Warum der Schweizerische Bundespräsident weder ins Ausland reisen noch selbst verhandeln sollte

Artikel in der «Sonntagszeitung» vom 6. September 2009

Am 21. August 2009 trat Bundespräsident Merz in Libyen, wo seit Monaten zwei Schweizer an der Ausreise gehindert werden, vor die Medien. Merz erklärte selbstbewusst, er habe mit Libyen einen Staatsvertrag abgeschlossen.
Wörtlich sagte er: “In diesem Jahr bin ich der Bundespräsident. Es galt, einen Führungsentscheid zu treffen. Ich habe ihn gefällt und übernehme dafür die volle Verantwortung mit allen ihren Konsequenzen.”

Diese Sätze des Bundespräsidenten zeigen drastisch die herrschende Orientierungslosigkeit. Im Bundeshaus weiss kaum noch jemand, was ein Schweizer Bundespräsident ist, was er zu tun und was er zu unterlassen hat. Und wie die Worte des Bundespräsidenten zeigen, weiss er selber es am allerwenigsten.

Im Gegensatz zu anderen Staaten kennt die Schweiz keinen Staatspräsidenten. Diese sind nämlich Relikte früherer Kaiser- und Königreiche. Das war unser Land nie. Darum hat und will unser Land keinen Staatspräsidenten.
Der Bundespräsident präsidiert für ein Jahr die Landesregierung – und weiter nichts. Er ist – und dies mit guten Gründen – für nichts Bedeutendes zuständig. Wie es in einem föderalistischen Bundesstaat sein muss, leitet er lediglich die Bundesratssitzungen und garantiert so das Funktionieren der Regierung.

Die Schweiz wollte und will keinen Bundespräsidenten mit eigenen Vollmachten. Er ist primus inter pares. Das wussten frühere Generationen sehr wohl. Darum war es allgemein anerkannte und selbstverständliche Tradition, dass der Bundespräsident in seinem Amtsjahr nicht ins Ausland reist. Erst Bundesrat Ogi brach 1993 als Bundespräsident in jugendlichem Übermut mit dieser gescheiten und klugen Tradition. Und seither gefielen sich alle Bundespräsidenten an monarchisch anmutenden Staatsempfängen, reihten in ihren Büros stolz ihre Porträts mit ausländischen Staatsoberhäuptern auf und buhlten oft willfährig um Audienzen bei ausländischen Staatschefs. Dieser Rummel war nicht zum Vorteil der Schweiz – im Gegenteil.
Und wie immer wenn die Führung versagt, ruft man in solchen Fällen reflexartig nach neuen Strukturen und nach Staatleitungsreformen. So will Bundesrat Couchepin einen mehrjährigen Bundespräsidenten, dem jeweils das Departement des Äusseren zu unterstellen wäre: “L’état c’est moi!” Nein. Wir brauchen keine neuen Strukturen, sondern fähigere Bundesräte.

Ganz verheerend wird es, wenn Bundesräte oder gar der Bundespräsident selber verhandeln. Sowohl in der Wirtschaft wie in der Politik gilt der eiserne Grundsatz, der oberste Chef darf nie selber verhandeln. Der Chef, also die einzelnen Bundesräte, geben die Absicht bekannt, prüfen vorgelegte Varianten und führen die Verhandler – aber nie am Verhandlungstisch! Wo sich Bundesräte in Verhandlungen stürzen, kann es nur schief gehen. Sie werten sich auch selbst ab. Zum Verhandeln hat man Staatssekretäre, Botschafter, ernannte Minister und Amtsvorsteher, die Verträge zurückweisen können, ohne das Gesicht zu verlieren.

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