Man müsste die Tätigkeit im Ausland beschränken

Interview in der „SonntagsZeitung“ vom 21. September 2008

Mit Beat Schmid und Niklaus Vontobel

Fürchten Sie nicht mehr um die Existenz der UBS?

Nichts ist ausgeschlossen. Aber ich glaube, dass die UBS durchkommt. Aber die Ereignisse der letzten Tage zeigen, dass auch grösste und gute Firmen nicht vor dem Untergang gefeit sind. Deshalb muss der Staat wissen, was das für die ganze Volkswirtschaft heisst, und ob er in Zukunft für solche Fälle gewappnet ist.

Haben der Bundesrat und die Nationalbank nicht schon längst einen solchen Plan?

Ich glaube nicht. Der schlimmste Fall ist nicht geplant. Und vor allem: Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, die untragbare Risiken ausschliessen.

Haben Sie das Thema im Bundesrat besprochen?

Als die Rentenanstalt (heute Swiss Life) damals in Schieflage geriet, wurde es diskutiert. Weil sich die Situation dann besserte, sah man von Entschlüssen für den «Worst Case» ab. Das ist ein Fehler. Es gilt, Brandmauern zu errichten, damit es nicht zu einem Flächenbrand kommen kann! Das kann man nicht erst tun, wenn es schon brennt.

Wie sieht Ihr Notfallplan aus?

Im Detail habe ich ihn nicht. Aber die realistische Fragestellung wäre ein Erfolg. Ich glaube, dass wir in der Schweiz Rahmenbedingungen schaffen müssen, die Flächenbrände mit untragbaren Risiken verhindern. Die Risiken im schlimmsten Fall sind bei der heutigen Grösse von Banken und Versicherungen wohl untragbar. In der heutigen Organisation und im Verständnis der Marktteil-nehmer muss das Stammhaus in der Schweiz auch für sämtliche Verbindlichkeiten des Unternehmens im Ausland geradestehen, zum Beispiel bei der UBS die Risiken des USA-Geschäftes tragen. Das sind enorme Risiken. Wäre die Schweiz dazu überhaupt in der Lage? Ich glaube nicht.

Wie soll der Notfallplan konkret funktionieren?

Man könnte sich eine Holdingstruktur vorstellen, wobei das Geschäft in der Schweiz durch eine eigene Tochtergesellschaft betrieben würde. Die Tätigkeit der Holding im Ausland müsste auf ein bestimmtes Verhältnis zum Inlandgeschäft beschränkt werden, sodass die Existenz der Schweizer Bank nie gefährdet werden könnte oder – im schlimmsten Fall – in Krisen der Volkswirtschaft durch unser Land aufgefangen werden könnte. Die übrigen Tochtergesellschaften müssten weitgehend autonom geführt werden. Mit einer solchen Struktur würde das Wachstumspotenzial des Konzerns nicht eingeschränkt, das Risiko aber wesentlich transparenter. Das Vermögensverwaltungsgeschäft würde durch diese Organisation noch gestärkt.

Wie hoch wollen Sie dieses Verhältnis ansetzen?

Das ist zu eruieren. Es ist jetzt politisch zu fordern, dass eine Spezialistengruppe die Risiken und ihre Folgen auf die Schweiz untersucht und Vorschläge unterbreitet. Diese Arbeitsgruppe müsste dann auch die Frage beantworten, für welche Branchen, Geschäfte und Unternehmen diese Obergrenzen gelten sollten. Alles muss sich am für das Land tragbaren Risiko im schlimmsten Fall orientieren.

EBK und Nationalbank wollen als Sicherungsmassnahme eine Verschuldungsobergrenze einführen.

Dies dürfte wenig nützen, aber die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Finanzinstitute schwächen. Ziel muss sein, die Konkur-renzfähigkeit des Finanzplatzes nicht zu schwächen. Eine gewisse Gewinnschmälerung in guten Zeiten müsste jedoch in Kauf genommen werden.

Also auch weniger konkurrenzfähig

nein. Das würde für alle Konkurrenten gleich sein. Aber die Konkurrenzfähigkeit könnte man schnell stärken, indem wir endlich die Emissionsabgaben (Stempelsteuer) abschaffen!

Haben Sie Ihre Ideen bereits mit Vertretern der Banken diskutiert?

Ja. Natürlich sind diese – aus der Sicht der Banken – nicht erfreut, weil sie dies etwas einschränkt. Aber es geht hier nicht um die Banken allein. Es geht um die Risiken für die schweizerische Volkswirtschaft.

Ihr Vorschlag würde eine Gesetzesänderung bedingen.

Die SVP wird voraussichtlich noch in dieser Session einen Vorstoss einreichen, der die Prüfung dieser Fragen und Lösungsvorschläge verlangt. Ebenso muss das Problem der Wertpapierleihe – das sogenannte Securities Lending – für Finanzgesellschaften neu geregelt werden.

Welche Änderungen wollen Sie dort durchsetzen?

Es kann einfach nicht sein, dass Banken Aktien ausleihen an Marktteilnehmer, die dann die Kurse von Unternehmen – auch mit fragwürdigen Mitteln – nach unten treiben. Mit Leerverkäufen oder Shortsellings wird auf diese Art Kursmanipulation betrieben. Wie die jüngsten Ereignisse gezeigt haben, kann auf diese Art das Vertrauen in die gesamte Bankenbranche untergraben werden. Hier ist Handlungsbedarf gegeben.

Ein Verbot müsste allerdings international koordiniert sein.

Eben höre ich, dass die Amerikaner und die Engländer jetzt Massnahmen in dieser Richtung ergriffen haben. Die Engländer sollen Securities Lendings ab sofort verboten haben, und die USA ermitteln sogar strafrechtlich.

Die Notenbank hat die grosse Versicherung AIG de facto verstaatlicht und Verluste aus der Krise dem Steuerzahler aufgebürdet. Missfällt Ihnen dies nicht?

Doch. Aber jetzt ist es wie im Krieg: Zum Schutze einer Volkswirtschaft sind in solchen Fällen ausserordentliche Massnahmen notwendig.

Welche Folgen hat die Krise für die Schweiz, schlittern wir in eine Rezession?

Auf jeden Fall dürfte es wirtschaftlich schlechter gehen. Die weltweite Finanzkrise wird diesen Trend etwas verstärken. Ob es gerade eine eigentliche Rezession geben wird, muss man abwarten. Aber es ist klar: Nach der Überhitzung der letzten Jahre folgt zwangsläufig wieder eine Abkühlung.

Volkswirtschaftsdirektorin Doris Leuthard sieht noch keine Anzeichen für eine Verschlechterung

Das ist wohl auch von Wunschdenken geprägt. Sie will öffentlich nicht auf Panik machen. Das ist sogar verständlich. Hoffentlich denken aber der Bundesrat und die Unternehmer weiter.

Kommt es zu einer Kreditklemme in der Schweiz?

Banken und Kredite leben vom Vertrauen. Dieses ist angeschlagen, darum sind Kredite erschwert, obwohl viel Geld vorhanden ist. Jeder misstraut dem anderen. Das ist auch in der Schweiz so.

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