Wir hätten Lawinen ständig neuer Regulierungen zu übernehmen

Interview in der «SonntagsZeitung» vom 15. August 2010 mit Oliver Zihlmann

Herr Blocher, wären wir seit 1992 im EWR, hätte sich für 94 Prozent der eidgenössischen Abstimmungen nichts geändert. Unsere Souveränität wäre nicht so eingeschränkt, wie Sie damals vorausgesagt haben.
Ebenso unsinnig wäre zu sagen: «Auch wenn wir im EWR wären, könnten wir schwarze oder braune Schuhe tragen, was unsere Souveränität im EWR beweist.» Der EWR bestimmt, dass wir in einem Teil der schweizerischen Rechtsordnung die von der EU bestimmten Regeln übernehmen müssten. Das ist ein Kolonialvertrag.

In einer Kolonie würde das Volk nicht an der Urne die eigene Landwirtschafts-, Finanz- und Gesundheitspolitik bestimmen.
Auch andere Kolonialherren haben in gewissen Rechtsgebieten keinen Einfluss genommen. Aber: Was hätten wir alles übernehmen müssen, wenn die Schweiz EWR- oder EU-Mitglied wäre?

UNO-, Minarett- und Militärvorlagen gingen auch im EWR.
Politisch wären wir bei Militärvorlagen nicht frei, und wir hätten Lawinen ständig neuer EU-Regulierungen zu übernehmen.

Wenn man dem Stimmbürger aber freie Hand lässt, entscheidet er in 99 Prozent der Fälle EWR-konform. Nur die Alpen- und Gentech-Initiative standen gegen EWR-Recht.
Die Demokratie ist die Möglichkeit, Nein zu sagen. Viele Regelungen basieren auf bilateralen Verträgen, wären aber als EWR-Mitglied weisungsgemäss anders ausgefallen. Die von der Schweiz ausgehandelten Übergangsregelungen zur Personenfreizügigkeit gäbe es als EWR- oder EU-Mitglied nicht. Auch keine Kündbarkeit der Regelungen. Im EWR müssten wir zudem neu den freien Zugang zu unseren Universitäten für alle Studenten der EU gewährleisten. Das würde für die Schweiz sehr teuer. Und der EWR würde uns Regeln aufbürden, die die Wirtschaft treffen.

Nämlich?
Zum Beispiel einen mehrmonatigen Vaterschaftsurlaub. Sowohl im EWR als auch in der EU müsste die Schweiz Milliarden bezahlen.

Sind wir denn mit den Bilateralen so viel freier als im EWR? Bei jeder Abstimmung über die Personenfreizügigkeit riskieren wir die Kündigung.
Die Kündigung ist illusorisch, weil die EU kein Interesse daran haben kann. Warum sollen wir eigentlich in den EWR? Heute ist erwiesen, dass es den Schweizern ausserhalb der EU wirtschaftlich besser geht und wir mehr zu sagen haben.

Zur Bunderatswahl:
Den Sitz der SP erben können wir nur mit Unterstützung der FDP. Scheitern wir, haben wir m.E. gegen den Freisinn anzutreten. Die Grünen werden ebenfalls jemanden gegen die FDP ins Rennen schicken. Doch wenn sie dabei nicht durchkommen, was absehbar ist, erwägen sie, danach den SVP Kandidaten zu unterstützen. Für die  Erneuerungswahlen  2011 haben sowohl die Grünen, wie die CVP ein Interesse daran, dass die FDP bis zu den Wahlen keinen zweiten Sitze im Bundesrat hat, damit nach den Wahlen, der zweite Sitz an die noch ungewisse viertgrösste Partei frei vergeben werden kann.

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