So ist es in diktatorischen Staaten

«Jetzt spricht Christoph Blocher. Der Bundesrat über die Vorwürfe der GPK, die Stellung der Bundesanwaltschaft, den Furor seiner Feinde und die Bedeutung seiner Person für die Schweiz.»

20.09.2007, Weltwoche, Philipp Gut und Markus Sommer

Ungekürtze Fassung

Der GPK-Bericht wirft Ihnen konkrete Verfehlungen vor. Die erste: Sie haben dem ehemaligen Bundesanwalt eine Pressekonferenz zum Fall Achraf untersagt.
Jawohl, zu Recht. Die Bundesanwaltschaft muss in ihrer Arbeit unabhängig sein. Niemand soll einem Bundesanwalt bei seiner eigentlichen Tätigkeit, nämlich der Strafverfolgung, dreinreden. Hierzu braucht er auch eine eigene Kompetenz, die Presse zu orientieren. Aber diese Orientierung ist nicht in jedem Fall Sache des Bundesanwalts. Es gibt übergeordnete staatspolitische Interessen, unter Anderem solche der Koordination. Das war so im Fall Achraf. Spanien intervenierte zuerst in der Schweiz, nicht beim Bundesanwalt, sondern beim Nachrichtendienst im Bundesamt für Polizei, und später auch bei mir persönlich. Wir hätten hier einen mutmasslichen Terroristen. Man konnte ihn nicht ausfindig machen, weil er mit einem gefälschten Pass hier war. Schliesslich fand man ihn im Ausschaffungsgefängnis Zürich. Damit zu tun hatten vor allem das Bundesamt für Polizei und der Kanton Zürich. Der spanische Justizminister rief dann persönlich bei mir an, dankte, dass wir Achraf erwischt hatten, und verlangte unverzüglich dessen Auslieferung. Ich habe ihm gesagt: In der Schweiz kann man nicht unter Justizministern eine Auslieferung beschliessen, er müsse ein Auslieferungsbegehren stellen. Es gab einen grossen Medienwirbel um den Fall und Pressemitteilungen von verschiedenen Stellen. Das Bundesamt für Justiz war involviert, das Bundesamt für Polizei, und zuletzt kam die Bundesanwaltschaft dazu. Es ging nun darum, die Medienarbeit zu koordinieren. . Der Bundesanwalt ging nach Spanien und ich sagte ihm, er solle bei seiner Rückkehr nicht auch noch eine eigene Pressekonferenz machen, damit man das ganze koordinieren könne.

Die GPK sagt: Sie wollten die Auslieferung, der Bundesanwalt wollte ermitteln.
Ich wollte, dass nicht jedes Amt etwas Verschiedenes tut. Es gab einen Konflikt: Das Bundesamt für Justiz war für die Auslieferung zuständig, die Bundesanwaltschaft wollte selber ermitteln. Bevor die Sache geklärt war, wollte ich nicht, dass sich eine Seite festlegte. Das geht aus den Akten genau hervor. Weder das Bundesamt für Justiz noch das Bundesamt für Polizei traten übrigens an die Öffentlichkeit. Jeder Bundesanwalt, der ein bisschen über seinen Schatten hinaus denkt, hätte gesagt: Selbstverständlich muss da koordiniert werden. V. Roschacher sagte: „Nein, das mache ich nicht. Ich bin unabhängig.“ Ich musste den Gang an die Öffentlichkeit aufgrund eines übergeordneten Interessens untersagen. Er selber hielt sich dann daran, aber sein Informationschef hielt trotzdem auf dem Flughafen Zürich einen point de presse ab. Dies war eine Ungehörigkeit. Eine solche Koordination wäre nötig gewesen.

Sie haben Roschacher nie gesagt, die Bundesanwaltschaft dürfe nicht ermitteln?
Nein, Nein. Ich habe dem Bundesanwalt keinerlei Weisung gegeben, ob er ermitteln dürfe, und ihm auch nie gesagt, was er an einer Medienorientierung sagen solle. Es ging nicht um das „Was“ des Informierens, sondern um das „Wann“.

