpassen muss. Süsse sind bessere Betrüger als Grobschlächtige. Welches sind neben Rommel Ihre grossen Vorbilder in der Führung? Blocher: In der Politik ist Churchill eines meiner Vorbilder. Er war ja nie der Heilige, als den man ihn heute sieht - äusserlich eher grob, aber mit gutem Motiv. Als die Alliierten Richtung Berlin fuhren sagte er zu den Generälen: "Komm', fahrt an Berlin vorbei, Ihr müsst den Vormarsch der Kommunisten stoppen. Berlin kann nicht das Ziel sein. Ihr müsst sie zurückdrängen, auch wenn es Euren Befehlen widerspricht." Wie recht er doch hatte. Diese Schlitzohrigkeit ist berechtigt, wenn das Motiv stimmt. Die Generäle befolgten aber ihren eigenen Befehl, nicht die Weisungen Churchills. Auch das war vorbildlich, aber vielleicht falsch. Macht es Ihnen zu schaffen, dass Sie selber nie in den Vereinigten Staaten studiert haben? Blocher: Ja, darunter habe ich immer gelitten. Hätte ich gehen können, wäre mir unternehmerisch wohl manches leichter gefallen. Aber es war damals nicht möglich, ich musste arbeiten, eine Familie ernähren. Was halten Sie für Ihre grösste Stärke? Blocher: Ich bin hartnäckiger als andere.

11.04.2000

Klarstellung zur Landwirtschaft

11. April 2000 Die schweizerische Landwirtschaftspolitik ist für die Schweiz, für die Allgemeinheit, von Bedeutung. Die Landwirtschaftspolitik hat folgende Ziele: - Bebauung des Landes, damit das Land nicht vergandet - Dezentrale Besiedlung des Landes - Landesversorgung sicherstellen   Für diese Leistung zum Allgemeinwohl muss der Bauer abgegolten werden. Direktzahlungen sind für die Abgeltung einer Leistung, die man zum Allgemeinwohl erbringt und nicht für die Einkommenssicherung. Direktzahlungen sind keine Sozialleistungen. Der Bauer ist kein Almosenempfänger. Er erbringt eine Leistung. Darum trete ich für die Direktzahlungen ein. Als Sozialleistung sind die Direktbeiträge des Bauern unwürdig!

03.04.2000

Freiheit statt Sozialismus

Aufruf an die Sozialisten in allen Parteien Nationalrat Christoph Blocher, 3. April 2000 „Es sind jetzt bald vierzig Jahre, seit ein Sozialismus, der sich das schmückende Wörtchen ‚national‘ vorgehängt hatte, die freie Beweglichkeit in Europa unterbrochen ... hatte.“ [1] (Friedrich August von Hayek, Nobelpreisträger 1974) Erscheint deutsch, französisch, italienisch und englisch. Die Originalfassung ist deutsch. I. Der aktuelle Anlass In einer politischen Standortbestimmung anlässlich der 12. Albisgüetli-Tagung vom 21. Januar 2000, die in alle Schweizer Haushalte verteilt wurde, habe ich wörtlich festgehalten: „Den grössten Unglaubwürdigkeitsspagat führen zur Zeit die Sozialdemokraten auf: Der von unseren Kritikern so lange bejubelte Sozialismus hat 1989 seinen vollständigen wirtschaftlichen, politischen und moralischen Zusammenbruch erlebt. Heute wollen die schiffbrüchig gewordenen Sozialisten davon ablenken, indem sie mit dem Faschismus-Vorwurf um sich werfen. Haben die Sozialdemokraten vergessen, dass die Schweiz 1933-1945 die Souveränität, die Neutralität, die direkte Demokratie und den Föderalismus gegen die braune Flut verteidigte? Die SVP stand damals in der ersten Reihe und kämpft auch heute noch dafür wie keine andere Partei. Ausgerechnet die Linke, die diese Werte heute verachtet, wirft nun der SVP extremistisches Gedankengut vor. Unsere Gegner wollen verdrängen, dass es zwischen den braunen und den roten Massenmördern dieses Jahrhunderts nicht den geringsten Unterschied gibt. Jene Sozialisten, die ihre Faschismus-Vorwürfe heute so leichtfertig austeilen, müssten sich eigentlich bewusst sein, dass sie mit ihrer Vergötterung des allumfassenden Staates, der ständigen Betonung des Kollektivs und der Missachtung der Freiheit der einzelnen dem faschistischen Weltbild weit näher stehen als wir. Die braunen Horden haben sich nicht zufällig ‚Nationalsozialisten‘ genannt [...].“ [2] Aktueller Anlass dieser Stellungnahme war das seit Monaten andauernde Bemühen der politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Linken, die Bürgerlichen - vor allem die Schweizerische Volkspartei - in eine rechtsextreme, totalitäre Ecke zu stellen und auszugrenzen. Diese systematische Diffamierung geschah nicht nur in Inseraten und Stellungnahmen im Inland, sondern unter Mitwirkung des Schweizer alt Nationalrats Victor Ruffy (SPS) auch im Europarat in Strassburg. [3] Damit wurden unzählige Anhänger der wählerstärksten Partei dieses Landes beleidigt, beschimpft und verletzt. Meine wohlüberlegte Aussage, welche die Sache schonungslos beim Namen nennt, hat erfreulicherweise grosse Diskussionen ausgelöst. Die Sozialdemokratische Partei aber hat mit Ultimaten, mit Entschuldigungsforderungen und mit der Boykott-Ankündigung der Gespräche unter den Bundesratsparteien reagiert. [4] Das Ziel der SP ist klar: Eine sachliche Diskussion und offene intellektuelle Auseinandersetzung soll mit Drohungen unterbunden, gegnerische Argumente sollen von Anfang an unterdrückt werden. Eine wichtige „Grundwertedebatte“ über den Totalitarismus und über den Sozialismus darf in der Öffentlichkeit nicht stattfinden. Die SP-Präsidentin schrieb dem Präsidenten der SVP Schweiz: „Wie Sie vermutlich der Presse entnommen haben, rückt Herr Dr. Blocher die SP in die Nähe der nationalsozialistischen Bewegung.“ Dies ist eine absurde Unterstellung, damit sich die SP zu den konkreten Vorwürfen nicht äussern muss: Zu den Tatsachen nämlich, dass die Überbetonung der Staatsallmacht und des Kollektivs und die Geringschätzung des Individuums sowohl im Sozialismus wie im Nationalsozialismus die Wurzeln für deren spätere Greueltaten bilden. Selbstverständlich habe ich nie den Unsinn behauptet, die Schweizer Sozialdemokraten seien Nationalsozialisten oder Faschisten. Dies wäre eine ungeheuerliche Verharmlosung von politischen Massenmördern. Ich habe nie in Abrede gestellt, dass auch zahlreiche Vertreter der Sozialdemokratie mit Mut und Zivilcourage im Kampf gegen den Naziterror standen und unter ihm zu leiden hatten oder starben - genau wie etwa Liberale, bekennende Christen, Angehörige des Adels oder im Widerstand engagierte Offiziere. Ich forderte aber jene Sozialisten (nicht nur unter den Sozialdemokraten!), die uns heute mit einer totalitären Gesinnung in Verbindung bringen, unmissverständlich auf, ernsthaft über die gleichen ideologischen Wurzeln von Nationalsozialismus, Faschismus und Sozialismus nachzudenken. Diese ideologischen Wurzeln sind die Ursachen des Totalitarismus und bestehen im Ziel einer möglichst unbeschränkten Staatsmacht in jedem Lebensbereich (Etatismus), der Überbetonung der Gemeinschaft (Kollektivismus) und der Missachtung der Freiheit des Einzelmenschen (Antiindividualismus, Antiliberalismus). Dies gilt sowohl für den Nationalsozialismus wie auch den Sozialismus - hüben und drüben - genau gleich. * * * II. Schluss mit dem Totalitarismus im 21. Jahrhundert Im Jahre 1945 ist der Nationalsozialismus in Deutschland zusammengebrochen. Unter den Trümmern dieses totalitären Systems lagen Millionen von Toten als Opfer von unvorstellbarem Rassenhass - die Opfer des braunen Holocaust. In den Jahren 1989-1991 sind die sozialistischen Diktaturen in Osteuropa zusammengebrochen. Unter ihren Trümmern lagen Millionen von Toten als Opfer von unvorstellbarem Klassenhass - die Opfer des roten Holocaust. Während der braune Totalitarismus glücklicherweise politisch und moralisch vollkommen diskreditiert, geächtet und überwunden ist, findet der rote Totalitarismus im linken Lager - bei Sozialisten und bei Sozialdemokraten - immer wieder Verteidiger oder zumindest Verharmloser. Im Gegensatz zu den nationalsozialistischen Greueltaten sind die sozialistischen Massenmorde, die Dezimierung ganzer Volksgruppen (wie Kosaken und Ukrainer) durch bewusst inszenierte Hungerkatastrophen, die Vernichtung der bäuerlichen "Klassenfeinde" (Kulaken) und der "Konterrevolutionäre", die Deportationen, die Zwangsarbeit, die Sippenhaft und der sozialistische Gulag-Terror in Arbeits- bzw. Konzentrationslagern einer breiten Allgemeinheit noch immer viel zu wenig bekannt. [5] Seriöse Forscher schätzen, dass der Kommunismus annähernd 100 Millionen Tote (!) gefordert hat. [6] Lenin, seine Genossen und seine Nachfolger verstanden sich als Vollstrecker eines gnadenlosen Klassenkampfs, in dem politische und ideologische Gegner, ja sogar widerspenstige Bevölkerungsteile rücksichtslos ausgemerzt wurden. Nur wer den Begriff „Links“ mit moralisch „Gut“ gleichsetzt, wird sich mit Händen und Füssen gegen den Vergleich von Rot und Braun sträuben. Der Hinweis auf die gemeinsamen Ursachen des Terrorismus beider totalitärer Systeme rührt offenbar an den Grundlagen des linken Selbstverständnisses und zeigt einen moralisch und geistig bedenklichen Dogmatismus. Wenn ich im folgenden nicht das Trennende der beiden grossen totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts in den Vordergrund rücke, so deshalb, weil die Ursache des Totalitarismus bildet bei beiden Systemen gleich ist. Die Gefährlichkeit des Sozialismus muss endlich wieder bewusst werden. Es gilt, sich an der Schwelle zum 21. Jahrhundert als freie Menschen in einer demokratischen und marktwirtschaftlichen Gemeinschaft vom menschenverachtenden Sozialismus zu befreien. Angesichts des sich schleichend ausbreitenden Sozialismus ist dies ein dringender Aufruf an die Sozialisten in allen Parteien. Was oberflächlich gesehen als parteipolitischer Schlagabtausch zwischen SVP und SP betrachtet werden mag, stellt in Wirklichkeit eine wichtige Klärung grundlegender politischer und gesellschaftlicher Positionen - also eine eigentliche „Grundwertedebatte“ - dar. Dieser Aufruf ist gleichzeitig die Warnung vor dem sozialistischen Irrweg und seinen verheerenden Auswirkungen für die Menschen. Die Warnung ist so eindeutig und für manche hart in der Sache, wie es der Ernsthaftigkeit des Themas entspricht. Es ist kein Angriff auf die Sozialisten als Personen, sondern auf das sozialistische System und die sozialistische Ideologie. Es geht darum, im politischen Denken den teilweise nach wie vor beliebten und bewunderten Sozialismus zu überwinden und diesen als gefährliche, totalitäre und überholte Ideologie zu bekämpfen. Gerade deshalb richtet sich dieser Aufruf auch an die Verharmloser des Sozialismus in den bürgerlichen Reihen. Trotz der offensichtlich negativen Folgen ist unser Land in den letzten zwanzig Jahren immer mehr vom Weg der Freiheit abgekommen und wandelt auf zunehmend sozialistischen Pfaden. * * * III. Zwei Wege zur Knechtschaft Der Gegensatz zwischen einer freiheitlichen und einer totalitären Ordnung ist letztlich unversöhnlich. Es ist offenkundig, dass sozialistische und kommunistische Politik einerseits mit nationalsozialistischer oder faschistischer Politik, andererseits die gleiche ideelle Basis haben. Die gros-sen Denker des 20. Jahrhunderts haben die Gemeinsamkeiten der beiden furchtbaren totalitären Systeme längst erkannt und wissenschaftlich überzeugend nachgewiesen. Ludwig von Mises - ein massgeblicher Vordenker der liberalen Gesellschaft und einer der bedeutendsten Ökonomen seines Jahrhunderts - hat bereits 1932 festgehalten: „Beide – Marxismus und Nationalsozialismus - stimmen in der Gegnerschaft gegen den Liberalismus und in der Ablehnung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung überein. Beide streben eine sozialistische Gesellschaftsordnung an.