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Elezioni
15.04.2000
15.03.2000
Die Bilateralen an ihren Inhalten messen
Interview mit dem Tages-Anzeiger vom 15. April 2000 SVP-Kantonalpräsident Christoph Blocher bleibt dabei: Er will nicht in den Abstimmungskampf um die bilateralen Verträge ein- greifen, tut seine Meinung aber trotzdem kund. Die kantonale SVP-Delegiertenversammlung hat am Donnerstag zu den bilateralen Verträgen die Nein-Parole beschlossen. Der Entscheid ist aber mit 171 gegen 168 Stimmen so knapp ausgefallen, dass man von einem Zufallsmehr oder Patt sprechen könnte. Wäre nicht die Stimmfreigabe der richtige Schluss gewesen? Blocher: Das stimmt. Wenn der Antrag aus den Reihen der Mitglieder gekommen wäre, hätte ich ihn unterstützt. Aber ich wollte ihn als Präsident und Versammlungsleiter nicht selber stellen. Wie interpretiert das Parteibüro jetzt seinen Auftrag? Lanciert die kantonale SVP im Hinblick auf den 21. Mai eine überzeugte Nein-Kampagne oder eine halbherzige, die den Willen der grossen Minderheit respektiert? Blocher: Eine Kampagne gibt es nicht. Es ist nicht unsere Gewohnheit, zu nationalen Vorlagen einen Abstimmungskampf zu führen - ausser es handle sich um grundlegende Themen wie den EWR- oder den EU-Beitritt, wo wir keine knappen Parolen beschliessen. Sie selber haben sich an der Delegiertenversammlung nicht zu Wort gemeldet. Blocher: Als Versammlungsleiter halte ich mich stets zurück. Ich habe meine Meinung zu den bilateralen Verträgen schon vor der Schlussabstimmung im Parlament im letzten Oktober geäussert und von einem Referendum abgeraten. Es hat einfach keinen Sinn, einen Kampf zu führen, wenn nachher sowieso wieder derselbe EU-gläubige Bundesrat neue Verhandlungen führen müsste. Darin hat sich meine Haltung nicht geändert. Schweigen Sie auch heute Samstag an der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz? Blocher: In Appenzell spreche ich zur Europapolitik als solcher, das ist etwas anderes. Man soll die Bilateralen an ihren Inhalten messen und nicht an der Souveränitätsfrage. Eine Vermutung: Als Parteipräsident halten Sie sich trotz Ihrer öffentlichen Kritik am Bundesrat punkto Bilaterale vornehm zurück, sorgen aber hinter den Kulissen schon dafür, dass durch Ihre Parteikollegen Hans Fehr und Ulrich Schlüer und in der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns) gegen die Vorlage Stimmung gemacht wird. Blocher: Die Auns hat beschlossen, keine Stellung zu beziehen. Sie äussert sich nur zu Fragen, welche die Unabhängigkeit und Neutralität der Schweiz betreffen. Im Auns-Vorstand gab es zu den Bilateralen drei Anträge: einen Antrag, keine Parole zu fassen, weil sie kein Auns-Thema seien; einen Antrag auf eine Ja-Parole, weil die Bilateralen faktisch einen EU-Beitritt verhindern; und einen Antrag auf eine Nein-Parole, weil das doppelte Spiel des un- glücklich agierenden Bundesrats zu einem schlechten innenpolitischen Recht führen werde. Wir entschieden uns für den ersten Antrag, nämlich keine Parole zu fassen. Für die Auns-Versammlung eine Woche vor der Abstimmung ist das Geschäft nicht traktandiert, doch viele Mitglieder werden es behandeln wollen. Sie meinen immer, die Auns sei eine Partei. Doch die bilateralen Verträge sind ein politisches Thema ausserhalb der Auns-Bandbreite. Was Hans Fehr und Ulrich Schlüer als Nationalräte sonst unternehmen, kann und will ich nicht bestimmen. Herr Blocher, wer mit anschaut, auf wie vielen Hochzeiten Sie als Politiker, "Heimatschützer" und Chemieunternehmer mit vorweggenommenem Anschluss an den europäischen und internationalen Wirtschaftsraum tanzen, fragt sich, ob es den "widersprüchlichen" Christoph Blocher eigentlich nie in Stücke reisst. Geht es Ihnen gut? Blocher: Da unterstellen Sie mir jetzt etwas viel. Meine Persönlichkeit ist nicht widersprüchlich, sie ist eine Einheit, eine Stärke, darum kann ich ja so aktiv sein. Wir verkehren mit allen Staaten freundschaftlich, auf politischem, kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet, aber wir lassen uns nie vereinnahmen. Diese Überzeugung vertrete ich als Politiker, Unternehmer und Mensch. Natürlich gibt es Interessengegensätze. Die bilateralen Verträge bringen aus unternehmerischer Sicht gewisse Vorteile, zum Beispiel billigere Leute durch den freien Personenverkehr. Für das Gesamtinteresse des Landes, für den Bürger und den Wirtschaftsstandort, bringen sie aber Nachteile, eine starke Steuerbelastung und Arbeitslosigkeit. Deshalb muss ich die Interessen als Unternehmer eben zurückstellen. Ich wehre mich nicht gegen Weltoffenheit, das wäre nicht einmal aus wirtschaftlicher Sicht richtig. Aber ich wehre mich gegen die Einbindung.
