Schmid gegen Blocher – kooperative gegen autonome Armee

Abstimmung zur Militärgesetz-Teilrevision vom 10. Juni 2001

Streitgespräch mit Bundesrat Samuel Schmid in der Basler Zeitung vom 31. März 2001

Moderiert und aufgezeichnet von Niklaus Ramseyer und Lukas Schmutz

“Es geht bei der Abstimmung über das Militärgesetz am 10. Juni darum, dass gewisse Einheiten, wo das nötig ist, zu ihrem eigenen Schutz bewaffnet werden können”, argumentiert Bundesrat Samuel Schmid. Der wichtigste Gegner der Vorlage, Nationalrat Christoph Blocher, entgegnet: “Letztlich geht es um die Ermöglichung eines Beitritts zur Nato.”

Herr Bundesrat Schmid, Herr Nationalrat Blocher, die Kampagnen für und gegen die Militärgesetzrevi-sion, die am 10. Juni vors Volk kommt, laufen schon voll, und es wird mit harten Bandagen gekämpft: Es wird sogar der Vorwurf der Angstmacherei und der Lüge erhoben. Herr Schmid, inwiefern lügt Herr Blocher?

Bundesrat Samuel Schmid: Es wurde behauptet, es gehe bei dieser Revision um einen Nato-Beitritt. Das stimmt ganz klar nicht. Es steht weder im Gesetzesentwurf, noch kann es indirekt behauptet wer-den. Wenn das nämlich so wäre, bräuchten wir dafür allein eine Volksabstimmung. Das brauchen wir jedoch nicht, denn ein Nato-Beitritt ist nicht beabsichtigt.

Nationalrat Christoph Blocher: In unserer Kampagne gibt es nichts, was gelogen ist. Lügen ist in unse-rem Land verboten. Wenn der Herr Bundesrat meint, er müsse mir über die Zeitungen Lügner austei-len, dann möchte ich das VBS doch bitten, gegen mich eine Klage einzureichen. Die Zeit ist vorbei, in der ein Bundesrat wie ein Kaiser sagen,kann, einer im Volk lüge. Er muss auch nicht meinen, das werde geglaubt.

Es geht also nicht um die Nato, worum geht es denn?

Blocher: Es geht jetzt um den Nato-Anschluss und letztlich um den Nato-Beitritt. Es geht nicht darum, ein paar Soldaten im Ausland ein bisschen zu bewaffnen oder nicht. Der Auslandeinsatz von Schwei-zer Soldaten steht im Zentrum der Armeereform XXI. Deshalb hat Bundesrat Adolf Ogi am 31.5.2000 ehrlicherweise erklärt, wenn die Militärgesetzrevision am 10. Juni abgelehnt werde, müsse man mit der Armeereform von vorne beginnen. Wenn es nur darum ginge, 100 Soldaten zu bewaffnen, müsste man nicht neu beginnen. Der Einsatz von Soldaten und Kooperation mit fremden Armeen steht im Mittelpunkt. Es geht um Nato-Unterstellungsfähigkeit.

Davon steht nichts im Gesetz, wie kommen Sie darauf?

Blocher: Der Beweis ist einfach zu führen. Alles in der Armee XXI wird auf Nato-Strukturen ausgerich-tet. Von Ausrüstung und Bewaffnung über Ausbildungs- und Einsatzdoktrin bis zur Sprache. Es geht darum, an Nato-Einsätzen mitzuwirken. Das ist neutralitäts- und verfassungswidrig.

Ist das so, spielen Sie mit verdeckten Karten, Herr Schmid?

Schmid: Nein. Es ist falsch, wenn behauptet wird, das sei die Hauptstossrichtung der Armeereform. Wir müssen die Armee 95 schlicht und einfach umfassend reformieren. Das will man einfach nicht wahrhaben. Es fehlen uns über 3000 Subaltern-Offiziere, es fehlen über 700 Unteroffiziere. Wir müs-sen die Armee umfassend reformieren, das hat mit einer Strukturanpassung an die Nato überhaupt nichts zu tun.

Sie haben die umstrittene Vorlage von Ihrem Vorgänger Ogi geerbt. Hätten Sie die Revision auch vorgezogen?

Schmid:
Über den damaligen Entscheid kann ich mich nicht äussern. Aber es ist sicher falsch, wenn man behauptet, ohne die Revision könne man die Armee XXI nicht realisieren.