“ [7] Wilhelm Röpke schrieb 1937 in der „Neuen Zürcher Zeitung“: „Der Antifaschismus der Kommunisten und der Antikommunismus der Faschisten - im Grunde ist das ein Familienstreit innerhalb des totalitären Sektors der Welt.“ [8] Vor fast fünfzig Jahren hat der Ökonom und Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek mit seinem Werk „Der Weg zur Knechtschaft“ eine äusserst fundierte Abrechnung mit den „rechten“ und den „linken“ Diktaturen geliefert. [9] Hayek zeigte auf, dass nur eine liberale Ordnung zu einer Gesellschaft freier und wohlhabender Menschen führen kann. Fast gleichzeitig entlarvte der Philosoph Sir Karl R. Popper die Nationalsozialisten wie die Sozialisten als Feinde der „offenen Gesellschaft“. [10] In der Schweiz hat Carl Böckli im „Nebelspalter“ unentwegt auf den gemeinsamen Nenner der „roten Fäuste“ wie der „braunen Fäuste“ und auf die Tatsache hingewiesen, dass beide Ideologien Zwang und Gewalt im Hinblick auf angeblich „höhere Zwecke“ rechtfertigen und zulassen. Die Soziologin und Politologin Hannah Arendt hat die gemeinsamen ideologischen Grundlagen von Nationalsozialismus und Sozialismus mit dem Begriff „Totalitarismus“ treffend erfasst. [11] In zwei grundlegenden Werken von 1968 und 1986 beschäftigte sich der britische Historiker Robert Conquest mit den verbrecherischen Untaten des Stalinismus. [12] Der deutsche Historiker Karl Dietrich Bracher beschrieb 1982 die Gemeinsamkeiten der beiden grossen, verführerischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts. [13] Der französische Intellektuelle André Glucksmann befasste sich als scharfer Kritiker mit dem Gemeinsamen von totalitären Systemen jeglicher Couleur. [14] In Frankreich sind die Wesensverwandtschaft und das Komplizentum des roten und des braunen Totalitarismus 1995 durch François Furet im Werk „Das Ende einer Illusion“ [15] und 1997 durch Stéfane Courtois in einem „Schwarzbuch des Kommunismus“ vorbildlich erforscht und dargestellt worden. [16] In diesen Wochen ist in Paris das Buch „Die grosse Parade, Essay über das Fortleben der sozialistischen Utopie“ erschienen. Der Philosoph Jean-François Revel zeigt darin die Gründe für die wütenden sozialistischen Reaktionen auf das „Schwarzbuch des Kommunismus“ auf: „Es ist nicht angenehm, zugeben zu müssen, dass man fast ein Jahrhundert lang den Typus eines politischen Regimes unterstützt hat, der im Grunde identisch ist mit demjenigen, den man als Verkörperung des Bösen bekämpft hat (den Nazismus). Der Schmerz dieses Bekenntnisses wird von der ganzen Linken befürchtet." [17] Die Ursachen der beiden totalitären Systeme sind die gleichen: Der Glaube an die Staatsallmacht und die Verachtung des Einzelnen. Notwendig dazu sind eine alle Lebensbereiche umfassende Ideologie, eine einzige Massenpartei, ein Terrorsystem, ein Monopol der Massenkommunikation sowie ein umfassender „Antikapitalismus“, d.h. ein Eintreten für die möglichst zentrale Lenkung der Wirtschaft und die damit verbundene wirtschaftliche Abhängigkeit des Einzelnen vom Staat. Beide Ideologien befürworten die Allgegenwart und Allmacht des Staates, der alles weiss, alles regelt, alles zerstört und unterdrückt, was jenseits seiner Normen liegt. Wer diese wahren Ursachen der beiden Menschheitskatastrophen des 20. Jahrhunderts nicht erkannt hat, ist nicht gefeit vor künftigen Katastrophen oder Gefahren ähnlicher Art. In der politischen Sprache, im politischen Stil gibt es Unterschiede: Beim Nationalsozialismus und Faschismus wurden Brutalität und Menschenverachtung hinter ethisch schön tönenden Begriffen wie „Volksgemeinschaft“, „Heimat“ oder „Gemeinwohl statt Eigennutz“ versteckt. Der Sozialismus operierte mit ebenso wohl klingenden, heute noch nicht hinterfragten und deshalb um so gefährlicheren Wörtern wie „Solidarität“ „Friede“, „soziale Gerechtigkeit“ und „Volksdemokratie“. Als „süsses Gift“ sind Sozialismus und Kommunismus vielleicht noch perfider, ihre Bekämpfung ist schwieriger. Nationalsozialismus und Faschismus wurden militärisch niedergekämpft und danach gesetzlich geächtet. Der Sozialismus erlebte aber lediglich einen wirtschaftlichen und intellektuellen Bankrott und kann jederzeit und überall wieder auferstehen. Wir wollen im Gegensatz zum braunen und roten Totalitarismus Freiheit statt Unterdrückung, Demokratie statt Diktatur, Marktwirtschaft statt Planwirtschaft, Mehrparteienkonkurrenz statt Einparteiensystem, Rechtsstaatlichkeit statt Terror, Meinungsfreiheit statt Zensur. Es gibt nur eine Freiheit, und diese beruht auf dem Wert der persönlichen Einzigartigkeit jedes Menschen und auf der Vielgestaltigkeit der Ansichten (Pluralismus). * * * IV. Wo steht der Sozialismus heute? Am meisten Sozialisten gibt es hierzulande in der Sozialdemokratischen Partei; die SPS steht der sozialistischen Ideologie eindeutig am nächsten. Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz hat unter der Führung linker Theoretiker in letzter Zeit im Gegensatz zu früheren Jahrzehnten immer weniger zwischen Sozialdemokratie und Sozialismus unterschieden. Während sich die Sozialdemokratie klar vom Totalitarismus losgesagt hat und ihre politischen Ziele im Rahmen der Demokratie im Wettbewerb der Parteien den Wählern offen anbietet, widerspricht der Sozialismus als Ideologie den Prinzipien von Demokratie und Marktwirtschaft. Anders als die Sozialdemokraten etwa in Grossbritannien oder in Deutschland hat es die SPS bis heute leider viel weniger für nötig befunden, sich klar vom Sozialismus abzugrenzen und neue, modernere Wege zu beschreiten. Noch immer singen die Teilnehmer an SP-Parteitagen dieselbe „Internationale“, die auch in sozialistischen Diktaturen gesungen werden musste. Der heutige SP-Fraktionschef Francesco Cavalli gilt als „marxistischer Theoretiker von Format“ [18] und steht damit zu einer Ideologie, deren Verwirklichung Terror, Krieg, Hunger und unendliches Leid über die Menschheit gebracht hat. Ein Genfer Parteifreund nennt Cavalli einen „Mann des Komintern, Version 1920“, [19] also einen Anhänger der moskauhörigen Dritten Kommunistischen Internationale. Welch unvorstellbare kriminelle Energie diese Organisation entfaltet hat, ist im Kapitel „Komintern in Aktion“ im „Schwarzbuch des Kommunismus“ nachzulesen. [20] Damit entfernen sich führende Schweizer SP-Politiker vom reformerisch-demokratischen Verständnis der Sozialdemokraten und huldigen teilweise wiederum der totalitären Stossrichtung des Sozialismus. Sie bekennen sich stolz als Freunde von ehemaligen oder gegenwärtigen totalitären Regimes in Kuba, Nordkorea, Kambodscha oder Nicaragua. Manche von ihnen bejubeln „arme“ blutrünstige sozialistische Diktaturen der Dritten Welt, während sie die „reichen“ westlichen Demokratien verteufeln. [21] Die marxistisch-leninistische POCH ist fast vollständig in der Sozialdemokratischen Partei aufgegangen. Das Zürcher Erst-Mai-Komitee, in dem auch die SP vertreten ist, hat für die Maifeier des Jahres 2000 skandalöserweise die ostdeutsche Stalin-Verteidigerin Sahra Wagenknecht eingeladen, ohne dass dies in den Medien auf grosse Kritik gestossen wäre. [22] Was - so frage ich - unterscheidet die Verharmloser oder Leugner von roten Massenmorden von Leugnern der braunen Massenmorde? Im noch heute gültigen SP-Parteiprogramm von 1982 steht wörtlich: „Diese Grundsätze sind auf die langfristige Zielsetzung einer Gesellschaft in solidarischer Freiheit ausgerichtet. Dazu gehören die Überwindung des Kapitalismus [...].“ [23] Es zeugt von nicht geringer geistiger Unordnung, wenn die Schweizer Sozialdemokraten den „Kapitalismus“ und damit das Privateigentum und den freien Markt bekämpfen und gleichzeitig die Freiheit verlangen. Vor dem damaligen grossen Programmparteitag in Lugano erklärte SPS-Präsident Helmut Hubacher der kommunistischen Zeitung „Vorwärts“ voller Stolz: „Der Bruch mit dem Kapitalismus wird im Mittelpunkt der Debatten stehen.“ [24] Auch wenn gemäss neueren SP-Wirtschaftspapieren die Überwindung des Kapitalismus nicht mehr zur Debatte steht, ist das Programm der Regierungspartei SPS von 1982 trotz dem vollständigen Bankrott der „antikapitalistischen“ Staaten nie widerrufen worden. Ohne Privateigentum und ohne freien Markt - dies ist theoretisch und praktisch längst erwiesen - gibt es weder Freiheit für die Bürger noch Wohlstand und soziale Sicherheit. Nicht zuletzt die abgewirtschafteten sozialistischen Staaten haben dies der Welt ein für allemal vor Augen geführt. * * * V. Die Faschismuskeule der Linken Die SP reagiert bei Kritik an ihre eigene Adresse überaus sensibel und versucht, die sachlichen Argumente mit Beschimpfungen und Drohungen gegenüber der SVP und deren Exponenten zu widerlegen. Tatsache ist: Die SVP ist entschieden angetreten, als ausländische Organisationen und teilweise auch amerikanische Regierungs-Stellen mit verzerrten historischen Fakten ein widerwärtiges Kesseltreiben gegen die Lebensleistung der ganzen Aktivdienstgeneration veranstaltet haben. [25] Wir haben uns nie als makellose Moralisten aufgespielt, wir haben nie behauptet, es seien in den bürgerlichen Reihen in den Jahren 1933 bis 1945 keine Fehler gemacht worden. [26] Wir haben nie geleugnet, dass es damals in den führenden Kreisen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Anpasserei, Leisetreterei und sogar zuweilen Sympathien für totalitäre Systeme gegeben hat – wahrscheinlich sogar wesentlich mehr als in der breiten Bevölkerung. Dass die Linken gegen die verhängnisvollen Ursachen des Nationalsozialismus - den „Antikapitalismus“ und die revolutionäre und antidemokratische Gesinnung - so immun gewesen seien, wie sie heute behaupten, ist ein von ihnen sorgfältig gepflegte Geschichtsfälschung. Die Behauptung vieler Sozialisten, sie besässen gewissermassen das alleinige Monopol auf Demokratie, Menschlichkeit und Recht, ist durch die Geschichte längst widerlegt. Wenn Schweizer Sozialdemokraten und Sozialisten heute in Anspruch nehmen, sie seien gegen Faschismus und Nationalsozialismus am entschiedensten aufgetreten, müssen sie sich die Frage gefallen lassen, womit sie diese Totalitarismen denn bekämpft hätten. Bis weit in die 1930er Jahre hat die SP Schweiz die Armee und alle Anstrengungen des SVP-Bundesrates Rudolf Minger für deren zeitgemässe Bewaffnung abgelehnt, obwohl die Armee damals fast ausschliesslich der Abwehr von Nationalsozialismus und Faschismus diente. Letztlich hat erst die Verbrüderung von Nationalsozialismus und Sozialismus im Hitler-Stalin-Pakt von 1939 den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs möglich gemacht. Wie sehr sich die freiheitsfeindlichen Diktaturen von Kommunismus und Nationalsozialismus bzw. Faschismus die Hände reichten, zeigt der Ausspruch Hitlers, er habe als „einfacher Arbeiter“ angefangen und sei Sozialist. [27] Hitler rechtfertigte die Verfolgung der Juden nicht zuletzt dadurch, dass er diese als angebliche Vertreter des „bösen Kapitalismus“ brandmarkte. Er tat dies, um sich nach „sozialistischen“ Kriterien rechtfertigen zu können. Mussolini rief beim Ausschluss aus der sozialistischen Partei aus, man könne ihn nicht loswerden, weil er ein Sozialist sei und dies immer bleiben werde. [28] Von Anfang an beanspruchten Nationalsozialismus und Faschismus die Rolle einer betont „antikapitalistischen“, „sozialen“ Arbeiterbewegung. Ludwig von Mises schrieb in seiner ökonomischen und soziologischen Analyse des Sozialismus: „Es gab keine besseren Schüler von Lenin, Trotzki und Stalin, als es die Nazis waren.