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Elezioni

15.04.2000

Die Europa-Politik der SVP

Referat anlässlich der Delegiertenversammlung der SVP in Appenzell am 15. April 2000   Meine Damen und Herren In einer führenden Wirtschaftszeitung vom 8. April 2000 lese ich in einem Artikel unter dem Titel "Beschäftigungswunder Schweiz", dass der Schweiz punkto Beschäftigung und wirtschaftlicher Wohlfahrt der Spitzenplatz zukommt. Auch auf allen internationalen Ranglisten über die Wohlfahrt, über die wirtschaftliche Leistungskraft, über die politischen Freiheitsrechte, angefangen vom Lebensstandard des Einzelnen bis zur Lebensqualität allgemein, belegt unser Land einer der ersten Plätze. Diese Bilanz erfolgt gut sieben Jahre nachdem das Schweizervolk und die Kantone die Kraft hatten, den Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) abzulehnen. Der Souverän beschloss dies, obwohl dem Schweizer- volk von Bundesrat, der Mehrheit des Parlamentes, fast allen Verbänden, Gewerkschaften, Medien und allem, was Rang und Namen hatte - kurz von der "classe politique" - prophezeit worden war, die Schweiz würde bei Ablehnung des Vertrages wirtschaftlich ein Hinterwäldner-Dasein fristen. Das Nein zu einem Vertrag, der die Schweiz daran gehindert hätte, an ihrer Souveränität, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit festzuhalten, war schliesslich aber - einmal mehr - ein Erfolgsrezept für Freiheit und Wohlfahrt unserer Bürger. Dank dem Festhalten an den besonderen Staatssäulen steht der Kleinstaat Schweiz noch immer besser da als fast alle anderen Staaten. Was sind denn aber die Besonderheiten des Kleinstaates Schweiz? Ich habe diese Frage oft mit ausländischen Politikern, Industriellen, Oekonomen und Politologen erörtert. Bei aller Hinterfragung und Diskussion, bei aller kritischen Betrachtung kommt man immer zum gleichen Schluss: Es ist der Sonderfall Schweiz, um den man uns beneidet. Eigenartigerweise wissen ausländische Leute, die unser Land kennen, die Vorteile dieses Sonderfalles weit mehr zu schätzen als all die kleinmütigen schweizerischen Politiker, die glauben, das Heil bestehe darin, gleich zu sein wie die anderen und danach zu streben, alles, was uns unterscheidet, abzuschaffen. Der Sonderfall der Schweiz, das Geheimnis der Schweiz, beruht auf folgenden Säulen: - der Volkssouveränität (alle Macht geht vom Volk aus, d.h. Führung des Staates von unten) - der direkten Demokratie und damit der direkten Einflussnahme des Volkes auch in Sachgeschäften, was zur Machtbeschränkung der Politiker führt - dem Föderalismus mit seinem Wettbewerb unter Kantonen und unter Gemeinden, der ein bedeutendes Mittel gegen Zentralismus und zentrale Bürokratie darstellt - der dauernd bewaffneten Neutralität, die Grossmachtgelüste der "classe politique" verhindert, was zur Sicherheit des Landes führt - der Achtung und Freundschaft, die uns mit allen Staaten dieser Welt verbindet - dem Widerstand gegen die Einbindung in internationale Grossgebilde - der freiheitlichen Verfassung, die die Macht von Regierung und Parlament beschränkt - der Betonung der Selbstverantwortung und Freiheit des Bürgers Die Aussenpolitik - auch und gerade die Europapolitik - hat diesen zentralen Werten Rechnung zu tragen. Diesen Staatssäulen, die im Laufe vieler Jahrhunderte gewachsen sind und deshalb nicht als toter Buchstabe einer Verfassung betrachtet werden dürfen, verdankt die Schweiz nicht nur ein Mass an Freiheit und Wohlergehen, sondern auch die Tatsache, dass unser Land während 200 Jahren keine Kriege mit anderen Staaten führen musste. Tragischerweise werden diese Erfolgsgeheimnisse der Schweiz gerade von den führenden Leuten verkannt. Es gehört heute leider zum guten Ton, diese bewährten Erfolgsgeheimnisse für veraltet zu erklären und lächerlich zu machen. Die "classe politique" lähmte die eigenen Bürger in den letzten Jahren mit Selbstanklagen, ein auf diesem Erdball einzigartiger Vorfall. Es ist wohl das Ziel, die Bürger zu verunsichern, um sie für grosse, internationale Organisationen gefügig zu machen und ihre persönliche und wirtschaftliche Freiheit einzuschränken. Durch oberflächliches Nacheifern internationaler Aktivitäten will man sich beliebt machen und merkt nicht, dass dadurch in Wirklichkeit der Respekt verloren geht und man die Eigenständigkeit verliert. Die Schweiz in Europa Die Schweiz ist nicht nur mit allen Staaten der Welt, sondern insbesondere mit denjenigen Europas freundschaftlich verbunden. Die europäischen Staaten sind unsere wichtigsten Handelspartner, kulturell wie politisch unsere Nachbarn, und unsere Verbindungen zu den EU-Staaten sind zum Teil wesentlich enger als diejenigen unter den einzelnen EU-Staaten selbst. Eines aber hat die Schweiz nicht getan, nämlich sich einbinden lassen, und sie sollte es auch nie tun. Denn dies hätte dazu geführt, dass unsere Staatssäulen, welche die Stärke der Schweiz ausmachen, geschwächt oder abgerissen worden wären. Freundschaft in Freiheit statt Integration und Bevormundung! Deshalb tritt die SVP in ihrem Parteiprogramm gegen jede Einbindung in internationale Organisationen ein, die die Unabhängigkeit und Neutralität schwächen würde. In Bezug auf Europa heisst dies: - Nein zum EWR - Nein zum EU-Beitritt - Nein zum NATO-Beitritt - Ja zur Unabhängigkeit - Ja zu einer sicheren Zukunft in Freiheit Der EWR-Vertrag Der EWR-Vertrag ist nichts anderes als ein "Kolonialvertrag". Er sah vor, ganze Rechtsgebiete der Schweiz durch die Europäische Union zu regeln, ohne dass die Schweiz hätte mitentscheiden können. Der EWR-Vertrag hätte der Schweiz auch bei wichtigen Entscheidungen kein Vetorecht eingeräumt. Das hat auch der Bundesrat erkannt und deshalb konsequenterweise noch vor der EWR-Abstimmung erklärt, der EWR-Vertrag mache höchstens als Vorstufe zum EU-Beitritt Sinn und folglich das EU-Beitrittsgesuch eingereicht. Wie gross die EWR-Falle ist, können Sie in diesen Tagen in den Zeitungen lesen. So hat kürzlich der deutsche