Es gibt kein Recht auf Einbürgerung

Interview in der „REGION“ vom 24. April 2008

Von Alex Piazza

Gestern Bundesrat, heute Parteistratege. Christoph Blocher fühlt sich wohl in seiner neuen Rolle als Oppositionsführer. Vor seinem Auftritt in Emmen sprach er mit der REGION (Alex Piazza) über die Einbürgerungsinitiative.

Christoph Blocher, seit Ihrer Abwahl aus dem Bundesrat ist es ruhig geworden um Ihre Person. Was haben Sie in der Zwischenzeit getan?

Christoph Blocher: Zuerst habe ich mal Ferien gemacht. Plötzlich vier Wochen weiss im Kalender: das habe ich bisher noch nie erlebt. Ich war mit meiner Frau auf Wandertour in Südamerika. Bis Sommer arbeite ich voll und ganz für die Partei. Als Vizepräsident der SVP Schweiz leite ich das Ressort Strategie, und bin für die Kampagnen zuständig. Es ist gut möglich, dass ich nach den Sommerferien zusätzlich etwas in der Wirtschaft tue. Ich bin ja Unternehmer.

Gibt es etwas, das Sie an Ihrem Bundesratsamt vermissen?

Es kommt mir gerade nichts in den Sinn. Statt direkt auf die Verwaltung Einfluss zu nehmen, bringe ich meine Themen nun über die Partei und das Volk ein. Und das Volk ist bekanntlich der Souverän. An zweiter Stelle kommt das Parlament, an dritter der Bundesrat. So gesehen bin ich von der dritten Hierarchiestufe auf die erste geklettert.

Am 1. Juni entscheidet das Schweizer Stimmvolk über die Einbürgerungsinitiative der SVP: Wollen Sie die Urnenabstimmung wieder aufs Tapet bringen?

Darum geht es nicht. Die Initiative verlangt einzig und allein, dass jede Gemeinde wieder selber entscheiden kann, wer und wie eingebürgert wird. Und dieser Entscheid ist dann definitiv. So wie das in der Schweiz 150 Jahre lang galt. Die Einwohner einer Gemeinde können am besten beurteilen, ob sich ein Gesuchsteller in das Gemeindeleben integriert hat oder nicht. Besser jedenfalls als die Bundesrichter. Einbürgerungen dürfen nicht zu einem Verwaltungsakt mit Rekursrecht degradiert werden. Auch einen ablehnenden Entscheid hat ein Ausländer zu akzeptieren.

Dürfen sie willkürlich erfolgen?

Einbürgerungen sind ein politischer Akt, vergleichbar mit einer Wahl in ein politisches Amt. Da käme auch niemandem in den Sinn, einen Volksentscheid vor dem Gericht anzufechten. Es gibt kein Recht auf Einbürgerung. Die Einbürgerung ist die Folge der Integration, nicht ihr erster Schritt.

Die Gegner der Initiative behaupten, sie verstosse gegen geltendes Völkerrecht.

Wenn die Initiative gegen das Völkerrecht verstossen würde, frage ich mich, warum diese Gegner während 150 Jahren nichts daran geändert haben. Man kam nicht einmal auf diese Idee, als vor einigen Jahren die Bundesverfassung revidiert wurde. Nein, unsere bewährte Einbürgerungspraxis ist nicht völkerrechtswidrig.

Ist es denn gerecht, dass Gesuchsteller aus Italien problemlos eingebürgert werden, während solche aus dem Balkan regelmässig abblitzen?

Von Regelmässigkeit kann man nicht sprechen. Aber es kann vorkommen. Es ist jedoch legitim, dass man bei einer Volksgruppe, mit der man negative Erfahrungen gemacht hat, etwas vorsichtiger ist beim Einbürgern. Das ist nicht diskriminierend. Schliesslich haben die Abgewiesenen die Möglichkeit, die Einbürgerung zu einem späteren Zeitpunkt nochmals zu beantragen.

In Ihrer Abstimmungspropaganda warnen Sie vor Masseneinbürgerungen. Wieso eigentlich? Seit dem Bundesgerichtsurteil von 2003 ist die Anzahl Einbürgerungen zwar weiter angestiegen, aber nicht exponentiell.

Erste Anzeichen sind klar vorhanden. Und das wird noch zunehmen, sobald alle Gemeinden ihr Verfahren angepasst haben und die Rekurrierenden auf den Geschmack gekommen sind. Wenn wir jetzt nicht Gegensteuer geben, wird in Zukunft jeder abgewiesene Ausländer Einspruch erheben können. Um nicht ständig vor dem Richter antraben zu müssen, werden die Gemeindebehörden automatisch den Weg des geringsten Widerstands gehen und im Zweifelsfall einbürgern. Mit der neuen Gerichtspraxis wird die Einbürgerung erleichtert, nicht erschwert. Und dies obwohl das Schweizer Volk an der Urne bereits dreimal jegliche Form der erleichterten Einbürgerung abgelehnt hat.

Nächste Woche referieren Sie in Emmen über die Einbürgerungsinitiative. Welches Verfahren ist für Emmen das beste?

Das müssen die Emmer entscheiden. Wird die Initiative angenommen, können die Emmer ihr Einbürgerungsverfahren wieder selber festlegen. Wenn sie eine Bürgerrechtskommission vorziehen, dann gilt dieses Verfahren, und sonst halt ein anderes. In jedem Fall ist der Entscheid aber abschliessend. Meine persönliche Meinung: Je grösser eine Gemeinde ist, desto kritischer wird es mit der Urnenabstimmung.

Rechnen Sie am 1. Juni mit aktiver Unterstützung aus CVP- und FDP-Kreisen?

Innerlich stehen mit Sicherheit viele CVPler und FDPler hinter der Einbürgerungsinitiative – gerade in der Zentralschweiz. Die Frage ist nur, ob sie es wagen, aktiv dafür zu werben. Wir erhalten aber auch Unterstützung aus dem Gewerbe. Gerade letzte Woche hat die Gewerbekammer des Kantons Luzern einstimmig die Ja-Parole zur Einbürgerungsinitiative beschlossen. Und das sind weiss Gott nicht alles SVPler. Wer mit uns kämpft, gehört am Schluss ebenfalls zu den Siegern.

Sie rechnen also damit, dass die Initiative angenommen wird?

Davon bin ich überzeugt. Das Stimmvolk beschäftigt die zu large Einbürgerungspolitik. Dass die SVP hier viel Vertrauen geniesst, erkennt man nicht zuletzt am Wahlergebnis bei der Bürgerrechtskommission in Emmen, wo die SVP am Wochenende vier von neun Sitzen eroberte

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