“ [29] Der 1933 durch die Nazis vertriebene Ökonom und Soziologe Wilhelm Röpke hat festgehalten, dass es die dem deutschen Charakter angemessene Form der Sozialdemokratie mit ihrer Idee des wohl organisierten Wohlfahrts- und Polizeistaates und mit ihrer straffen Organisation gewesen sei, „von der dann der Nationalsozialismus wesentliche Züge übernahm“. [30] Die Tatsache, dass die eine politische Gruppierung die andere verfolgt und bekämpft, bedeutet nicht, dass die ideologischen Wurzeln nicht identisch sein können. Hitler verbündete sich mit Stalin, um sich wieder mit ihm zu verkrachen. Die Stalinisten ihrerseits verfolgten die Trotzkisten, die Nationalsozialisten SA-Angehörige als Abweichler in der eigenen Parteiorganisation. Bis 1989, dem Jahr des Untergangs der sozialistischen Diktaturen, unterhielt die SPS freundschaftliche Beziehungen zu den totalitären Regimes Osteuropas. Um von der blutigen Geschichte des Sozialismus und Kommunismus abzulenken, schwingen zahlreiche linke Politiker, Intellektuelle und Medienschaffende in bedenklicher Weise die Faschismuskeule: Der Antifaschismus diente auch den sozialistischen Regimes seit je als Mythos, Kampfmittel und Legitimation. Sie unterstellen ihren liberalen und konservativen bürgerlichen Gegnern eine Gemeinsamkeit mit dem Faschismus. Die Machthaber der DDR strichen das Wort „Nationalsozialismus“ aus ihrem Wortschatz, da sie der Begriff „Sozialismus“ darin störte, und beschimpften fast alle Gegner ihres Systems als „Faschisten“. Damit wollten sie ihrem nicht weniger totalitären Regime einen höheren moralischen Anspruch geben. Die Absage an die Demokratie unter dem Deckmantel des „Antifaschismus“ verführte in den 1970er Jahren namentlich in Deutschland („Rote Armee Fraktion“) und Italien („Rote Brigaden“) totalitäre Sozialisten zum offenen Terrorismus und zum politischen Mord. Dennoch tun noch immer viele so, als ob es im 20. Jahrhundert nur eine einzige totalitäre Herrschaftsform gegeben hätte. Der längst erledigte braune Totalitarismus und die noch immer nicht erledigte rote Spielart wird dabei mit höchst ungleichen Ellen gemessen. Bei uns werde der Pfannkuchen immer nur auf einer Seite gebacken, deshalb stinke er auch so angebrannt, sagte Wilhelm Röpke. [31] * * * VI. SP-Faszinationen gegenüber Faschismus und Nationalsozialismus Die Schweiz hat – trotz wirtschaftlicher Bedrängnisse und politischen Bedrohungen – insgesamt ein äusserst erfolgreiches Jahrhundert hinter sich; vielleicht das erfolgreichste Jahrhundert, das je ein Land in der Geschichte der Menschheit durchlebt hat! Dies nicht zuletzt deshalb, weil unser Land das Lämpchen der Freiheit hochgehalten, den braunen und roten Verlockungen und Machtdrohungen widerstanden hat. Die Geschichte der Schweiz in den letzten hundert Jahren ist geprägt von einem einzigartigen Zuwachs an Wohlstand und Prosperität. Dennoch mussten wir unlängst erleben, wie unser Land und seine Bürger wegen der jüngeren Geschichte in einer masochistischen, selbstzerfleischenden Weise angeklagt wurden, die ihresgleichen sucht. Als besonders tugendsame, unbefleckte Moralisten und Geschichtspolitiker traten dabei die schweizerischen Linken auf. Selbstverständlich fiel es ihnen leicht, bei einigen bürgerlichen Exponenten vor und während des Zweiten Weltkriegs eine wankelmütige, wenig mutige Haltung gegenüber den benachbarten Diktaturen nachzuweisen. Der Frage, ob sich sämtliche sozialdemokratische Wortführer und Publizisten jederzeit als mutige Widerstandkämpfer und standfeste Demokraten erwiesen haben, gingen sie tunlichst aus dem Weg. Zahlreiche ihrer Aussagen würden das Gegenteil belegen. Dies gilt noch in den gefährlichen 1940er Jahren - als im Gegensatz zu den dreissiger Jahren - der für die Schweiz existenzbedrohende Charakter des Faschismus und des Nationalsozialismus feststand. Die Tatsache, dass Hitler und Mussolini auch die Sozialisten und Sozialdemokraten bekämpft haben, schliesst nicht aus, dass wichtige Stimmen der Schweizer SP den ideologischen Grundlagen der braunen Diktaturen nicht mit einem gewissen Verständnis oder gar mit Bewunderung gegenüberstanden. Den Ursachen von Unfreiheit, Verfolgung und Terror - der Staatsallmacht, dem Kollektivismus und dem Antikapitalismus - brachte die SPS durchaus Gefühle der Faszination entgegen. Deutliche Verachtung gegenüber der Demokratie und damit eine unverhohlen totalitäre Einstellung kommt in folgenden Zeilen in der „Berner Tagwacht“ - dem offiziellen Publikationsorgan der SPS - zum Ausdruck: „Von den geographischen Umwälzungen ahnt man zwar etwas. Von den politischen und den sich anbahnenden geistigen wenig. Kaum beobachtet wurde, dass Mussolini seine Kriegserklärung mit dem Appell ‚an das proletarische Italien‘ verband. Gegen die veralteten und verkalkten ‚plutokratischen‘ Demokratien...“ [32] SP-Nationalrat Ernst Reinhard würdigte das faschistische Italien in der „Tagwacht“ als „eine junge, eine aufstrebende und eine ganz unerhört tüchtige Nation“, der ebenfalls das Recht zugebilligt werden müsse, „sich sein eigenes Regierungssystem zu schaffen, genau wie es Russland hatte und wie wir es für uns in Anspruch nehmen“. Und weiter hiess es da, Italien sei „aus eigenem und wohlverstandenem Interesse ein guter und aufrichtiger Freund der Schweiz geworden“. Nach der eigenartig völkischen Rangliste im SP-Organ erhielt Italien einen Spitzenplatz: „Wir halten aus guter Kenntnis der Dinge das italienische Volk für eines der wertvollsten Völker der Welt. [...] Es wäre ein Gebot der Klugheit gewesen, sich gerechten Lebensforderungen Italiens nicht zu verschliessen.“ [33] Noch am 26. August 1943 (!) sprach das offizielle SP-Organ in einem Geburtstagsartikel für den Duce von der „grossen Begabung Mussolinis, die ihn in weiten Bezirken auf stolze Höhen führte [...]. Wie auch das letzte Ende sei, ihm gebührt ein Platz in der Weltgeschichte und das letzte Urteil wird ihm persönliche Sauberkeit, Tatkraft und eminente Fähigkeiten zubilligen. Ein politisches Genie von grosser dynamischer Kraft.“ [34] Mit welch deutlicher Sympathie das offizielle Organ der SP Schweiz die europäischen Diktaturen beurteilte, wie stark es dem Kollektivismus huldigte und wie sehr es der Anpassung der Schweiz das Wort redete, belegt folgende erschreckende Aussage: „Das arbeitende Volk der Schweiz gewinnt heute auf alle Fälle zusehends mehr Verständnis für das Beispiel der autoritären Staaten, die Wirtschaft und den Reichtum, das Wissen und das Können dem Volksganzen unterzuordnen [...]. Das wäre eine Anpassung, die wir uns alle gefallen lassen könnten und mit der wir auch im neuen Europa zu bestehen vermöchten.“ [35] Nicht nur das faschistische Italien, auch das nationalsozialistische Deutschland erhielt wegen seiner antikapitalistischen Tendenz von den Schweizer Sozialdemokraten Streicheleinheiten. Die „Tagwacht“ schrieb im Sommer 1940 über den NS-Staat: „Er ist kein kommunistischer, kein sozialistischer Staat, er siegt aber mit der Devise Nationalsozialismus [...]. Wir sehen auf allen Wegen eine Welt im Umbruch; wo ihn der Krieg oder die Revolution nicht bringt, sieht sich die kapitalistische Gesellschaft selbst zur Korrektur gezwungen – zur Regulierung ihrer Wildwasser und Sumpftümpel.“ [36] Einen Leitartikel über „Das deutsche Wirtschaftssystem“ zierte das offizielle SP-Publikationsorgan mit folgenden bekenntnishaften Phrasen: „Die neue Wirtschaftsordnung, die hier im Werden ist, kann erst in der Nachkriegszeit ihre volle Bedeutung erlangen. Sie tritt der alten Ordnung gegenüber, die ihre Form im vorigen Jahrhundert erhielt und die nicht nur in Deutschland als überlebt erkannt worden ist.“ Kaufkräftig sei das Geld „nur im Rahmen der dem Geldbesitzer vom Staat zugebilligten Gütermenge“. „Dadurch“ - freute sich das SP-Blatt - sei im nationalsozialistischen Deutschland auch „der Begriff des Eigentums gewandelt“. [37] In auffallender ideologischer Verbundenheit lobte die „Berner Tagwacht“ das Dritte Reich: „Mit der Ablösung der alten liberalen Wirtschaftsordnung durch bewusste staatliche Lenkung vollzieht sich auch ein Wandel in den grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Anschauungen. [...] Ein kapitalarmes Land wie Deutschland ist jetzt nicht mehr darauf angewiesen, ins Ausland zu laufen und dort ausländisches Kapital zu borgen. Um deutsche Arbeitskräfte mit deutschen Naturschätzen zu vermählen, braucht man nicht mehr die Segnung des englischen Bankiers. Das heisst aber, das Kapitalvorurteil zu brechen. Deutschland hat der ganzen Welt nicht nur die Brechung der Zinsknechtschaft, sondern auch der Kapitalknechtschaft überhaupt geschenkt. Selbstverständlich stellt auch die deutsche Technik des Kapitalersatzes durch innere Kreditausweitung eine grosse Kunst dar, deren Geheimnisse im Ausland noch nicht genau bekannt wurden.“ [38] Am 4. Januar 1941 schliesslich bejubelte die „Tagwacht“ den revolutionären Charakter der totalitären Regimes in Deutschland und in Italien: „Die Revolution 1918 ist steckengeblieben, zurückgeschlagen worden. In anderem Sinne haben der Faschismus und der Nationalsozialismus die Dinge wieder ins Rollen gebracht. Beide Bewegungen wachsen über ihre Anfangszwecke hinaus, sind darüber hinausgewachsen. Einst reaktionär wirkend, sind sie heute Träger der Revolutionen. Einzig wahr, was der Sozialismus immer sagte: die soziale Idee stirbt nie und nie die Arbeiterklasse als revolutionärer Massenfaktor.