Finanzminister Eichel erklärt, im EWR dürfte es keine Steuerinseln geben, obwohl die Steuerfragen im EWR-Vertrag expressis verbis ausgeklammert sind. Der deutsche Finanzminister sprach damit Lichtenstein an. Die Schweiz als Kleinstaat hat sich bewusst zu sein, wie sehr in solchen Gebilden schlussendlich die Macht und weniger das Recht eine Rolle spielt. Ein Kleinstaat darf sich nicht einer Organisation anschliessen, in der Macht über Recht gesetzt wird, denn der Kleinstaat kann sich lediglich auf das Recht stützen. EU-Beitritt Der EU-Beitritt, den Bundesrat und Parlamentsmehrheit - in tragischer Verblendung - anstreben, hätte einen schwerwiegenden Souveränitätsverlust, namentlich einen Eingriff in die Volksrechte und die Abschaffung der Neutralität zur Folge - von den konkreten Nachteilen, wie beispielsweise den schwerwiegenden finanziellen Verpflichtungen, der Gestaltung der Steuern durch die EU, der Uebernahme der EU-Landwirtschaftspolitik, der Abschaffung des Bankgeheimnisses, der vollständigen Uebernahme der Verkehrspolitik bis zur Regelung und Vereinheitlichung im täglichen Leben gar nicht zu sprechen. Wie sehr auch hier mit der Macht gespielt wird, ersehen Sie aus dem unglaublichen Vorgehen der 14 EU-Staaten gegenüber dem Kleinstaat Oesterreich: Eine demokratisch gewählte Regierung wird unter fadenscheinigen moralischen Begründungen bedroht, boykottiert und ausgegrenzt. Dies hat sich der Kleinstaat Schweiz vor Augen zu führen. Auch hier gilt: Macht und Recht sind zwei Paar Schuhe. Der Weg der Macht ist oft einfacher als derjenige des Rechtes, aber nur letzterer steht dem Kleinstaat zur Verfügung. "Drum prüfe, wer sich ewig bindet!" Die SVP sagt deshalb schon in ihrem Parteiprogramm klar Nein zum EU-Beitritt. NATO-Beitritt Wir treten klar für die dauernd bewaffnete Neutralität ein. Die dauernd bewaffnete Neutralität ist einer der wesentlichen Gründe, der es unserem Land während 200 Jahren ermöglicht hat, sich aus all den Kriegen mit fremden Mächten fernzuhalten. Auch deshalb hat die SVP einen EU-Beitritt abzulehnen. Aber ebenso konsequent den Beitritt zur NATO. Bilaterale Verträge Meine Damen und Herren, die Schweiz ist gut damit gefahren, sich weltoffen zu verhalten, ohne sich in Machtstrukturen einbinden zu lassen. Weltoffenheit ohne Fesseln - das ist der richtige Weg. Er garantiert Handlungsfreiheit und verhindert, dass Machtübergriffe durch fälschlicherweise eingegangene Bindungen als rechtens erklärt werden. Die Probleme zwischen Staaten lösen wir mit Verträgen. Gerade mit den EU-Staaten und mit der EU selbst besteht eine Vielzahl von Verträgen, Abkommen, Regelungen, Absprachen usw. Man nennt das heute bilaterale Verträge, was nichts anderes heisst als zweiseitige Verträge. Um solche Verträge geht es heute. Bilaterale Verträge haben nicht die schwerwiegenden Folgen eines Kolonialvertrages wie des EWR, weil die EU-Staaten kein künftiges Recht für unser Land setzen, aber auch nicht die gravierenden Einbindungsfolgen in eine EU. Ob die Verträge gut oder schlecht sind, hat man am Inhalt zu prüfen. Es ist zu fragen, ob wir eine Verkehrs-, Personenfreizügigkeits-, Landwirtschafts-, Wirtschafts- oder andere Politik machen wollen, so wie dies die Verträge vorsehen. Eines steht fest: Bilaterale Verträge abzuschliessen, macht nur Sinn, wenn man der EU nicht beitreten will. Durch die Weigerung des Bundesrates, nach dem EWR-Nein vom erklärten Ziel des EU-Beitrittes Abstand zu nehmen, ist die Schweiz in ein schiefes Licht geraten. Was will der Bundesrat jetzt eigentlich? Will er in die EU oder will er nicht? Gibt es ein achtjähriges Moratorium, wie dies Bundesrat Couchepin ankündigte und dann unter Druck des Gesamtbundesrates zum Missverständnis erklären lassen musste? Warum zieht der Bundesrat das EU-Beitrittsgesuch nicht zurück? Es sind der Fragen viele und sie fördern die Glaubwürdigkeit in unsere Aussenpolitik nicht. Es ist eine grosse Tragik, dass der Bundesrat mit der EU bilaterale Verträge aushandelte und ihr gleichzeitig stets den Beitrittswillen bekundete. Damit fehlte es der Landesregierung an Kraft, der EU die Bedeutung der schweizerischen Souveränität und Neutralität glaubwürdig zu vermitteln. Und dadurch fehlte eben auch die Kraft, all den Nachteilen, welche die EU der Schweiz überbinden wollte, wirksam entgegenzutreten. Der Nichtrückzug des EU-Beitrittsgesuches nach der für die Regierung verlorenen EWR-Abstimmung war eine Schwächung der Schweiz. Darum hat die SVP diesen Rückzug stets gefordert. Ob Sie - meine Damen und Herren - diesen Vertragswerken zustimmen wollen oder nicht, haben sie heute frei zu entscheiden, was Sie - wäre die Schweiz Mitglied der EU - nicht tun könnten. Es geht heute nicht um die grosse Frage der Preisgabe von Souveränität und Neutralität, sondern darum, ob Sie die Politik, die diese Verträge unserem Land auferlegen, mit all ihren Vor- und Nachteilen akzeptieren wollen oder nicht. Ich verzichte darauf, die Vor- und Nachteile dieses Vertrages hier zu behandeln. Die Mehrheit unserer Fraktion hat zwar zu den Verträgen Ja gesagt, aber die Mehrheit der flankierenden Massnahmen abgelehnt. Ich persönlich lehne nicht nur die unbefriedigenden flankierenden Massnahmen, sondern auch die Verträge ab, weil sie meiner Meinung nach zu einer Schwächung des Wirtschaftsstandortes Schweiz und zu einer Zunahme der Arbeitslosigkeit führen sowie ein finanzielles Abenteuer bedeuten. Gleichzeitig habe ich aber auch erklärt, dass ich weder für ein Referendum noch für den Abstimmungskampf zur Verfügung stehe, weil bei weiteren Verhandlungen durch den Bundesrat, der in die EU will, kein besseres Resultat erzielt würde. Ich freue mich, dass Pro und Kontra dieser Verträge heute durch SVP-Delegierte behandelt werden. Die Behandlung hebt sich wohltuend vom Vorgehen der anderen Regierungsparteien ab. Dort wurden die Vor- und Nachteile nicht hinterfragt, sondern eine Zustimmung zelebriert, ganz so, als wären Parteitage Versammlungen von blökenden Schafen!