Wie hat man dann das Problem gelöst?
Das Bundesamt für Justiz sagte mir, wenn der Bundesanwalt jetzt weiter ermittelt, seien ihnen die Hände gebunden bei der Auslieferung. Ich forderte sie auf, miteinander zu reden. Die Bundesanwaltschaft kam dann – ohne meinen Einfluss – zum Entschluss, das Verfahren gegen Achraf nicht in der Schweiz weiterzuführen, sondern – nach erfolgter Auslieferung – an Spanien abzutreten. Die Auslieferung konnte vollzogen werden.

Nehmen wir an, der Justizminister hätte irgendein Interesse gehabt, Achraf möglichst schnell auszuschaffen. Wäre es dann nicht ein Eingriff in die Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft, wenn man ihr vorschreibt, die Information zu koordinieren?
Wie wollen Sie dann den Konflikt lösen? Der eine sagt ausliefern, der andere sagt ermitteln, beides gleichzeitig ist nicht möglich, alle wollen informieren. Der Fall Achraf ist zu einem Erfolg geworden, weil man das Vorgehen koordiniert hat. Der Bundesanwalt hat von sich aus nicht weiter ermittelt, die Auslieferung ist auf dem Rechtsweg erfolgt. Was wäre die Alternative? Eine nicht geführte Bundesanwaltschaft. So ist es in diktatorischen Staaten: Dort machen die Staatsanwaltschaften, was ihnen gefällt. Das darf nicht sein. Es braucht eine Aufsicht. Aber im Einzelfall hineinreden, das geht nicht. Ich habe das auch nie getan, auch nicht im Fall Achraf.

Die GPK wirft Ihnen vor, Sie hätten dem Bundesanwalt generell verboten, sich zu äussern.
Nein, generell nicht. Ich habe dem Bundesanwalt aber von allem Anfang an empfohlen, er solle nicht schon beim ersten Anfangsverdacht grosse Pressekonferenzen veranstalten, bevor überhaupt klar ist, ob es sich um einen grossen oder einen kleinen Fisch handelt. Das war mein Rat, aber keine Anweisung. Denn wenn nichts daraus wird, steht er dumm da. So war es im Fall Yukos. In diesem Fall hat die Bundesanwaltschaft viele Milliarden blockiert, eine grossspurige Pressekonferenz veranstaltet und am Schluss war, wie das Bundesgericht entschieden hat, der letzte Rappen unrechtmässig beschlagnahmt. Hingegen musste ich im Fall Achraf aus übergeordneten staatspolitischen Interessen koordinatorisch eingreifen, wie ich vorher dargelegt habe. Auch sah ich mich am 8. Juni 2006 gezwungen, den Bundesanwalt anzuweisen, ohne Rücksprache mit dem EJPD keine Presseauftritte mehr zu organisieren. Der Grund dafür war, dass es immer wieder zu Problemen wegen der nicht oder der nicht genügend koordinierten Informationstätigkeit der Bundesanwaltschaft gekommen war.

