Streitgespräch zwischen Christoph Blocher und Ruedi Noser

Für einmal kämpfen die beiden Unternehmer wirtschaftspolitisch gegeneinander: Alt-Bundesrat Christoph Blocher und der freisinnige Ruedi Noser.

Interview im “Tages-Anzeiger”

 

Für einmal kämpfen die beiden Unternehmer wirtschaftspolitisch gegeneinander: Alt-Bundesrat Christoph Blocher und der freisinnige Ruedi Noser.


Soll der Bund die Löhne der Grossbanken regeln?


SVP-Strategiechef Christoph Blocher will die obersten Saläre von UBS und CS staatlich regulieren wie bei den SBB. Das sei Gift für den Finanzplatz, sagt FDP-Nationalrat Ruedi Noser.


Herr Blocher, bis jetzt hat die SVP einen liberalen Wirtschaftskurs verfolgt. Nun wollen Sie plötzlich die Grossbanken an die staatliche Kandare nehmen. Warum?


Blocher:
Die SVP verfolgt weiterhin einen liberalen Kurs. Aber die Grossbanken sind so gross geworden, dass der Staat sie nicht fallen lassen kann. Sie haben faktisch eine Staatsgarantie. Damit gelten die liberalen Grundsätze nur noch beschränkt. Der UBS musste der Staat ja bereits mit einem Rettungspaket unter die Arme greifen.

 

Muss sich der Bund deswegen stärker einmischen?

Blocher: Er hat sich schon eingemischt! Sie können einem Unternehmen nicht mit sechs Milliarden helfen und sagen, jetzt kannst du machen, was du willst. Wir vertreten auch die Steuerzahler.

 

Noser: Wir mussten bei der UBS reagieren, weil alle anderen Staaten ihren Banken Garantien abgegeben haben. Ohne diese Garantien hätte die Schweiz nicht handeln müssen. Der Bund hat sich aber nicht an der UBS beteiligt. Er zeichnete eine Pflichtwandelanleihe, für die er zwölf Prozent Zins erhält. Es geht um eine Überbrückungsfinanzierung.

 

Blocher: Das ist Schlaumeierei. Hätte der Staat nicht rettend eingegriffen, wäre die Bank Konkurs gegangen. Kein Privater hätte die Anleihe gezeichnet und eine Auffanggesellschaft für die «toxischen» Papiere gegründet. Hätte die Schweiz die Bank fallengelassen, wäre sie zum Stillstand gekommen. Der Bund muss die Wandelanleihe innert 30 Monaten in Aktien umwandeln. Das heisst, er muss etwa 10 Prozent des Aktienkapitals übernehmen. Dann muss er Verantwortung wahrnehmen und einen Verwaltungsrat stellen. Nicht irgendeinen Verwaltungsglobi, wie ihr sagt. Sondern eine unabhängige Persönlichkeit, welche die Interessen des Staates in dieser Bank wahrt.

 

Wer könnte das sein?

 

Blocher: Es gibt zahlreiche Leute, die dafür in Frage kommen. Dieser Verwaltungsrat muss ja nicht die Bank führen, sondern die Interessen des Bundes vertreten.

 

Was kann denn eine einzige Person bewirken, wenn die übrigen Verwaltungsräte eine andere Meinung vertreten?

Blocher: Er kann mitwirken und sich gegen die Entscheide wehren. Ich war ja auch allein im Bundesrat. Ganz vergebens war das auch nicht.

 

Noser: Die Banken stehen in einem internationalen Wettbewerb. Da braucht es keinen Verwaltungsbeamten im Verwaltungsrat, sondern Leute, die etwas vom Geschäft verstehen.

 

Herr Blocher geht aber sogar noch einen Schritt weiter und will auch die Salärstruktur der Grossbanken staatlich bestimmen. Wie stellen Sie sich das konkret vor, Herr Blocher?