Blocher: Dann wäre ein doppeltes Nein für die Armeereform auch nicht von Nachteil. Wir sind ja nicht gegen eine Armeereform…

Schmid: …eben doch. Wenn man die ganze Sache auf die lange Bank schiebt, gefährdet man die Bereitschaft der Armee. Und das habe ich mit dem Hinweis auf die fehlenden Kader doch deutlich gemacht…

Blocher: …Falls die Sache auf die lange Bank geschoben wird, ist das der Fehler des Bundesrates, der eine Reform vorlegt, bei der der Auslandeinsatz und die Nato-Unterstellung im Mittelpunkt stehen.

Schmid: …Ich sage ja, das sei eben nicht so. Und ich muss mich dafür auf niemanden berufen. Ich berufe mich auf den Sicherheitspolitischen Bericht, den das Parlament zustimmend zur Kenntnis ge-nommen hat. Er legt die Doktrin mit den drei Aufträgen der Armee fest. Und ich kann mit der Armeere-form nicht mehr mehrere Jahre zuwarten.

Blocher: Herr Schmid ist tatsächlich in einer sehr undankbaren Situation. Er badet aus, was ihm andere eingebrockt haben. Darum muss das Volk zwei Mal Nein sagen.

Schmid: Ich stehe zur Armeereform und zur Gesetzesrevision.

Blocher: Diese Reform ist auf Bündnisfähigkeit mit ausländischen Armeen ausgerichtet…

Schmid: Das ist falsch!

Blocher: Warum muss denn die Ausrüstung, die Einsatzdoktrin, die Ausbildung, die Sprache, warum muss das alles auf die Nato ausgerichtet werden? Dass das so ist, steht in Ihren Dokumenten.

Schmid: Sie müssen eben das Armeeleitbild lesen.

Blocher: Ich zitiere aus Ihrem Armeeleitbild vom 21.2.2001: “Mittelfristig soll die Armee fähig sein, sich an friedensunterstützenden Operationen mit einem Infanterie-Bataillon, verstärkt durch zusätzliche Logistik-, Führungs-, Genie-, Aufklärungs-, Militärpolizei- und Lufttransportelemente während unbe-stimmter Zeit zu beteiligen. Dabei soll in Absprache mit den Kooperationspartnern die Verantwortung für einen eigenen Einsatzraum übernommen werden können.” Damit sind wir mit Kampfverbänden im Ausland.

Schmid: Das stimmt nicht. Damit ist kein Kampfverband gemeint.

Blocher: Was ist denn ein Infanterie-Bataillon?

Schmid: Es kommt eben darauf an, welches der Auftrag ist. Es geht dabei nur um friedenserhaltende Massnahmen! Und die Lufttransport-Elemente brauchen wir für die humanitären Einsätze. Sie machen Ihre freie Interpretation des Textes zur Wahrheit. Und das stimmt nicht.

Blocher: Eine Unterscheidung zwischen friedenserhaltend und friedenserzwingend ist nicht möglich. Ich werfe dem VBS vor, dass mit der Armee gespielt wird.

Schmid: Da wehre ich mich dagegen. Dass mit der Armee gespielt wird, akzeptiere ich nicht. Wie ist denn das mit den übrigen humanitären Einsätzen? Beim Roten Kreuz nehmen Sie tödliche Unfälle offenbar in Kauf. Konsequenterweise müssten Sie da auch dagegen sein.

Blocher: Unsere Armee ist eine Widerstandsarmee, um unsere Souveränität und die Bevölkerung zu schützen und zu verteidigen. So steht es in der Bundesverfassung. Mit dem Militärgesetz soll der Schritt zur Interventionsarmee und zum Militärbündnis getan werden. Die Armee soll Nato-unterstellungsfähig sein und will eine Vorneverteidigung im Ausland bis auf 300 Kilometer über die Grenze hinaus.

Schmid: Wo steht nun das wieder? Ich muss nun einiges korrigieren: Wenn man die englische Sprache zum Indiz für einen Nato-Beitritt macht, warum redet man denn in der Geschäftswelt überall Englisch? Das ist derart absurd, und es zeugt davon, dass man eigentlich einen Teil der Argumentation schon verloren hat und man versucht mit derartigen Konstruktionen das Referendum zu stützen.

Herr Schmid, wenn es nicht um Nato-Beitritt geht, worum geht es denn?