31.01.2000
«Folgen bleiben nicht aus!»
Interview mit der Verkehrs-Rundschau vom 31. Januar 2000 Nach dem erdrutschartigen Sieg der SVP an den letzten Bundeswahlen drängt sich die Frage eines politischen Kurswechsels auch in Fragen der Verkehrspolitik auf. Mit Christoph Blocher unterhielten sich zu diesem und anderen Themen Erwin Kartnaller und André Vollmar Die erste Frage könnte man durchaus als "saisongerecht" bezeichnen: Haben Sie Neujahresvorsätze gefasst? Christoph Blocher: Nein, das mache ich nie. - "Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert...." Damit zum eigentlichen Thema. Die SVP hat an den letzten Nationalratswahlen einen erdrutschartigen Sieg errungen. Wird diese Verschiebung der Machtverhältnisse einen politischen Kurswechsel zur Folge haben, der gerade auch unserer wenig verwöhnten Branche Anlass zu berechtigten Hoffnungen im Bereich der Verkehrspolitik gibt? Blocher: Es ist vielleicht noch etwas früh, diesbezüglich endgültig zu urteilen. Die Wahlen allerdings werden nicht ohne Folgen bleiben, das ist klar. Die FDP wie die CVP müssen stark aufpassen, wie weit links sie ihre Politik in Zukunft noch ansiedeln wollen. Ohne einen entsprechenden Bewusstseinsprozess riskieren sie, bei den nächsten Wahlen abermals Wähleranteile zu verlieren. Sie werden in Zukunft auf die SVP Rücksicht nehmen müssen. Wir haben dies in der letzten Session anhand von zwei Vorstössen im Bereich der Steuern bereits erfahren dürfen. Gegen den Willen des Finanzministers Kaspar Villiger ist ein Postulat zur Steuerharmonisierung von uns bekämpft worden, und sowohl FDP wie CVP haben voll mitgezogen, was noch vor den Wahlen undenkbar gewesen wäre. Auch bei der Eigenmietwert-Initiative, wo diese beiden Parteien versagt haben, glaube ich nicht, dass sie sich nochmals auf ihre alte Positionen versteifen würden. Selbstverständlich ist es aber auch möglich, dass sie sich auf den Standpunkt stellen, die SVP künftig noch mehr an die Wand zu drücken. Bei den Bundesratswahlen haben sie ja klar aufgezeigt, dass sie lieber mit der SP als mit der bürgerlichen SVP paktieren. Und verkehrspolitisch? Blocher: Hier sind die meisten Weichen natürlich bereits falsch gestellt worden; - auch mit der tatkräftigen Unterstützung dieser bürgerlichen Parteien. Ich erinnere nur an die ganze Schwerverkehrsabgabe. Ein verhängnisvoller Entscheid, dessen krasse Folgen erst noch auf die Wirtschaft zukommen. Nicht zu vergessen die NEAT, welche nun beschlossene Sache ist, gebaut werden muss, und uns noch schwer Kosten verursachen wird. Im weiteren stehen Initiativen an, die nach meiner Ansicht eher chancenlos sind. Die VerkehrshalbierungsInitiative etwa, wo sie selber sehen können, dass die SP nicht mal die Kraft hat, nein zu sagen. Aber das ist die Verkehrspolitik der SP... Verkehrspolitisch von Bedeutung sind natürlich all die Bereiche im Umfeld der vorgesehenen Energiesteuern. Die Hauptweichenstellung, das deutet sich schon heute an, werden wir in Volksabstimmungen legen müssen. Gerade die vier Vorlagen zur Energiebesteuerung müssen abgelehnt werden, weil sie weiter verhängnisvoll sind. Sie haben vorgängig etwas angesprochen, was in Auge sticht. Das Resultat der Nationalratswahlen bringt eigentlich zum Ausdruck, dass das Volk einen politischen Kurswechsel will, weg von der Linkslastigkeit gerade der bürgerlichen Parteien. Führt man sich nun aber die letzten Bundesratswahlen zu Gemüte, muss man zwangsläufig zum Schluss kommen, dass das Parlament den Volkswillen trotz kräftiger Signale noch nicht kapiert hat... Blocher: ...das ist eindeutig! Im Parlament wird extrem "gemauschelt", damit man's möglichst bequem hat und niemanden stört. FDP und CVP haben zum Ausdruck gebracht, dass sie Angst hätten, wenn die SP nur noch einen Vertreter im Bundesrat hätten. FDP und CVP können der SP keine eigene Politik gegenübersetzen. Für die SVP heisst dies in der Zukunft vermehrt Oppositionspolitik ausserhalb des Bundesrates und des Parlaments zu betreiben, und dafür zu sorgen, dass der Bundesrat endlich durch das Volk gewählt wird! Vermehrte Opposition und Bundesratswahl durch das Volk ist die logische Folge! Sie verstehen sich aber nicht als Oppositionspartei? Blocher: Nein, wir haben ja auch einen Vertreter im Bundesrat. Dort müssen wir einbringen, was möglich ist, was nicht gelingt, gilt es im Parlament zu verfechten, und wenn auch das scheitert, müssen wir's vor das Volk bringen. Sie haben gesagt, dass Sie einen Bundesrat hätten. Aber zwischen Adolf Ogi, einem Grossteil der SVP-Mitglieder und speziell Ihnen öffnen sich indes Welten, oder? Blocher: (hadert) Jaja..., in der Verkehrspolitk haben wir im Prinzip nicht so grosse Differenzen. Man muss schon berücksichtigen, dass wenn einer im Bundesrat ist, hat er ihn zu vertreten.... ...Das Kollegium.... Blocher: ...ja. Auch bei der Energiebesteuerung ist Adolf Ogi nicht die treibende Kraft, das ist eindeutig. Bei der NEAT hingegen hat er tüchtig mitgewirkt... Blocher: ...jaja, nur der Transitvertrag war ja eigentlich kein schlechtes Abkommen und hätte durchaus weitergeführt werden sollen. Ein Adolf Ogi jedenfalls hätte sich nicht leisten können, was uns ein Moritz Leuenberger mit den 40-Tönnern und der LSVA eingebrockt hat. Doch gerade Moritz Leuenberger macht ja geltend, dass er ein Erbe angetreten habe, jenes von Adolf Ogi nämlich... Blocher: ...so läuft es in der Politik, jeder findet einen anderen, der schuld sein soll. Damit wir uns richtig verstehen: Ich will mich nicht zum Richter aufspielen, denn letztlich hat ja der Gesamtbundesrat solche Entscheide getroffen. Die Hoffnung unserer Branche begründet sich mithin in der Tatsache, dass Ihre Partei in der Verkehrskommission einen Sitz hinzugewonnen hat und ausserdem in zwei Jahren das Präsidium übernehmen wird. Sind in diesem Zusammenhang bereits Schwerpunkte gesetzt, gibt es Prioritäten im Sinne, dass bestimmte Themen umgehend angepackt werden sollten, jetzt wo Ihr Einflussbereich gestiegen ist? Blocher: Nein. so weit ist es noch nicht. Im Augenblick muss man darauf achten, die sich abzeichnenden Fehlentwicklungen zu blockieren. Das passiert jetzt mit der Energiebesteuerung. Zu meiner Freude habe ich festgestellt, dass die Wirtschafts-Verbände die vier dazu gehörenden Vorlagen bekämpfen. Das ist schon mal ein Lichtblick... ...ist das der Auns-Effekt? Blocher: (schmunzelt) Ja, hm, ich weiss nicht. Die Wirtschaftsverbände haben in den letzten Jahren in der Verkehrspolitik versagt, daran gibt es nichts zu rütteln. Jetzt aber scheinen sie gemerkt zu haben, dass es kein gangbarer Weg ist, wenn die Leute immer mehr bezahlen müssen für die Energie. Das ist lediglich eine weitere Belastung. Andererseits darf man nicht vergessen, dass hinter den Interessen einer höheren Energiebesteuerung wieder viele Leute stehen, die Geld kriegen, Mittel zum Umverteilen gewinnen usw. Was aber genau macht die Verkehrskommission. Unterbreitet sie lediglich Empfehlungen zu Handen der Räte? Blocher: In der Regel kommen die Vorschläge vom Bundesrat. Die Verkehrs-Kommission nimmt dann allerdings Veränderungen daran vor und neuerdings ist es Mode, dass sie Vorschläge von Grund auf neu ausarbeitet. Ich betone allerdings nochmals: In der