“ [39] Der Hinweis auf solche höchst bedenkliche Aussagen der offiziellen SP-Parteipresse wird heute von den Sozialdemokraten fast fanatisch bekämpft. Wann arbeiten eigentlich die Schweizer Sozialdemokraten ihre Geschichte auf? Oder noch klarer gefragt: Was unterscheidet die Verharmloser und Leugner von roten Massenmorden von Leugnern der braunen Massenmorde? * * * VII. Nähe der SP zu sozialistischen Diktaturen Mit den zunehmenden militärischen Erfolgen der Alliierten seit 1942 stieg innerhalb der Schweizer Linken die Sympathie für Stalins Regime. Kommunisten und linke Sozialdemokraten gründeten Ende 1944 die „Partei der Arbeit“ und erhofften sich vom Vormarsch der Roten Armee eine neue Chance für den Sozialismus. Allerdings führte das Klima des Kalten Krieges und die gewaltsame Unterdrückung von Volksaufständen in der DDR, in Ungarn und in der Tschechoslowakei in der Nachkriegszeit zu einer deutlichen Distanzierung der Sozialdemokraten von den sozialistischen Diktaturen. Dies änderte sich teilweise im Gefolge der Studentenunruhen von 1968 mit einer neuen Betonung des „Antikapitalismus“, des „Antiimperialismus“ und der namentlich gegen die USA und gegen Israel gerichteten „Friedensbewegung“. In den 1980er Jahren pflegte die SPS rege, gegenüber der Öffentlichkeit allerdings überaus diskret behandelte freundschaftliche Kontakte zu totalitären Staaten des Ostblocks. Im Wunsch, den sozialistischen Staaten aktiv zu Hilfe zu kommen, verkannte die SPS die totalitäre kommunistische Ideologie. Vom 30. Juni bis 4. Juli 1982 weilte eine sechsköpfige Delegation der SPS auf Einladung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) in der DDR. Das dortige kommunistische Gewaltregime warf damals politische Gegner ins Gefängnis und befahl seinen Grenzpolizisten, sogenannte „Republikflüchtlinge“ zu erschiessen. Der Staatsratsvorsitzende Erich Honecker empfing die Schweizer zu einem Treffen, wobei SP-Präsident Hubacher gleich zu Beginn stolz erklärte, dass Lenin Mitglied der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz gewesen und dass dessen Mitgliederbuch im Landesmuseum in Zürich zu besichtigen sei. Man einigte sich nach dem vierstündigen Gespräch auf die Veröffentlichung eines gemeinsamen Communiqués. Laut SED-Organ „Neues Deutschland“ brachten „Erich Honecker und Helmut Hubacher ihre grosse Besorgnis über die von den aggressiven Kreisen des Imperialismus verursachte gefährliche Zuspitzung der internationalen Lage zum Ausdruck“. [40] Hubacher verurteilte in einer mündlichen Erklärung den Krieg Israels im Libanon. In Honeckers Auftrag führte Politbüromitglied Hermann Axen mit Hubacher ein „vertrauliches Gespräch“ über Kreditrestriktionen von Schweizer Grossbanken gegenüber der DDR. Hubacher wandte sich gegen solche Restriktionen und befürwortete eine Verstärkung der ökonomischen Beziehungen zwischen der Schweiz und der DDR. Er versprach, mit SP-Finanzminister Ritschard und mit den Präsidenten der Schweizer Grossbanken zu sprechen. Später wollte sich Hubacher an eine solche Vereinbarung nicht mehr erinnern und verweigerte die Einsicht in die seine Person betreffenden Akten. [41] Vom 4. bis 7. Juni 1984 kam es zum Gegenbesuch einer Delegation des Zentralkomitees der SED bei der SP Schweiz. Bei diesem neuerlichen Treffen mit Vertretern des wichtigsten der totalitären Satellitenregimes der UdSSR betonte SP-Präsident Hubacher wiederholt die Nützlichkeit des Besuchs von 1982 und unterstrich, dass er trotz Angriffen der Bürgerlichen diese Reise in die DDR jederzeit wiederholen würde. Im gemeinsamen Communiqué hiess es: „In diesem Sinne sprachen sich beide Seiten für das Zusammenwirken von kommunistischen und sozialistischen Parteien sowie aller anderen an der Erhaltung des Friedens interessierten Kräfte in einer breiten Koalition der Vernunft aus.“ [42] Den gemeinsam mit der SED geprägten Begriff „Koalition der Vernunft“ verwendet die SP noch heute – diesmal bei ihren Avancen an die FDP und an die CVP! Am 23. August 1984 „beehrte“ sich die SPS zu folgendem Schreiben an Nicolae Ceausescu, den Generalsekretär der Kommunistischen Partei Rumäniens und einer der schlimmsten Verbrecher unter den totalitären Machthabern: „Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz beehrt sich, der sozialistischen Republik Rumäniens zu ihrem 40. Geburtstag, der gleichzeitig auch Nationalfeiertag ist, die herzlichsten Glückwünsche auszusprechen. Die SP Schweiz ist überzeugt, dass die bestehenden guten Beziehungen zwischen der Kommunistischen Partei Rumäniens und ihr auch künftig zum Wohle beider Staate gepflegt werden können.“ [43] Im August 1985 wurde der Plan einer fünftägigen Bulgarienreise publik, die eine Fünferdelegation der SPS unter Leitung von Helmut Hubacher auf Einladung der dortigen Kommunistischen Partei in aller Stille vorbereitet hatte. [44] Wie sehr beispielsweise der damalige SPS-Vizepräsident und heutige Nationalrat Peter Vollmer der totalitären Wirtschaftspolitik huldigte und was er von den Demokratien des freien Westens hielt, geht aus seiner Rede am Parteitag der SED von 1986 hervor: „Wir in unserem eigenen Lande, obwohl wir Regierungspartei sind, stehen in sehr kritischer Distanz, ja in klarer Opposition zu unserem ökonomischen System. Und auch zu der politischen Heuchelei, wie sie in der westlichen Demokratie immer wieder zum Ausdruck kommt. [...] Ich war beeindruckt von der Rede Eures Generalsekretärs, des Genossen Erich Honecker, über den Leistungsausweis Eurer Ökonomie und Eurer Gesellschaft. Als Vertreter der SPS und als Gast an Eurem Parteitag bin ich aber auch beeindruckt zu sehen und zu spüren, wie die Menschen hier in diesem Land für Frieden und Gerechtigkeit eintreten und wie sie mit ganz konkreter Arbeit einen Beitrag für eine menschengerechte Welt und Gesellschaft leisten.“ [45] Am 13. Parteitag der kommunistischen „Partei der Arbeit“ vom 27. Februar bis 1. März 1987 trafen die dazu geladenen SED-Funktionäre SPS-Vizepräsident Peter Vollmer und Sekretär Degen. Die beiden Schweizer betonten ihr Interesse am Meinungsaustausch mit der SED und äusserten den Wunsch, zur gegebenen Zeit eine Delegation in die DDR zu entsenden. [46] SP-Nationalrat Peter Vollmer sah anlässlich eines Besuchs im totalitär-sozialistischen Nordkorea „eine Ethik, die dem westlichen Humanismus nicht fremd ist“ und erklärte die Ernährungsfrage im Entwicklungsland kurzerhand als gelöst. [47] Noch im Monat September des Jahres 1989, kurz vor dem Berliner Mauerfall, gratulierte die SPS dem DDR-Staats- und Parteivorsitzenden Honecker in einem hochoffiziellen Schreiben zum 40. Geburtstag seiner zerfallenden sozialistischen Diktatur. [48] Am 16. November 1989, wenige Wochen vor dem Sturz des furchtbaren Rumänischen Terrorregimes, schickte die SPS der Kommunistischen Partei Rumäniens folgende Glück-wunschadresse: „Liebe Genossen. Im Namen des Zentralkomitees der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz haben wir das Vergnügen und die Ehre, Ihnen die lebhaftesten Glückwünsche zu Ihrem nächsten Kongress zu übermitteln. Da wir alle mit der Vorbereitung und der Abwicklung des Treffens der Sozialistischen Internationalen in Anspruch genommen sind, sind wir nicht in der Lage, eine Delegation an Ihre wichtige Kundgebung zu entsenden. Durch diese Botschaft möchten wir Euch fruchtbare Verhandlungen wünschen und Euch der Solidarität der Genossen unserer Partei versichern. Brüderlich Euer Jean-Pierre Métral, Sekretär für Internationale Beziehungen.“ [49] Wahrlich, es wäre für die Sozialdemokratische Partei der Schweiz eine grosse Aufgabe, endlich die Geschichte ihres Verhältnisses zum Totalitarismus aufzuarbeiten! Um die Ungeheuerlichkeit dieser sozialdemokratischen Liebedienerei gegenüber dem menschenverachtenden DDR-Regime zu veranschaulichen, haben wir uns der Parallelen zu erinnern: Die staatliche Vereinnahmung geschah bei Nationalsozialisten und Sozialisten so früh wie möglich, führte über Jugendorganisationen ("Hitler-Jugend" bzw. "Freie Deutsche Jugend") zu den Parteiorganisationen und Indoktrination der Erwachsenen in den Betrieben sowie zur staatlich organisierten Freizeitgestaltung. Wirtschaftliches Wohlergehen hing vom Wohlverhalten gegenüber dem Staat und seiner Ideologie ab. Jedes von der Parteilinie abweichende Reden oder Handeln wurde durch Geheimdienste ("Gestapo" bzw. "Stasi") bespitzelt, denunziert und durch den Staat bestraft. Jede freie Meinungsäusserung wurde in beiden Systemen unterdrückt; der Staat bestimmte, was die Bürger lesen, schreiben, sehen und hören durften. Die Bewegungsfreiheit der Bürger wurde massiv eingeschränkt. Nicht konforme Bürger wurden eingekerkert, in Konzentrationslagern, Todeszellen oder Irrenhäusern gequält oder umgebracht. Zahlreiche Menschen wurden auf der Flucht erschossen. Es herrschte ein unvorstellbarer Führerkult gegenüber Hitler bzw. gegenüber Ulbricht oder Honecker). Die Kirchen wurden in den Dienst des Staates gestellt, ihre Vertreter im Falle des Widerstandes gegen die totalitäre Staatsmacht massiv beargwöhnt, benachteiligt und ausgeschaltet. In beiden Regimes wurde der Sport zur Staatssache; sportliche Wettkämpfe dienten fast ausschliesslich der ideologischen und nationalistischen Propaganda. Dasselbe galt für Kultur und Kunst, die sich vollständig in den Dienst des Staates stellen mussten. Das Militär diente der ideologischen Schulung, der Stechschritt der DDR-Volksarmee war der Taktschritt der Wehrmacht in der Nazi-Zeit. * * * VIII. Kollektivismus und Staatsallmacht als Ursachen des Terrors All dieses ungeheuerliche Unrecht ist nur möglich, wenn die Grenzen des Staates nicht erkannt und der Kollektivismus in den Mittelpunkt gestellt wird. So entsteht der Totalitarismus, und so war denn der Kollektivismus auch das entscheidende Merkmal sowohl des Sozialismus wie des Nationalsozialismus. Darunter versteht man ein Gruppendenken, das verlangt, dass der Staat, eine herrschende Partei oder ein politischer Führer über allem steht. Die Bürger haben dem Staat, dem Führer oder der Partei zu dienen. Die „Klassengemeinschaft“ bzw. die „Rassengemeinschaft“ ist alles, der einzelne Mensch ist Teil davon und seine Rechtfertigung leitet sich nur daraus ab. Bei allen Unterschieden sind Kollektivismus und Allmacht des Staates bzw. ihrer politischen Repräsentanten die gemeinsamen Hauptmerkmale der totalitären Strömungen des 20. Jahrhunderts. Die