15.03.2000

Die Bilateralen an ihren Inhalten messen

Interview mit dem Tages-Anzeiger vom 15. April 2000 SVP-Kantonalpräsident Christoph Blocher bleibt dabei: Er will nicht in den Abstimmungskampf um die bilateralen Verträge ein- greifen, tut seine Meinung aber trotzdem kund. Die kantonale SVP-Delegiertenversammlung hat am Donnerstag zu den bilateralen Verträgen die Nein-Parole beschlossen. Der Entscheid ist aber mit 171 gegen 168 Stimmen so knapp ausgefallen, dass man von einem Zufallsmehr oder Patt sprechen könnte. Wäre nicht die Stimmfreigabe der richtige Schluss gewesen? Blocher: Das stimmt. Wenn der Antrag aus den Reihen der Mitglieder gekommen wäre, hätte ich ihn unterstützt. Aber ich wollte ihn als Präsident und Versammlungsleiter nicht selber stellen. Wie interpretiert das Parteibüro jetzt seinen Auftrag? Lanciert die kantonale SVP im Hinblick auf den 21. Mai eine überzeugte Nein-Kampagne oder eine halbherzige, die den Willen der grossen Minderheit respektiert? Blocher: Eine Kampagne gibt es nicht. Es ist nicht unsere Gewohnheit, zu nationalen Vorlagen einen Abstimmungskampf zu führen - ausser es handle sich um grundlegende Themen wie den EWR- oder den EU-Beitritt, wo wir keine knappen Parolen beschliessen. Sie selber haben sich an der Delegiertenversammlung nicht zu Wort gemeldet. Blocher: Als Versammlungsleiter halte ich mich stets zurück. Ich habe meine Meinung zu den bilateralen Verträgen schon vor der Schlussabstimmung im Parlament im letzten Oktober geäussert und von einem Referendum abgeraten. Es hat einfach keinen Sinn, einen Kampf zu führen, wenn nachher sowieso wieder derselbe EU-gläubige Bundesrat neue Verhandlungen führen müsste. Darin hat sich meine Haltung nicht geändert. Schweigen Sie auch heute Samstag an der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz? Blocher: In Appenzell spreche ich zur Europapolitik als solcher, das ist etwas anderes. Man soll die Bilateralen an ihren Inhalten messen und nicht an der Souveränitätsfrage. Eine Vermutung: Als Parteipräsident halten Sie sich trotz Ihrer öffentlichen Kritik am Bundesrat punkto Bilaterale vornehm zurück, sorgen aber hinter den Kulissen schon dafür, dass durch Ihre Parteikollegen Hans Fehr und Ulrich Schlüer und in der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns) gegen die Vorlage Stimmung gemacht wird. Blocher: Die Auns hat beschlossen, keine Stellung zu beziehen. Sie äussert sich nur zu Fragen, welche die Unabhängigkeit und Neutralität der Schweiz betreffen. Im Auns-Vorstand gab es zu den Bilateralen drei Anträge: einen Antrag, keine Parole zu fassen, weil sie kein Auns-Thema seien; einen Antrag auf eine Ja-Parole, weil die Bilateralen faktisch einen EU-Beitritt verhindern; und einen Antrag auf eine Nein-Parole, weil das doppelte Spiel des un- glücklich agierenden Bundesrats zu einem schlechten innenpolitischen Recht führen werde. Wir entschieden uns für den ersten Antrag, nämlich keine Parole zu fassen. Für die Auns-Versammlung eine Woche vor der Abstimmung ist das Geschäft nicht traktandiert, doch viele Mitglieder werden es behandeln wollen. Sie meinen immer, die Auns sei eine Partei. Doch die bilateralen Verträge sind ein politisches Thema ausserhalb der Auns-Bandbreite. Was Hans Fehr und Ulrich Schlüer als Nationalräte sonst unternehmen, kann und will ich nicht bestimmen. Herr Blocher, wer mit anschaut, auf wie vielen Hochzeiten Sie als Politiker, "Heimatschützer" und Chemieunternehmer mit vorweggenommenem Anschluss an den europäischen und internationalen Wirtschaftsraum tanzen, fragt sich, ob es den "widersprüchlichen" Christoph Blocher eigentlich nie in Stücke reisst. Geht es Ihnen gut? Blocher: Da unterstellen Sie mir jetzt etwas viel. Meine Persönlichkeit ist nicht widersprüchlich, sie ist eine Einheit, eine Stärke, darum kann ich ja so aktiv sein. Wir verkehren mit allen Staaten freundschaftlich, auf politischem, kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet, aber wir lassen uns nie vereinnahmen. Diese Überzeugung vertrete ich als Politiker, Unternehmer und Mensch. Natürlich gibt es Interessengegensätze. Die bilateralen Verträge bringen aus unternehmerischer Sicht gewisse Vorteile, zum Beispiel billigere Leute durch den freien Personenverkehr. Für das Gesamtinteresse des Landes, für den Bürger und den Wirtschaftsstandort, bringen sie aber Nachteile, eine starke Steuerbelastung und Arbeitslosigkeit. Deshalb muss ich die Interessen als Unternehmer eben zurückstellen. Ich wehre mich nicht gegen Weltoffenheit, das wäre nicht einmal aus wirtschaftlicher Sicht richtig. Aber ich wehre mich gegen die Einbindung.