Verkehrspolitik sind die Weichen, richtige wie auch falsche, eigentlich gelegt. Es gilt jetzt in der ganzen Verkehrspolitik die Geschichte mit den Energie-Abgaben zu einem guten und tragbaren Ende zu führen. Der NEAT-Entscheid ist getroffen, vom Volk abgesegnet. Diesen Fehlentscheid müssen wir nun mal ausführen, da können wir nicht mehr machen. Man wird alsdann berappen müssen, was nicht funktionieren wird. Die 40-Tönner orientieren sich an der Strasse, wir werden im Transitverkehr ein Chaos kriegen usw. Doch das ist beschlossene Sache und muss durchgezogen werden. Aber es gibt Dinge, die gegenwärtig in den Teilplänen sind und die ebenso verhängnisvoll sind für die Verkehrspolitik und die Wirtschaft. Beispiel: Die ganze CO2-Abgabe, wo niemand so recht weiss, was sie dannzumal bringen wird, führt dazu, dass gewisse Personen von einem Benzinpreis von fünf Franken pro Liter sprechen... ...was fast vermuten lässt, dass wir auf deutsche Verhältnisse zusteuern? Blocher: Auf das läuft es hinaus. Die treibenden Kräfte machen sich dafür stark. Dahinter steht im Grunde einzig der Fiskus, der immer neue Geldquellen anzapfen will. In Deutschland wird indes immer wieder geltend gemacht, dass die Wirtschaft unter den Ökoabgaben nicht leide, weil es im Gegenzug zu einer Umverteilung komme und die gleichwertige Entlastung im Bereich der Lohnnebenkosten entstehe... Blocher: ...das ist eine schön verbreitete Theorie. Wenn ich allein schon sehe, wofür all diese Mittel aus der Energiebesteuerung eingesetzt werden wollen, geht es nicht mehr nur um die Senkung der Lohnnebenkosten. Nein, Alternativenergien sollen gefördert werden, bestimmte Industrien sollen Zuschüsse erhalten - also halt, da wird einzig und allein im grossen Stil umverteilt. Im weiteren darf man nicht ausser Acht lassen, dass die Energie für die Wirtschaft ein Rohstoff ist, dessen Verteuerung sich nicht ohne weiteres an einem anderen Ort abgelten lässt. Beschäftigen muss uns ja im Moment die Verkehrshalbierungs-Initiative, welche im März dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wird. Die Positionen scheinen klar: Der Bundesrat ist dagegen, die Mehrheit des Parlaments verhält sich ebenfalls ablehnend. Droht nicht die Gefahr, dass man angesichts der bekannten Meinungsbilder dazu neigt, die Vorlage zu unterschätzen? Blocher: Die Verkehrshalbierungs-Initiative muss bekämpft werden! Parteien können solche Kämpfe nicht führen. Die Verkehrsverbände sind auf den Plan gerufen und täten gut daran, sich nicht allzu sehr zurückzulehnen. Auf der anderen Seite stehen nämlich ebenfalls Interessensgruppen, die der Initiative zum Sieg verhelfen wollen und den Leuten dabei das Blaue vom Himmel versprechen. So war es ja schon bei der LSVA-Abstimmung, als verkündet wurde, es gäbe nachher keine Lastwagen mehr auf der Strasse. Da wird genau gleich viel unwahres Zeugs verzapft wie an anderen Orten. Ihre Partei tritt ja vehement für eine Steuerentlastung und für eine Senkung der Staatsquote ein. Wie soll das konkret aussehen angesichts der Tatsache, dass die Wünsche an den Staat laufend steigen und damit der Finanzierungsbedarf hochklettert? Blocher: Dass die Wünsche an den Staat steigen, ist richtig. Aber man muss ihnen ja nicht nachgeben. Die Staatsausgaben müssen zurückgehen und das ist wahrlich keine Kunst, wenn nur einmal aller Blödsinn gestrichen wird. Wenn man betrachtet, was in den letzten Jahren alles gemacht worden ist. Denken Sie etwa an die Expo, deren Organisation eine Ausstellung der staatlichen Unfähigkeit ist. Oder die 800 Millionen Franken bei der PTT, welche abgeschrieben wurden wegen