antikapitalistische, antidemokratische und antibürgerliche Stossrichtung galt sowohl bei den Nationalsozialisten wie bei den Sozialisten als progressiv gegenüber der angeblich „verstaubten“ bürgerlichen Gesellschaft. Fast alles am „Faschismus“ mit seinem unfreiheitlichen, zentralistischen Führerprinzip ist sozialistisch: Seine Entstehungsgeschichte und seine geistigen Quellen, seine Leitfiguren und seine Agitationsmechanismen. [50] Gemeinsam war beiden totalitären Ideologien, dass der Staat jedem Menschen den ihm zukommenden Platz in der Gesellschaft zuweisen sollte. Solcher Kollektivismus führt - die Geschichte hat dies eindrücklich gezeigt - zu Unfreiheit, Tyrannei, Terror, Rechtswillkür und obendrein zu schwerer materieller Enttäuschung. Beide Systeme schufen im Namen einer „höheren Moral“ eine kollektivistische Ordnung, wobei die Menschen immer mit Polizei und Strafen zu tugendsamem Gehorsam angehalten werden mussten. Die Freiheit des Einzelnen wurde durch alle totalitären Regimes geknechtet: 1917 bis 1989 durch den Kommunismus, 1922 bis 1944 durch den Faschismus, 1933 bis 1945 durch den Nationalsozialismus. Es geht um die Alternative zwischen Freiheit und Knechtschaft. Darum muss die Freiheit des Einzelnen im Zentrum unseres Bestrebens stehen. Die Freiheit des Einzelnen ist das wichtigste Anliegen der Schweizerischen Bundesverfassung. Politische Parteien und die Politiker haben dem Bürger zu dienen - nicht umgekehrt. Deshalb setze ich mich für ein Gemeinwesen ein, das auf der Freiheit des Einzelnen beruht, und wehre mich gegen den Kollektivismus. * * * IX. Das pessimistische Menschenbild Die den totalitären Systemen eigene Staatsallmacht, der Etatismus, geht von einem pessimistischen Menschenbild aus: Der Mensch zu schwach, um für sich selber zu sorgen, er bedarf der ununterbrochenen beherrschenden und besitzergreifenden Fürsorge des Staates und seiner Funktionäre. Die Freiheit des Einzelnen wird der Organisation, der Machtkonzentration, der Lenkung und dem Apparat untergeordnet. Der Einzelmensch wird - oft im Namen schön tönender Phrasen - zum Mittel des Staates erniedrigt. Dabei ist doch jeder Mensch etwas Unvergleichliches, Unvertauschbares, Unschätzbares. Der Sozialismus wie der Faschismus will immer und überall alles regeln. Er ist geprägt vom Vertrauen in die Verordnung statt vom Vertrauen in die Freiheit. Dieser übersteigerte Kollektivismus zerstört den Charakter, führt zu krummen Rücken und geschlossenen Lippen gegenüber dem Unrecht, denn die nackte Existenz jedes Einzelnen ist in diesem System von der Obrigkeit abhängig. Es ist keinerlei Kritik mehr möglich ohne Gefährdung an Leib und Leben. Unsere Absage an den staatlichen Totalanspruch ist der Schutz der Freiheit des Bürgers, der beste Schutz gegen einen übertriebenen Nationalismus - den Chauvinismus - und damit gleichzeitig Schutzwall gegen die Verachtung von Angehörigen anderer Staaten und Völker. Die von den Schweizer Sozialdemokraten und Sozialisten gegenwärtig verfolgte Politik geht in eine verhängsnisvolle Richtung. Sie schränkt die Entscheidungsfreiheit des Bürgers ein, sie will Befugnisse und Zwangsgewalt des Staates erweitern. Diese Politik fördert den Kollektivismus und Etatismus, die Allmacht des Staates. * * * X. Kommandowirtschaft und Zentralismus als Grundübel Die Sozialisten wie die Nationalsozialisten bekämpften die Marktwirtschaft und befürworteten eine zentralistische Kommando- und Planwirtschaft. Alle Kompetenzen sollten bei einer zentralen obersten Instanz angesiedelt sein. Mit dem „Antikapitalismus“ verfügten beide Ideologien über ein wirkungsvolles Propagandainstrument während der Wirtschaftskrise. Der Sozialismusbegriff blieb ein wichtiger Bestandteil des nationalsozialisischen Selbstverständnisses. Die nationalsozialistische Diktatur nahm jenen Bürgern, die ihren „rassenethischen“ Kriterien nicht genügten, das Eigentum kurzerhand weg. Die sozialistischen Diktaturen hoben das Privateigentum ganz auf. Hätten die beiden Systeme das Privateigentum garantiert, wäre das Unrecht nicht möglich gewesen. Die sozialistischen Staaten und der NS-Staat hielten beide an ihrem Anspruch auf staatliche Lenkung und Intervention fest. [51] Heute ist die ökonomische und moralische Überlegenheit der Marktwirtschaft, in welcher der Staat die Souveränität der Konsumenten möglichst wenig antastet, sowohl praktisch wie auch theoretisch längst erwiesen. Jede Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Freiheit, jeder Staatseingriff, jede Planung und Lenkung bedeutet Zwang. Wenn der Staat die Wirtschaft lenkt, muss der Staat entscheiden, welche Bedürfnisse seiner Bürger er befriedigen will und welche nicht. Damit bestimmt der Staat auch, welche Werte höher oder niedriger sind, woran die Menschen glauben und wonach sie streben müssen. In der Marktwirtschaft geschieht die Beurteilung der Leistung nicht (wie im sozialistischen oder im nationalsozialistischen Staat) durch eine bürokratische Behörde oder eine politische Partei, sondern auf eine demokratische Weise: Durch die freie Wahl der Konsumenten. Wir werden diese wissenschaftlich belegte Tatsache so häufig wiederholen, bis auch die Sozialisten dieses Landes sie begriffen haben! >In der Planwirtschaft sind die Ziele der politischen Massnahmen so weit gesteckt, dass man mit einer gewaltigen Bürokratie versucht, den Riesenapparat in den Griff zu bekommen. Daher finden wir bei allen totalitären Systemen einen grenzenlosen bürokratischen Leerlauf sowie unzählige rivalisierende Amtsstellen. Gemeinsam ist dem Faschismus und dem Sozialismus die Tendenz, das menschliche Zusammenleben bis ins Privateste hinein zu reglementieren und zu organisieren. So muss die schöpferische Kraft des Einzelnen erlahmen. Sozialistische Politik hat weder Computer noch Geschirrspülmaschinen oder Mountainbikes erfunden. Dies tat allein der Markt. Die Wirtschaftsfreiheit ist kein untergeordnetes Freiheitsrecht: Der Verlust der Wirtschaftsfreiheit bedeutet Verlust jeder Freiheit. Die Möglichkeit auf den Erwerb von Privateigentum ist eine wichtige Garantie für die Freiheit und gegen die Willkür des Staates, und zwar nicht nur für die, die Eigentum besitzen, sondern auch für die, die (noch) keines haben. Auch der Wettbewerb zwischen Arbeitgebern gegenüber den Arbeitnehmern gilt nur in der Marktwirtschaft. Ist der Staat der einzige Arbeitgeber, ist der Arbeitnehmer diesem völlig ausgeliefert. * * * XI. Der Solidaritätszwang Sowohl im Nationalsozialismus wie im Sozialismus wurde die Moral von oben diktiert; es war eine verordnete Ethik der Macht und der Herrschenden. Wir aber setzen uns ein für die Moral und Ethik von frei entscheidenden Menschen. Frei entscheidende, mündige Bürger sind in ihrer Vielfalt viel weniger manipulierbar als es eine vermasste Menge ist, in welcher der Einzelne nichts zählt. Das Vertrauen in die Bürger ist ein entscheidendes Merkmal der freiheitlichen Überzeugung. Dagegen ist das Misstrauen in die Urteilskraft der Bürger - häufig gepaart mit intellektueller Überheblichkeit - ein Kennzeichen sozialistischer Politik. Pseudo-Heilige und Pseudo-Moralisten zerstören nicht selten unter dem Deckmantel von Moral und Ethik die Freiheit und die Marktwirtschaft. Damit verschütten sie die Quellen, aus denen private, freiwillige Solidarität entsteht. Ein verordneter Solidaritätszwang ist sinnlos - denn niemand kann sich um alle kümmern. Die Verantwortung des Einzelnen ist immer begrenzt. Es muss ein Recht jedes freien Menschen bleiben, zu entscheiden, wessen Bedürfnisse von anderen ihm am wichtigsten erscheinen. In einer freien Gesellschaft ist die Rechtsgleichheit vor dem Gesetz als einzige Gleichheit möglich und nötig. Der Anspruch auf materielle Gleichheit aller Bürger kann nur durch Regierungen mit totalitärer Gewalt verwirklicht werden. Die von oben erzwungene Solidarität ist ohne moralischen Wert. Unsere Entscheidung zur Solidarität hat diesen moralischen Wert nur dann, wenn wir selber die Verantwortung dafür tragen dürfen und die Freiheit haben, unsere eigenen Interessen unterzuordnen. Der Staat hat kein Recht, auf Kosten anderer grosszügig zu sein. Wer durch ständig steigende Steuern, Abgaben und Gebühren gezwungen wird, sich solidarisch zu verhalten, wird nicht etwa sozialer, sondern unwillig und zunehmend egoistischer. Nicht zufällig gab es im kommunistischen Osten mit seiner sogenannten „sozialen Gerechtigkeit“ einen kaum zu übertreffenden Egoismus des Einzelnen. Nicht zufällig wird in einigermassen freien Gesellschaften am meisten gespendet. Die Mitglieder einer Gesellschaft, die gezwungen werden, in jeder Beziehung das Gute zu tun, haben kein Recht, sich dessen zu rühmen. Ganz verheerend ist, dass im Sozialismus diejenigen, die für sich selber und für ihre Familien sorgen, als eigennützig und egoistisch gebrandmarkt werden. In Wirklichkeit ist aber solidarisch und sozial, wer nach seinen eigenen Kräften für seinen Lebensunterhalt sorgt und damit niemandem zur Last fällt. Wo die Kräfte nicht ausreichen, tritt die private oder staatliche Für-Sorge auf den Plan. Wenn der Staatszwang zur Solidarität den Bürgern befiehlt, wie der heilige Martin den Mantel mit den Bedürftigen zu teilen, so bleibt jedem nach dauerndem Mantelteilen nur noch ein Faden, so dass schliesslich alle erfrieren. Sinnvoller wäre es, wenn alle selber für ihren Lebensunterhalt aufkommen würden, so dass sich schliesslich alle einen gnzen Mantel kaufen können. * * * XII. Die «Steuergeschenke» In den totalitären Systemen wird den Bürgern möglichst viel weggenommen, damit der Staat für seine vielen, schrankenlosen Aufgaben möglichst viel hat. Nationalsozialismus wie Sozialismus gehen von der Vorstellung aus, dass der Staat auf alles, was der Bürger hat, im Grunde ein Eigentumsrecht hat. Solch verhängnisvolles Denken breitet sich bei uns mehr und mehr auch in bürgerlichen Reihen aus. Unwidersprochen wird das totalitäre, eigentumsfeindliche Wort „Steuergeschenk“ hingenommen. Es kommt immer dann in die Debatte, wenn Steuern gesenkt oder nicht erhoben werden sollen. Hinter dem Wort „Steuergeschenk“ steht die Vorstellung, dass dem Staat eigentlich das volle Einkommen jedes Bürgers gehört. Darf der Erwerbstätige etwas mehr für sich behalten und muss er etwas weniger abliefern, spricht man von einem „Steuergeschenk“. Der Einzelne muss angeblich froh sein, dass ihm der Staat grosszügig etwas belässt. Als ob es in Tat und Wahrheit nicht um eine mehr oder weniger gros-se Abgabe und damit um eine Verminderung des Eigentums des Einzelnen zugunsten des Staates ginge! Der Staat nimmt den Menschen mehr und mehr die freie Verfügung über ihr Einkommen, indem er es ihnen durch Steuern, Abgaben und Gebühren wegnimmt. Im Gegenzug dazu zieht er immer mehr die Befriedigung lebenswichtiger Bedürfnisse - die er definiert - an sich. * * * XIII. «Primat der Politik» Die Sozialisten und die Sozialdemokraten dieses Landes sprechen häufig vom „Primat der Politik“ und versuchen unentwegt, dieses auch durchsetzen. Sie wollen, dass die Politik alle Bereiche des Lebens, insbesondere natürlich des Wirtschaftslebens, beherrschen soll. Die Kontrolle über die einzelnen Bürger - so meinen sie - müsse letztlich beim Staat und seinen Politikern liegen. Sozialismus wie Nationalsozialismus forderten die totale, keine Grenzen und Ausnahmen mehr zulassende Politisierung des gesamten Lebens in allen Bereichen, des Einzelnen wie der Gemeinschaft. Niemand durfte mehr Briefmarken sammeln oder Kaninchen züchten, ohne dass dies nach den Regeln des Nationalsozialismus bzw. des Sozialismus geschah. Kein Winkel, keine staatsfreie Sphäre wurde mehr zugelassen, in die sich der Einzelmensch verkriechen konnte. [52] Das Primat der Politik führt - konsequent zu Ende gedacht - zum „totalen Staat“, der die private Einzelexistenz, die häusliche Gemeinschaft aufhebt. Ein deutscher Staatsrechtler hat dazu 1936 geschrieben: „Die ethische Haltung des Nationalsozialismus zeigt sich in dem [...] Satz ‚Gemeinnutz geht vor Eigennutz‘, aus dem die Kampfstellung gegen jegliche Art von Individualismus (und in diesem Sinne Liberalismus) folgt.