31.01.2000

«Folgen bleiben nicht aus!»

Interview mit der Verkehrs-Rundschau vom 31. Januar 2000 Nach dem erdrutschartigen Sieg der SVP an den letzten Bundeswahlen drängt sich die Frage eines politischen Kurswechsels auch in Fragen der Verkehrspolitik auf. Mit Christoph Blocher unterhielten sich zu diesem und anderen Themen Erwin Kartnaller und André Vollmar Die erste Frage könnte man durchaus als "saisongerecht" bezeichnen: Haben Sie Neujahresvorsätze gefasst? Christoph Blocher: Nein, das mache ich nie. - "Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert...." Damit zum eigentlichen Thema. Die SVP hat an den letzten Nationalratswahlen einen erdrutschartigen Sieg errungen. Wird diese Verschiebung der Machtverhältnisse einen politischen Kurswechsel zur Folge haben, der gerade auch unserer wenig verwöhnten Branche Anlass zu berechtigten Hoffnungen im Bereich der Verkehrspolitik gibt? Blocher: Es ist vielleicht noch etwas früh, diesbezüglich endgültig zu urteilen. Die Wahlen allerdings werden nicht ohne Folgen bleiben, das ist klar. Die FDP wie die CVP müssen stark aufpassen, wie weit links sie ihre Politik in Zukunft noch ansiedeln wollen. Ohne einen entsprechenden Bewusstseinsprozess riskieren sie, bei den nächsten Wahlen abermals Wähleranteile zu verlieren. Sie werden in Zukunft auf die SVP Rücksicht nehmen müssen. Wir haben dies in der letzten Session anhand von zwei Vorstössen im Bereich der Steuern bereits erfahren dürfen. Gegen den Willen des Finanzministers Kaspar Villiger ist ein Postulat zur Steuerharmonisierung von uns bekämpft worden, und sowohl FDP wie CVP haben voll mitgezogen, was noch vor den Wahlen undenkbar gewesen wäre. Auch bei der Eigenmietwert-Initiative, wo diese beiden Parteien versagt haben, glaube ich nicht, dass sie sich nochmals auf ihre alte Positionen versteifen würden. Selbstverständlich ist es aber auch möglich, dass sie sich auf den Standpunkt stellen, die SVP künftig noch mehr an die Wand zu drücken. Bei den Bundesratswahlen haben sie ja klar aufgezeigt, dass sie lieber mit der SP als mit der bürgerlichen SVP paktieren. Und verkehrspolitisch? Blocher: Hier sind die meisten Weichen natürlich bereits falsch gestellt worden; - auch mit der tatkräftigen Unterstützung dieser bürgerlichen Parteien. Ich erinnere nur an die ganze Schwerverkehrsabgabe. Ein verhängnisvoller Entscheid, dessen krasse Folgen erst noch auf die Wirtschaft zukommen. Nicht zu vergessen die NEAT, welche nun beschlossene Sache ist, gebaut werden muss, und uns noch schwer Kosten verursachen wird. Im weiteren stehen Initiativen an, die nach meiner Ansicht eher chancenlos sind. Die VerkehrshalbierungsInitiative etwa, wo sie selber sehen können, dass die SP nicht mal die Kraft hat, nein zu sagen. Aber das ist die Verkehrspolitik der SP... Verkehrspolitisch von Bedeutung sind natürlich all die Bereiche im Umfeld der vorgesehenen Energiesteuern. Die Hauptweichenstellung, das deutet sich schon heute an, werden wir in Volksabstimmungen legen müssen. Gerade die vier Vorlagen zur Energiebesteuerung müssen abgelehnt werden, weil sie weiter verhängnisvoll sind. Sie haben vorgängig etwas angesprochen, was in Auge sticht. Das Resultat der Nationalratswahlen bringt eigentlich zum Ausdruck, dass das Volk einen politischen Kurswechsel will, weg von der Linkslastigkeit gerade der bürgerlichen Parteien. Führt man sich nun aber die letzten Bundesratswahlen zu Gemüte, muss man zwangsläufig zum Schluss kommen, dass das Parlament den Volkswillen trotz kräftiger Signale noch nicht kapiert hat... Blocher: ...das ist eindeutig! Im Parlament wird extrem "gemauschelt", damit man's möglichst bequem hat und niemanden stört. FDP und CVP haben zum Ausdruck gebracht, dass sie Angst hätten, wenn die SP nur noch einen Vertreter im Bundesrat hätten. FDP und CVP können der SP keine eigene Politik gegenübersetzen. Für die SVP heisst dies in der Zukunft vermehrt Oppositionspolitik ausserhalb des Bundesrates und des Parlaments zu betreiben, und dafür zu sorgen, dass der Bundesrat endlich durch das Volk gewählt wird! Vermehrte Opposition und Bundesratswahl durch das Volk ist die logische Folge! Sie verstehen sich aber nicht als Oppositionspartei? Blocher: Nein, wir haben ja auch einen Vertreter im Bundesrat. Dort müssen wir einbringen, was möglich ist, was nicht gelingt, gilt es im Parlament zu verfechten, und wenn auch das scheitert, müssen wir's vor das Volk bringen. Sie haben gesagt, dass Sie einen Bundesrat hätten. Aber zwischen Adolf Ogi, einem Grossteil der SVP-Mitglieder und speziell Ihnen öffnen sich indes Welten, oder? Blocher: (hadert) Jaja..., in der Verkehrspolitk haben wir im Prinzip nicht so grosse Differenzen. Man muss schon berücksichtigen, dass wenn einer im Bundesrat ist, hat er ihn zu vertreten.... ...Das Kollegium.... Blocher: ...ja. Auch bei der Energiebesteuerung ist Adolf Ogi nicht die treibende Kraft, das ist eindeutig. Bei der NEAT hingegen hat er tüchtig mitgewirkt... Blocher: ...jaja, nur der Transitvertrag war ja eigentlich kein schlechtes Abkommen und hätte durchaus weitergeführt werden sollen. Ein Adolf Ogi jedenfalls hätte sich nicht leisten können, was uns ein Moritz Leuenberger mit den 40-Tönnern und der LSVA eingebrockt hat. Doch gerade Moritz Leuenberger macht ja geltend, dass er ein Erbe angetreten habe, jenes von Adolf Ogi nämlich... Blocher: ...so läuft es in der Politik, jeder findet einen anderen, der schuld sein soll. Damit wir uns richtig verstehen: Ich will mich nicht zum Richter aufspielen, denn letztlich hat ja der Gesamtbundesrat solche Entscheide getroffen. Die Hoffnung unserer Branche begründet sich mithin in der Tatsache, dass Ihre Partei in der Verkehrskommission einen Sitz hinzugewonnen hat und ausserdem in zwei Jahren das Präsidium übernehmen wird. Sind in diesem Zusammenhang bereits Schwerpunkte gesetzt, gibt es Prioritäten im Sinne, dass bestimmte Themen umgehend angepackt werden sollten, jetzt wo Ihr Einflussbereich gestiegen ist? Blocher: Nein. so weit ist es noch nicht. Im Augenblick muss man darauf achten, die sich abzeichnenden Fehlentwicklungen zu blockieren. Das passiert jetzt mit der Energiebesteuerung. Zu meiner Freude habe ich festgestellt, dass die Wirtschafts-Verbände die vier dazu gehörenden Vorlagen bekämpfen. Das ist schon mal ein Lichtblick... ...ist das der Auns-Effekt? Blocher: (schmunzelt) Ja, hm, ich weiss nicht. Die Wirtschaftsverbände haben in den letzten Jahren in der Verkehrspolitik versagt, daran gibt es nichts zu rütteln. Jetzt aber scheinen sie gemerkt zu haben, dass es kein gangbarer Weg ist, wenn die Leute immer mehr bezahlen müssen für die Energie. Das ist lediglich eine weitere Belastung. Andererseits darf man nicht vergessen, dass hinter den Interessen einer höheren Energiebesteuerung wieder viele Leute stehen, die Geld kriegen, Mittel zum Umverteilen gewinnen usw. Was aber genau macht die Verkehrskommission. Unterbreitet sie lediglich Empfehlungen zu Handen der Räte? Blocher: In der Regel kommen die Vorschläge vom Bundesrat. Die Verkehrs-Kommission nimmt dann allerdings Veränderungen daran vor und neuerdings ist es Mode, dass sie Vorschläge von Grund auf neu ausarbeitet. Ich betone allerdings nochmals: In der Verkehrspolitik sind die Weichen, richtige wie auch falsche, eigentlich gelegt. Es gilt jetzt in der ganzen Verkehrspolitik die Geschichte mit den Energie-Abgaben zu einem guten und tragbaren Ende zu führen. Der NEAT-Entscheid ist getroffen, vom Volk abgesegnet. Diesen Fehlentscheid müssen wir nun mal ausführen, da können wir nicht mehr machen. Man wird alsdann berappen müssen, was nicht funktionieren wird. Die 40-Tönner orientieren sich an der Strasse, wir werden im Transitverkehr ein Chaos kriegen usw. Doch das ist beschlossene Sache und muss durchgezogen werden. Aber es gibt Dinge, die gegenwärtig in den Teilplänen sind und die ebenso verhängnisvoll sind für die Verkehrspolitik und die Wirtschaft. Beispiel: Die ganze CO2-Abgabe, wo niemand so recht weiss, was sie dannzumal bringen wird, führt dazu, dass gewisse Personen von einem Benzinpreis von fünf Franken pro Liter sprechen... ...was fast vermuten lässt, dass wir auf deutsche Verhältnisse zusteuern? Blocher: Auf das läuft es hinaus. Die treibenden Kräfte machen sich dafür stark. Dahinter steht im Grunde einzig der Fiskus, der immer neue Geldquellen anzapfen will. In Deutschland wird indes immer wieder geltend gemacht, dass die Wirtschaft unter den Ökoabgaben nicht leide, weil es im Gegenzug zu einer Umverteilung komme und die gleichwertige Entlastung im Bereich der Lohnnebenkosten entstehe... Blocher: ...das ist eine schön verbreitete Theorie. Wenn ich allein schon sehe, wofür all diese Mittel aus der Energiebesteuerung eingesetzt werden wollen, geht es nicht mehr nur um die Senkung der Lohnnebenkosten. Nein, Alternativenergien sollen gefördert werden, bestimmte Industrien sollen Zuschüsse erhalten - also halt, da wird einzig und allein im grossen Stil umverteilt. Im weiteren darf man nicht ausser Acht lassen, dass die