Der GPK-Bericht beanstandet auch Ihr Vorgehen im Fall Ramos, dem kolumbianischen Drogenbaron, der als Informant eingesetzt wurde.
Wenn in der Presse schwere Vorwürfe gegen ein Amt oder die Bundesanwaltschaft gemacht werden, müssen die Verantwortlichen Stellung zu diesen Berichten nehmen. Im Fall Ramos mussten sowohl das Bundesamt für Polizei wie auch die Bundesanwaltschaft Stellung beziehen. Das Erstere gab ausführlich Auskunft. Die Bundesanwaltschaft hingegen lieferte mir einen kaum aussagekräftigen Bericht ab. Sie schob den Fall Holenweger vor und stellte sich auf den Standpunkt, sie könne keine näheren Angaben machen. Ich war der Meinung, es gehe nicht um konkrete Informationen über einen Einzelfall, welchen auch immer, sondern um eine allgemeine Einschätzung der Vorwürfe in den Medien, die Bundesanwaltschaft habe mit einem in den USA verurteilten Drogenbaron zusammen gearbeitet. Das war am Freitag vor Pfingsten 2006. Am Sonntag stand ich vor der Situation, dass die Medienberichte in einem Ausmass zugenommen hatten, dass ich gezwungen war, die Situation näher zu prüfen. Am Pfingstmontag beschloss ich in Bezug auf diese Fragen eine Administrativuntersuchung durchzuführen. Aus Koordinationsgründen – ich erinnere daran, dass wir eine geteilte Aufsicht über die Bundesanwaltschaft haben – erteilte ich meinem Generalsekretär den Auftrag, mit dem Bundesstrafgericht Kontakt aufzunehmen, damit es ja keine Kompetenzschwierigkeiten gebe. Da ich über Pfingsten in Rhäzüns weilte, hielt ich es für nahe liegend, uns im Kanton Graubünden zu treffen. Emanuel Hochstrasser entschied von sich aus, dass das Bundesstrafgericht auf der fachlichen Seite die Situation ebenfalls überprüft. Während dieser Zeit, man stelle sich das vor, war der Bundesanwalt telefonisch einfach nicht erreichbar. Als ich am Dienstag nach Bern fuhr, las ich im Tages-Anzeiger das Interview mit V. Roschacher, in welchem er sich zu all jenen Fragen äusserte, die er mir angeblich nicht hatte beantworten können. Nach diesen Vorfällen kam es zu der im GPK-Bericht kritisierten Ermahnung. Ich erteilte ihm wörtlich die Weisung: „Ohne Rücksprache mit dem Departement organisieren Sie keinerlei Presseauftritte mehr.“ Verboten habe ich Pressekonferenzen nicht, aber ich wollte vorab informiert werden.

Roschacher sagt, er habe Sie im Fall Ramos nicht orientieren dürfen, weil Sie befangen waren.
Ich wüsste nicht, warum ich hätte befangen sein sollen. O. Holenweger ging zwar mit meiner Frau in die Primarschule und ich habe mit ihm Militärdienst geleistet und bin deshalb per Du mit ihm. Seit ich im Amt bin, habe ich ihn aber weder gesehen, noch gesprochen. Ich wollte aber auch gar nicht über Inhalte des Falles Holenweger orientiert werden, sondern ich wollte eine Stellungnahme der Bundesanwaltschaft zu den Vorwürfen in der Weltwoche. Diese Informationen konnte er angeblich nicht geben, aber ich konnte sie später im Tagesanzeiger lesen.

Ist Holenweger kein Freund Ihrer Familie?
Nein, Nein. Wenn ich mit jedem, mit dem ich mal im Dienst war, befreundet wäre, hätte ich sehr viele Freunde.

Als Roschacher über den Fall Holenweger informieren sollte, sagten Sie ihm, sie wollten davon nichts wissen?
Ich wollte über keinen Fall im Detail orientiert sein, auch nicht über jenen von O. Holenweger.

Der Bundesanwalt behauptet, er habe Ihnen nur die Information bezüglich Holenweger verweigert. So steht es im GPK-Bericht. Stimmt das nicht?
Nein. Es ging um die Frage, ob es richtig ist, dass man einen Drogenboss („Ramos“) engagiert, um ihn als Vertrauensperson einzusetzen. Ich wollte nichts Konkretes zum Fall wissen, aber ich habe eine Aufsichtspflicht, administrativ, personell und finanziell. Es gibt in diesem Zusammenhang Sachen, die ich wissen muss: Wie viele Fälle behandelt die Bundesanwaltschaft? Wie viele sind erledigt – wie viele pendent? Welche Art von Fällen? Anders können Sie die Bundesanwaltschaft personell und finanziell nicht führen!

Nationalrat Christoph Mörgeli, mit dem Sie eng zusammenarbeiten, sagt, Holenweger sei ein guter Freund von ihm.
Ch. Mörgeli ist Nationalrat und ich bin Bundesrat. Jeder hat seine Aufgabe. Ich rede mit niemandem über die Fälle der Bundesanwaltschaft, die ich im Detail auch nicht kenne. NR Mörgeli hat sich auch nie bei mir für O. Holenweger eingesetzt. Weder in diesem Fall noch in irgendeinem anderen habe ich je Einfluss auf die Bundesanwaltschaft genommen. Das hat man mir auch nicht vorgeworfen. Im Fall Ramos wollte ich lediglich wissen, ob es richtig sei, dass man solche Personen in den Ermittlungen einsetzt. Er beantwortete dies dann alles dem Tages-Anzeiger. Warum hat er es der Presse beantwortet, wenn er es mir nicht sagen konnte? Er musste ja damit rechnen, dass ich auch Zeitungen lesen kann.