falscher Beteiligung in Indien und Malaysia. Da besteht ein Knäuel, in dem alles zugedeckt wird und bei dem jeder den andern deckt. Schauen Sie sich mal an, wieviele Milliarden im Asylwesen verpulvert werden, ohne dass endlich richtig Gegensteuer gegeben wird. Es gibt in Bern unglaublich viel Geldfluss, den man versiegen lassen könnte, ohne dass jemand etwas merken würde. Bleiben wir beim Finanzierungsbedarf: Schon kurz nach der Annahme der FinöV läuteten in Bern die Sturmglocken wegen drohender Kostenüberschreitungen. Bereits sind erste parlamentarische Vorstösse zu vermelden, es werden nicht die letzten sein. Worauf läuft dieses Finanzdebakel hinaus, liegt eine Redimensionierung des NEAT-Projektes im Bereich des möglichen? Blocher: Erfahrungsgemäss wird man schlicht und einfach die Kosten bewilligen, welche das Projekt zusätzlich benötigt. Das ist nun mal so. Schon bei der ersten Vorlage fand die NEAT nur die Zustimmung des Volkes, weil Adolf Ogi versprochen hat, dass dieses Vorhaben den Steuerzahler nichts kosten werde. Dann kam Moritz Leuenberger und präsentierte eine neue Vorlage, mit dem Hinweis, dass die Rentabilität nicht gewährleistet sei, weshalb es eine Schwerverkehrsabgabe brauche, die Mehrwertsteuer erhöht werden müsse usw. usw. All jene, die damals vor der Nichtfinanzierbarkeit warnten, wurden an die Wand gespielt. Und heute, wo die eigentliche Bautätigkeit noch nicht mal begonnen hat, merkt man, dass die Kostenberechnungen nicht stimmen. Ich bin der Meinung, dass Kosten-Überschreitungen dieser Ausmasse nochmals vors Volk müssten. Die Zustimmung des Souveräns ist nämlich in der Regel mit anderem Zahlenmaterial herbeigeführt worden... Im Zusammenhang mit der LSVA kommt ja auch noch einiges auf uns zu. Am Neujahrestag mussten wir vergegenwärtigen, dass die pauschale Schwerverkehrs-Abgabe sich schon mal verdoppelt hat. Wenn wir nächstes Mal zu Silvester anstossen, schenkt es noch weitaus mehr ein... Wo sehen Sie heute die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser LSVA, welche Veränderungen wird diese exorbitante Steuer auf den Wirtschaftsstandort Schweiz haben? Blocher: Die Transporte werden massiv teurer. Die Konkurrenzfähigkeit wird schwinden. Ich sehe das selber an Schweizer Unternehmen. Unsere Leute, die jetzt Investitionen beantragen, berechnen heute die Transport- und Energiekosten. Das sind zwei gewichtige Faktoren, die sich markant verschlechtert haben. Aufgrund dieser Berechnungen entschliessen sie sich dann kurzerhand, die Investition nicht mehr in der Schweiz zu tätigen. Der Wirtschaftsstandort Schweiz wird geschwächt werden, insbesondere der Industriesektor, der auf Transport und Energie angewiesen ist. Die SBB verstecken sich ja laufend hinter dem Vorwand, dass sie einen Verfassungs-Auftrag zu erfüllen hätten. Der Personenverkehr ist die eine Seite. Wie aber wäre es gewesen, wenn man den Bahngüterverkehr privatisiert hätte, womit automatisch eine Interessensverlagerung im Zusammenspiel Strasse/Schiene stattgefunden hätte und erst noch unter marktwirtschaftlichen Prinzipien? Wäre dieses Instrument nicht tauglicher als der lapidare Kunstgriff einer neuen Steuer wie die LSVA? Blocher: Ich bin sehr für dieses Modell. Die SBB sollten nach meiner Ansicht das Schienennetz zur Verfügung stellen. Privatfirmen würden auf diese Weise ein Nutzungsrecht auf dem Schienennetz erwerben, um Ware darauf zu transportieren. Das würde eine wesentliche Verbesserung bringen. Der Umlagerungseffekt von der Strasse auf die Schiene scheitert ja daran, dass die staatlich geführte Bahn zu langsam, zu umständlich und zu wenig