Energie für die Wirtschaft ein Rohstoff ist, dessen Verteuerung sich nicht ohne weiteres an einem anderen Ort abgelten lässt. Beschäftigen muss uns ja im Moment die Verkehrshalbierungs-Initiative, welche im März dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wird. Die Positionen scheinen klar: Der Bundesrat ist dagegen, die Mehrheit des Parlaments verhält sich ebenfalls ablehnend. Droht nicht die Gefahr, dass man angesichts der bekannten Meinungsbilder dazu neigt, die Vorlage zu unterschätzen? Blocher: Die Verkehrshalbierungs-Initiative muss bekämpft werden! Parteien können solche Kämpfe nicht führen. Die Verkehrsverbände sind auf den Plan gerufen und täten gut daran, sich nicht allzu sehr zurückzulehnen. Auf der anderen Seite stehen nämlich ebenfalls Interessensgruppen, die der Initiative zum Sieg verhelfen wollen und den Leuten dabei das Blaue vom Himmel versprechen. So war es ja schon bei der LSVA-Abstimmung, als verkündet wurde, es gäbe nachher keine Lastwagen mehr auf der Strasse. Da wird genau gleich viel unwahres Zeugs verzapft wie an anderen Orten. Ihre Partei tritt ja vehement für eine Steuerentlastung und für eine Senkung der Staatsquote ein. Wie soll das konkret aussehen angesichts der Tatsache, dass die Wünsche an den Staat laufend steigen und damit der Finanzierungsbedarf hochklettert? Blocher: Dass die Wünsche an den Staat steigen, ist richtig. Aber man muss ihnen ja nicht nachgeben. Die Staatsausgaben müssen zurückgehen und das ist wahrlich keine Kunst, wenn nur einmal aller Blödsinn gestrichen wird. Wenn man betrachtet, was in den letzten Jahren alles gemacht worden ist. Denken Sie etwa an die Expo, deren Organisation eine Ausstellung der staatlichen Unfähigkeit ist. Oder die 800 Millionen Franken bei der PTT, welche abgeschrieben wurden wegen falscher Beteiligung in Indien und Malaysia. Da besteht ein Knäuel, in dem alles zugedeckt wird und bei dem jeder den andern deckt. Schauen Sie sich mal an, wieviele Milliarden im Asylwesen verpulvert werden, ohne dass endlich richtig Gegensteuer gegeben wird. Es gibt in Bern unglaublich viel Geldfluss, den man versiegen lassen könnte, ohne dass jemand etwas merken würde. Bleiben wir beim Finanzierungsbedarf: Schon kurz nach der Annahme der FinöV läuteten in Bern die Sturmglocken wegen drohender Kostenüberschreitungen. Bereits sind erste parlamentarische Vorstösse zu vermelden, es werden nicht die letzten sein. Worauf läuft dieses Finanzdebakel hinaus, liegt eine Redimensionierung des NEAT-Projektes im Bereich des möglichen? Blocher: Erfahrungsgemäss wird man schlicht und einfach die Kosten bewilligen, welche das Projekt zusätzlich benötigt. Das ist nun mal so. Schon bei der ersten Vorlage fand die NEAT nur die Zustimmung des Volkes, weil Adolf Ogi versprochen hat, dass dieses Vorhaben den Steuerzahler nichts kosten werde. Dann kam Moritz Leuenberger und präsentierte eine neue Vorlage, mit dem Hinweis, dass die Rentabilität nicht gewährleistet sei, weshalb es eine Schwerverkehrsabgabe brauche, die Mehrwertsteuer erhöht werden müsse usw. usw. All jene, die damals vor der Nichtfinanzierbarkeit warnten, wurden an die Wand gespielt. Und heute, wo die eigentliche Bautätigkeit noch nicht mal begonnen hat, merkt man, dass die Kostenberechnungen nicht stimmen. Ich bin der Meinung, dass Kosten-Überschreitungen dieser Ausmasse nochmals vors Volk müssten. Die Zustimmung des Souveräns ist nämlich in der Regel mit anderem Zahlenmaterial herbeigeführt worden... Im Zusammenhang mit der LSVA kommt ja auch noch einiges auf uns zu. Am Neujahrestag mussten wir vergegenwärtigen, dass die pauschale Schwerverkehrs-Abgabe sich schon mal verdoppelt hat. Wenn wir nächstes Mal zu Silvester anstossen, schenkt es noch weitaus mehr ein... Wo sehen Sie heute die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser LSVA, welche Veränderungen wird diese exorbitante Steuer auf den Wirtschaftsstandort Schweiz haben? Blocher: Die Transporte werden massiv teurer. Die Konkurrenzfähigkeit wird schwinden. Ich sehe das selber an Schweizer Unternehmen. Unsere Leute, die jetzt Investitionen beantragen, berechnen heute die Transport- und Energiekosten. Das sind zwei gewichtige Faktoren, die sich markant verschlechtert haben. Aufgrund dieser Berechnungen entschliessen sie sich dann kurzerhand, die Investition nicht mehr in der Schweiz zu tätigen. Der Wirtschaftsstandort Schweiz wird geschwächt werden, insbesondere der Industriesektor, der auf Transport und Energie angewiesen ist. Die SBB verstecken sich ja laufend hinter dem Vorwand, dass sie einen Verfassungs-Auftrag zu erfüllen hätten. Der Personenverkehr ist die eine Seite. Wie aber wäre es gewesen, wenn man den Bahngüterverkehr privatisiert hätte, womit automatisch eine Interessensverlagerung im Zusammenspiel Strasse/Schiene stattgefunden hätte und erst noch unter marktwirtschaftlichen Prinzipien? Wäre dieses Instrument nicht tauglicher als der lapidare Kunstgriff einer neuen Steuer wie die LSVA? Blocher: Ich bin sehr für dieses Modell. Die SBB sollten nach meiner Ansicht das Schienennetz zur Verfügung stellen. Privatfirmen würden auf diese Weise ein Nutzungsrecht auf dem Schienennetz erwerben, um Ware darauf zu transportieren. Das würde eine wesentliche Verbesserung bringen. Der Umlagerungseffekt von der Strasse auf die Schiene scheitert ja daran, dass die staatlich geführte Bahn zu langsam, zu umständlich und zu wenig flexibel in Bezug auf die individuellen Marktbedürfnisse ist. Heute ist es doch so, dass die Bahn Weltmeister im Herumschieben von Güterwaggons ist, aber nicht ganz ohne Grund erschrickt, wenn da noch einer etwas zum Transportieren bringt. Das ist für sie eine Belastung, eine Mehrarbeit. Das lässt den Schluss zu, dass die Bahn, so lange sie unter staatlichen Regie gestellt bleibt, nie nach marktwirtschaftlichen Gesetzen funktionieren wird? Blocher: Ja natürlich, das liegt in der Natur der Sache. Wenn man daraus schlussfolgert, die Bahn solle gänzlich privatisiert werden, schaffen wir im Gegenzug das Problem, dass ein einzelner sich eine Monopolstellung aufbauen kann. Und das privatwirtschaftliche Monopol ist auch nicht besser als das staatliche Monopol. Wichtig wäre eine Konkurrenzsituation. Würden aber die SBB das Netz unterhalten und an Private vermieten hätte dies eine belebende Wirkung auf den Markt. Damit zu Fragen, die eher etwas persönlicher Art sind. Christoph Blocher ist in der Schweizer Politlandschaft die Reizfigur schlechthin, nicht zuletzt dank der gütigen (...!) Mithilfe der Medien. Wenn Blocher ja zu etwas sagt, sehen sich die anderen bemüssigt, nein zu sagen - und umgekehrt. Stinkt es Ihnen nicht manchmal, haben Sie sich noch nie gesagt: Warum soll ich mich in der Öffentlichkeit derart aufreiben, stopp, ich zieh' mich in mein Wirtschaftsimperium zurück? Blocher: Meine Stärke liegt ja darin, dass ich es nicht nötig habe zu politisieren. Dadurch wahre ich mir eine Unabhängigkeit. Im weiteren müssen Sie sehen, dass jeder Politiker, der so viel bewegt und an so vielen Orten eine Richtung bestimmt wie ich, nur umstritten sein kann. Jene, die überall beliebt sind, sind keine Persönlichkeiten. Jene, die alle gern haben, haben nichts gemacht. Die haben sich nur vom Trend treiben lassen... ...so frei nach dem Motto: Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom... Blocher: ...ja, natürlich, ...und ausnahmslos stromabwärts. Und wer kein Gewicht hat, wird auch nicht bekämpft. Solange ich bekämpft werde, ist dies ein Zeichen dafür, dass sie mich ernst nehmen. Die Frage ist natürlich auch, wieviel man erreicht. Und da haben wir eine Bilanz, die weitaus besser ist, als man nach aussen hin sieht. Ich merke dies im Bundesrat und Parlament, wo sie Rücksicht nehmen müssen, weil sie sonst fürchten, den Blocher wieder im Nacken zu haben. Nun aber sind Sie ja einerseits ein Mann der Wirtschaft, andererseits ein Politiker. Als Unternehmer sind sie sehr europäisch oder - um das Modewort zu gebrauchen - globalisiert, als Politiker indes stemmen Sie sich gegen den Beitritt der Schweiz zur EU. Ist das nicht Widerspruch? Blocher: Nein, im Gegenteil. Damit habe ich überhaupt keine Mühe. Ich bin ja nicht der Meinung, wir müssten Mauern an unseren Grenzen errichten. Wir verkehren doch mit allen Ländern dieser Welt freundschaftlich, kulturell wie wirtschaftlich. Ich wehre mich aber dagegen, dass man sich einbindet. Und diesbezüglich hat die Schweiz eine grosse Erfahrung. Wir haben uns nie einbinden lassen und wollen unsere Entscheidungen aus eigener Kraft fällen. Das ist massgebend. Je stärker die Globalisierung voranschreitet, desto grösser wird die Sehnsucht der Menschen nach etwas Besonderem. Und das kann nur lokal geschehen. Daraus leitet sich der Anspruch ab, dass der Staat seine Eigenständigkeit wahren muss. Nicht indem er sich abschottet, aber indem er seine Entscheidungsfreiheit nicht aus der Hand gibt. Das wäre eigentlich alles. Bleibt mir einzig, Ihnen für dieses Gespräch zu danken und Ihnen im neuen Jahr alles Gute zu wünschen.

