Heute ist der Ehrliche der Dumme, das muss sich ändern

Das neue Asylgesetz, das sowohl im Nationalrat als auch im Ständerat eine deutliche Mehrheit fand, trägt klar die Handschrift von Bundesrat Christoph Blocher. Das BT sprach mit ihm.

31.08.2006, Bündner Tagblatt, Christian Buxhofer

Die Zahl der Asylbewerber ist seit längerer Zeit wieder rückläufig. Weshalb wollen Sie das Asylgesetz trotzdem verschärfen?

Die Zahlen sind ja nicht von allein zurückgegangen. Einerseits ist derzeit die Situation in ganz Europa ruhig, andererseits greifen die von uns bereits eingeleiteten Massnahmen. Das zeigt sich allein daran, dass die Zahlen in der Schweiz im Vergleich zu anderen europäischen Staaten überproportional zurückgegangen sind.

Welche Massnahmen haben sich hier als besonders wirkungsvoll erwiesen?
Wir haben das Asylverfahren stark gestrafft. Und wir haben dafür gesorgt, dass schneller entschieden wird und dass die Ausschaffung von Asylbewerbern, deren Gesuche abgelehnt wurden, zügiger erfolgt. Im weiteren hat sich der Ausschluss der Personen mit einem Nichteintretensentscheid (NEE) aus der Sozialhilfe bewährt.

Offensichtlich haben Sie also jetzt schon genug Handhabe, um dem Asylproblem Herr zu werden.
Wir haben tatsächlich schon einiges erreicht. Eine Verbesserung gab es beispielsweise bei jenen Personen, bei denen wir nicht auf das Gesuch eintreten. Diese erhalten neu keine Sozialhilfe mehr, sondern nur noch Nothilfe. Zwei Drittel gehen deshalb bereits innert weniger Tage wieder heim.

Das Hauptproblem ist also praktisch schon gelöst.
Nein, eben nicht. Wir haben noch immer 10 000 Gesuche pro Jahr, von denen 85 Prozent von Leuten gestellt werden, welche die Voraussetzungen, um als Flüchtlinge anerkannt zu werden, nicht erfüllen. Ohne neues Gesetz erreichen wir hier nichts. Wir müssen eine Grundlage haben, damit wir uns vermehrt um die echten Flüchtlinge kümmern können. Es hat doch keinen Sinn, dass wir jedes Jahr mehrere Tausend unechte Flüchtlinge in unserem Land unterbringen, um sie dann nach einigen Jahren wieder heimzuschicken. Sie verlassen das Land nicht, weil sie hier grosszügige Sozialleistungen erhalten und ihre Herkunft nicht bekannt geben. Daraus resultiert illegaler Aufenthalt mit all den finanziellen und kriminellen Folgen.

In welchem Bereich sehen Sie den grössten Handlungsbedarf?
Wir müssen dafür sorgen, dass beim Identitätsnachweis kein Missbrauch mehr betrieben werden kann. Wir suchen heute jährlich bei über 6200 Asylbewerbern genaue Angaben über ihre Herkunft. Viele von ihnen kommen mit gefälschten Ausweisen in die Schweiz oder vernichten beispielsweise ihre Papiere noch vor der Landung im Flugzeug. Und damit fahren sie heute erst noch besser als jene Asylbewerber, die uns die Papiere anstandslos geben. Das ist doch eine verkehrte Welt!

Sie erwarten allen Ernstes, dass Flüchtlinge zuerst zu ihrem Staat, der sie ja verfolgt, gehen und einen Reisepass verlangen, bevor sie in der Schweiz um Asyl nachsuchen?
Von den echten Flüchtlingen, die wir in den letzten Jahren aufgenommen haben, hatten zwischen 70 und 80 Prozent einen Reisepass oder einen Identitätsausweis. Die übrigen 20 bis 30 Prozent konnten glaubhaft erklären, wer sie sind und woher sie kommen. Bei den unechten Flüchtlingen ist es genau umgekehrt: da haben die meisten keinen Pass und oft helfen sie uns auch nicht bei den entsprechenden Abklärungen.

Aber es gibt auch echte Flüchtlinge, die keine Papiere vorweisen und keine beschaffen können.
Natürlich. Hier haben wir aber eim neuen Gesetz vorgesorgt. Zum Beispiel werden Asylgesuche von Menschen, die in ihrem Heimatstaat offensichtlich verfolgt werden oder deren Heimatstaat sich weigert, ihnen einen Ausweis auszustellen, trotz fehlender Papiere behandelt. Wer aber seine Personalien nicht preisgibt, schwindelt oder gefälschte Papiere vorweist, muss einen Nichteintretensentscheid in Kauf nehmen.