flexibel in Bezug auf die individuellen Marktbedürfnisse ist. Heute ist es doch so, dass die Bahn Weltmeister im Herumschieben von Güterwaggons ist, aber nicht ganz ohne Grund erschrickt, wenn da noch einer etwas zum Transportieren bringt. Das ist für sie eine Belastung, eine Mehrarbeit. Das lässt den Schluss zu, dass die Bahn, so lange sie unter staatlichen Regie gestellt bleibt, nie nach marktwirtschaftlichen Gesetzen funktionieren wird? Blocher: Ja natürlich, das liegt in der Natur der Sache. Wenn man daraus schlussfolgert, die Bahn solle gänzlich privatisiert werden, schaffen wir im Gegenzug das Problem, dass ein einzelner sich eine Monopolstellung aufbauen kann. Und das privatwirtschaftliche Monopol ist auch nicht besser als das staatliche Monopol. Wichtig wäre eine Konkurrenzsituation. Würden aber die SBB das Netz unterhalten und an Private vermieten hätte dies eine belebende Wirkung auf den Markt. Damit zu Fragen, die eher etwas persönlicher Art sind. Christoph Blocher ist in der Schweizer Politlandschaft die Reizfigur schlechthin, nicht zuletzt dank der gütigen (...!) Mithilfe der Medien. Wenn Blocher ja zu etwas sagt, sehen sich die anderen bemüssigt, nein zu sagen - und umgekehrt. Stinkt es Ihnen nicht manchmal, haben Sie sich noch nie gesagt: Warum soll ich mich in der Öffentlichkeit derart aufreiben, stopp, ich zieh' mich in mein Wirtschaftsimperium zurück? Blocher: Meine Stärke liegt ja darin, dass ich es nicht nötig habe zu politisieren. Dadurch wahre ich mir eine Unabhängigkeit. Im weiteren müssen Sie sehen, dass jeder Politiker, der so viel bewegt und an so vielen Orten eine Richtung bestimmt wie ich, nur umstritten sein kann. Jene, die überall beliebt sind, sind keine Persönlichkeiten. Jene, die alle gern haben, haben nichts gemacht. Die haben sich nur vom Trend treiben lassen... ...so frei nach dem Motto: Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom... Blocher: ...ja, natürlich, ...und ausnahmslos stromabwärts. Und wer kein Gewicht hat, wird auch nicht bekämpft. Solange ich bekämpft werde, ist dies ein Zeichen dafür, dass sie mich ernst nehmen. Die Frage ist natürlich auch, wieviel man erreicht. Und da haben wir eine Bilanz, die weitaus besser ist, als man nach aussen hin sieht. Ich merke dies im Bundesrat und Parlament, wo sie Rücksicht nehmen müssen, weil sie sonst fürchten, den Blocher wieder im Nacken zu haben. Nun aber sind Sie ja einerseits ein Mann der Wirtschaft, andererseits ein Politiker. Als Unternehmer sind sie sehr europäisch oder - um das Modewort zu gebrauchen - globalisiert, als Politiker indes stemmen Sie sich gegen den Beitritt der Schweiz zur EU. Ist das nicht Widerspruch? Blocher: Nein, im Gegenteil. Damit habe ich überhaupt keine Mühe. Ich bin ja nicht der Meinung, wir müssten Mauern an unseren Grenzen errichten. Wir verkehren doch mit allen Ländern dieser Welt freundschaftlich, kulturell wie wirtschaftlich. Ich wehre mich aber dagegen, dass man sich einbindet. Und diesbezüglich hat die Schweiz eine grosse Erfahrung. Wir haben uns nie einbinden lassen und wollen unsere Entscheidungen aus eigener Kraft fällen. Das ist massgebend. Je stärker die Globalisierung voranschreitet, desto grösser wird die Sehnsucht der Menschen nach etwas Besonderem. Und das kann nur lokal geschehen. Daraus leitet sich der Anspruch ab, dass der Staat seine Eigenständigkeit wahren muss. Nicht indem er sich abschottet, aber indem er seine Entscheidungsfreiheit nicht aus der Hand gibt. Das wäre eigentlich alles. Bleibt mir einzig, Ihnen für dieses Gespräch zu danken und Ihnen im neuen Jahr alles Gute zu wünschen.