Nach dem Fall Ramos legten Sie ihm den Rücktritt nahe?
Nein. V. Roschacher verhielt sich unmöglich, indem er telefonisch nicht erreichbar war und ich ihn verständlicherweise zu einem Gespräch einladen wollte. Als er schliesslich zu erreichen war, wollte er keine Zeit finden. Das hätte aber nicht gereicht, um sich von ihm zu trennen. In der Privatwirtschaft wäre er sofort entlassen worden, was ich ihm auch sagte!

Roschacher kündigte selber. Doch die GPK sagt, sein Rücktritt sei «nicht freiwillig« erfolgt. Haben Sie ihn aus dem Amt gejagt?
Wie kommen Sie darauf? Jedermann wusste, dass unser Verhältnis angespannt war. Ich habe gesehen, und auch der Bundesrat, dass es so nicht mehr weiter gehen kann und habe deshalb abklären lassen, ob das Vorgefallene ein Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei. Das war nicht der Fall. Der Bundesanwalt hatte uns darnach signalisiert, dass er unter gewissen Bedingungen bereit wäre, freiwillig den Rücktritt zu erklären. Ich habe darauf hin den Rechtsdienst beauftragt, mit Herrn Roschacher Verhandlungen über eine allfällige Kündigung seinerseits zu führen.

Ging es um viel Geld? Ich kann aus rechtlichen Gründen nichts dazu sagen. Sie können aber sicher sein, dass wir den Fall rechtlich korrekt gelöst haben.

Wenn Roschacher nicht gekündigt hätte, wäre er dann immer noch Bundesanwalt?
Auf diese hypothetische Frage kann ich Ihnen keine Antwort geben. Im Wiederholungsfall hätte ich dem Bundesrat vielleicht beantragt, eine Trennung mit V. Roschacher zu prüfen oder die Entlassung beantragt.

Sie haben gar keine Fehler gemacht?

Wenn Sie drei, vier Jahre mit jemandem in schwierigen Verhältnissen zusammen arbeiten, dann geschehen selbstverständlich immer auch Fehler, das ist normal, doch wüsste ich nichts Schwerwiegendes. Nun aber ist die GPK der Meinung, ich hätte bei der Trennungsvereinbarung mit V. Roschacher anders vorgehen müssen. Das Ganze ist juristisch schwierig und es gibt hier verschiedene Rechtsauffassungen. Ich – und mit mir der Bundesrat, das Bundesamt für Justiz und das Eidgenössische Personalamt – haben sich der einen angeschlossen. Die FinDel und die GPK sind der Meinung, die andere verdiene den Vorzug. Vor diesem Hintergrund stehe ich nach wie vor zu meinem Vorgehen. Ob der Bundesrat beschliesst, dies in Zukunft zu ändern, wird man sehen.

Die Gewaltentrennung haben Sie nicht im Mindesten geritzt, die Kompetenzen nie überschritten?

Wie ich Ihnen vorher geschildert habe, liegen verschiedene Rechtsauffassungen vor. Alle waren der Meinung, dass ich als Chef EJPD abschliessend zuständig war, wenn der Rücktritt vom Bundesanwalt initiiert wird. Dafür braucht man kein Jurist zu sein. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn ich als Mieter meine Wohnung kündige, dann brauche ich dazu keine Zustimmung des Vermieters. Das Gleiche ist hier der Fall. Anders wäre es gewesen, wenn ich dem Bundesanwalt hätte kündigen wollen. Das hätte ich dem Gesamtbundesrat beantragen müssen.

Alle andern haben Fehler gemacht, nur Ihnen ist keiner unterlaufen?
Ich möchte mich nicht wiederholen.