Ist eine Frist von 48 Stunden zur Beschaffung der Papiere realistisch?
Diese Frist haben wir ja schon heute. Da geht es vor allem darum, jenen Asylbewerbern, die ihre Papiere verstecken, eine Bedenkfrist einzuräumen. Und dann ist es ja nicht so, dass wir jemanden, der auch nach 48 Stunden noch keine Papiere hat, einfach fortschicken. Auch im beschleunigten Verfahren findet eine Anhörung statt, wo die asylsuchende Person ihre Situation schildern kann. Übrigens im Beisein der Hilfswerke. Wer hier glaubwürdig darlegen kann, weshalb er keine Papiere hat, erhält ein normales Verfahren. Abgelehnt werden in dieser Phase wirklich nur die eindeutigen Fälle. Und auch hier besteht übrigens die Möglichkeit, bei der Asylrekurskommission einen Rekurs einzulegen und ein Wiedererwägungsgesuch zu stellen. Es ist also nicht so, dass diese Menschen einfach von einem Beamten zurückgeschickt werden.

Allerdings ist bei der Rückschaffung von abgewiesenen Asylbewerbern tatsächlich ein härterer Stil festzustellen. Selbst wenn es sich um Kinder oder Familien handelt.
Sie sprechen verschiedene Fälle an, die durch die Medien gezogen wurden, wohl auch den Fall Wiesen, wo eine Familie nach Ablauf der Ausreisefrist in den Kosovo zurückgebracht wurde. Diese Familie hatte jedoch nie ein Asylgesuch gestellt. Oft ist es so, dass nicht alle Fakten publik gemacht werden. Uns sind vielfach sogar die Hände gebunden, um eine Richtigstellung zu bewirken. Denken Sie nur an den Fall der angeblich 14-jährigen Mongolin, die in Tat und Wahrzeit über 20-jährig war und zuhause ein gutes Beziehungsnetz hatte und sogar Geld nach Hause schicken konnte.

Und was sagen Sie zu Wiesen?
Noch einmal, hier handelt es sich um Personen, die keine Aufenthaltsbewilligung hatten. Bei Wiesen ist es jetzt angeblich zu einem Happy End gekommen, weil die Gemeinde den Familienvater als Abwart angestellt hat. Aber das ist doch problematisch! Ich bekam Briefe von Einheimischen, die diesen Job auch gerne gehabt hätten. Das ist immer so, wenn man Einzelfälle hochjubelt, dann ist einer besser gestellt und alle anderen benachteiligt. Wenn ein abgewiesener Asylbewerber beispielsweise nach einer Veranstaltung zu mir kommt und mir seine Situation klagt, dann tut er mir auch leid.

Und was geben Sie zur Antwort?
‘Ich würde Sie gerne hier behalten, wenn Sie alleine wären. Aber wenn ich Ihnen eine Bewilligung geben würde, müsste ich Tausend anderen auch eine geben.‘ Und wenn sich eine solche Politik herumsprechen würde, kämen Hunderttausende in die Schweiz.

Unter Beschuss geraten ist neue Gesetz auch, weil abgewiesene Asylbewerber von der Sozialhilfe ausgeschlossen werden und nur noch Nothilfe erhalten. Abgewiesene würden so in die Illegalität und wohl auch in die Kriminalität gedrängt.
Wir haben ja diesen Wechsel vor gut zwei Jahren bei jenen Asylbewerbern eingeführt, auf deren Gesuch nicht eingetreten wurde. Damals wurden genau diese Befürchtungen laut. Die zweijährige Erfahrung zeigt nun aber, dass die Kriminalitätsrate bei dieser Personengruppe wesentlich tiefer ist als im gesamten Asylbereich. Interessant ist auch, dass zwei Drittel der Personen, die mit einem Nichteintretensentscheid konfrontiert waren, gar nie Nothilfe beansprucht haben. Die haben ihr Flugticket genommen und sind heim oder weiter gereist. Dass mehr Leute untertauchen als früher, dafür gibt es hingegen keinerlei Anzeichen.

Der Wechsel von der Sozial- zur Nothilfe hat sich also bewährt?
Eindeutig. Seither bleiben Asylbewerber mit Nichteintretensentscheid dreimal weniger lang in der Schweiz als vorher, als sie noch Sozialhilfe erhielten. Neu möchten wir neben Asylbewerbern mit Nichteintretensentscheid auch den abgewiesenen Asylbewerbern nur noch Nothilfe geben. Das würde zu einer markanten Erleichterung unseres Asylwesens führen. Nur schon aus diesem Grund hoffe ich auf ein Ja zum neuen Asylgesetz. Man bedenke: Es geht nur um Leute, die illegal hier sind und das Land verlassen müssen, nicht um Flüchtlinge.