08.12.1999

So oder so gibt es eine Klärung

Christoph Blocher zum Anspruch der SVP auf einen zweiten Bundesratssitz Interview mit der Zürichsee-Zeitung vom 8. Dezember 1999 Für SVP-Nationalrat Christoph Blocher ist es nur folgerichtig, dass sich seine Bundesratskandidatur gegen den politischen Gegner, die SP, richtet. "Nicht wir, sondern SP und CVP haben mit der Konkordanz gebrochen", bilanziert er im Interview mit dieser Zeitung. Hätte die CVP auf einen Sitz verzichtet, so wäre am 15. Dezember nicht er, sondern eine andere Persönlichkeit SVP-Kandidat. von Roland Meier Stört es Sie, wenn Sie von den Medien als Volkstribun tituliert werden, als einer, der sagt, wo es in der SVP lang geht? Christoph Blocher: Wenn man unter Volkstribun jemanden versteht, der so redet, dass ihn die Leute verstehen, dann lasse ich mir diese Bezeichnung gerne gefallen. Ich gebe mir Mühe, mich so klar auszudrücken, dass mich die Leute verstehen. Selbstverständlich versuche ich auch, innerhalb der Partei Einfluss zu nehmen. Getraut sich in der SVP überhaupt noch jemand, gegen Blocher das Wort zu erheben? Blocher: Aber natürlich. Die Diskussionen in der Partei sind sehr intensiv. Dann aber wird das Ergebnis relativ geschlossen vertreten. Jetzt möchten Sie auch im Bundesrat sagen, wo es lang geht: Welches sind Ihre persönlichen Motive für die Kandidatur? Blocher: Persönliche Motive habe ich keine. Im Gegenteil: Für mich wäre es eine grosse Last, wenn ich das Amt antreten müsste. Aber ich bin bereit, diesen Schritt zu tun, weil wir als wählerstärkste Partei den Wählerauftrag ernst nehmen müssen. Wir müssen bereit sein, diese Politik auch im Bundesrat bestmöglich zu vertreten. Also für weniger Steuern, Abgaben und Gebühren zu sorgen; dafür einzustehen, dass in diesem Land wieder vermehrt für die schweizerischen Interessen eingestanden und die Neutralität geachtet wird. Diese Anliegen können zu zweit besser wahrgenommen werden als mit nur einem SVP-Vertreter. Haben wir nur einen Sitz, müssen wir uns halt von Fall zu Fall von aussen für unsere Überzeugungen einsetzen. Ihre Kandidatur ist nicht gegen die schwächste Partei im Regierungsbündnis gerichtet, sondern gegen die SP, die es auf den gleich hohen Wähleranteil bringt wie die SVP. Ist das nicht ein Widerspruch? Blocher: Wir haben uns für die Konkordanz entschieden. Die Konkordanz ist seit 1959 eine - stillschweigende - Vereinbarung unter vier Parteien. Und die lautet: Unabhängig von der politischen Richtung oder vom Wohlverhalten der jeweiligen Partei ist die Parteistärke massgebend, das heisst die drei grossen erhalten zwei, die kleinste einen Sitz. Bis anhin hatte sich die SVP mit nur einem Vertreter zu begnügen, weil wir jahrelang eben die Kleinsten waren... ...was sich am 24. Oktober schlagartig geändert hat? Blocher: Ja, jetzt gehören wir zu den Grossen. Wir haben den höchsten Wähleranteil und die CVP den tiefsten. Nachdem aber die SP beschlossen hat, die SVP erhalte nie zwei Sitze, ist sie aus der Konkordanz ausgestiegen. Desgleichen die CVP, die an ihren zwei Sitzen festhält. Die Konkordanz kann nur spielen, wenn mindestens drei Parteien dafür sind. Damit wurde die Konkordanz aufgebrochen. Wenn die Konkordanz nicht mehr gilt, haben wir gegen unseren politischen Gegner anzutreten - und das ist eben die SP. Damit kann sich die SVP eher Chancen ausrechnen, als wenn sie die CVP und ihre eben erst gewählten Bundesräte herausfordern würde? Blocher: Da unser politischer Gegner nun mal die SP ist, wäre es, nachdem wir die Konkordanz als gebrochen betrachten, unglaubwürdig gewesen, nicht gegen sie anzutreten. Anders wäre der Fall gewesen, hätte die CVP von sich aus auf einen Sitz verzichtet. In einer solchen Konstellation wäre ich heute allerdings nicht Kandidat. Dann hätten wir genügend gute Leute gehabt, die sich für dieses Amt interessiert hätten und auch angetreten wären. Sie bezeichnen sich selber als Patrioten. Haben Sie keine Bedenken, nach einem Bruch der Konkordanz würde das Land noch mehr auseinanderdriften? Blocher: Nochmals: Nicht wir brechen mit der Konkordanz. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Mit starker bürgerlicher Ausrichtung könnte vieles auch besser werden in diesem Land. Die Bürgerlichen wären zwar einer starken Kritik ausgesetzt. Sie müssten Entscheide fällen, die so gut sind, dass sie vor dieser Kritik bzw. Opposition bestehen können. Nein, Bedenken habe ich keine. Wäre denn ein Mitte-Rechts-Bundesrat überhaupt regierungsfähig, oder ist nicht zu befürchten, dass durch Referenden von links die Politik lahm gelegt würde? Blocher: Das macht doch nichts, wenn Referenden ergriffen werden. Wir sollten sowieso nicht ständig aus der Furcht vor einem Referendum Gesetze erlassen. Gefragt sind Beschlüsse, die vor dem Volk bestehen. Heute wird vielfach in einer Art regiert, dass es ja kein Referendum gibt, das Volk ja nicht abstimmen kann. Für ein solches Politisieren hatte ich nie Verständnis. Wäre nicht der Fall denkbar, dass ein Bundesrat Blocher, eingebunden ins Kollegialsystem, lahm gelegt würde, nicht mehr er selber wäre? Blocher: Diese Frage ist ernst zu nehmen. Ich hätte weniger Einfluss bei Volksabstimmungen und in der Öffentlichkeit, dafür aber mehr innerhalb der Regierung. Würden Sie das Kollegialprinzip respektieren? Blocher: Selbstverständlich. Was sagen Sie zur Hypothese, dass die SVP ohne ihre Wahllokomotive Blocher bei den nächsten Wahlen wieder zurückkrebsen wird? Blocher: Das glaube ich nicht. Die SVP ist nicht mehr nur abhängig von einer Person, wie das vielleicht früher einmal der Fall war. Heute haben wir ein sehr gutes Potenzial an sehr guten Leuten. Wäre eine Nichtwahl für Sie die Legitimation, einen noch härteren Oppositionskurs zu fahren? Blocher: Eindeutig. Wenn ich nicht gewählt werde, ist das ein Wink der Bundesversammlung, dass sie die SVP nicht gemäss ihrer Stärke in der Regierung will. Also ist unsere Überzeugung ausserhalb zu vertreten, das heisst wir müssten vermehrt als Opposition Einfluss nehmen. So oder so gibt es am 15. Dezember eine Klärung. Dann dürfte es für Adolf Ogi aber schwierig werden? Blocher: Das glaube ich nicht. Wir beide haben ja nur eine wesentliche Differenz, in der Frage der Neutralität und Unabhängigkeit, in allen übrigen Bereichen aber nicht. Und für solche Fragen hätten wir ja noch immer eine Stimme in der Regierung. Wir würden also nicht einen integralen Oppositionskurs fahren, wie wir das ja auch in der Vergangenheit nicht getan haben, als wir Kompromisse akzeptierten, die wir, wie etwa beim dritten Lohnprozent bei der Arbeitslosenversicherung, als reine Oppositionspartei ziemlich sicher mit dem Referendum angefochten hätten.

02.12.1999

«Ich trete nur mit Widerwillen an»