Sie bezeichnen den Bericht als „tendenziös“. Angenommen, das trifft zu: Warum lässt sich eine GPK, eine bisher als nüchtern geltende Kontrolle, dazu hinreissen?
So nüchtern ist die GPK – vor allem die Subkommission – schon lange nicht mehr. Es ist wieder ein Bericht gegen mich. Andere Bundesräte würde man nie so kritisch begutachten. Namentlich Frau Nationalrätin Meier-Schatz hat die Kommission eindeutig für parteipolitische Zwecke eingespannt.

Warum haben Sie den Bundesrat nicht über alle Ihre Schritte in Sachen Roschacher informiert? Laut GPK haben Sie die Regierung umgangen.
Ich habe den Bundesrat fortlaufend informiert und zwar öfters in den vergangenen Jahren. Niemand im Bundesrat hat mir dies vorgeworfen. Am 9. Juni 2006 habe ich den Bundesrat über die ausgesprochene personalrechtliche Massnahme informiert. Anschliessend fanden die Verhandlungen mit V. Roschacher statt. Am 5. Juli 2006 fanden diese Verhandlungen ihren Abschluss. Ich habe den Bundesrat am gleichen Tag darüber informiert.

Laut GPK hat das Departement des Innern Informationen über den Fall Roschacher verlangt. Sie hätten eine Antwort versprochen, doch diese sei nie im EDI eingetroffen.
Kurz vor einer Bundesratssitzung hat mir Bundesrat Couchepin viele Fragen gestellt. Diese habe ich mündlich an der Sitzung beantwortet, was durchaus Praxis ist. Weil es viele Fragen waren, versprach ich ihm – auf Wunsch des Gremiums – den Rest der Fragen direkt mündlich zu beantworten, was ich im Anschluss an die Sitzung getan habe.

Couchepin hat Ihnen nie gesagt, er habe sich von Ihnen mehr Informationen erwünscht?
Nein. Dies ist ein gutes Beispiel um Ihnen zu zeigen, wie die Subkommission gearbeitet hat: Sie erkundigte sich beim Generalsekretär des EDI, ob meinerseits eine schriftliche Antwort eingetroffen sei, was der Generalsekretär verneinte. Mehr wollte die GPK nicht wissen.

Hätten Sie nicht warten sollen, bis Roschacher von sich aus geht? Nun wirkt es, als hätten Sie ihn aus dem Amt gejagt.
Roschacher selber hat gekündigt. Viel wichtiger und problematischer ist die Frage der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft.

Das ist der Kern der Debatte. Wer soll ihn beaufsichtigen? Ein Bundesanwalt muss frei von politischen Druckversuchen ermitteln können. Daher ist es richtig, dass der Justizminister ihn nur administrativ überwacht. Der Bundesrat hat erstmals 2004 und erneut im April 2006 beschlossen, dass nur eine Behörde zuständig sein soll, was von 1889 bis 2002 der Fall war. Die Frage war aber: Wer? Die Exekutive oder ein Gericht? Der Bundesrat war der Ansicht, es müsse die Exekutive sein, weil die Staatsanwaltschaft des Bundes Teil der Exekutivorgane ist. Eine Aufsicht durch das Bundesstrafgericht ist deshalb problematisch, weil dieses Gericht nicht gleichzeitig die Bundesanwaltschaft fachlich beaufsichtigen und dann auch noch als Gerichtsinstanz über Anklagen oder Beschwerden entscheiden kann. Heute ist das Chaos noch grösser: Der Bundesanwalt ist drei Aufsichtsgremien unterstellt. Dem Justizminister administrativ, personell und finanziell, dem Bundesstrafgericht in Bellinzona fachlich, und den Geschäftsprüfungskommissionen des Parlaments. Zwar kümmert sich jede Instanz um einen anderen Aspekt, aber in der Praxis gibt es eine Menge von Abgrenzungsschwierigkeiten. Ein Beispiel: Um sechs zusätzliche Fälle bearbeiten zu können, verlangte die Bundesanwaltschaft mehr Geld. Für die Ressourcen der Bundesanwaltschaft ist die administrative Aufsicht, der Justizminister, zuständig. Als ich wissen wollte, wie ernst diese Fälle sind, um beurteilen zu können, ob ich mehr Budgetgelder freimachen soll, gab mir Herr Roschacher keine Auskunft. Ich fragte: Geht es um Terrorismus oder geht es darum, eine Indiskretion eines Beamten aufzudecken? Wieder keine Antwort. Also forderte ich ihn auf, seine Prioritäten mit Bellinzona zu besprechen, und dann einen neuen Antrag zu formulieren. Das gehe nicht, sagte er, denn Bellinzona sei nicht für das Geld zuständig. Sie sehen, am Schluss kann der Bundesanwalt, wenn er will, seine verschiedenen Vorgesetzten gegeneinander ausspielen. Verantwortung ist eben unteilbar.

