Wir wählen zwischen Cholera und Pest

Interview im «SonntagsBlick» vom 23. Mai 2010 mit Hannes Britschgi

Herr Blocher, bis jetzt war die SVP strikt gegen den Staatsvertrag. Warum?
Christoph Blocher: Der Vertrag ist und bleibt eine Katastrophe: Für die USA ist er rechtsgültig, weil der Bundesrat  keinen Vorbehalt einfügen liess. Keinen bezüglich einer gerichtlichen Überprüfung, keinen bezüglich der Genehmigung durch das Parlament. Der Vertrag aber verletzt ganz massiv schweizerisches Recht.

Warum sind Sie jetzt plötzlich bereit, diesem Vertrag zuzustimmen?

Dieser Vertrag wird genehmigt, entweder als alleiniges Übel mit uns oder der SP, mit zusätzlichem Unsinn. Wir wählen zwischen Cholera und Pest.

Erklären Sie uns die Pest!
Wenn wir ablehnen, stimmt die SP dem Vertrag zu, aber nur wenn eine neue Unternehmenssteuer bewilligt wird.

Sie meinen die Boni-Steuer?
Zur Tarnung sagt man «Boni-Steuer». Dabei werden gar keine Boni besteuert. Das Unternehmen wird besteuert. Deshalb sind die Manager für diese Steuer. Sie kriegen ihre Boni und zahlen trotzdem nicht mehr Steuern. Die Boni gehen auch nicht zurück. Die Boni sollen  aus dem Gewinn des Unternehmens bezahlt werden. Das geht also den Aktionären ab, zum Beispiel den Pensionskassen, die beteiligt sind. Der Bundesrat hat aber der Erpressung durch die SP nachgegeben, obwohl er  eigentlich gegen die Boni-Steuer ist..

Das darf nicht sein?

Wenn die SVP den US-Vertrag ablehnt, wird also nicht nur der himmeltraurige Vertrag genehmigt, sondern eine weitere Dummheit – die zusätzliche Unternehmenssteuer. Dazu kommt: Nur mit der SVP wird gesorgt, dass solche schädlichen Verträge nicht mehr abgeschlossen werden.

Sie und die SVP stossen sich vorallem an der Boni-Steuer. Aber von Obama bis Europa wollen alle eine solche Steuer. Nur die Schweiz soll sich dagegenstemmen?
Nehmen Sie diese Staaten nicht zum Vorbild. Rund herum sind bald alle Pleite, vor allem auch die USA. Diese Staaten wollen die Kassen füllen, darum sprechen auch sie von Boni-Steuern! Die SVP hat ein klares Konzept zur Bekämpfung der Boni-Missbräuche.

Wenn der Staatsvertrag im Parlament – neu also mit Unterstützung der SVP- genehmigt wird, werden Schweizer Bürger der amerikanischen Justiz ausgeliefert. Können Sie das verantworten?
Nein, aber ich habe leider keine Möglichkeit das zu verhindern.

Die SP sagt: Schaut die SVP will im Kampf gegen die Boni-Steuer das Bankgeheimnis opfern?
Nicht wir, sondern die SP. Und erst noch mit zusätzlich anderem Unsinn. Manchmal muss man im Leben für etwas Schlechtes stimmen, nur um noch grösseres Übel zu verhindern.

Die FDP sagt Ja zum Staatsvertrag, will ihn aber nicht dem fakultativen Referendum unterstellen.

Das geht nicht. Der Beschluss zur Genehmigung dieses Staatsvertrages  setzt andere Gesetze ausser Kraft, nämlich die, die heute gelten. Also muss er zwingend dem Referendum unterstellt werden.

Wird jemand das Referendum ergreifen wollen?
Ich weiss es nicht, glaube es aber kaum.

Sie haben sich ja auch schon getäuscht und zwar bei den eigenen, jungen Parteimitgliedern!

Kann schon sein. Dann wird er halt ergriffen. Dann gibt es eine Volksabstimmung. Das wäre gar nicht so schlecht, aber es wird nicht dazu kommen.

Vor ein paar Tagen wurde ein neuer SRG-Generaldirektor gewählt: Roger de Weck – ein treuer wie scharfer SVP- und Blocherkritiker.
Das ist auch der einzige Grund, warum er gewählt wurde. Es ist das letzte Aufbäumen der Gut-Menschen-Clique, die gesehen hat, dass in der Schweiz niemand mehr Ernstzunehmende in die EU will – ausser de Weck. Man hofft wohl auf einen voraus eilenden Gehorsam nach unten. Das heisst Ausgrenzung der SVP am Monopolfernsehen.

