Bündner SVP musste bei Null beginnen

Interview zu den Bündner Wahlen mit David Sieber, «Südostschweiz», 17.6.2010

Herr Blocher, die Bündner SVP hat Heinz Brand nicht in die Regierung gebracht und im Grossen Rat die Fraktionsstärke nicht erreicht. Eine herbe Niederlage.

Christoph Blocher: Nein, im Gegenteil. Ich hätte nie erwartet, dass die Bündner SVP so gut abschneidet. Denn sie musste bei Null beginnen. Praktisch alle Behördenvertreter musste die Partei an die BDP abtreten. Mit guter Erbschaft lässt sich gut leben. In diesen schwierigen Majorzwahlen hat sich die SVP wahrlich gut geschlagen.

Gemessen am Werbeaufwand hätte doch mehr herausschauen müssen.

Meinen Sie? Fraktionsstärke wäre ein Riesenerfolg gewesen. Die Steigerung von zwei auf vier Sitze ist mehr als beachtlich. Und Heinz Brand hat ein hervorragendes Ergebnis erzielt. 13 000 Stimmen zu holen, und das gegen den Widerstand aller andern Parteien, ist ein ansehnliches Resultat. Daran kann man abschätzen, was mit dem Proporzsystem kantonsweit drin liegen könnte. Brand ist einer der kommenden Männer. Ich fände es gut, wenn er nächsten Herbst zu den Nationalratswahlen antreten würde. Seine Chancen stünden sehr gut, denn dann wird nach dem Proporz gewählt. Wichtiger als das Wahlresultat ist aber sowieso die Frage, was die neue Bündner SVP für den Kanton erreicht hat.

Was denn?

Die Bilanz ist beachtlich. Dank der Bündner SVP wurde Harmos abgelehnt. Als jemandem, dem die Wirtschaft im Kanton Graubünden am Herzen liegt, bin ich sehr froh, dass dieses lausige Schulprojekt Harmos vom Volk abgelehnt wurde. Mit der SVP hat Graubünden endlich eine Partei, die in vielem die Mehrheit der Bevölkerung vertritt. Nicht nur bei Harmos. Auch in den meisten aussenpolitischen Fragen hatte sich die frühere Bündner SVP zusammen mit allen anderen Parteien gegen das Volk gestellt. Seit der Trennung in der SVP ist das anders. Mit der neuen Bündner SVP hat der Kanton Graubünden eine Partei, die zur Schweiz steht. Auch bei der Verjährbarkeits- und der Anti-Minarett-Initiative vertrat die neue SVP als einzige Bündner Partei die Mehrheitsmeinung. Das ist auch das künftige Wählerpotenzial.

Dann gehen Sie davon aus, dass die Bündner SVP den andern Parteien den Rang ablaufen wird?

Nicht von heute auf morgen. Das wird dauern. Zwangsläufig fehlen noch die erfahrenen Personen. Erfreulicherweise treten sehr viele Junge bei. Derzeit zählt die Bündner Sektion 2200 Mitglieder. Tendenz steigend. Nach dem Wahlsonntag sollen wieder Neueintritte zu verzeichnen sein. Das zählt.

Weil die SVP als Oppositionspartei wahrgenommen wird?

Als eine Partei, die sich gegen Fehlentwicklungen im Kanton stemmt. Nehmen Sie nur die Tourismusfinanzierung. Diese wurde auf Druck der SVP überarbeitet…

…es war aber die CVP, die der Regierung eine Variante der kantonalen Tourismusabgabe (KTA) abrang.

Was ohne Druck der SVP nicht geschehen wäre. Es wäre ja noch schöner, wenn die Industriebetriebe auch noch einen Tourismusfranken bezahlen müssten.

Da hat die SVP im Interesse der Ems-Chemie gehandelt.

Im Interesse aller Unternehmen. Auch der Neue Finanzausgleich wäre ohne die Hilfe der SVP nicht abgelehnt worden. Dass die FDP bei der Zwangsfusions-Initiative des Gewerbeverbandes und der SP kalte Füsse bekam, ist ebenfalls das Verdienst der SVP. Dazu hat sie noch eine Proporzinitiative zu Stande gebracht. Und das alles in zweieinhalb Jahren. Als neue Partei! Kurz: Ich bin sehr zufrieden. Zumal die BDP bereits zu bröckeln beginnt. Vier Sitze hat sie verloren. Das ist viel.

Sie hat aber bei weitem nicht soviel Geld in ihre Werbekampagne gesteckt.

Die SVP-Anhänger haben sich eben extrem bemüht und sehr viel Einsatz gezeigt. Sie mussten das Geld ja auch erst sammeln. Schnell wurde kolportiert, die Mutterpartei und ich persönlich hätten bezahlt.

…Haben wir nicht. Aber entsprechende Gerüchte gab es schon. Bis zu 700 000 Franken soll die Kampagne gekostet haben.

Das glaub ich zwar nicht, aber ist auch belanglos. Die Bündner SVP musste das Geld auf jeden Fall selber auftreiben. Den Andern ist die Heimat wohl nichts wert, wenn sie nichts bezahlen. Aber lassen wir das. Die Parteien haben an den Kanton und die Schweiz zu denken, und nicht so sehr an sich selbst. Und weil es der Bündner SVP um die Sache geht, hat sie eine grosse Zukunft vor sich. Je weniger die Politiker an sich denken, desto mehr denken die Wähler an sie. Das war stets mein Erfolgsrezept.

Hatte es die SVP bei den Wahlen auch schwer, weil die ganze Geschichte um Eveline Widmer-Schlumpf noch nicht verdaut ist?

Vielleicht, aber die Partei musste neu beginnen – in einem Majorzsystem. Würde der Proporz zählen, hätte die SVP massiv zugelegt. CVP und SP hätten aber verloren, während der Freisinn nicht so eingebrochen wäre wie etwa in Glarus.

Warum war der Wahlkampf eigentlich so brav? Auch die SVP hielt sich vornehm zurück.

Das sind halt brave Leute. Vielleicht wollten sie sich etwas zurückhalten, weil all die Politiker nur auf ein allzu heftiges Wort lauerten. Jetzt ist das auch wieder nicht recht.

Von Heinz Brand hätte man aber schon ein bisschen mehr Profil erwarten dürfen.

Ein Regierungsratskandidat darf nicht zu viel Profil haben. Brand ist der beste Migrationsverantwortliche der Schweiz. Das kann ich als ehemaliger Bundesrat, der für das Bundesamt für Migration zuständig war, beurteilen.

Warum haben Sie ihn nicht nach Bern geholt?

Das hätte ich vermutlich, wenn er nicht der SVP angehören würde. So hätte ich diese Personalie im Anti-SVP-Hassklima nicht durchgebracht.

Wird Eveline Widmer-Schlumpf nach den eidgenössischen Wahlen 2011 noch im Bundesrat sein?

Das müssen sie die Linken fragen, die mit ihr die Intrige gespielt und sie auch gewählt haben.

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