Blocher: Wir lehnen uns an jene Unternehmen an, bei welchen der Staat bereits das Risiko tragen muss etwa bei der ZKB, der Swisscom, der Nationalbank und den SBB. Hier muss der Staat die Verantwortung für die obersten Saläre übernehmen insbesondere für jene des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung.

 

Noser: Martin Scholl von der ZKB verdient deutlich mehr als eine Million. Und zwar für die Leitung einer Bank, die dreissigmal kleiner ist als die UBS. Heisst dies, dass UBS-Chef Marcel Rohner über 30 Millionen erhalten soll?

 

Blocher: Typisch Freisinn! Die Grösse ist massgebend für das Salär!

 

Noser: Entschuldigung! Man muss doch ein Kriterium haben.

 

Blocher: Aber sicher nicht die Grösse.

 

Noser: Man kann ja auch den Gewinn nehmen . . .

 

Blocher: . . . zum Beispiel jenen des letzten Jahres? (lacht)

 

Noser: Die UBS steht in einem globalen Wettbewerb. Da kann man doch nicht die schweizerischen Regiebetriebe als Vergleichsgrösse heranziehen. Die Deutschen haben das in den 50er-Jahren in der Pharmaindustrie gemacht. Worauf die Pharmaindustrie ausgewandert ist. Mit staatlichen Interventionen verschwinden ganze Branchen. Bei den Banken würde das Kleinkundengeschäft sicher in der Schweiz bleiben. Aber die Weltmarktplayer wären weg.

 

Wollen Sie die internationalen Banker vertreiben, Herr Blocher?

Blocher: Wo wollen die denn hin? Das ist doch dummes Zeug. Es waren vor allem höchstbezahlte Leute im Investmentbanking in den USA, auf die man hätte verzichten können. Während Jahren steckten sie Riesenboni in ihre Taschen für Scheingewinne. Sie müssen sich von diesen Salärstrukturen verabschieden.

 

Noser: Herr Blocher hat in den 90er-Jahren mit gewissen Anlagevehikeln mehr Provisionen kassiert als der frühere UBS-Chef Marcel Ospel.

 

Blocher: Ja, als Aktionär. Was spricht dagegen?

 

Bis jetzt war die SVP gegen Lohnobergrenzen.

Blocher: Das bin ich auch heute noch.

 

Aber Sie sprechen sich nun für eine staatliche Regulierung der Löhne aus. Darf danach UBS-VR-Präsident Peter Kurer noch ein Fixgehalt von 2 Millionen kassieren?

Blocher: Die Verantwortlichen beim Bund sollen nun ein Salärsystem ausarbeiten. Dort gibt es genügend Leute.

 

Noser: Carsten Schloter von der Swisscom verdient meines Wissens 1,8 Millionen.

 

Blocher: Was spricht dagegen? Es gibt verschiedene Systeme.

 

Noser: Das kann man doch nicht staatlich regeln. Eine Firma, die global tätig ist, muss auf die lokalen Gegebenheiten Rücksicht nehmen. Bei mir in der Schweiz ist das grösste Salär viermal höher als das tiefste. In Kanada, wo ich einen Ableger habe, ist es elfmal höher. Wenn ich das nicht akzeptiere, kann ich dort keine Geschäfte machen.

 

Ist Ihnen wohl, Herr Blocher, wenn Beamte die Salärstruktur einer Bank bestimmen?

Blocher: Nein. Aber bei einer Bank, für die er haften muss, muss er es _ ob er es kann oder nicht. Aber er findet bestimmt Fachleute, die das für ihn tun. Sie geben ja ohnehin alles extern.

 

Sie wollen die Grossbanken in voneinander unabhängige, selbstständige Tochtergesellschaften fürs In- und Auslandgeschäft aufteilen. Warum?