Schmid: Die Militärgesetzrevision ermöglicht die Beteiligung an militärischen Einsätzen zur Friedensförderung, nicht zur Friedenserzwingung. Es geht nicht um Kampfeinsätze. Es geht jedoch um eine höhere Legitimation solcher Einsatzmöglichkeiten. Darum muss beispielsweise das Parlament zu-stimmen, wenn mehr als 100 Mann eingesetzt werden sollen. Das Parlament muss auch zustimmen, wenn der Einsatz länger als drei Wochen dauert. Deshalb ist es eine bessere Verankerung dessen, was heute in unvollkommener Weise schon möglich ist. Konkret geht es darum, dass sich unsere Soldaten im Notfall selber schützen können.

Blocher: Und wo hört denn der Selbstschutz auf? Nein, es geht um Kampfeinsätze im Ausland. Es ist die Abkehr von jener Friedenspolitik, welche die Schweiz zweihundert Jahre lang erfolgreich betrieben hat. Das neue Konzept, für das jetzt die gesetzliche Grundlage zur Debatte steht, hat grosse Risiken. Für den Kleinstaat Schweiz entsteht Kriegsgefahr.

Und in Ihren Augen geht es letztlich um den Anschluss an die Nato. Aber es gibt doch kein Mitglied der Landesregierung und auch keine wichtige Partei, die den Beitritt zur Nato fordern.

Blocher: Doch, das gibt es. Nehmen Sie nur das Papier der Freisinnigen “Vision Schweiz 2007”. Dem-zufolge soll die Schweiz der Nato bis dann beitreten. Das können Sie schwarz auf weiss lesen. Auf die Abstimmung hin sagt Ihnen sicher niemand, wir sollten die Neutralität preisgeben und der Nato beitreten. Das Schweizer Volk will nämlich neutral sein und es ist gegen den Nato-Beitritt. Darum wählt man den Nato-Anschluss. Die Nato-Partnerschaft für den Frieden wurde beschlossen, ohne diese dem Volk vorzulegen. Und die Auslandeinsätze sind eine Abkehr von der Widerstandsarmee, weil damit begonnen wird, bei internationalen Konflikten mitzumischen.

Schmid: Das ist absurd. Wenn man davon ausgeht, dass man in jedem Fall absolute Selbstständigkeit bewahren und auch in Bezug auf Ausrüstung und Bewaffnung überhaupt nicht mit anderen Staaten kooperieren will, dann erwarte ich von den Leuten, die das fordern, das nächste Mal einen Verteidi-gungsetat von 20 bis 25 Milliarden. Das ist die Konsequenz.

Blocher: Solche Drohungen des VBS habe ich langsam satt. Die gemeinsame Ausbildung mit der Nato kommt wesentlich teurer zu stehen.

Schmid: Wer will denn mit Verbänden ausserhalb des Landes Verteidigung betreiben? Wir jedenfalls nicht. Das steht nirgends im Armeeleitbild XXI. Ihr Vorwurf ist deshalb absurd.

Blocher: Das Leitbild ist nicht das einzige wichtige Dokument.

Schmid: Aber es ist der Entwurf für die Grundlage, auf der wir die Armee XXI planen.

Blocher: Was ist denn mit den 33 Zielabkommen, die Sie mit der Nato getroffen haben? Wollen Sie die veröffentlichen?

Die sind im Internet schon veröffentlicht. Aber kommen wir nun auf die Frage der Neutralität. Was ist denn Ihr Neutralitätskonzept, Herr Schmid?

Schmid: Die Neutralität ist ein ganz wesentliches Element unserer Sicherheitspolitik. Da stimmen wir überein. Die Neutralität hat den Interessen unseres Landes über Jahrhunderte hinweg einen guten Dienst erwiesen. Und das soll auch weiterhin so bleiben. Die Neutralität jedoch und nicht dieser Fun-damentalismus, den man nun plötzlich darin sieht. Die Neutralität ist ein ernstzunehmendes und von mir hoch geschätztes Gut. Aber ich muss auch dafür sorgen, dass man sie ernst nimmt, dass sie res-pektiert wird und dass wir den Respekt vor der Neutralität behalten können. Und in diesem Zusammenhang sind 200 Mann oder mittelfristig gar ein Bataillon in friedensfördernden Einsätzen – weiss Gott – kein Problem. Unter den Voraussetzungen, welche die Gesetzesrevision vorsieht, erst recht nicht.

Für Sie geht es am 10. Juni also überhaupt nicht um die Neutralität?