“ [53] Dieser für sich persönlich angewandte, gute Grundsatz wird zum Gegenteil, wenn der Staat diesen für die Bürger befiehlt. Dagegen müssen wir ganz entschieden antreten. Dass der Staat, die Verwaltung oder die Politiker die Bürger beherrschen sollen, halte ich für eine Form von modernem Despotismus. Wir wollen, dass der Bürger den Staat und die Politik bestimmt und nicht umgekehrt. Die Bürger sollen das Gemeinwesen formen, gestalten und beherrschen. Dies ist die eigentliche Idee der demokratischen und föderalistischen Schweiz. Darum stehen wir für die Demokratie ein, ganz speziell für die Demokratie schweizerischer Prägung, nämlich für die direkte Demokratie. Darum wehren wir uns entschieden gegen eine Rückkehr zum Feudalismus nach Art der Europäischen Union. Wir wollen, dass jeder Bürger politische Verantwortung trägt und lehnen es ab, dass einige wenige Funktionäre in Politik oder Diplomatie über die grosse Mehrheit der Menschen herrschen sollen. Der Glaube an die Allmacht des Staates hat leider eine lange Tradition und ist im Denken europäischer Politiker, bei Sozialisten aller Parteien, noch immer prägend. Darum wollen wir uns bei aller Freundschaft zu den Ländern und Menschen dieses Kontinents von der Einbindung in die EU und ihre Instanzen freihalten. Den Sozialisten und Sozialdemokraten gefällt es, dass die EU zentralistisch und bürokratisch von „oben nach „unten“ organisiert ist. Das gefährliche Zauberwort heisst dabei „Harmonisierung“. Die Sozialisten wollen, dass Politik und Verwaltung möglichst alles auf möglichst hoher Stufe und damit überall gleich entscheiden. Sie wollen darum der EU raschmöglichst beitreten. Wir wollen demgegenüber, dass demokratisch auf möglichst tiefer Stufe entschieden wird. Daher kämpfen wir für eine Schweiz, die sich selber und ihren Werten treu bleibt: der Freiheit, der Unabhängigkeit, der direkten Demokratie und dem Föderalismus. * * * XIV. Das «Wahrheitsministerium» Die totalitären Systeme von Nationalsozialismus und Sozialismus stellen ihre ideologische „Ethik“ über den Rechtsstaat und über die Ehrfurcht und den Respekt vor dem Leben. Eine Vorform solcher Zwangsmassnahmen unter Anrufung einer angeblich „ethischen Wertegemeinschaft“ erleben wir gegenwärtig in der zur Hauptsache sozialistisch regierten Europäischen Union, die gegen jedes Recht die demokratische Selbstbestimmung eines Mitgliedlandes hintertreibt. Der Moralismus und die Herrschaft der „Gutmenschen“ ist leider auch hierzulande in Politik, Medien, Gesellschaft und in der Wirtschaft weit verbreitet. Als erstrebenswert erscheint nicht mehr das Wahrnehmen von Verantwortung, sondern das Zurschautragen einer fleckenlosen und blütenreinen Weste. Wenn der Staat beginnt, die Ansichten seiner Bürger als „gut“ oder „böse“, als „vernünftig“ oder „unvernünftig“, als „reif“ oder „unreif“ zu qualifizieren, handelt er zutiefst undemokratisch. Demokratie ist die Staatsform der Alternativen. Wenn der Staat eine andere Meinung nicht erträgt, wenn er sie als moralisch minderwertig anschwärzt und verteufelt, huldigt er einem totalitären Denken. Wie oft werden schlechte Ziele mit schön tönenden, moralistischen Schlagworten verfolgt und die Gegner dieser Ziele wegen einer angeblich unmoralischen Haltung ausgegrenzt. Aus den Erfahrungen von Nationalsozialismus und Sozialismus beschrieb George Orwell im Roman „Animal Farm“, [54] wie die Schafe nichts anderes können, als die schön tönenden politischen Schlagworte der herrschenden Schweine nachzublöken. In Orwells Roman „1984“ [55] bewacht und beeinflusst der „Gros-se Bruder“ als Parteiführer und Symbol des allgegenwärtigen Staates den Einzelnen bis in die Intimsphäre. Begriffe werden ins Gegenteil verkehrt, und die Leitsätze der Partei lauten: „Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke.“ Eine ungeheure Propagandamaschinerie sorgt für die ständige Programmierung des menschlichen Gedächtnisses. Die Geschichte wird in einem „Wahrheitsministerium“ je nach Bedarf um- oder neugeschrieben, gegenteilige Belege werden vernichtet. Zur Gleichsetzung von Wahrheit und Lüge entwickelt der Diktator sogar eine neue Sprache, die jede Art anderen Denkens ausschaltet. Das schwerste Vergehen ist in diesem von Orwell beschriebenen totalitären Staat daher das „Gedankenverbrechen“. Tendenzen zu einem solch totalitären „Wahrheitsministerium“ bestehen auch hierzulande. Im Nationalrat wurde am 23. März 2000 ein Vorstoss überwiesen, der die Schaffung einer staatlichen „Anrufinstanz“ verlangt, die während Abstimmungs-Kampagnen politische Werbetexte und Inserate auf „Wahrheit“ oder „Unwahrheit“ überprüfen müsste. [56] Selbstverständlich wäre all das politische Wahrheit und Moral, was der Regierung, der Verwaltung und der Mehrheit der Parteien gerade in den Kram passt. Zweifellos hätte uns ein solches „Wahrheitsministerium“ bei der EWR-Abstimmung von 1992 verboten, zu behaupten, dass die Zinsen und die Teuerung bei einem Nein nicht steigen, dass der Frankenkurs nicht zerfallen und die Arbeitslosigkeit nicht das Niveau der EU-Staaten erreichen würde. Regierung, Verwaltung, Wirtschaftsverbände und fast alle Parteien haben schliesslich damals das Gegenteil als „wahr“ dekretiert. Ein solches „Wahrheitsgremium“ hätte uns 1994 selbstverständlich verboten, vorauszusagen, dass bei Annahme des Krankenversicherungsgesetzes die Prämien massiv steigen würden. Regierung, Verwaltung, Krankenkassen und fast alle Parteien haben damals das Gegenteil behauptet. Wo „Wahrheitsministerien“ errichtet werden, steht der totalitäre Staat vor der Tür, denn dort wird das Recht auf freie Meinungsäusserung mit Füssen getreten. Besonders bedenklich ist, dass nicht nur die Linken, sondern auch Bürgerliche nicht merken, dass sie im Nationalrat für George Orwells Horrorvisionen stimmten. * * * XV. Die Staatspropaganda Sozialismus wie Nationalisozialismus oder Faschismus sind wegen ihrem unfreiheitlichen, vermassenden Charakter menschenverachtend und den Grundbedürfnissen des Einzelmenschen derart widersprechend, dass diese Systeme der andauernden geistigen Abrichtung und Indoktrination bedürfen. Die totalitäre, alle Lebensbereiche umfassende Herrschaft schliesst auch die menschliche Seele mitein, sie unterwirft das Gewissen und ist bereit, alles, was recht, vernünftig, menschlich und wahr ist, dem Kollektiv zu opfern. Schon im Vorkindergarten nimmt der Staat und seine Ideologie die Kleinkinder in Besitz und lässt die Menschen nicht mehr los bis zum Tode. Die Mittel dazu sind Indoktrination, Gehirnwäsche, Manipulation, Diffamierung, Verschleierung, Umerziehung. Der Staat nimmt dazu sämtliche Massenkommunikationsmittel als Instrument der Kontrolle und des Zwangs in die Hände und setzt sie voll für seine Zwecke ein. Er verkündet die alleinige Wahrheit, erhebt geistigen Ausschliesslichkeitsanspruch und erklärt alle freiheitlichen Weltanschauungen und Religionen als angeblich „überwunden“. Totalitäre Systeme setzen ihr Vertrauen auf Indoktrination statt auf die freie, selbstverantwortliche Entscheidung des Einzelnen. Die politische Propaganda ist Staatsaufgabe und obliegt einem eigens dazu gebildeten Propagandaministerium. Demgegenüber kennt die Demokratie eine private Wahlpropaganda verschiedener Parteien und Personen genau wie die Marktwirtschaft die Reklame kennt. Diese demokratische Wahlpropaganda hebt die Freiheit des Wählers nicht auf, so wenig wie die Reklame die Freiheit der Entscheidung des Konsumenten aufhebt. Äusserst problematisch und entschieden zu bekämpfen sind hierzulande die neuesten Tendenzen von Regierung und Verwaltung, in Abstimmungskampagnen einzugreifen. Es ist vollkommen neu und unakzeptabel, dass Bundesräte offiziell zum Unterschreiben von Volksinitiativen aufrufen, eine eigene Sammelstelle in der Bundesverwaltung einrichten und in der Verwaltung – auf Kosten der Bürger – Unterschriften sammeln, wie es etwa bei der Volksinitiative zum UNO-Beitritt geschah. Jedes Departement führt mittlerweile eine eigene Werbeabteilung, und zahlreiche Informationsbürokraten bringen die staatlichen Anliegen in Hochglanzbroschüren unters mehr oder meistens weniger interessierte Volk. Wenn der „Kommunikationschef“ des Eidgenössischen Finanzdepartements fordert, dass die Behörden bei Abstimmungskämpfen mit Steuergeldern ihren Standpunkt vertreten sollen, führt dies in eine bedenkliche Richtung. Zwar erkennt dieser richtig: „Meinungsbildung ist ein leicht manipulierbarer Vorgang. Regierungen tendieren, gerade wenn sie unter Erfolgsdruck stehen, rasch zum Einsatz von Propaganda, am häufigsten und leichtesten in totalitären Staatsformen.