Blocher: Heute haftet die Schweiz für die Risiken aller Bankplätze der Grossbanken. So auch für die USA. Dort wurde die Katastrophe gebaut. Man muss die Risiken aufteilen, indem man verschiedene von einander unabhängige Ländergesellschaften führt, die in einer Holding zusammengefasst sein können. Die UBS USA unterstünde dann als selbstständige Bank amerikanischem Recht und verfügte über ein eigenes Kapital. Geht sie Konkurs, könnte die UBS Schweiz weitergeführt werden, womit die Schweizer Volkswirtschaft nicht gefährdet wäre.

 

Noser: Wenn Sie als kleiner Staat eine erfolgreiche Branche haben, können Sie machen, was Sie wollen: Sie tragen so oder so ein Klumpenrisiko, wenn die Branche kollabiert. Da spielt es keine Rolle, ob man zwanzig kleine oder eine grosse Bank hat. Aber offenbar will Herr Blocher zurück ins 19. Jahrhundert. Die Finanzindustrie hat sich in den letzten 40 Jahren nun mal globalisiert. Würde man die Banken in Ländergesellschaften aufteilen, bräuchte man für jeden Teil eine eigene nationale Bankenaufsicht. Und ein Grosskonzern könnte sich nicht mehr global aus einer Hand finanzieren. Die Banken sollen daher selbst entscheiden können, wie sie sich organisieren wollen.

 

Blocher: Aber nur, wenn die Schweiz nicht haftet!

 

Noser: Wenn wir ein weltweit führender Finanzplatz sein wollen, müssen wir auch das Risiko tragen. Wir sind ja international betrachtet sehr wenig betroffen. Weltweit wurden 15’000 Milliarden gesprochen.

 

Blocher: Vergleichen Sie nicht immer mit den noch schlimmeren Fällen.

 

Noser: London ist viel stärker betroffen. Dort wird der Finanzplatz vermutlich mehr als halbiert.

 

Blocher: Reden wir über die Schweiz.

 

Noser: Als die Credit Suisse 2003 in einer Krise steckte, sprach niemand von Staatsintervention. Heute jedoch liegt weltweit eine ganze Branche darnieder. Wenn die UBS zusammengekracht wäre, hätte die Schweiz kein Problem gehabt. Das Problem hätte die ganze Welt gehabt. Es gibt sehr gescheite Leute, die sagen, dass dann während zehn Tagen auf der ganzen Welt keine Bank mehr ihre Schalter geöffnet hätte. Es ist eben ein globales Problem.

 

Blocher: Ach so? Wie wurde denn das Rettungspaket begründet? Allein damit, dass bei einem Konkurs der UBS die ganze Schweizer Volkswirtschaft mitgerissen worden wäre. Nur deshalb haben wir von der SVP zugestimmt.

 

Noser: Selbstverständlich ging es auch um die Volkswirtschaft. Aber man hat auch einen Ruf zu verlieren auf dieser Welt. Wir Freisinnigen möchten dafür sorgen, dass unser Finanzplatz nach dem Gewitter die weltweit besten Voraussetzungen hat. Und da sind Staatsinventionen Gift. Sonst müsste man ja auch die Roche verstaatlichen, die als einziges Pharmaunternehmen die Welt mit Tamiflu beliefert. Es gäbe viele solcher Beispiele.

 

Blocher: Sie bagatellisieren die Sache. Ich habe vor Jahren alle Firmen in der Schweiz auf ihre volkswirtschaftlichen Risiken untersucht. Roche und Novartis würden einen volkswirtschaftlichen Schaden bringen, das wäre aber nicht untragbar. Dies gilt auch für Swiss Re, Nestlé, ABB und so weiter. Die Verantwortlichen der Swiss Re haben nach aussen dementiert, beim Bund nach Staatshilfe gefragt zu haben. Das ist ein Zeichen dafür, dass sie darüber diskutiert haben. Ich würde mich mit Händen und Füssen dagegen wehren, dass die Swiss Re auch noch unterstützt würde.

