Finanzzentren in einer globalisierten Wettbewerbswirtschaft: Möglichkeiten und Grenzen der Regulierung

Referat von Bundesrat Christoph Blocher zur Finanzmarktregulierung, Liechtenstein Dialog 2005, Freitag, 28. Oktober 2005, in Vaduz

28.10.2005, Vaduz

Vaduz, 27.10.2005. Anlässlich des «Liechtenstein Dialog 2005» sprach Bundesrat Christoph Blocher über die Finanzmarktregulierung. Die Regulierungen in diesem Bereich seien in den letzten Jahren rasant angewachsen, nicht nur aufgrund der schweizerischen Bundesgesetzte und Verordnungen des Bundesrats sondern ebenso durch Verordnungen, Rundschreiben und Wegleitungen der Eidg. Bankenkommission. Einhellig werde ein sauberer und integrer Finanzplatz Schweiz und die Bekämpfung der Geldwäscherei begrüsst. Im Einzelfall aber sei die Kritik geballt. Klar sei, dass die Finanzmarktregulierung an sich, der Wahrung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit dienen soll und nicht zum Gegenteil führen dürfe.

Es gilt das gesprochene Wort

Fragt man einen Beamten – gar noch einen Juristen – nach Regulierung im Finanzbereich, wird er Ihnen antworten: „Da ist noch viel zu tun!“ Fragen Sie einen schweizerischen Bankier, so wird er Ihnen antworten: „Wir ersticken bald ob all der Regulierung.“ Obwohl ich als Mitglied des Bundesrates zur Verwaltung gehöre, glaube ich, der Bankier steht in diesem Fall näher bei der Lebenswirklichkeit.

Zunahme der Regulierung – Regulierungsquellen

Es ist unbestritten: Der Finanzmarkt hat eine äusserst dynamische Entwicklung erlebt.
Aber ebenso dynamisch war das Wachstum der Regulierung in diesem Bereich. Das gilt nicht nur für die Regulierung durch schweizerische Bundesgesetze und Verordnungen des Bundesrates.

Sondern ebenso für die Regulierung durch Verordnungen, Rundschreiben und Wegleitungen der Eidg. Bankenkommission – sowie durch die sog. Selbstregulierung. Diese bezeichne ich als halbstaatlich, denn auch die Erlasse der Selbstregulierung werden nämlich in engem Kontakt mit der Eidg. Bankenkommissionen erarbeitet.

Oft erlangen sie als so genannte Mindeststandards eine verbindliche Wirkung für alle Finanzinstitute.

Neben verbindlichen Akten der Selbstregulierung gibt es dann noch die Standesregeln, die als Satzungsrecht von der Schweizerischen Bankiervereinigung durchgesetzt werden, nötigenfalls sogar mit strafrechtsähnlichen Sanktionen.

All das

– die Erlasse der rechtsetzenden Behörden
– die Erlasse der Bankenkommission
– sowie die Selbstregulierungserlasse der Bankiervereinigung
– der Swiss Funds Association
– der SWS Swiss Exchange
– und der Treuhandkammer

ergibt einen schier unüberblickbaren Regulierungswust, dem höchstens noch das schweizerische Landwirtschaftsrecht das trübe Wasser reichen könnte.

Woher kommt dieser Regulierungswust?

Ein wesentlicher Teil ist hausgemacht. Aber nur ein Teil. Ein anderer Teil wird vom Ausland und von internationalen Organisationen, die Sie alle bestens kennen, durch ungeheuren Druck auf mehr und dichtere Regulierung des Finanzmarktes aufgebaut.

Sei es im Rahmen

– des IWF (Internationalen Währungsfonds) in Washington
– der IOSCO (International Organization of Securities Commissions) in Madrid
– oder im Rahmen der FATF (Financial Action Task Force on Money Laundering) in Paris
– oder gar im Rahmen der BIZ
– bzw. des Basel Comitees on Banking Supervision

überall wird eifrig an neuen Regulierungen geschraubt, gehämmert und gefeilt, und alles, was da schliesslich die Produktionsstrasse verlässt, muss dann in die jeweiligen Landesregulierungen implementiert werden. Das belastet den Finanzplatz Schweiz stark.

Aus einer Untersuchung des Instituts für schweizerisches Bankwesen der Universität Zürich vom April 2004 ergibt sich, dass sich die gesamten Kosten der Regulierung bei kleinen Banken auf 9,8% des Gesamtaufwands belaufen, bei Grossbanken auf 4,1%.

