«Ich habe die Gegner nicht verunglimpft»

Christoph Blocher wehrt sich gegen den Vorwurf, unfair fürs Asylgesetz zu kämpfen. Er ist überzeugt, die Abstimmung zu gewinnen und denkt nicht über eine nächste Revision nach.

15.09.2006, Tages-Anzeiger, Philipp Mäder und Gaby Szöllösy

Erst sah es so aus, als sei der Abstimmungskampf für Sie ein Sonntagsspaziergang. Nun kritisiert sogar der langjährige Chef des Bundesamts für Flüchtlinge, Urs Hadorn, das Asylgesetz als unverhältnismässig und wirkungslos.
Erstaunt?
Nein. Ich habe die Abstimmung nie als Sonntagsspaziergang betrachtet. Ich wusste stets, dass es auf diesem Gebiet militante Gegner gibt. Diese haben nun sogar Herrn Hadorn als Kritiker ausgegraben. In einem Punkt hat er aber recht: An den langen Verfahrensdauern wird sich auch mit dem neuen Gesetz leider nicht viel ändern.

Herr Hadorn sagt aber auch…
… ich will mich jetzt nicht mit Urs Hadorn auseinander setzen, der dreissig Jahre im BFM tätig war und vielleicht auch ein bisschen ein schlechtes Gewissen hat, dass er nicht schon früher ein wirkungsvolleres Gesetz gemacht hat.

Herr Hadorn hat ein schlechtes Gewissen, Rolf Bloch ist gegen das Asylgesetz, weil er Jude ist, die Kritik der Kirchen ist heuchlerisch -­ gehört es zu Ihrem Konzept, die Gegner zu verunglimpfen?
Ich habe die Gegner nicht verunglimpft, sondern ich frage nach den Motiven. Nicht die Kirche – zu der auch ich gehöre – ist heuchlerisch. Aber die Behauptungen der Kirchenleute, sie müssten Leute aufnehmen, die sonst verhungern würden, und dann auf unsere Nachfrage hin keinen einzigen Fall nennen können.

Und Rolf Bloch hat auch keine lauteren Gründe, gegen das Gesetz zu sein?
Herr Bloch hat an einer Versammlung erklärt, er als Jude sei dagegen, weil er Angst habe, es komme wieder zu Situationen wie im Zweiten Weltkrieg. Daraufhin habe ich geantwortet und Verständnis gezeigt, dass die Juden in einer besonderen Situation seien, aber dass die Angst unbegründet sei. Tatsächlich hat man im Zweiten Weltkrieg eine Zeit lang, echte Flüchtlinge an der Grenze abgehalten. Doch mit dem neuen Gesetz werden wir gerade ausdrücklich keine Verfolgten abweisen. Doch befassen wir uns mit Gesetzen, nicht mit Gegnern.

Reden wir also über den Inhalt. Am Problem der Rückschaffungen ändert sich nichts: Wenn sie die Identität der Leute nicht kennen, können Sie sie nicht ausschaffen.
Wenn es aber nur noch Nothilfe gibt, reisen mehr freiwillig aus, was dazu führt, dass weniger unechte Flüchtlinge kommen. Da haben wir mit der Streichung der Sozialhilfe bei denjenigen mit einem Nichteintretensentscheid gute Erfahrungen gemacht. Deshalb will das neue Asylgesetz diese Massnahme nun auf alle Abgewiesenen ausweiten. Es gibt Leute, die unser Land verlassen müssen. In einzelnen Staaten bekommen illegal Anwesende nach einer gewissen Zeit überhaupt keine Unterstützung.

Dafür bekommen im Ausland Schwangere, Kranke und Kinder die nötige Unterstützung. Bei uns steht das nicht im Gesetz.
Diese Leute bekommen auch bei uns weiterhin die benötigte Unterstützung. Dafür sind die Kantone zuständig.

Doch es bleibt im Ermessen der Kantone.
Die Kantone tragen ihre Verantwortung. Die Kritiker beobachten sie geradezu mit dem Feldstecher.

Auch die Asylbefrager erhalten mit dem neuen Gesetz mehr Ermessensspielraum: Sie entscheiden neu, ob die Geschichte eines Asylbewerbers, der sich ohne Papiere präsentiert, glaubwürdig ist und er damit Anrecht auf ein Asylverfahren hat. Steigt damit nichtdas Risiko von Fehlentscheiden?
Nein. Die einzige Änderung ist, dass wir nur noch Pass und Identitätskarte als Beweis anerkennen. Denn es hat sich gezeigt, dass Fahrausweise, Geburtsurkunden in der Regel gefälscht sind.

Es ist nicht die einzige Änderung: Für Asylbewerber ohne Papiere wird die Hürde erhöht, um ins Verfahren zu kommen.
Ein Asyl Suchender muss glaubhaft begründen, weshalb er keine Papiere hat oder weshalb er verfolgt ist. Und er muss im Verfahren mitwirken, er muss uns sagen, wer er ist und woher er kommt. Ist das etwa zuviel verlangt?

Die Befürworter des Gesetzes monieren, viele Asylbewerber würden missbräuchlich ein Gesuch einreichen. Wie gross ist das Problem tatsächlich?
85 Prozent reichen ein Gesuch ein, obwohl sie keine Asylgründe haben. Das nennt man Missbrauch.

Zu den 15 Prozent der anerkannten Flüchtlinge kommen noch die über 30 Prozent der vorläufig Aufgenommenen. Auch bei ihnen anerkennt die Schweiz, dass sie zurecht Zuflucht gesucht haben. Warum erwähnen Sie diese mit keinem Wort?
Weil sie keine Verfolgten sind, sondern ihre Heimkehr nicht unzumutbar ist.