08.12.1999
So oder so gibt es eine Klärung
Christoph Blocher zum Anspruch der SVP auf einen zweiten Bundesratssitz Interview mit der Zürichsee-Zeitung vom 8. Dezember 1999 Für SVP-Nationalrat Christoph Blocher ist es nur folgerichtig, dass sich seine Bundesratskandidatur gegen den politischen Gegner, die SP, richtet. "Nicht wir, sondern SP und CVP haben mit der Konkordanz gebrochen", bilanziert er im Interview mit dieser Zeitung. Hätte die CVP auf einen Sitz verzichtet, so wäre am 15. Dezember nicht er, sondern eine andere Persönlichkeit SVP-Kandidat. von Roland Meier Stört es Sie, wenn Sie von den Medien als Volkstribun tituliert werden, als einer, der sagt, wo es in der SVP lang geht? Christoph Blocher: Wenn man unter Volkstribun jemanden versteht, der so redet, dass ihn die Leute verstehen, dann lasse ich mir diese Bezeichnung gerne gefallen. Ich gebe mir Mühe, mich so klar auszudrücken, dass mich die Leute verstehen. Selbstverständlich versuche ich auch, innerhalb der Partei Einfluss zu nehmen. Getraut sich in der SVP überhaupt noch jemand, gegen Blocher das Wort zu erheben? Blocher: Aber natürlich. Die Diskussionen in der Partei sind sehr intensiv. Dann aber wird das Ergebnis relativ geschlossen vertreten. Jetzt möchten Sie auch im Bundesrat sagen, wo es lang geht: Welches sind Ihre persönlichen Motive für die Kandidatur? Blocher: Persönliche Motive habe ich keine. Im Gegenteil: Für mich wäre es eine grosse Last, wenn ich das Amt antreten müsste. Aber ich bin bereit, diesen Schritt zu tun, weil wir als wählerstärkste Partei den Wählerauftrag ernst nehmen müssen. Wir müssen bereit sein, diese Politik auch im Bundesrat bestmöglich zu vertreten. Also für weniger Steuern, Abgaben und Gebühren zu sorgen; dafür einzustehen, dass in diesem Land wieder vermehrt für die schweizerischen Interessen eingestanden und die Neutralität geachtet wird. Diese Anliegen können zu zweit besser wahrgenommen werden als mit nur einem SVP-Vertreter. Haben wir nur einen Sitz, müssen wir uns halt von Fall zu Fall von aussen für unsere Überzeugungen einsetzen. Ihre Kandidatur ist nicht gegen die schwächste Partei im Regierungsbündnis gerichtet, sondern gegen die SP, die es auf den gleich hohen Wähleranteil bringt wie die SVP. Ist das nicht ein Widerspruch? Blocher: Wir haben uns für die Konkordanz entschieden. Die Konkordanz ist seit 1959 eine - stillschweigende - Vereinbarung unter vier Parteien. Und die lautet: Unabhängig von der politischen Richtung oder vom Wohlverhalten der jeweiligen Partei ist die Parteistärke massgebend, das heisst die drei grossen erhalten zwei, die kleinste einen Sitz. Bis anhin hatte sich die SVP mit nur einem Vertreter zu begnügen, weil wir jahrelang eben die Kleinsten waren... ...was sich am 24. Oktober schlagartig geändert hat? Blocher: Ja, jetzt gehören wir zu den Grossen. Wir haben den höchsten Wähleranteil und die CVP den tiefsten. Nachdem aber die SP beschlossen hat, die SVP erhalte nie zwei Sitze, ist sie aus der Konkordanz ausgestiegen. Desgleichen die CVP, die an ihren zwei Sitzen festhält. Die Konkordanz kann nur spielen, wenn mindestens drei Parteien dafür sind. Damit wurde die Konkordanz aufgebrochen. Wenn die Konkordanz nicht mehr gilt, haben wir gegen unseren politischen Gegner anzutreten - und das ist eben die SP. Damit kann sich die SVP eher Chancen