Blind in diesen Fragen

Interview zu den Bundesratsersatzwahlen mit der Weltwoche vom 23. September 2010
Mit Johann Schneider-Ammann und Simonetta Sommaruga gehe es im Bundesrat «weiter wie vorher», sagt SVP-Vizepräsident Christoph Blocher.

Herr Blocher, darf man der SVP zur Nichtwahl von Jean-François Rime gratulieren?

Nein, sicher nicht. Wenn Rime gewählt worden wäre, wäre die SVP endlich wieder voll in der Regierung. Auch wenn man natürlich nicht weiss, wie SVP-Leute behandelt werden. Und jetzt sind halt wieder dreissig Prozent der Bevölkerung, die SVP wählten, im Bundesrat untervertreten. Jetzt müssen wir unsere Anliegen Ausländer und EU-Beitritt ausserhalb vertreten, was wir etwas freier tun können.

Die Chancen von Herrn Rime waren von Beginn weg eher klein. Musste er als Bauernopfer der Partei herhalten?

Er war allererste Wahl! Wir haben ihn als Einzigen angefragt, nachdem Caspar Baader absagen musste. Die Wahlchancen waren gering, vielleicht bei zwei Prozent. Obwohl die CVP und die Grünen aus strategischen Gründen hätten Rime wählen müssen – denn sie dürften kein Interesse daran haben, dass die FDP ihren zweiten Sitz betonieren kann. Aber der Neid gegen die SVP liess sie kopflos handeln. Die einzige Überraschung war, dass sich Herr Rime bis in den Schlussgang gehalten hat.

Für Sie ist es doch besser, dass Rime nicht gewählt wurde. So bleibt ein Platz für die SVP frei. Sie können wieder antreten.

Nein, nein (lacht), dass ich unbedingt wieder in den Bundesrat will und kein anderes Ziel habe, ist eine Theorie von Roger Schawinski. Ich muss ihn enttäuschen.

Die Konkordanz in der Regierung stimmt noch immer nicht – was heisst das für die Bundesratswahlen 2011?

Wir werden wieder antreten. Man hat jetzt der SVP hoch und heilig versprochen, 2011 würde unser Anspruch erfüllt. Aber auf solche Politiker-Versprechen kann man nichts geben.

Im Wahlkampf vor drei Jahren hiess der Slogan «Blocher stärken, SVP wählen!». Dieses Magnet fehlt bei den nächsten Parlamentswahlen. Wie kompensiert die SVP das?

Die Verliererparteien drücken uns in die Ecke der untervertretenen Partei.
Dank der Verliererkoalition haben wir auch weiter eine Mitte-links-Regierung. Für uns bedeutet das, dass wir eben noch stärker werden müssen. Wir sind die einzige liberal-konservative Partei, die voll zur Schweiz steht, und das liberal-konservative Gedankengut vertritt.

Kandidieren Sie für den Nationalrat?

Ich entscheide im Frühjahr. Der Druck der Partei ist relativ gross. Aber ich werde dieses Jahr siebzig, da entscheidet man nicht mehr einfach so im Voraus. Wenn es nötig ist und die Gesundheit es zulässt, trete ich an.

Was halten Sie von der neuen Bundesrätin Simonetta Sommaruga? Sie hätten sich ja Hildegard Fässler gewünscht.

Bei der SP hatte ich gar keine Wunschkandidatin. Ich bin nie für Sozialismus. Die Linke macht Politik gegen das Land. Aber wir müssen in der Konkordanz eben auch Kandidaten der anderen Parteien wählen. Und da ist es mir lieber, jemanden zu wählen, bei dem ich klar weiss, wofür die Person steht. Bei Fässler ist das der Fall, aber nicht bei Sommaruga. Sie bezieht nie klar Stellung. Sie beginnt immer schon mit dem Kompromiss. Das ist nicht gut.

Mit Johann Schneider-Ammann ist dafür wieder ein Unternehmer im Bundesrat.

Hoffentlich kann er diese Erfahrung auch einbringen. Er wird aber zwangsläufig anstossen, weil ihm die Unterstützung fehlt. Ich hoffe, er erträgt das.

Keller-Sutter steht der SVP näher.

Aber es fehlte ihr an Erfahrung, das wäre ein Nachteil gewesen.

Erstmals besteht im Bundesrat eine Frauenmehrheit.

Es heisst jetzt, das sei ein historisches Ereignis. Ich habe jedes Jahr irgendwelche historischen Ereignisse erlebt, nur die Historie nimmt es nie zur Kenntnis. Schauen wir mal, wie sie miteinander auskommen. Für die Schweiz spielt das keine grosse Rolle, weil die Regierung zum Glück nur begrenzten Einfluss hat.

Was bedeutet die neue Zusammensetzung eigentlich für die entscheidenden Dossiers: Wirtschaftspolitik, EU-Beitritt, Zuwanderung?

Wir haben weiterhin eine Mitte-links-Regierung. Da ist leider nichts zu erwarten, es geht gleich weiter wie vorher. Beide Neuen sind blind in diesen Fragen. Schneider ist blindlings für die Personenfreizügigkeit und kehrt alle Zuwanderungsprobleme unter den Tisch. Und Sommaruga will sogar noch mehr Ausländer und ist gegen einen Asylmissbrauch-Stopp.

Falls es bei der Departementsverteilung zu Rochaden kommt: Soll Ueli Maurer Verteidigungsminister bleiben?

Unbedingt. Ich rate ihm zu bleiben. Es ist ein schwieriges Departement, und er macht seine Sache sehr gut. Im Uvek würde ich mir einen Bürgerlichen wünschen. Aber die SP und die FDP werden das im Päckli wohl verhindern.

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