Hat der Wirtschaftsstandort Schweiz eine Chance?

Reconvilier. An der SVP-Informationsveranstaltung in Reconvilier sprach Bundesrat Christoph Blocher über wirtschaftliche „Randregionen“ in der Schweiz und deren Überlebenschancen. Gift seien die neusten Forderungen der Linken wie zum Beispiel die 35-Stunden-Woche, Ausbau des Kündigungsschutzes, Vaterschaftsurlaub sowie Frühpensionierungen auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung. Es sei die bürgerliche Mentalität, die unser Land nach vorne bringe.

27.08.2007, Reconvilier

Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen.

Meine Damen und Herren

I. Reconvilier als Ausgangspunkt

Sie haben mich eingeladen, hier in Reconvilier zum Wirtschaftsstandort Schweiz zu sprechen.

Diese Frage ist wichtig. Und da wir uns in Reconvilier befinden, auch ein besonders bedeutungsvolles Thema, denn der Arbeitskampf um die Swissmetal rückte Ihre Gegend ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit.

Reconvilier ist darum aus verschiedener Sicht für unser Thema interessant:

1. Reconvilier ist in einer Region etwas abseits der eigentlichen Wirtschaftsregionen beheimatet. Man sagt dem „Randregionen“. Hier stellt sich die Frage: Haben Randregionen überhaupt eine wirtschaftliche Überlebenschance?
2. Swissmetal ist ein produzierender Betrieb. Hat der Produktionsstandort Schweiz noch eine Zukunft?

II. Chancen von „Randregionen“

Kommen wir zur ersten Frage: Haben Randregionen überhaupt eine wirtschaftliche Überlebenschance. Ich weiss nicht, wer das Wort „Randregion“ erfunden hat. Es ist doch eine Frage der Warte:

Für die Menschen in Reconvilier ist ihr Dorf, ihre Region das Zentrum und Zürich beispielsweise ein Randgebiet.

Von Zürich aus gesehen ist Reconvilier und der Jura ein Randgebiet.

Und für nicht wenige Länder ist die Schweiz als ganzes eine Randzone.

Als früherer Unternehmer habe ich selber in einer so genannten „Randregion“ produziert. In Domat/Ems im Kanton Graubünden. Als ich Anfang der 80er Jahre die EMS Chemie in einer äusserst schwierigen Situation übernommen habe, hielten mich viele für einen bedauernswerten Phantasten. Unter anderem auch deswegen, weil die Skeptiker den Standort meines Unternehmens, das zu über 90 Prozent für den Weltmarkt arbeitet, für im wahrsten Sinne des Wortes „abwegig“ hielten.

Doch die EMS Chemie ist die grösste Arbeitgeberin im Kanton Graubünden, steigert jährlich ihren Umsatz und erwirtschaftet gute Gewinne. So schlecht kann dieser Standort „Randregion“ also nicht sein!

Ich habe übrigens die Lage nie als Nachteil empfunden. Denn wer nur die Nachteile sieht, erntet auch nur Nachteile. In den ländlichen Gebieten schätzt man vor allem die Fähigkeiten der Arbeitnehmer: Ihren Fleiss, ihr Qualitätsbewusstsein, ihre handwerkliche Begabung. Das war für uns in Domat/Ems genauso. Wir wissen auch um das Selbstbewusstsein der Arbeiter in Reconvilier.

In der Regel sind kleinere und mittlere Unternehmen in den ländlicheren Gebieten beheimatet. Aber genau diese erweisen sich als äusserst innovativ durch ihre Flexibilität.

Wenn also das Umfeld stimmt, dann können sich die Unternehmen auf das konzentrieren, was sie sollen: arbeiten, innovativ sein, Erfolg haben. Das bedingt, dass sie Produkte erzeugen, wo hohe Qualität, Spezialität bei angemessenen Preisen produziert wirf.

III. Hat der Produktionsstandort Schweiz eine Zukunft?

Das, was ich für Reconvilier gesagt habe gilt auch für die Schweiz. Die Schweiz als Produktionsstandort hat eine Zukunft. Das sehen Sie doch täglich: Es wird produziert. Gerade der Jura ist bekannt für seine hochpräzise Verarbeitung in der Uhrenindustrie. Die schweizerischen Pharmaunternehmen sind weltweit führend. Medizinalbranche, Biotechnologie, und Maschinenbau – es gibt eine Reihe von Gebieten, wo die Schweiz erfolgreich produziert.

Alles, was wir in der Schweiz anders und besser machen als das Ausland, hat eine Chance. Das kann bessere Qualität, eine Besonderheit, ein billigeres Produkt sein. Keine Chance hat die Schweiz mit Produkten, die jeder herstellen kann, die zum Beispiel andernorts billiger hergestellt werden können. Aber Sie werden fragen, wie sieht es aus mit der Metallindustrie?