Schmid: Wenn wir ab und zu gezwungen sind, erstens ausländische Waffensysteme zu kaufen, weil wir keine eigene Rüstungsindustrie mehr haben, zweitens bei der Ausbildung die Verbandsschulung oder das Training der Luftwaffe im Ausland zu machen, und den Leuten dafür einen sauberen Rechtsstatus geben wollen, dann kann doch niemand behaupten, das sei eine Neutralitätsverletzung. Neutralität ist eine von mir hoch geschätzte Maxime, die überhaupt nicht zur Diskussion steht. Wie hätten wir in den 50er Jahren unsere Mission in Korea machen können? Damals hat niemand Ein-wände dagegen erhoben – auch nicht gegen die Bewaffnung.

Blocher: Das ist schon mit der heutigen Gesetzesgrundlage möglich.

Schmid: Das Volk hat im Übrigen bei der letzten Militärgesetzrevision unter den Armeezwecken den Friedensförderungsdienst angenommen. Damals hat niemand das Referendum ergriffen. Die Befürch-tungen, dass wir zur Neutralität Sorge tragen müssen, nehme ich ernst.

Blocher: Neutral sein heisst, sich nicht in fremde Händel mischen. Die Armee XXI ermöglicht dies aber. Wir opfern unsere Soldaten – Söhne und Töchter – jedoch nicht für fremde Händel. Der Schwei-zer Soldat dient dem Schutz der Bevölkerung und des eigenen Landes. Dafür muss er sogar bereit sein zu sterben. Für ausländische Interventionen hingegen – die für mich militärische Grossmachts-träume sind – nehmen wir das nicht in Kauf. Das sind die Grundfragen.

Und die Neutralität: Sind Sie ein neutralitätspolitischer Fundamentalist?

Blocher: Nein. Die Schweiz hat eine dauernde Neutralität, das unterscheidet uns von Schweden. Zweitens heisst Neutralität strikte Nicht-Teilnahme an fremden Konflikten. Drittens sind wir als Klein-staat neutral. Denn wer in einem Konflikt Partei nimmt, wird in diesen hineingezogen. Dank dieser bewaffneten Neutralität hatten wir 200 Jahre lang keinen Krieg. Diese Neutralität wird mit der Militär-vorlage massiv aufgebrochen. Wer mit Soldaten antritt und schiesst im Ausland, der wird Partei. Das sieht man jetzt in Mazedonien, wo die Deutschen schwere Kampfpanzer schicken müssen.

Sie lehnen also nicht nur eine Nato-, sondern jede Kooperation ab?

Blocher: Militärische Kooperationen eindeutig. Das muss der Neutrale auch. Als Kleinstaat müssen wir humanitäre Hilfe leisten, nicht mit Soldaten.

Aber in der Luft ist doch heute autonome Verteidigung schlicht nicht mehr möglich.

Blocher:
Soweit es für einen Kleinstaat nötig ist, genügen die heutigen Rechtsgrundlagen.

Schmid: Aber wie machen Sie denn das? Da sind wir doch ganz konkret auf unsere Nachbarn ange-wiesen.

Blocher: Militärisch und zivil werden heute bei der Luftraumüberwachung international dieselben Sys-teme benutzt. Da haben die Länder Abkommen untereinander. Da ist auch nichts dagegen einzuwen-den.

Schmid: Und das führt dann gleich zum Nato-Beitritt?

Blocher: Nein. Aber der Nato-Anschluss ist gerade bei der Luftwaffe schon weit fortgeschritten, ohne jetzt ins Detail zu gehen.

Schmid: Mich interessieren am Schluss eben gerade die Details. Ich muss für dieses Land ein glaub-würdiges Sicherheitssystem generieren, sonst kann ich nicht sagen, ich sei bewaffnet neutral. Und dafür brauche ich eine gewisse Beweglichkeit.

Blocher: Sie wollen also der Nato beitreten?

Schmid: Nein, überhaupt nicht! Aber auch Sie müssen jetzt zugeben, dass gerade in der Luft absolute Autonomie nicht mehr möglich ist.

Blocher: Gegen alle Luftkriege (z.B. Weltall) ist man nicht gewappnet. Doch einmal muss jeder Gegner auf den Boden!

Herr Blocher sagt, es gehe um die Frage, unter welchen Umständen ein Soldat töten und sterben müsse. Wie stehen Sie als Verteidigungsminister dazu?

Schmid: Es geht nicht ums Töten. Es geht darum, dass gewisse Einheiten, wo das nötig ist, zu ihrem eigenen Schutz bewaffnet werden können.