Hat sich die SRG eine politische Hypothek im rechten Lager angeschnallt?

Ich hätte geraten, nicht einen solch parteiischen Mann zu wählen. In einer solchen Rolle muss der Chef für alle Seiten schauen.

Ist es denn nicht hervorragend, dass das publizistische Projekt SRG einen publizistischen Kopf gekriegt hat. Jetzt haben Sie dort einen brillianten Gegner?
Wäre alles schön und gut. Er vertritt aber eine Position, die die andere Meinung nicht zulassen will. Er ist im «Club helvétique» und im Verein «Unser Recht». Die wollen sagen, über was das Volk abstimmen darf und über was nicht. Die sind gegen die direkte Demokratie. Man will eine „Gutmenschen-Diktatur“ einrichten.

Er hat seine Mitgliedschaft im «Club helvétique» sistiert.
Eben nur sistiert! Gesinnung bleibt – auf dem Papier verschwindets. Und dieses Wahlprozedere! So wie wir zur Volkswahl des Bundesrates greifen müssen, so werden wir auch hier die Bürger  einschalten müssen: Das TV-Publikum braucht mehr Einfluss. Auch bei den Gebühren. Die SVP nimmt sich diesem Problem an. Ende mit „Sauhäfeli – Saudeckeli“.

Was kann das konkret heissen?
Ich bin überzeugt: das Deutschschweizer Fernsehen braucht keine Gebühren. Die Werbung genügt. Die Welschen sowie die italienische und rätoromanische Schweiz können wir aus der Bundeskasse unterstützen. Gegen einen Service Publique für die Minoritäten habe ich nichts einzuwenden.

Unsere Gebührengelder gehen ins Welschland sowie in die italienische und rätoromanische Schweiz.
Wir haben aber keine Kontrolle. Und wer bestimmt die Gebühren? Der Bundesrat mit der SRG. Bei den Steuern …….  . Nur Volk und Stände! 0,4 Prozent Mehrwertsteuer macht für die Leute weniger aus als die Radio- und Fernsehgebühren. Das aber musste vor Volk und Stände. Faktisch werden in Zukunft Herr de Weck und sein Freund Leuenberger die Radio- und Fernsehgebühren bestimmen.

Bundesrat Ueli Maurer steckt mit seiner Armee im Tief. Wo liegt das Problem?
Er musste ein neues Leitbild entwerfen. Jetzt liegt ein Sicherheitspolitischer Bericht vor, bei dem man das Gefühl kriegt, zwei hätten ihn geschrieben: Der erste Absatz ist für die Landesverteidigung, der zweite nur für Auslandeinsätze. Jetzt muss er ein Armeepapier machen. Ich hoffe, er hat die Kraft zu echten Varianten.

Er will «die beste Armee der Welt».
Richtig: Die beste Armee zur Verteidigung des Landes. Also aufhören mit sinnlosen Auslandeinsätzen, dem Liebäugeln mit der Nato. Wir müssen uns wieder auf die Schweiz konzentrieren. Müssen uns fragen: Was ist ein möglicher Krieg? Was heisst heute der Cyber-War?

Sie meinen also gar nicht mehr mit Panzer, Flugzeuge und Abwehrraketen aufrüsten?

Moment: Rundherum verschuldete Staaten, die geklaute Daten kaufen. Da ist es ein kleiner Schritt, um bei Banken einzubrechen, um Daten direkt zu holen und als nächstes wohl die Bundeskasse, Die Schweiz und …..
Wir müssen uns vorbereiten mit einer Armee, die rasch mobilisiert werden kann, wenn die Polizei überfordert ist. Da braucht es viele Soldaten, die man rasch aufbereiten kann.

Sie sehen unsere eigenen Nachbarn ins Land kommen, um unsere Banken zu knacken. Eine wilde Vorstellung!
Sie lachen! Hätten Sie sich vor vier Jahren vorstellen können, dass unsere Nachbarn geklaute Bankdaten kaufen? In der Kriegsvorbereitung müssen Sie damit rechnen, dass das technisch mögliche auch tatsächlich möglich ist.

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