Es ist klar, dass die Schweiz in arbeitsintensiven, einfachen, sich wiederholenden Fertigungsprozessen nicht mit einem Land wie China konkurrenzieren kann.

Wenn jemand das Gleiche viel schneller und viel billiger produzieren kann, dann müssen Sie entweder schneller und billiger werden als der Konkurrent oder Sie machen etwas, was der Konkurrent nicht kann.

Und wie steht es nun mit der Metallindustrie in der Schweiz? Ich weiss, dass es erfolgreiche Firmen in diesem Bereich gibt. Es gibt aber auch erfolglose. Nur gibt es die Erfolglosen nicht mehr lange, denn sie werden Bankrott gehen, sie werden aufhören müssen, sie werden untergehen. Die Metallindustrie hat Chancen, wenn sie mit ihrer Stärke im Betrieb ein Produkt machen kann, das der Konkurrent nicht besser und nicht billiger machen kann. Dazu muss ein Unternehmen seine Stärken erkennen und dann alle Mittel und Kräfte in diese Stärken legen. Das schliesst auch die Möglichkeit ein, radikale Änderungen durchzuführen.

Sehen Sie sich die Entwicklung der Schweiz an. Vor zweihundert Jahren war unser Land noch ein Entwicklungsland: Ein Niedriglohnland, Textilproduzent, ein armes Land.

Heute ist die Schweiz eines der reichsten Länder mit modernen Produkten und Dienstleistungen für die ganze Welt.

Der Produktionsstandort Schweiz lebt. Was kann die Politik tun, dass er weiter lebt?

Für möglichst ideale Rahmenbedingungen sorgen. Konkret heisst das: möglichst viel Freiraum. Es mag paradox klingen, aber die beste Förderung der Wirtschaft ist, sie nicht zu behindern.
Man muss die Unternehmen schützen vor einem nimmersatten Fiskus.
Man muss die Unternehmen schützen vor den Anmassungen der Bürokratie.
Man muss die Unternehmen aber auch schützen, indem man die Gewerkschaften nicht unnötig politisch stärkt.

Ich habe den Arbeitskampf in Reconvilier eingangs angesprochen. Eine unserer Stärken ist ein flexibler Arbeitsmarkt und die Bereitschaft mehr zu arbeiten als die anderen. Mit allen Überstunden gerechnet arbeiten die Schweizer am längsten in Europa. Das ist eine Auszeichnung und zeigt die Leistungsbereitschaft der Schweizer Bevölkerung. Diese überdurchschnittliche Arbeitsleistung rechtfertigt auch die überdurchschnittlichen Löhne. Die Qualität der Arbeit gilt im internationalen Vergleich als hoch.

Gift sind die neuesten Forderungen von links, wie

* Ausbau des Kündigungsschutzes
* Mindestlohn
* 35-Stunden-Woche
* Frühpensionierungen auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung
* gewerkschaftliche Mitbestimmung bei den Unternehmen
* „kostenlose“ Kinderbetreuung
* Vaterschaftsurlaub
* 13. AHV-Rente
* usw.

Sie wissen ja im Jura, wie sehr Ihr Nachbar Frankreich unter solchen Errungenschaften leidet und wie schwierig es ist, einmal installierte Ansprüche (auch wenn sie nicht finanzierbar sind) wieder abzubauen.

IV. Wie sieht eine erfolgreiche Schweiz aus?

Es ist die bürgerliche Schweiz, die unser Land erfolgreich werden liess.
Es ist die bürgerliche Mentalität, die unser Land nach vorne brachte.
Es ist die bürgerliche Substanz, von der unser Land noch heute zehrt.

Was meine ich mit „bürgerlicher Mentalität“?

* Tüchtigkeit,
* der Wille zu Qualität, Präzision und Wettbewerbsfähigkeit,
* Fleiss,
* Unternehmertum und Eigenverantwortung, immer wieder Eigenverantwortung.

V. Was ist zu tun?

Wir haben eine Politik zu machen, die massgeschneidert ist für einen neutralen, föderalistischen Kleinstaat mit einer stark exportorientierten Wirtschaft.
Vor allem aber müssen wir wieder jene bürgerlichen Tugenden in den Vordergrund rücken, die uns Wohlstand und Erfolg brachten: Fleiss, Tüchtigkeit, Leistung und Eigenverantwortung, immer wieder Eigenverantwortung. Das ist ein mühsamer, aber letztlich lohnender Weg. Es ist der Weg der SVP!

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