Was machen Sie falsch, dass Sie so bekämpft werden?
Einerseits will man nicht, dass etwas geändert wird. Andererseits ist Wahlkampf. Die SP und die Grünen wollen eine sozialistische Politik. Also sind sie gegen mich. Viele Bürgerliche in der FDP und der CVP begehen den Fehler, dass sie die SVP für die Wählerverluste vergangener Jahre verantwortlich machen. Die Dosis verstärkt sich regelmässig. Zuerst unterschob man mir die Beteiligung an einem gemeinen Komplott Anschliessend versuchte man mir, Nazi-Methoden unterzuschieben. Das macht sich immer gut, man kommt in die Zeitung.

Couchepin verglich Sie mit Mussolini, weil Sie in der SVP ohne Zweifel eine dominante Rolle spielen. Der Wahlkampf der SVP wurde kurzerhand auf Sie zugeschnitten.
Ursache ist nicht die SVP, sondern unsere Gegner: Sie haben den ganzen Kampf gegen die SVP auf Blocher fokussiert. Es geht ja nicht um mich, sondern darum, die SVP zu schwächen. Niemand hat mir bisher vorgeworfen, ich verletzte meine Pflicht oder verweigere die Arbeit. Man will die Politik und die Erfolge nicht. Zum Beispiel beim Asyl- und Ausländerrecht. Man will wieder mehr Geld der Bürger ausgeben. Man möchte in die EU, was ich verhindern will etc.

Die SVP wusste, Blocher ist unser bestes Zugpferd. Also schuf sie eine Situation, damit sie Blocher in den Vordergrund stellen kann. So entstand der „Geheimplan“.
Als die SVP diese Kampagne entwarf, riet ich zunächst vom Geheimplan ab. Ich sagte: Der Plan würde offen befolgt. Doch Einzelne ahnten, dass im Geheimen mehr geplant wurde. Heute muss ich sagen, sie hatten Recht. Tatsächlich tauchte – durch Bundesrat, Geschäftsprüfungskommission und Bundesanwaltschaft geschickt inszeniert – der Vorwurf auf, ich sei in ein für mich strafbares Komplott verwickelt, man habe die Unterlagen gesehen, aber man könne sich erst in einigen Monaten dazu äussern, weil die Unterlagen zuerst noch beschafft werden müssten. Nachdem NR Mörgeli die Fakten auf den Tisch gelegt hatte, brach dieses Kartenhaus zusammen. Andernfalls wäre es tatsächlich gefährlich geworden. Das merken die Bürger und darum stellt die Partei Blocher ins Schaufenster. Das ist doch nicht verboten. Vor vier Jahren tourten Joseph Deiss und Ruth Metzler mit Zahnbürsten durchs Land, um die CVP zu stärken. Das ist nicht neu.

Neu ist für schweizerische Verhältnisse, dass eine Person, Sie, in einer Partei eine dermassen wichtige Rolle spielt. Das letzte Beispiel einer solchen Dominanz war Gottlieb Duttweiler, der Gründer des LdU.
Meine Bedeutung für die SVP verdanke ich zu einem grossen Teil meinen Gegnern. Drei Jahre lang haben sie sich auf mich gestürzt. Es ist kein Angriff auf meine Person, sondern auf das Gedankengut meiner Partei, das ich vertrete. Das führt dazu, dass sich eine Partei mit ihren Bundesräten identifiziert, vorallem wenn sie so stark beschossen werden, wie das bei mir passierte.