ausrechnen, als wenn sie die CVP und ihre eben erst gewählten Bundesräte herausfordern würde? Blocher: Da unser politischer Gegner nun mal die SP ist, wäre es, nachdem wir die Konkordanz als gebrochen betrachten, unglaubwürdig gewesen, nicht gegen sie anzutreten. Anders wäre der Fall gewesen, hätte die CVP von sich aus auf einen Sitz verzichtet. In einer solchen Konstellation wäre ich heute allerdings nicht Kandidat. Dann hätten wir genügend gute Leute gehabt, die sich für dieses Amt interessiert hätten und auch angetreten wären. Sie bezeichnen sich selber als Patrioten. Haben Sie keine Bedenken, nach einem Bruch der Konkordanz würde das Land noch mehr auseinanderdriften? Blocher: Nochmals: Nicht wir brechen mit der Konkordanz. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Mit starker bürgerlicher Ausrichtung könnte vieles auch besser werden in diesem Land. Die Bürgerlichen wären zwar einer starken Kritik ausgesetzt. Sie müssten Entscheide fällen, die so gut sind, dass sie vor dieser Kritik bzw. Opposition bestehen können. Nein, Bedenken habe ich keine. Wäre denn ein Mitte-Rechts-Bundesrat überhaupt regierungsfähig, oder ist nicht zu befürchten, dass durch Referenden von links die Politik lahm gelegt würde? Blocher: Das macht doch nichts, wenn Referenden ergriffen werden. Wir sollten sowieso nicht ständig aus der Furcht vor einem Referendum Gesetze erlassen. Gefragt sind Beschlüsse, die vor dem Volk bestehen. Heute wird vielfach in einer Art regiert, dass es ja kein Referendum gibt, das Volk ja nicht abstimmen kann. Für ein solches Politisieren hatte ich nie Verständnis. Wäre nicht der Fall denkbar, dass ein Bundesrat Blocher, eingebunden ins Kollegialsystem, lahm gelegt würde, nicht mehr er selber wäre? Blocher: Diese Frage ist ernst zu nehmen. Ich hätte weniger Einfluss bei Volksabstimmungen und in der Öffentlichkeit, dafür aber mehr innerhalb der Regierung. Würden Sie das Kollegialprinzip respektieren? Blocher: Selbstverständlich. Was sagen Sie zur Hypothese, dass die SVP ohne ihre Wahllokomotive Blocher bei den nächsten Wahlen wieder zurückkrebsen wird? Blocher: Das glaube ich nicht. Die SVP ist nicht mehr nur abhängig von einer Person, wie das vielleicht früher einmal der Fall war. Heute haben wir ein sehr gutes Potenzial an sehr guten Leuten. Wäre eine Nichtwahl für Sie die Legitimation, einen noch härteren Oppositionskurs zu fahren? Blocher: Eindeutig. Wenn ich nicht gewählt werde, ist das ein Wink der Bundesversammlung, dass sie die SVP nicht gemäss ihrer Stärke in der Regierung will. Also ist unsere Überzeugung ausserhalb zu vertreten, das heisst wir müssten vermehrt als Opposition Einfluss nehmen. So oder so gibt es am 15. Dezember eine Klärung. Dann dürfte es für Adolf Ogi aber schwierig werden? Blocher: Das glaube ich nicht. Wir beide haben ja nur eine wesentliche Differenz, in der Frage der Neutralität und Unabhängigkeit, in allen übrigen Bereichen aber nicht. Und für solche Fragen hätten wir ja noch immer eine Stimme in der Regierung. Wir würden also nicht einen integralen Oppositionskurs fahren, wie wir das ja auch in der Vergangenheit nicht getan haben, als wir Kompromisse akzeptierten, die wir, wie etwa beim dritten Lohnprozent bei der Arbeitslosenversicherung, als reine Oppositionspartei ziemlich sicher mit dem Referendum angefochten hätten.
02.12.1999