Interview mit der Weltwoche vom 2. Dezember 1999 SVP-Nationalrat Christoph Blocher zwingt mit seiner Bundesratskandidatur die CVP und FDP, Farbe zu bekennen. Es geht ihm am 15. Dezember nur um eines - die Führung im politischen Bürgertum. Seinen Anspruch formuliert er rigoros: Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn. Interview: Synes Ernst und Matthias Baer Herr Blocher, Sie haben immer gesagt, Sie wollten nie Bundesrat werden. Jetzt sind Sie trotzdem Kandidat. Christoph Blocher: Ich habe meine Meinung nicht geändert. Ich wäre heute noch froh, ich müsste nicht Bundesrat werden. War dieses Amt nie ein Lebensziel? Blocher: Was denken Sie auch! Wer Bundesrat werden will, politisiert nicht mit Ecken und Kanten, sondern achtet darauf, es mit den 245 Parlamentariern, die ihn wählen sollen, nicht zu verderben. Ich habe aber immer gesagt, dass ich das Amt annehmen würde, falls es nötig wäre. Ist das jetzt der Fall? Blocher: Ja, wenn unsere Partei eine glaubwürdige Politik vertreten will, muss ich antreten. Jene in der SVP, die auch fähig wären, das Amt eines Bundesrates auszuüben, kandidieren jetzt nicht, weil die Situation doch einigermassen aussichtslos ist. Wenn man sich in eine Situation begibt, die aussichtslos ist, ist doch man ein Märtyrer. Blocher: Ich entscheide und handle nicht nach dem Lustprinzip. Ich habe in meinem Leben das meiste, das mir viel Verantwortung aufbürdete, mit Widerwillen angetreten. Ich kann Menschen nicht verstehen, die von sich behaupten, sie würden nur machen, was ihnen Freude bereite. Entscheidend ist für mich nur: Ist es notwendig? Und nicht: Habe ich Lust? Wenn die anderen Parteien der SVP einen Sitz überlassen hätten, wie es sich nach dem Konkordanzprinzip gehört, hätte es mich nicht gebraucht. Wie hoch sind Ihre Chancen? Blocher: Sehr klein. Im Augenblick besteht eine gewisse Verwirrung: Im Derby der Trojanischen Pferde, das bei Bundesratswahlen regelmässig stattfindet, kommt einer plötzlich transparent auf einem Ross daher. Was verstehen Sie darunter? Blocher: Um die Konkordanz finden die verschiedensten Vernebelungsübungen statt. Die Parteien werden nie so kreativ, wie wenn es um die Besetzung von Posten geht. Die SP ist zwar für Konkordanz, will der wählerstärksten Partei aber nicht zwei Sitze zugestehen. Und die CVP - als jetzt kleinste Partei - ist auch für die Konkordanz, will aber ihre beiden Sitze behalten. Der FDP-Präsident will sich zur Konkordanz nicht äussern, bis er die Namen kennt, als ob dies entscheidend wäre. Haben Sie allen Ernstes angenommen, die CVP würde freiwillig auf einen ihrer beiden Sitze verzichten? Blocher: Als CVP-Verantwortlicher hätte ich im Gespräch mit dem SVP-Präsidenten versucht, diesem etwas anzubieten. Zum Beispiel, den SVP-Anspruch in einem oder zwei Jahren einzulösen. Aber Offenheit ist nicht möglich, weil sie ihre Trojanischen Pferde nicht öffnen wollen. Jetzt sind sie erschrocken, weil wir eine klare Strategie auf den Tisch legen. Die SVP hat vor den Wahlen nach langer Diskussion beschlossen - ob sie die Wahlen gewinnt oder nicht -, an der Konkordanz für die Bundesrats-Beteiligung festzuhalten. Entscheidend in diesem System ist, dass nicht die politische Gesinnung zählt, sondern die Wählerstärke. An diesen Grundsatz hat sich die SVP immer gehalten. Weshalb dann in den vergangenen Jahren die Dauerkritik an FDP und CVP? Blocher: Weil sie in zentralen Themen, wie beispielsweise der Steuerfrage, den Energieabgaben, der Verkehrspolitik und der Aussenpolitik der SP gefolgt sind und keine bürgerliche Politik mehr vertreten haben. Die Konkordanz schliesst gegenseitige Kritik nicht aus - im Gegenteil. Im Fall der Armeeabschaffungs-Initiative aber haben Sie die SP nicht nur kritisiert, sondern ihr auch Bedingungen gestellt. Blocher: Nein, ich habe in einer Albisgüetli-Rede damals festgestellt, die Konkordanz habe abgewirtschaftet. Konsequenterweise forderte ich persönlich den Wechsel zum System mit Regierung und Opposition. Demnach sollten jene die Regierung bilden, die einander politisch näher stehen. Ich sagte ausdrücklich, dann müsste die SVP oder die SP in die Opposition. Dies zum Missfallen der SVP. Wir haben die Sache vor den Wahlen beraten und uns für die Konkordanz entschieden. Wenn diese gilt, sind wir bereit, auch SP-Bundesräte zu wählen, weil die SP in einer Konkordanzregierung mit zwei Sitzen vertreten sein muss. Gegen diesen Anspruch der SP treten Sie am 15. Dezember an. Warum? Blocher: Weil mindestens SP und CVP die Konkordanz nicht mehr wollen. Nach der Bundesratswahl soll man wissen, ob die Bundesversammlung eine Mitte-links- oder eine Mitte-Rechts-Regierung will. Meine Kandidatur ist nötig, um dies zu klären. Namentlich FDP und CVP werden gezwungen, sich klar zu äussern. Durch den Entscheid der SP und der CVP ist die Konkordanz gestorben. Trauern Sie ihr nach? Blocher: Ich persönlich bin der Meinung, dass sie sich überlebt hat. Aber man darf die Konkordanz an sich nicht gering schätzen, weil sie alle wichtigen Kräfte früh in die Entscheidung einbezieht und bei ehrlichem Ringen um einen Kompromiss auch zu guten politischen Lösungen führen kann. Konkordanz bedeutet aber auch, dass jede Partei in gewissen Fragen Opposition ist, sofern sie noch lebendig ist. Wer zu allem Ja sagt und sich auf die Vergabe von Posten beschränkt, hat politisch abgedankt. Es braucht auch eine Opposition, die auf Schwachpunkte aufmerksam macht. Wenn am 15. Dezember die Konkordanz gebrochen wird und eine Mitte-Rechts-Regierung gewählt wird, besteht die Gefahr, dass die SP ganz in die Opposition geht. Blocher: Ich frage Sie, weshalb man der SP nicht zumutet, bloss mit einem Sitz in der Regierung vertreten zu sein, während man von der ebenso wählerstarken SVP erwartet, dass sie sich mit einem einzigen Bundesrat begnügt und sich dann still verhält. Die SP hat dreissig Jahre auf eine anteilmässige Vertretung im Bundesrat warten müssen. Blocher: Seit die Konkordanz besteht, hat die SP keine Minute warten müssen. Das ist erst seit 1959 der Fall, und seither wurde den vier Konkordanz-Parteien ihr Anspruch auf eine angemessene Vertretung im Bundesrat erfüllt. Befürchten Sie nicht, dass eine SP in der Opposition alles blockieren könnte? Blocher: Nein. Wir Bürgerlichen müssen uns doch zutrauen, Lösungen zu finden, die auch von der Mehrheit im Volk unterstützt werden. Die neue Situation würde uns zwingen, Entscheide zu finden, die den berechtigten Einwänden der in der Regierung nicht mehr vertretenen Sozialdemokraten Rechnung trügen. Die Folge wäre ein Mitte-Links-Kurs. Blocher: Nein. Das Ergebnis wäre ein klarerer und gleichzeitig auch sozialerer Kurs als der heutige, der vielleicht sozialistisch, aber unsozial und arbeitsplatzfeindlich ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass während fast hundert Jahren - von 1848 bis 1942 - alle sozialen Fortschritte von rein bürgerlichen Regierungen erzielt worden sind. Schliesslich ist die AHV durch ein bürgerliches Bundesratsmitglied lanciert worden... ...das unter sozialdemokratischem Druck stand... Blocher: ...es ist ja nicht verboten, auf Druck zu reagieren. Möglicherweise hat der Bundesrat auch schon Dinge beschlossen, weil er sich von mir unter Druck gesetzt fühlte. Ich fordere ja nicht, dass die SP aus Bundesrat und Parlament ausgeschlossen wird. Dort hat sie weiterhin ihren Platz, und wenn es zu stärkeren Polarisierungen und vermehrten Diskussionen kommen wird, nützt dies der Sache, denn wir haben in der Schweiz eher zu wenig politische Auseinandersetzungen als zu viele. Wer zum Beispiel das erste Expo-Projekt kritisierte, erhielt als Antwort, er sei gegen die Schweiz. Solche Argumente töten jede Debatte. Im Fall der Expo hätte man bei harter Diskussion das heutige Debakel verhindern können. Warum ist der Sitz von Frau Dreifuss Zielscheibe Ihrer Kandidatur? Blocher: Wie kommen Sie zu einer solchen Feststellung? Ich trete gegen die SP an: Herr Leuenberger oder Frau Dreifuss. Das Parlament entscheidet. Ich muss in der Reihenfolge, wie es das Wahlsystem vorschreibt, antreten. Dass Frau Dreifuss zuerst zur Wahl steht, ist nicht meine Schuld. Wir haben sowohl gegenüber der Politik von Bundesrat Leuenberger als auch von Frau Dreifuss grosse Vorbehalte. Mir ist schon klar, warum in den Medien jetzt eine solche Einstellung kolportiert wird. Man hat es leichter, meine Kandidatur zu kritisieren, wenn man behauptet, sie richte sich gegen eine Frau und gegen eine Vertreterin der Romandie. Damit kann man sich der politischen Frage wieder entziehen. Mit Ihrer Kandidatur wollen Sie FDP und CVP zwingen, Farbe zu bekennen - entweder für