 

Noser: Ich will ja nichts schlechtreden, aber wenn die Axa Winterthur kollabieren würde, hätten 700’000 Leute keine Pension mehr. Da würde der Staat reagieren. Es gibt mehr Firmen, als Christoph Blocher meint, bei denen der Staat reagieren müsste, wenn sie kollabieren würden.

 

Blocher: Die Swissair wolltet ihr stützen, die Swiss habt ihr gestützt, obwohl man das nicht hätte tun dürfen. Das Geld ging verloren.

 

Herr Noser, ist die SVP Ihrer Ansicht nach noch eine Wirtschaftspartei?

Noser: Was Herr Blocher sagt, ist interventionistisch. Das widerstrebt uns. Und wir möchten nicht, dass der Staat alles reguliert. Ich bin aber vorsichtig beim Titulieren anderer Parteien, auch wenn ich von der anderen Seite sehr oft Titulierungen des Freisinns höre.

 

Blocher: Das ist Schattenboxen. Wir sind selbstverständlich für Freiheit und Marktwirtschaft. Aber wo der Staat interveniert, zahlt und die Haftung übernimmt, muss er Verantwortung übernehmen. Leider.

 

SP-Präsident Christian Levrat will Ihre Forderungen wörtlich übernehmen. Freut es Sie, mit den Linken in einem Boot zu sitzen?

Blocher: Das hätte er schon lange machen können. Natürlich freut es die SVP, wenn andere Parteien ihr abschreiben. Offenbar hat die SP keine besseren Ideen mehr.

 

Glauben Sie, dass Sie sich am Ende durchsetzen werden?

Noser: Mit den Linken zusammen hat die SVP die Mehrheit.

 

Blocher: Hauptsache, wir setzen uns durch.

 

Ihre eigenen Leute sind offenbar schwieriger zu gewinnen als die Sozialdemokraten.

Blocher: Die Parteileitung hat sich für dieses Konzept entschieden. Nun kann jeder dazu Stellung nehmen. Danach schauen wir, ob wir eine Mehrheit finden. Ich bin zuversichtlich.

 

Der Wirtschaftsflügel Ihrer Partei ist über diese Vorschläge aber nicht sonderlich erfreut.

 

Blocher: Wer ist denn der Wirtschaftsflügel? Ich gehöre anscheinend nicht dazu, denn ich verstünde ja nichts von Wirtschaft. Aber vielleicht ist die Wirtschaft hier das Wirtshaus. (lacht)

 

Noser: Mit Ihrem Interventionismus vernichten Sie Wert, Herr Blocher.

 

Blocher: Entschuldigung, wer hat denn bis jetzt Werte vernichtet? Wer zahlt, der befiehlt. Und wer haftet, muss sich darum kümmern, dass er nicht zu Schaden kommt.

 

Noser: Die Schweiz hat ja gerade nicht in eine Bank investiert. Das haben alle anderen Länder gemacht. Die Citibank, die Bank of America und der Versicherer AIG gehören dem amerikanischen Staat. Wir haben hier mit der Pflichtwandelanleihe einen anderen Weg gewählt. Die anderen Staaten beneiden uns um diesen Lösungsweg. Und nun will ihn Herr Blocher umkehren. Er will, dass wir den gleichen Mist machen wie die anderen Länder.

 

Blocher: Ich will nicht, dass der Staat die UBS übernimmt. Im Gegenteil. Ich hoffe, dass die Schweiz das nicht auch noch machen muss.

 

Noser: Wenn wir die Risiken abbauen, bauen wir auch die Ertragschancen ab. Wir müssen uns eben entscheiden, ob wir einen weltweit konkurrenzfähigen Finanzplatz haben wollen. Wenn ja, werden wir gewisse Risiken tragen müssen, haben dafür aber auch eine sehr hohe Wertschöpfung. Ohne Finanzplatz wäre unser Bruttosozialprodukt etwa gleich hoch wie jenes von Portugal.

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