Sie reizen Ihre Gegner, weil Sie den Eindruck erwecken, nur Sie allein könnten die Schweiz retten.
Jetzt kommen alle diese Klischees. Ich habe meine klare Meinung und die vertrete ich. Natürlich bin ich in der Politik, um die Verhältnisse in der Schweiz zu verbessern. Ich habe noch nie aus einem anderen Grund politisiert. Wie oft wurde mir vorgeworfen, ich läge falsch. Denken Sie an den EWR. Man hielt meine Prognosen für Unsinn, sagte den Untergang der Schweiz voraus. Und heute?

Warum bleiben Sie so umstritten? Niemand bezweifelt, dass Sie ein Demokrat sind, im Bundesrat haben Sie sich einbinden lassen, viele Freisinnige, viele Christdemokraten loben Sie hinter vorgehaltener Hand.
In den grossen Fragen will niemand hinstehen. Das ist normal. Kennen Sie in der Geschichte jemanden, der etwas bewegte und nicht umstritten war? Oft wurden solche Leute am Ende umgebracht.

Sie übertreiben ein wenig.
Auch Du Brutus, sagte Caesar. Meistens wird man aus den eigenen Reihen gemeuchelt. Im Ernst: Der Aufstieg der SVP hat manchen Parteien Stimmen und Pfründen gekostet, gar einen Bundesratssitz. So schafft man sich Feinde.

Niemand verteidigt Sie. Alle Konservativen in FDP und CVP schweigen.
Es braucht viel Mut, kurz vor den Wahlen jemanden einer anderen Partei zu loben. Viele Bürgerliche meinen, man könne mich am besten bekämpfen, indem man mich beschimpft und verunglimpft Doch die Bevölkerung merkt dies zum grossen Teil.

Um welches Thema es in der Schweiz auch geht: Immer dreht sich alles um die Frage, ist man gegen oder für Blocher? Vielleicht liegt das an Ihren Gegnern, aber womöglich liegt es auch an Ihnen.
Sicher liegt das auch an mir. Würde ich eine andere – meines Erachtens falsche – Politik machen, wäre es anders. Ich trete entschieden gegen den EU-Beitritt ein, dann gibt es etliche Leute in Bern, die ihre Karrierepläne überdenken müssen. Wenn ich die Ausgaben senken will, dann verlieren manche Leute Einfluss, Stellen und Geld. Wenn einer die Entwicklungshilfe in Frage stellt und gar Zustimmung erhält, dann fühlen sich manche bedroht. Es ist klar, dass sich diese Leute auf die Person stürzen, die diese Bastionen und Pfründe in Frage stellt.

Aber es gibt einen Punkt, wo es nicht mehr um die Sache geht, sondern nur mehr um die Person Blocher. Dieser Punkt ist erreicht, das ist kontraproduktiv.
Ich weiss nicht, was Sie meinen. In den vergangenen vier Jahren haben wir sehr viel erreicht. Die Regierung hat zum Beispiel das EU-Beitrittsziel gestrichen …

Die Verwaltung arbeitet weiter darauf hin ..
Vielleicht. Doch war es ein wichtiges Signal. Der Bundesrat beschloss keine bilateralen Verträge mehr abzuschliessen, die unsere Handlungsfreiheit beschneiden. Die Stimmung gegenüber der EU hat gekehrt. Die Staatsausgaben wurden gesenkt, zwar zu wenig, aber immerhin. Die Asylzahlen sind rückläufig, ein neues griffiges Gesetz ist beschlossen. Nun kritisieren Sie, Blocher hat das Maximum nicht erreicht. Natürlich nicht, doch wenn ich ausserhalb des Bundesrates geblieben wäre, hätte ich weniger erzielt. Das ist massgebend.

Vielleicht würden Sie Ihre Ziele besser erreichen, wenn Sie sich aus der Politik verabschiedeten. Man würde über die Sache reden, nicht bloss über Blocher.
Wenn das so wäre, würde ich zurücktreten. Träte ich heute zurück, drohte ein Rückfall in die neunziger Jahre. Dass man mich derart verbissen aus der Regierung entfernen will, zeigt doch, dass es mich noch braucht.

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