die Sozialdemokraten oder aber für die SVP. Geht es Ihnen um die bürgerliche Leaderposition? Blocher: Ich habe nie grossen Wert auf die Frage gelegt, wer nun die bürgerliche Leaderposition innehat. Schön wäre es, wenn die Bürgerlichen innerhalb einer bestimmten Bandbreite die gleichen Ziele verfolgen würden. Mir geht es darum, die Stärken der Schweiz noch zu verstärken - zum Beispiel den schlanken Staat, den Föderalismus, die hohe Eigenverantwortung des Bürgers. Dies ist heute besonders wichtig, nachdem wir in den vergangenen zehn Jahren eine verhängnisvolle Politik betrieben haben. Wenn die Freisinnigen beispielsweise die Staatsquote und die Steuern senken wollen, kann ich mit der freisinnigen Leaderrolle sehr gut leben. Aber wenn die Freisinnigen das Gegenteil machen, sind wir gezwungen, selbst aktiv zu werden. Sie untertreiben! Den Führungsanspruch nehmen Sie permanent wahr, indem Sie Themen besetzen, Pflöcke einschlagen und den Tarif durchgeben. Es ist unsere Aufgabe, Themen zu besetzen, nicht nur "Pöstli". Das ist doch kein Führungsanspruch. Blocher: Die SVP fordert ihn aber gleichsam totalitär, wenn sie im Hinblick auf die Bundesratswahlen sagt, nur wer sich auf ihrer Linie bewege, sei bürgerlich. Wer die SVP der SP vorzieht, der wählt bürgerlich. Ist jemand, der eine klare Meinung vertritt, totalitär? Es ist ein Missbrauch des Begriffs "liberal", wenn er dazu dient, eine unklare Meinung zu rechtfertigen. Aber wenn Sie mit Ihre Kandidatur FDP und CVP zwingen, Farbe zu bekennen, geben Sie und niemand anders vor, was bürgerlich ist. Blocher: Das nicht. Aber wenn FDP und CVP lieber statt mit der SVP mit den Sozialdemokraten regieren, heisst das, dass ihnen die sozialistische Politik näher liegt als die liberal-konservative der SVP. Ich verurteile das gar nicht, auch wenn ich es nicht richtig finde. Ich meine, wir haben in den vergangenen sieben Jahren einen verhängnisvollen Linkskurs gesteuert, der für unsere Arbeitsplätze, für unseren Wohlstand und für unsere Freiheitsrechte schwere Folgen haben wird. Ich bin überzeugt, dass ein moderner Industriestaat wie die Schweiz seine Probleme nur lösen kann, wenn er zu mehr Selbstverantwortung zurückkehrt. Das ist genau das Gegenteil sozialistischer Politik. Ich kann doch CVP und FDP nicht ersparen, in dieser Frage endlich Stellung zu beziehen. Sind Sie glücklich darüber, dass es zu einer solchen Klärung kommen wird? Blocher: Ja, ich bin froh. Denn bei allen Vorteilen der Konkordanz hat sie den Nachteil, dass man nicht Farbe bekennen musste. Jede fehlende Position lässt sich mit der Konkordanz begründen. Damit ist es nun vorbei. Am 15. Dezember wird aber alles beim Alten bleiben. Blocher: Das dürfte die wahrscheinlichste Lösung sein. Dass die SVP aus dem Bundesrat fliegt, ist die zweitwahrscheinlichste. Das wäre der Fall, in dem FDP-Präsident Steinegger anstelle von Adolf Ogi Bundesrat wird? Blocher: Daran basteln zurzeit gewisse Sozialdemokraten. Sie rechnen sich aus, dass dies für die Freisinnigen auf lange Dauer den Todesstoss bedeutet. Denn diese Wahl hätten sie den Sozialdemokraten zu verdanken. Steinegger soll nun von den Sozialdemokraten mit Unterstützung des Ringier-Konzerns auf den Schild gehoben werden. Offensichtlich wurde die Idee von Peter Bodenmann ausgeheckt, der davor warnt, anstelle von Ogi einen SP-Mann zu portieren, weil das die Bürgerlichen gegen die SP aufbrächte. Aber ein Freisinniger anstelle von Ogi, das wäre doch um einiges interessanter. Bodenmann weiss, dass Steinegger nichts mehr wünscht, als Bundesrat zu werden. Das Spiel könnte aufgehen, mit der Folge, dass die FDP künftig am Gängelband der SP politisieren müsste. Ich glaube jedoch nicht, dass Steinegger so ehrgeizig ist, um für einen solchen Kuhhandel Hand zu bieten, auf Kosten der eigenen Partei. Die Sozialdemokraten haben den Mut nicht, mit einem eigenen Kandidaten anzutreten, weil sie die Niederlage scheuen. Es ist unsere Stärke: Wir scheuen die Niederlage nicht. Wie würde sich die CVP in diesem Szenario verhalten? Blocher: Sie könnte darauf hinweisen, dass die FDP und nicht sie selbst von der SP am Gängelband geführt wird. Sie kann aber nicht verschleiern, dass der vorzeitige Rücktritt ihrer beiden Bundesräte relativ kurz vor den Wahlen geschah, um den Volkswillen nach den Wahlen missachten zu können. Solche Schlaumeiertricks zahlen sich nie aus. Im vergangenen März sprachen die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung aber noch für zwei CVP-Sitze. Blocher: Das schon, aber es war doch offensichtlich, dass man noch kurz vor den Wahlen sein Schäfchen ins Trockene bringen wollte. Würde sich die SVP in einem ähnlichen Fall nicht auch so verhalten wie die CVP? Blocher: Auch die SVP besteht nicht aus lauter Engeln. Aber ich persönlich hätte von einem ähnlichen Schritt abgeraten, um nicht dem Wählerwillen zuvorzukommen. Solche Mätzchen rächen sich früher oder später, weshalb ich für eine offene Politik bin. Sie befinden sich dazu in einer guten Position. Sie sind wirtschaftlich völlig unabhängig, sind den anderen Parlamentariern in Bern aufgrund ihrer langen Amtszeit an politischer Erfahrung überlegen, verfügen mit der Auns über eine eigene Haus macht... Blocher: ...ich musste das alles selbst erarbeiten. Aber es stimmt, ich bin in einer privilegierten Situation und kann mich vielleicht freier äussern als andere. Ich betrachte das auch als Auftrag. Aber bitte: Ein bisschen mehr Mut, die eigene Meinung zu sagen, könnte man von den meisten Politikern schon erwarten. Sie werden die Stimmen von jenen erhalten, die Sie in den Bundesrat hieven wollen, um Sie politisch zu neutralisieren. Blocher: Diese Schlaumeierei ist mir bekannt. Aber ich kandidiere nicht einfach so für den Bundesrat; ich kandidiere nur gegen die beiden Sozialdemokraten und nur für den zweiten SVP-Sitz. Sonst stehe ich nicht zur Verfügung. Ich biete niemals Hand zu einem Szenario, bei dem die SVP nur einen Sitz mit Blocher hätte, und ich kandidiere nicht gegen einen der bürgerlichen Bundesräte. Es gibt sozialdemokratische Stimmen, wonach es nicht darum gehe, ob die SVP zwei Sitze im Bundesrat erhalten solle, sondern ob man sie gar aus der Regierung werfen solle. Die Begründung: Die SVP sei tendenziell antidemokratisch, fremdenfeindlich und rassistisch. Blocher: Das sind unhaltbare Vorwürfe der SP. Die SVP ist wesentlich demokratischer strukturiert als die SP, bei der die Basis zu wichtigen Entscheiden nichts zu sagen hat. Wir halten die Werte der direkten Demokratie hoch. Ausgerechnet die SP, welche dem massenmörderischen System des Marxismus und Stalinismus lange anhing, wirft uns mangelnde Demokratie vor! Die Plakate Ihrer Partei appellieren aber an fremdenfeindliche Instinkte. Blocher: Ich wehre mich auch gegen solche Vorwürfe. Was wir dargestellt haben, ist der Asylmissbrauch. Nichts anderes. Der Rassismus wird von jenen Politikern gepflegt, die in heuchlerischer Absicht bestreiten, dass es Asylmissbrauch gibt. Transparenz ist unseres Erachtens schon ein Teil der Lösung. Deshalb wählen wir drastische Darstellungen, um auf das Problem aufmerksam zu machen und endlich Lösungen zu forcieren. Wo etwas bewusst unter dem Deckel gehalten wird, macht Provokation Sinn. Wir sind gegen jede Form des Rassismus und sind weder fremdenfeindlich noch antisemitisch. Welches sind Ihre Strategien für den Fall, dass man die SVP aus dem Bundesrat wirft. Blocher: Dann gibt es nur eine Strategie: die Opposition. Darauf sind wir vorbereitet. Dann wird es in vier Jahren unweigerlich zur grossen Klärung kommen. Logisch ist auch, dass wir von Fall zu Fall Opposition machen, wenn man uns den zweiten Sitz verweigert. Das ist die Konsequenz. Wir haben einen Wählerauftrag, den wir umsetzen müssen und wollen, entweder - gemäss unserer Wählerstärke - mit zwei Bundesräten oder aber mit nur einem Bundesrat oder in der vollen Opposition. Wo besteht für Sie der Unterschied zwischen voller und halber Opposition? Blocher: Wir haben beispielsweise mit der neuen Bundesverfassung einen grossen Brocken geschluckt, was wir als reine Oppositionspartei nicht getan hätten. Dasselbe gilt für die bilateralen Verträge. Gehört zur Oppositionsstrategie auch die Lancierung der Initative zur Bundesratswahl durch das Volk? Blocher: Diese Initiative muss so oder so kommen. Zu Beginn des Bundesstaates wurde keine Kantonsregierung durchs Volk gewählt, heute kann man sich etwas anderes gar nicht vorstellen. Die Erfahrung zeigt, dass bei solchen Wahlen viel weniger Spiele betrieben werden können als bei einer Bundesratswahl im Parlament. Bundesratswahlen würden ernsthafter, was nötig ist.