Auf leisen Tatzen zum Erfolg. Das Bankerfolgsgeheimnis einer Zürcher Institution.

Kurzansprache von Bundesrat Christoph Blocher, gehalten anlässlich des Jubiläums «250 Jahre Bank Leu» am Freitag, 15. April 2005 in Zürich.

15.04.2005, Zürich

Es gilt das gesprochene Wort

250 Jahre Bank Leu. 250 Jahre – ein Vierteljahrtausend – sind eine lange Zeit. Allein die Tatsache, dass ein Unternehmen so viele Jahre im Markt, in einem Staat, in einem Gewerbe überlebt hat, wäre Grund genug für Dank und Anerkennung. Die Bank Leu ist als urzürcherische Institution älter als der schweizerische Bundesstaat. Nur ganz wenige Unternehmen können auf eine so lange Tradition zurückblicken. Ist die lange Dauer vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass die Tradition zum unverbrüchlichen Rüstzeug des Bankengeschäfts gehört? Wenn ich Ihre Jubiläumsbroschüre lese, so kann ich es offen aussprechen – auch wenn es in der heutigen Zeit nicht überall gerne gehört wird: Der Konservativismus dieser Branche hat die Bank Leu sicher durch alle Stürme der Zeit und ihrer jeweiligen Geister und Ungeister geführt.

«Auf leisen Tatzen»

Die Bank Leu geht – wie eben der Leu – auf “leisen Tatzen”, was den Weg zum Erfolg nicht unwesentlich miterklären dürfte.

Die Diskretion gehört nun mal zum Finanzgewerbe, wie anderenorts das Schaufenster dazu dient, alles herzuzeigen und die Leute ins Geschäft zu locken. Das Private Banking funktioniert nicht im Schaufenster: Der gute Leu-mund einer Bank – nicht nur der Bank Leu – gründet sich im Vertrauen, in der Konstanz und in der Verschwiegenheit. Und diese Konstanz und Verschwiegenheit trägt einen Namen: Das Bankkundengeheimnis – als unverzichtbare Voraussetzung des Bankerfolgsgeheimnisses. In einer Zeit, in der die Freiheit mehr und mehr dem Streben nach einer absoluten Scheinsicherheit geopfert wird, gehört das Bankgeheimnis zu den letzten Refugien des Privaten.

Privateigentum als Säule der Freiheit

Zu den Grundlagen einer erfolgreichen staatlichen Ordnung gehören Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Wettbewerb, Demokratie und eben das Privat-Eigentum. Der Schutz des Eigentums ist eine der primären Aufgaben des Staates – und nicht der Einzug des Eigentums durch unzählige Steuern, Abgaben und Gebühren. Das Bankgeheimnis ist deshalb auch ein Schutz des Eigentums.
Dieses geschützte Eigentum bringt Wohlfahrt, wirtschaftliche Festigung, Arbeitsplätze und Linderung von Armut. In der Bank findet dieses gemeinsame Interesse am Privateigentum seinen Ruheraum.

Neidstimmung

Wir leiden gegenwärtig an einer kultivierten Neidstimmung. Ob Steuersenkungen, Unternehmensgewinne, Managerlöhne: Der Sozialneid bestimmt die Tonart der öffentlichen Erregung. Ich frage: Wird die Schweiz noch von einem leistungswilligen, eigenverantwortlichen Bürgertum geprägt, das nicht bei jeder Schwierigkeit oder Anstrengung nach dem Staat ruft? Wie die Antwort auch sei: Wir täten besser daran, den Erfolg zu loben, Gewinne zu ermöglichen, statt alle Energie und Phantasie darauf zu verwenden, wie effektiv man diese privaten Gewinne wieder abschöpfen könnte.
Tüchtige Unternehmer, Handwerker, Gewerbler, Banker mit all ihren Mitarbeitenden, deren Tun auf die Gewinnerzielung ausgerichtet sind, sind die wahren “Sozialarbeiter” in unserem Land: Weil sie für gesundes, privatwirtschaftliches Wachstum und damit für allgemeinen Wohlstand sorgen. Es sind nicht die Umverteiler, sondern die Erschaffer des Eigentums, die unsere Anerkennung verdienen. Dies ist anlässlich eines 250-Jahr-Jubiläums einer Privatbank besonders hervorzuheben.

Es beginnt zu tagen

Kürzlich stiess ich auf ein Inserat einer Privatbank. Dort stand zu lesen: “Unsere Denkweise ist unabhängig und zukunftsorientiert, unsere Grundeinstellung konservativ – auch Ihr Weg zum Anlageerfolg?” So hemmungslos konservativ präsentiert sich selten jemand in der Werbung. Ob diese Selbstbeschreibung tatsächlich zutrifft, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber zumindest strebt diese Bank eine solche Haltung an – sonst würde sie es nicht sagen. Und sie beabsichtigt damit, beim Kunden Vertrauen zu schaffen – sonst würde sie ihre Strategie nicht so bewerben. Es scheint, dass die richtige Mischung zwischen Zukunftsvertrauen und Skepsis, uns den Weg weisen könnte. Nicht nur im Bankgewerbe, auch beim Staat. Es gibt also auch gute Gründe einiges beim Alten bleiben zu lassen. “Fortschritt” allein ist noch kein Wert. Das brauche ich Ihnen nach 250 Jahren Unternehmensgeschichte eigentlich nicht zu predigen.
Dank
Es bleibt mir der Bank Leu, ihren Verantwortlichen und Mitarbeitenden zu danken.
Für die 250 Jahre solide Bankarbeit. Ich darf Ihnen an dieser Stelle die Gratulation der Landesregierung überbringen und wünsche Ihnen eine gute Zukunft.

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