“ [57] Um so bedenklicher ist, dass sich der Autor dennoch „innerhalb gewisser Schranken“ für bundesrätliche Werbekampagnen und damit für einen verhängnisvollen Schritt Richtung totalitäre Staatsform ausspricht. Solche gefährliche Tendenzen dürfen im Interesse eines freiheitlichen, direkt demokratischen Staates unter keinen Umständen hingenommen werden. * * * XVI. Sozialismus im Land der Freiheit In den letzten beiden Jahrzehnten haben die Versozialisierung, der Glaube an den Staat, die Staatsverschuldung sowie die Last durch Steuern, Abgaben und Gebühren für die Bürger in der Schweiz unentwegt zugenommen. Der Staat hat hierzulande immer mehr Kompetenzen an sich gezogen und damit die Freiheit des Einzelnen zunehmend eingeschränkt. In der Schweiz kontrolliert der Staat über die Besteuerung und Umverteilung fast die Hälfte des Volkseinkommens und damit der Ressourcen, der Produkte und der Dienstleistungen. Die Staatsquote lag 1970 noch bei 20% des Bruttosozialproduktes, jetzt liegt sie bei gegen 40%. Demgegenüber haben Staaten wie die USA, Grossbritannien, die Niederlande oder Neuseeland diesen ruinösen Irrweg teilweise erkannt und weisen heute eine erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung auf. Leider verwischen auch bürgerliche Politiker die misslichen Zustände und messen die Schweiz unentwegt an den schlechten Beispielen statt an den guten. Die SVP - 1917 als bürgerliches Bollwerk gegen den Sozialismus gegründet - muss zusehen, wie sich der Sozialismus in unserem Land mit Unterstützung von Bürgerlichen weiter ausbreitet. Wir bekämpfen die zunehmende Bevormundungs-Mentalität, die den Menschen in Abhängigkeit bringt, die Sozialbürokratie aufbläht und auf eine zunehmende Umverteilung hinarbeitet. Bei einem Beitritt zur Europäischen Union würde dieser verhängnisvolle Weg noch akzentuiert. Gerade deshalb will die SP baldmöglichst der EU beitreten. Zur Erhaltung des Liberalismus will die SVP keinesfalls in die heutige EU, denn die staatliche Souveränität, der Föderalismus und die direkte Demokratie bilden noch immer den wirksamsten Schutzschild gegen das weitere Vordringen des Sozialismus. * * * XVII. Freiheit oder Sozialismus – Schlüsselfrage des 21. Jahrhunderts Die Schlüsselfrage des beginnenden neuen Jahrhunderts ist die Frage nach der Freiheit. Die Sozialisten dieses Landes sind aufgerufen, sich an der Schwelle zum 21. Jahrhundert nicht nur mit der Vergangenheit ihrer Ideologie und mit deren gemeinsamen Wurzeln zu andern totalitären Strömungen auseinanderzusetzen, sondern auch mit der Frage des Sozialismus der Zukunft. Sozialisten sind keine bösen Menschen, aber sie erliegen einem verhängnisvollen intellektuellen Irrtum. Das Gedankengut der hiesigen SP liegt leider weit hinter längst bekannten Erkenntnissen zurück und orientiert sich noch immer am Kollektiv statt am Interesse des Einzelnen. Wir möchten von den Sozialisten wissen, ob sie noch immer für die Überwindung des Kapitalismus einstehen und damit das Recht der Bürger dieses Landes auf Privateigentum und Marktwirtschaft missachten. Die Sozialisten aller Parteien sind aufgerufen, sich dieser für das nächste Jahrhundert grundlegenden Diskussion zu stellen, statt sie mit ultimativen Drohungen zu unterdrücken. Aber auch die bürgerliche Seite ist in den letzten Jahren der Grundfrage nach Freiheit oder Zwang, nach Liberalismus oder Sozialismus aus dem Weg gegangen. Es ist erschreckend, wenn sich immer mehr Parteien und Politiker der grundlegenden Auseinandersetzung über die Aufgaben des Staates und die Bedürfnisse seiner Bürger entziehen wollen. Die Selbstverantwortung der Bürger muss wieder zum zentralen Anliegen bürgerlicher Politik werden. Es ist die Grundfrage nach Staatsallmacht oder Freiheit des Einzelnen, die der Beantwortung bedarf. Der Kampf für die Freiheit der Schweizer Bürger hat vor über 700 Jahren begonnen. Doch dieser Kampf ist nie gewonnen: Ein Ausruhen auf früheren Lorbeeren, ein Abweichen vom Kurs der Selbstverantwortung wäre verhängnisvoll. Wenn wir den Weg der Integration in die Europäische Union wählen, beschreiten wir als ein Land unter vielen einen über weite Strecken sozialistischen, gleichmacherischen Weg. Wir wollen aber, dass unser Land durch aus-serordentliche Leistungen seiner Bürger wieder zum Vorbild des Liberalismus und damit zum Sonderfall wird. Damit kehren wir zurück zum wichtigsten Fundament der schweizerischen Staatsidee: zur Freiheit! * * * [1] Friedrich August von Hayek: Wissenschaft und Sozialismus, Walter Eucken Institut, Vorträge und Aufsätze Nr. 71, Tübingen 1979, S. 3. [2] Christoph Blocher: Die sieben Geheimnisse der SVP. Politische Standortbestimmung anlässlich der 12. Albisgüetli-Tagung am 21. Januar 2000, Zürich 2000, S. 7 f. [3] Menace des partis et mouvements extrémistes pour la démocratie en Europe, Conseil de l’Europe, Strasbourg 2000. [4] Ursula Koch, Präsidentin der SPS, an Ueli Maurer, Präsident der SVP Schweiz, 7. März 2000. [5] Rudolph Chimelli: Matrioschka, hrsg. von der Familien Vontobel Stiftung, Zürich 1991. Robert Conquest: Der grosse Terror, München 1992. Stéfane Courtois u. a.: Das Schwarzbuch des Kommunismus. Unterdrückung, Verbrechen und Terror. Mit dem Kapitel „Die Aufarbeitung des Sozialismus in der DDR“ von Joachim Gauck und Ehrhart Neubert, 3. Aufl., München 1999. Paul Rothenhäusler und Hans-Ueli Sonderegger: Erinnerung an den Roten Holocaust. Der Jahrhundertverrat der Intellektuellen, Stäfa 1999. [6] Stéfane Courtois (Das Schwarzbuch des Kommunismus, 3. Aufl., München 1999, S. 16) nennt folgende Grössenordnung von Kommunismus-Opfern: Sowjetunion 20 Millionen Tote, China 65 Millionen Tote, Vietnam 1 Million Tote, Nordkorea 2 Millionen Tote, Kambodscha 2 Millionen Tote, Osteuropa 1 Million Tote, Lateinamerika 150'000 Tote, Afrika 1,7 Millionen Tote, Afghanistan 1, 5 Millionen Tote, kommunistische Internationale und nicht an der Macht befindliche kommunistische Parteien etwa 10'000 Tote. [7] Ludwig von Mises: Die Gemeinwirtschaft, Jena 1932, Neudruck München 1981, S. 462. [8] Wilhelm Röpke: "Sozialismus und politische Diktatur", in: Neue Zürcher Zeitung, 18./19. Januar 1937. [9] Friedrich August von Hayek: Der Weg zur Knechtschaft, hrsg. und eingeleitet von Wilhelm Röpke, übersetzt von Eva Röpke, Erlenbach 1943. Vgl. auch Friedrich August von Hayek: Die verhängnisvolle Anmassung. Die Irrtümer des Sozialismus, Tübingen 1996. [10] Karl R. Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Christchurch 1944. [11] Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Frankfurt am Main 1955. [12] Robert Conquest: The Great Terror. Stalin's purge of the Thirties, London 1968. Robert Conquest: The harvest of sorrow. Soviet collectivization and the terror-famine, New York 1986. Vgl. auch Robert Conquest: Reflections on a ravaged century, New York 2000. [13] Karl Dietrich Bracher: Zeit der Ideologien. Eine Geschichte politischen Denkens im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1982. [14] André Glucksmann: Am Ende des Tunnels. Das falsche Denken ging dem katastrophalen Handeln voraus. Eine Bilanz des 20. Jahrhunderts, Berlin 1991. [15] François Furet: Le passé d’une illusion. Essai sur l’idée communiste au XXe siècle, Paris 1995. François Furet: Das Ende einer Illusion. Der Kommunismus im 20. Jahrhundert, München 1996. [16] Stéfane Courtois u. a.: Le livre noir du communisme. Crimes, terreurs et répression, Paris 1997. Stéfane Courtois u. a.: Das Schwarzbuch des Kommunismus. Unterdrückung, Verbrechen und Terror. Mit dem Kapitel „Die Aufarbeitung des Sozialismus in der DDR“ von Joachim Gauck und Ehrhart Neubert, 3. Aufl., München 1999. [17] Revel, Jean-François: La grande parade. Essai sur la survie de l’utopie socialiste, Paris 2000. Siehe dazu Stefan Brändle: Es gibt nicht „gute“ oder „schlechte“ Henker, in: Aargauer Zeitung“, 25. März 2000 (Wochenendbeilage). [18] Jean Ziegler: Vier so gescheite Leute, gänzlich zerstritten, in: Die Weltwoche Nr. 8, 24. Februar 2000, S. 17. [19] Ebenda. [20] Stéfane Courtois, Jean-Louis Panné: Die Komintern in Aktion, in: Das Schwarzbuch des Kommunismus, 3. Aufl., München 1999, S. 299-365. [21] Beat Kappeler: Moral statt Fakten, in: Die Weltwoche Nr. 45, 5. November 1998. [22] Neue Zürcher Zeitung, 8. März 2000. [23] Parteiprogramm der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz, verabschiedet am Parteitag in Lugano, 1982, in: Schweizerische Parteiprogramme, Bern 1983, S. 125 f. [24] Vorwärts, Organ der Partei der Arbeit (PdA), 11. November 1982. [25] Christoph Blocher: Die Schweiz und der Zweite Weltkrieg. Eine Klarstellung, Zürich 1997. Christoph Blocher: Die Schweiz und der Eizenstat-Bericht, Zürich 1997. [26] Christoph Blocher: Von Selbstgerechten, Heuchlern und anderen Moralisten, in: Die Schweiz und der Zweite Weltkrieg. Eine Klarstellung, Zürich 1997, S. 13-15. [27] Eduard Stäuble: „... so dass keiner mehr die Sprache des andern versteht.“ Politik mit verfälschten Begriffen, in: Medien-Panoptikum, April 1997, S. 26. [28] Ebenda. [29] Ludwig von Mises: Sozialism, an Economic and Sociological Analysis, translated by J. Kahane, Indianapolis 1981, S. 530. [30] Wilhelm Röpke: Die deutsche Frage, 3. Aufl., Erlenbach 1948, S. 146. [31] Wilhelm Röpke: Briefe (1934-1966), hrsg. von Eva Röpke, Erlenbach 1976, S. 24. [32] Berner Tagwacht, offizielles Publikationsorgan der SPS, Nr. 138, 15. Juni 1940 (Beilage). [33] „Das italienische Problem“, in: Berner Tagwacht, offizielles Organ der SPS, Nr. 115, 20. Mai 1940, S. 1. [34] Berner Tagwacht, offizielles Publikationsorgan der SPS, Nr. 171, 26. Juli 1943, S. 2. [35] Berner Tagwacht, offizielles Publikationsorgan der SPS, Nr. 216, 14. September 1940. [36] „Die Welt im Umbruch“, in: Berner Tagwacht, offizielles Publikationsorgan der SPS, Nr. 141, 19. Juni 1940, S. 1. [37] „Das deutsche Wirtschaftssystem“, in: Berner Tagwacht, offizielles Publikationsorgan der SPS, Nr. 164, 16. Juli 1940, S. 1. [38] „Die Kapitallegende“, in: Berner Tagwacht, offizielles Publikationsorgan der SPS, Nr. 166, 18. Juli 1940, S. 1. [39] Berner Tagwacht, offizielles Publikationsorgan der SPS, Nr. 2, 4. Januar 1941. [40] Gespräch Erich Honeckers mit Helmut Hubacher. Aktuelle Probleme der Friedenssicherung und Abrüstung erörtert. Grosse Besorgnis über die Zuspitzung der Lage durch Imperialismus, in: Neues Deutschland, 2. Juli 1982. [41] Originalakten Beziehungen SPS und SED in der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR (SAPMO), Bundesarchiv Berlin, Finckensteinallee 63, Berlin. Vgl. auch Res Strehle und Fred Müller: Die Gabe der schlechten Erinnerung. SED-Geheimdokumente widerlegen Helmut Hubachers Darstellung der Ostberlinreise 1982, in: Facts Nr. 35, 31. August 1995, S. 20 ff. [42] Hans Rudolf Böckli: Hubachers Flirt mit der DDR, in: Schweizerzeit Nr. 12, 6. Juli 1984. [43] SPS an das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Rumäniens, Herrn Nicolae Ceausescu, Generalsekretär, 23. August 1984. [44] Gottfried Höppli: Diskreter SPS-Besuch in Bulgarien, in: Neue Zürcher Zeitung, 27. August 1985, S. 29. [45] Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Rede von Peter Vollmer, Vizepräsident der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz, in: Neues Deutschland, 21. April 1986, S. 9-10. Siehe auch Profil Nr. 5, 1986, S. 16-17. [46] Originalakten in der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR (SAPMO), Bundesarchiv Berlin, Finckensteinallee 63, Berlin. [47] Paul Rothenhäusler und Hans-Ueli Sonderegger: Erinnerung an den Roten Holocaust. Der Jahrhundertverrat der Intellektuellen, Stäfa 1999, S. 156. Neue Zürcher Zeitung, 17. März 2000, S. 15. [48] Peter Müller: Sozialdemokratie und linker Faschismus, in: Schweizerzeit Nr. 8, 24. März 2000. [49] Parti Socialiste Suisse au Parti Communiste roumain, 16. November 1989. [50] Roland Baader: Kreide für den Wolf. Die tödliche Illusion vom besiegten Sozialismus, Gräfelfing 1991, S. 269. [51] Das offizielle Publikationsorgan der SPS beschrieb das Wirtschafts-, Eigentums-, Preis- und Geldsystem des nationalsozialistischen Deutschland 1940 wie folgt: „Der Erfolg dieses Systems ist trotz Reibungsschwierigkeiten unbestreitbar. Er hat zur Folge, dass die Bedeutung des Geldes sich vollständig geändert hat. Da die Geldwirtschaft nicht prinzipiell aufgehoben ist, bleibt zwar der Besitz von Geld weiterhin die Voraussetzung zum Erwerb von Gütern, aber er verleiht nicht mehr einen Anspruch darauf. Bewusst ist die materielle Erwerbskraft des Geldes beschränkt worden. Das Geld ist kaufkräftig nur im Rahmen der dem Geldbesitzer vom Staat zugebilligten Gütermengen. Dadurch ist auch der Begriff des Eigentums gewandelt. Wenn die bisher am freisten und allgemeinsten verwendbare Form des Eigentums, der Geldbesitz, nur noch beschränkenden Wert hat, so ist Eigentum überhaupt nicht mehr frei und beliebig verwendbar.