Aber sie sind aus Orten geflohen, an denen ihr Leben in Gefahr war ­- zum Beispiel aus dem Irak.
Im Moment kann man sie nicht zurückschicken. Aber wenn sich die Lage wieder bessert, müssen sie zurück. Wenn man die vorläufig Aufgenommenen als Flüchtlinge anerkennen würde, hiesse das für die Menschen in allen Ländern: Geht in die Schweiz und schaut, dass ihr wegen Krankheit, Schwangerschaft oder aus anderen Gründen nicht zurückgeschickt werden könnt, dann lebt ihr wie ein Flüchtling. Kein Staat akzeptiert dies.

Sie sagen jeweils, es sei nur ein Asylbewerber zu Unrecht zurückgeschickt worden: Stanley Van Tha aus Burma. Amnesty International hingegen hat ein halbes Dutzend weitere Fehlentscheide dokumentiert.
Wir haben diese Fälle geprüft. Und ich bleibe dabei: Bis jetzt ist uns nur ein Fehlentscheid bekannt. In allen anderen Fällen hatten die Verhaftungsgründe nichts mit dem Asylgesuch zu tun.

Im Fall von Stanley Van Tha haben Sie zuerst gesagt, er könnte wegen «Diebstahl oder so etwas» verhaftet worden sein…
…wieso unterstellen Sie mir eigentlich immer solche Sachen? Das war doch nicht eine endgültige Aussage.

Das steht im Protokoll des Ständerats.
Ich habe erklärt: Wir wissen im Moment nicht, weshalb er verhaftet wurde. Es müsste untersucht werden, warum. Ist es wegen Diebstahls? Oder wegen Dienstverweigerung? Oder ist es etwas anderes? Wir wissen es auch heute noch nicht.

Obwohl Sie es noch nicht wissen, sagten Sie kürzlich, Van Tha sei verhaftet worden, weil er den Militärdienst verweigert habe.
Was wir heute glauben ist, dass für Vergehen, welche die Burmesen ihm zur Last legen -­ darunter auch verweigerten Militärdienst -19 Jahre Haft zuviel ist. Tatsache ist, dass wenn man es gewusst hätte, die zuständigen Leute anders entschieden hätten. Also war es ein Fehlentscheid. Wo entschieden wird, kann es auch einmal einen Fehlentscheid geben.

Tatsächlich korrigiert die Asylrekurskommission (ARK) ein Viertel aller beanstandeten Fälle. Das zeigt doch, dass die Fehlerquote schon heute hoch ist.
Im Jahre 2005 wurden total 15.7 % der Gesamterledigungen von der ARK gutgeheissen beziehungsweise das Bundesamt für Migration wurde angewiesen, den Fall neu zu beurteilen. Aber dazu hat man ja die Asylrekurskommission! Ich habe nie gesagt, man solle sie abschaffen.

Aber Sie haben sie wiederholt kritisiert.
Ich habe die langen Fristen kritisiert.

Sie kritisierten die Asylrekurskommission auch harsch, weil diese zwei angeschuldigten Albanern Asyl gewährte.
Ja, weil sie Asyl bekamen und man sie damit nicht zur gerichtlichen Beurteilung bringen konnte. Ich habe den Zeitpunkt kritisiert.

Die Sache kratzte an Ihrer Glaubwürdigkeit. Sie hätten den Ständerat in dieser Sache angelogen, rügte die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Parlaments.
Ich war im Ständerat überzeugt, nichts Falsches gesagt zu haben. Erst danach habe ich mir meine mündliche Rede nochmals angehört. Und dabei gemerkt, dass ich entgegen meinem schriftlichen Text versehentlich die Albaner als Kriminelle statt als mutmasslich Kriminelle bezeichnet hatte. Darauf habe ich öffentlich erklärt, dass mir dies Leid tut.

Es kam als Stimmungsmache gegen Ausländer an ­- untergräbt die Geschichte Ihre Glaubwürdigkeit im Abstimmungskampf?
Ich merke – ausser bei denen, die ohnehin Gegner sind – nichts davon. Dass es mir passierte, liegt daran, dass ich eben frei spreche. Ich werde es – trotz des Risikos – weiterhin tun.

Sie wären gerne bei der jetzigen Revision noch etwas weiter gegangen – kommt bald die nächste Reform auf den Tisch?
Ich denke nicht über eine nächste Revision nach.

Was wären die Folgen eines Nein?
Fürs Land wären die Folgen tragisch. Die Zahl der unechten Asylgesuche würde rapid ansteigen, weil sich unter Schleppern herumspräche, dass die Schweiz Verschärfungen abgelehnt habe.

Ja? Das jetzige Gesetz wäre doch weiter gültig und die Anzahl Asylgesuche sinkt ja heute schon beträchtlich.
Das Problem ist aber, dass wir für über 6’000 Personen, die die Schweiz verlassen müssten, Papiere zu beschaffen haben. 9000 aus dem Asylbereich sollten das Land verlassen, sind aber widerrechtlich hier. Ich glaube übrigens, dass das Gesetz angenommen wird. Die Gegner haben keine Lösungsvorschläge für die bestehenden Probleme. Probleme, die unsere Bevölkerung zu Recht beschäftigen. Deshalb führen sie den Kampf nur noch auf einer persönlichen Ebene. All diese angeblich so prominenten Gegner. Unlängst fragte mich jemand, wie man prominent werde. Da hab ich ihm geantwortet: Du musst sagen: „Ich bin bürgerlich und bin gegen das Asylgesetz“, dann giltst Du als prominent. Da muss man gar nicht so viel von der Materie verstehen.

Spielen Sie auf Herrn Rauh an?
Ich spiele auf niemanden an. Ich sage nur, dass man auf diese Weise sehr schnell zur Prominenz gehört.

← Indietro a: Testi