… und deshalb nehmen Sie auch den Vorwurf in Kauf, ein Menschen verachtendes Gesetz ausgearbeitet zu haben.
Das ist wirklich kein schöner Vorwurf. Wer ist schon gerne ein Menschenverächter? Da wird Dreck geworfen.
Wer eine grosse Verantwortung gegenüber den Menschen, die hier zuhause sind oder die sich legal hier aufhalten, wahrnimmt, muss Angriffe ertragen können. Die Vorstellungen der Referendumsbefürworter sind hier nicht tauglich. Den Pfarrern gebe ich zu bedenken: Ich muss bei meiner Verantwortung bleiben. Und der Pfarrer hat seine. Es käme auch nicht gut heraus, wenn ich als Pfarrer amten würde.
Aber noch einmal: wir möchten mit der Verschärfung des Asylgesetzes nur die Missbräuche verhindern. Das zeigt sich auch daran, dass wir einige Punkte auch zugunsten der Flüchtlinge und Schutzbedürftigen änderten, so etwa die neue Härtefallregelung und den Rechtsschutz. Heute ist der Ehrliche der Dumme und das muss sich ändern.

Beim Asylgesetz wollen Sie auch die Fluggesellschaften in die Pflicht nehmen.
Viele Asylbewerber kommen heute mit dem Flugzeug in die Schweiz – und trotzdem haben sie keine Reisepapiere. Das ist doch gar nicht möglich! Deshalb verpflichten wir die Fluggesellschaften, dass sie nur Passagiere transportieren, die gültige Reisespapiere haben und die diese bei der Einreise auch vorweisen können. Wenn sie das nicht machen, müssen die Fluggesellschaften neu diese Passagiere wieder zurücktransportieren. Wenn die Fluggesellschaften ihrer Pflicht nicht nachkommen, werden wir sie neu mit bis zu 5000 Franken büssen können. Das sind praktische Massnahmen, die sicher einen dämpfenden Einfluss haben werden.

Einschränkungen bei der Einreise von Ausländern streben Sie auch mit dem neuen Ausländergesetz an. Ist nur noch die ausländische Elite in der Schweiz willkommen? Brauchen wir, gerade im Tourismus und in der Landwirtschaft, auch Hilfskräfte?
In Europa haben wir ja jetzt die Personenfreizügigkeit. Da hat es genügend Hilfskräfte, die gerne in der Schweiz arbeiten. Wir haben heute auf unserem Kontintent noch immer Regionen mit einer Arbeitslosigkeit bis zu 60 Prozent. Und gerade weil hier auch eine grosse Nachfrage besteht und die Personenfreizügigkeit gilt, müssen wir mit dem Ausländergesetz den Zugang von Personen von ausserhalb der EU und der EFTA regeln. Wir haben in der Schweiz seit jeher den Grundsatz, bei freien Stellen zuerst im eigenen Arbeitsmarkt, neu also auch in Europa, zu schauen. Wenn wir dort niemanden finden, dann kommen auch die Märkte ausserhalb von Europa in Frage. Das sind dann halt meistens Spitzenkräfte.

Die Gegner des Ausländergesetzes betrachten dies als Diskriminierung.
Die Unterscheidung lässt sich nicht vermeiden und wie gesagt haben wir das schon immer so gehandhabt. Wir können unmöglich allen die Möglichkeit geben, hier zu arbeiten und hier zu leben. Wenn alle Afrikaner, alle Chinesen, alle Inder, alle Südamerikaner in die Schweiz kommen können, um hier zu arbeiten, dann hat dies eine enorme Arbeitslosigkeit, eine riesige Belastung der Sozialwerke und eine grosse Belastung der Fürsorgekasse zur Folge. Und dann wird es tatsächlich Menschen verachtend, denn das gibt Spannungen und Feindschaften. Deshalb ist die Beschränkung leider notwendig.

Das neue Ausländergesetz sieht auch die Förderung der Integration vor. Ein Anliegen, das gerade von der SVP immer wieder bekämpft wurde. Wie machen Sie diese Gesetzesänderung ihren Parteifreunden schmackhaft?
Unsere Partei hat sich dann gegen Integrationsprojekte gewehrt, wenn es um Leute ging, die wir gar nicht integrieren dürfen. Es geht doch nicht, dass Leute integriert werden, die sich illegal hier aufhalten und wieder heim müssen. Aber jene Ausländerinnen und Ausländer, die hier leben und arbeiten, die müssen sich integrieren und die wollen wir integrieren.

Und wie soll diese Integration erfolgen?
Im Vordergrund stehen ganz klar das Erlernen einer schweizerischen Landessprache und die gute Einschulung der ausländischen Kinder und Jugendlichen. Hier bestehen grosse Lücken, die gefüllt werden müssen. Ich denke beispielsweise an obligatorische Sprachkurse. Bei Flüchtlingen ist auch die rasche Eingliederung in die private Arbeitswelt wichtig.

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