Blocher: Genau das heisst, die Armee nicht ernst nehmen. Wenn man ein Bataillon schickt, dann nehmen die Soldaten ihre Waffen auch zum Töten mit.

Schmid: Warum ist denn ein Soldat heute in der Schweiz zur Bewachung eines Kantonements auf einem Schulhausplatz mit einem Gewehr bewaffnet? Weil er sich im Notfall soll wehren können. Das ist auch im Frieden in der Schweiz so.

Blocher: Im Ernstfall muss er schiessen können und sterben müssen. Die Frage ist, für was und für wen?

Schmid: Um sich selber wehren zu können. Um im erwähnten Fall in der Schweiz etwa ein Munitions-lager zu bewachen. Und wenn er angegriffen würde, könnte er sich selber wehren.

Herr Schmid, war es nicht ein Fehler, die Beteiligung der Schweiz auch bei friedenserzwingenden Einsätzen zu ermöglichen?

Schmid: Das ist nicht der Fall. Es geht effektiv nur um Friedensförderung.

Blocher: Wenn bewaffnete Auseinandersetzungen anfangen, ist das nicht entscheidend. Wo hört Friedenserhaltung auf, und wo fängt Friedenserzwingung an? Das geht ineinander über.

Schmid: Nein, und das haben wir vor etwa zehn Tagen bewiesen, indem wir reagiert und unsere Leute aus Mazedonien abgezogen haben.

Blocher: Sie haben dabei einen Container zurückgelassen und eine Sauna. Das ist in Ordnung. Aber es wäre absolut lächerlich gewesen, wenn diese Soldaten nun auch noch bewaffnet gewesen wären.

Schmid: Warum? Darum geht es nicht. Herr Blocher behauptet, diese Unterscheidung sei nicht mög-lich. Sie ist es aber, wenn man lagegerecht entscheidet, so wie wir es getan haben. Sie plädieren für strikt zivile humanitäre Einsätze. Werden Sie im Falle eines Neins zur Militärvorlage den Antrag stel-len, dass die 100 Millionen, welche die militärischen Auslandeinsätze kosten sollen, für humanitäre Operationen eingesetzt werden?

Blocher: Einfach 100 Millionen zu verpulvern wäre falsch. Wir brauchen ein humanitäres Korps, das mehr kann als das Katastrophenhilfekorps. Dazu braucht es zuerst ein Konzept. Daraus ergeben sich die Kosten. Sie dürften weit unter 100 Millionen liegen.

Schmid: Ich kenne die Möglichkeiten derartiger Operationen und habe sie mit UNO-Spezialisten und dem Präsidenten des IKRK, Jakob Kellenberger, besprochen. Wie auch immer, kommen sie zum Schluss, dass man eben auch einen Teil dieser Leute für den Selbstschutz bewaffnen müsste. Und dann sind wir wieder gleich weit.

Herr Schmid, was sind Ihre Hauptargumente für die Vorlagen, und was passiert, wenn sie abgelehnt werden?

Schmid: Für mich ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit. Es geht einerseits darum, dass unsere Leute im Ausland, dort wo das nötig ist, rechtlich gefahrlos Übungen für ihre militärische Ausbildung durch-führen können. Andererseits geht es darum, dass unser Land neutral, solidarisch und disponibel bleibt. Die Disponibilität zu bewaffneten Friedenseinsätzen ermöglicht es uns, die Neutralität gegen-über anderen glaubwürdig zu vertreten. Wenn die Vorlage abgelehnt wird, bleibt die Situation so, wie sie heute ist. Das heisst, die Friedensförderung ist nicht betroffen. Aber die Ausbildung würde massiv erschwert.

Herr Blocher, warum soll das Volk die Vorlagen ablehnen? Was passiert, falls es dennoch Ja sagt?

Blocher: Es geht in der ersten Vorlage darum, ob Schweizer Soldaten im Ausland in Kampfeinsätze geschickt werden sollen. Das wäre eine Abkehr von einer 200-jährigen Tradition. Das wäre unverant-wortlich und ein Verstoss gegen die Neutralität. Bei der zweiten geht es darum, dass ausländische Soldaten in der Schweiz auch in gross angelegten Übungen eingesetzt werden können. Beides ist nicht akzeptabel, und mit einem doppelten Nein kann das Volk am 10. Juni diese Fehlentwicklung verhindern.

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