“ Berner Tagwacht, offizielles Publikationsorgan der SPS, Nr. 164, 16. Juli 1940, S. 1. [52] Wilhelm Röpke: Wirrnis und Wahrheit. Ausgewählte Aufsätze, Erlenbach / Zürich / Stuttgart 1962, S. 259. [53] Wilhelm Sauer: Rechts- und Staatsphilosophie. Eine systematische Einführung in das lebende Recht, Stuttgart 1936, S. 46. Zitiert nach Marcel Senn: Rechtsgeschichte – ein kulturhistorischer Grundriss, 2. Aufl., Zürich 1999, S. 304. [54] George Orwell: Animal Farm, London 1945. [55] George Orwell: 1984, London 1949. [56] Parlamentarische Initiative Judith Stamm (CVP, Luzern): Anrufinstanz bei Abstimmungskampagnen, Verhandlungen des Nationalrats, 23. März 2000. Neue Zürcher Zeitung Nr. 71, 24. März 2000, S. 18. [57] Daniel Eckmann: Kopf oder Bauch? Soll der Bund in einen Abstimmungskampf mit einer Werbekampagne eingreifen dürfen? Ja, aber nur innerhalb gewisser Schranken und nach Klärung der rechtlichen Grauzone, in: Die Weltwoche Nr. 7, 17. Februar 2000, S. 21.

01.01.2000

New Year address 2000

1 January 2000 Dear fellow citizens, Today - on the first day of the year 2000 - I look back with mixed feelings on the century we have just left behind us. A century of extremes in nationalism and socialism, both of which inhuman systems merged for a while into national socialism or Nazism. Dictators both brown and red made an idol of the omnipotent state, despising and suffocating the freedom of the individual. The consequences were racialism on the one hand and class hatred on the other, leading to the death and destruction of millions, to hunger and misery, to war and endless streams of refugees. But every time something particularly bad happens, wonders occur as well. At the end of the twentieth century, we Swiss can be grateful that even in the worst years of dictatorship and totalitarianism, our small country has always stood up for freedom, justice and democracy - and sometimes we were practically the only state to do so on the continent of Europe. It has been a matter of defending our sovereignty, our neutrality, our direct democracy and our federal status against the threat posed by inhuman dictatorships. The "welfare state" as a new means of subjugation Nevertheless, as we enter the twenty-first century there still remains a serious doubt: by defeating dictatorship, have we also defeated idolatry of the state? Have we established once and for all the freedom of the individual? Unfortunately not! On the threshold to the twenty-first century, the castaways of socialism have found another lifebuoy to cling to: the all-embracing "welfare state". They loudly uphold this fallacy by moralising in deceptively progressive tones - completely indifferent to the fact that such a state is tantamount to enslavement of the people, that it is bound to lead in the end to dependency and servitude, to the destruction of personal freedom and independence, to the abolition of free enterprise, of just reward and ownership rights. The nationalisation which is increasingly favoured even in bourgeois circles these days leads to mediocrity, centralism and social bureaucracy. It is not without reason that our left-wing moralists and zealous intellectuals are calling for the ruinous establishment of a "welfare state", with slogans such as "justice" and "solidarity". After all, it is they who would man the well-paid key positions in such a coercive system. All minorities - starting with the family unit - would then have to sacrifice human warmth and genuine solidarity to anonymous bureaucracy. But that is exactly what these nationalisation fanatics want. These pseudo-holy totalitarians cannot abide any limitation of state authority, they cannot tolerate any autonomy of local communities, nor can they accept the ideals of federalism or direct democracy. In fact they would love to join the EU straight away - where the state is even more powerful, where bureaucratic impotence and taxation of the individual are much more exaggerated and all-embracing. Self-reliance - the key to the future This growing burden of nationalisation cannot be carried by the higher income groups alone; those who are supposed to benefit from it will also have to bear the brunt. In fact the nationalised state will merely take the money it requires from the left hand pocket of the people, only to put it back into the right hand pocket - but minus the enormous losses caused by bureaucracy! In the twenty-first century as never before, we must therefore oppose the "welfare state" - which leads to national ruin and poverty - by upholding self-reliance and free enterprise. These alone are the true basis of freedom, peace and justice. The key to success in this endeavour is fair competition, a readiness to take calculated risks, and the incentive of just reward for our labours, in the form of private ownership. Never shall the state take charge of our entire lives. True to the principles of democracy, responsible citizens must retain the ultimate right of decision in a market environment of responsible consumers. An incessantly growing burden of taxes, charges and levies is crippling our economy and our lives, and in the end will corrode them altogether. Increasingly unscrupulous taxation is indeed a discretely insidious instrument, with which the state can deliberately distort free enterprise by cancelling out the rewards of labour. Pseudomonarchist allures In Switzerland too, the politics of redistribution, public debt and bureaucracy have become far too powerful, far too self-important and far too costly. The parliamentarians in Bern behave as if the entire fate of our nation is in their hands alone, and they are backed up by their loyal media. This is just as much a distortion of reality as looking at the cream instead of the milk underneath. No, it is not at political debates and press conferences that real value is created in this country, but by our citizens at their workplaces, in their family circles, and among the authorities and professional associations. Unfortunately, this fact is recognised less and less by our government. Our presidents and federal councillors are collaborating increasingly on a par with the heads of foreign states or even with royalty, and appear to have forgotten that sovereignty in this nation lies with the people. Pseudomonarchist allures have developed over the last few years in our Alpine republic. Some federal councillors even believe they have to behave like a despotic father toward our citizens, as moralistic and foreboding guardians of virtue. But the primary right of the Swiss people is to be left in peace by their politicians, to be allowed to go about their daily business undisturbed. It is high time for our government to take heed: even those who walk on stilts still have to use their legs, and even those who sit on thrones still have to sit on their behinds like everyone else! Small is strong The modern state in the twenty-first century must concentrate on its core tasks. But in those areas with which it is concerned, it must assert itself with the utmost authority. And that is precisely what is not happening here today, for example with regard to political asylum or the spread of criminality. Instead, a hectic bustling of state activities and interventions in unnecessary areas is rapidly leading to a national listlessness, a disrespect of the law, and a surfeit of taxation. Instead of socialistic nationalisation in this new century, I would like to see the intrinsic value of the individual restored. For every single one of us is unique, irreplaceable and invaluable. Not only we as Swiss citizens, but above all our authorities, must revert to the solid foundations of our direct democratic confederation. We must give up this futile cult of the colossal, and stop worshipping the great. For at second glance, that which at first seems small and diversified is often greater and more unified than the apparently powerful entities of this world. If we can summon enough courage and strength, Switzerland will retain her status in the new millennium as a unique example for Europe and the world. During the course of our history we have achieved an optimal balance throughout our nation between town and country, between tradition and modernity, between freedom and order, between bravery and the love of peace. With all her deficiencies and imperfections, Switzerland will still have the strength and the vision to weather all the storms of the future. But only if we have the willpower to resist successfully the paralysing poison of socialism, the omnipotence of the nationalised state, and feudalism - the mastery of the many by the few! To end on an encouraging note, I find every day that most of us still have this willpower and strength in abundance - despite the brainwashing which we constantly have to endure from above. My New Year wish, to all of us here in Switzerland, is the strength we need to make the most of our national heritage - sovereignty, self-reliance, freedom, and determination in the cause of peace!