Die Frau daneben

Artikel in der „Sonntagszeitung“ vom 14. Dezember 2003

Christine Daborn-Doering über ein Ehepaar, in dem beide die Hauptrolle spielen

Noch nie stand eine Bundesratsgattin so sehr im Fokus des öffentlichen Interesses wie Silvia Blocher. Sie wird interviewt, fotografiert und gefilmt, wie wenn sie selbst für die Landesregierung kandidiert hätte. Das hat einen besonderen Grund. Silvia Blocher ist nicht einfach die so genannte starke Frau hinter dem starken Mann, sondern die Frau neben ihm, mit eigener Präsenz.

Wenn sie miteinander auftreten, ist sie nicht seine Begleitung. Sie vertritt nicht bloss seine Ansichten, sie hat die gleichen. Deshalb setzt sie sich genauso wie er dafür ein. Zwar hat sie als Akademikerin der Familie zuliebe den Beruf aufgegeben, aber nicht ihre Arbeit. Das Klischee der Hausfrau passt nicht auf sie. Sie hat ihm – auch intellektuell viel – zu viel zu bieten, als nur im Hintergrund zu wirken, die Fäden zu ziehen und ihn insgeheim zu steuern, wie behauptet wird. Sie ist Parteimitglied und macht Politik. In dieser Ehe spielt jeder die Hauptrolle. Die beiden sind ein gutes Team. Das sieht man an den Blicken, die sie austauschen. Gemeinsam kämpfen verbindet.

Gattin eines Bundesrates, aber auch eines Milliardärs

Aber es gibt da noch etwas anderes, weshalb sich die Öffentlichkeit so sehr für Silvia Blocher interessiert. Sie ist ausser der Gattin eines Bundesrates auch noch die Gattin eines Milliardärs. Und wenn in der Schweiz jemand viel Geld hat, dann schaut man genau hin. Wie tritt eine Milliardärin auf? Was für Kleider trägt sie, was für eine Frisur, was für Schmuck? Werden die anderen neben ihr noch mithalten können? Geld ist nie der Grund, wenn jemand besser aussieht. Es ist eine Frage der inneren Haltung. Es gibt viele Reiche, die nach nichts aussehen, auch wenn sie sich noch so auftakeln – oder gerade deshalb. Sie verstehen es falsch. Wer viel ist, muss nichts zur Schau stellen.

Wir können uns freuen. Silvia Blocher nimmt auch in dieser Hinsicht eine singuläre Position ein. Ihr Auftreten ist tadellos. Einfach, elegant, unauffällig, normal. Keine Mode, keine Eyecatcher, nichts Ausgefallenes. Sie hat Klasse. Und damit wird sie unser Land auch auf internationalem Parkett würdig repräsentieren. Unser Land, und nicht sich selbst, denn darum geht es. Sie muss ihr Äusseres nicht verändern, weil sie jetzt eine Bundesratsgattin ist, denn sie sah schon immer so aus. Sie muss sich nicht überlegen, was nun wohl richtig sei, sie hat es schon immer richtig gemacht. Sie kennt die Regeln, denn sie kommt aus gutem Haus, und das sieht man ihr an.

Alle sagen, sie beeinflusse ihren Mann. Das meinen die Leute immer, sobald eine Frau eine starke Persönlichkeit ist. Aber es fällt auf, dass Christoph Blocher mit seiner Kandidatur auch seiner Statur mehr Magistrales verliehen hat. Seine Anzüge sind seither dunkler und die Krawatten dezenter. Vielleicht haben wir es tatsächlich dem Einfluss seiner Frau zu verdanken, dass er sich nie zu einem schwarzen Hemd oder einem Schnurrbart hinreissen liess – erst recht nicht als Bundesrat.

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