Grenzen der Regulierung

Sind wir dem Trend auf fortwährende Erweiterung und Verdichtung der Regulierung im Finanzmarktbereich schutzlos ausgeliefert? Nein! Es gibt Grenzen dieser Regulierung. Man muss sie nur erkennen und respektieren. Vorab setzt die eigene schweizerische Bundesverfassung mit der Garantie der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) einen klaren Grenzpunkt, denn diese gilt selbstverständlich auch für den Finanzmarkt.

Ferner gilt es zu beachten, dass das Grundrecht des Schutzes der Privatsphäre (Art. 13 BV) auch das Bankkundengeheimnis umfasst.
Zwar darf ein Gesetz diese Grundrechte beschränken, doch müssen die Beschränkungen im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 2 und 3 BV).

Diese Kriterien sind auch bei der Umsetzung internationaler Abkommen und Standards ernst zu nehmen.
In dieser Hinsicht gilt es, die Regelungs- und Interpretationsspielräume, die den internationalen Abkommen und Standards eigen sind, zu unsern Gunsten zu nutzen und auf unnötige Perfektionierungen zu verzichten. Dabei ist auch dem Kostenfaktor gebührend Beachtung zu schenken.

Auch ist der Wettbewerbsverzerrung durch Regulierung grösste Beachtung zu schenken. Das gilt nicht nur zwischen Ländern, sondern auch zwischen den einzelnen Bankinstituten. Eine Regulierung soll wettbewerbsneutral ausgestaltet sein.
Denn jede Bank muss die Regulierungskosten auf irgendeine Weise letztlich ihren Kunden belasten.
Bei kleinen Banken fällt dies offensichtlich schwerer ins Gewicht als bei Grossbanken.

Derzeitige Revisionsvorhaben

Wenden wir uns nun zwei konkreten Themenbereichen zu, bei denen zurzeit Revisionsvorhaben anstehen.

1. Umsetzung GAFI

Anfangs dieses Jahres ist der Vorschlag des Bundesrates für die Umsetzung der revidierten GAFI-Empfehlungen in die Vernehmlassung gegeben worden.
Einhellig wird ein sauberer und integrer Finanzplatz Schweiz und die Bekämpfung der Geldwäscherei begrüsst.
Aber im Einzelnen ist die Kritik stark.

So bereiten der Versuch, die Tätigkeiten ausserhalb des klassischen Finanzsektors in die Bekämpfung der Geldwäscherei einzubeziehen, aber auch die Handelstätigkeiten wie den Immobilienhandel und den Handel mit Edelsteinen grösste Sorgen. Damit laufen auch unbescholtene Bürger Gefahr, als Geldwäscher verdächtigt zu werden, wenn sie teure Juwelen kaufen. Begrüsst wurde hingegen, dass Gewinnwarnungen in die Insider-Strafnorm einbezogen werden sollen.

Aufgrund der geballten Kritik hat der Bundesrat einen Marschhalt beschlossen. Die Bundesverwaltung analysiert zurzeit eingehend die Kosten und den Nutzen der neuen Regulierung. Diese Analyse wird die weitere Marschrichtung bestimmen.

2. Integrierte Finma-Aufsicht

Ein weiterer aktueller Bereich ist die organisatorische Zusammenlegung der Finanzmarktaufsicht in einer Behörde. Zusammengelegt werden sollen die Bankenaufsicht, die Versicherungsaufsicht und die Kontrollstelle zur Bekämpfung der Geldwäscherei.

Das Ganze folgt dem Grundsatz “same business, same risk, same rules”. Verzichten will der Bundesrat jedoch auf eine Unterstellung der unabhängigen Vermögensverwalter unter die Finma.

Mit der Integration erhofft man sich, Doppelspurigkeiten zu beheben und die Effizienz zu steigern. Hoffen wir, dass die Hoffnung in Erfüllung geht.

Schlussfolgerungen

Ziehen wir aus dem Dargelegten einige Folgerungen.

Der schweizerische Finanzplatz ist für die gesamte Volkswirtschaft von erstrangiger Bedeutung. Er steht im Wettbewerb mit andern global orientierten Finanzplätzen.

Klar ist, dass die Finanzmarktregulierung an sich, der Wahrung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit dienen soll und nicht zum Gegenteil führen darf.
Im Vordergrund steht der Schutz,

– der Anleger und Einleger
– die Funktion der Banken
– die Stabilität des Bankwesens.

Jede Schweizer Regulierung muss sich aber vor dem Hintergrund der Schweizer Gegebenheiten und Besonderheiten wie der Wirtschaftsfreiheit und des Bankkundengeheimnisses rechtfertigen lassen. Dabei ist insbesondere die Verhältnismässigkeit jeder Regulierung ernsthaft und gründlich zu prüfen.

Gefahr droht heute nicht so sehr von der fehlenden, als vielmehr von der Überregulierung.

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