Bedrohungen und Sicherheit – Rolle und Bedeutung der Polizei

Rede von Bundesrat Christoph Blocher an der Delegiertenversammlung des Verbandes Schweizerischer Polizei-Beamter vom 27. Mai 2004 in Zürich

27.05.2004, Zürich

Es gilt das gesprochene Wort

Herr Präsident
Herr Generalsekretär
Sehr geehrte Damen und Herren

Lassen Sie mich, bevor ich von Sicherheit und Bedrohungen am Beispiel von Terrorismus und Gewalt spreche, einige grundsätzliche Punkte betonen:

– In unserem Staat liegt die Polizeihoheit bei den Kantonen.

– Die Überprüfung des Systems der Inneren Sicherheit hat dies bestätigt, belegt aber auch eine Lücke von mehreren Hundert Beamten in den Polizeikorps. Ich weiss von Ihrer chronischen Arbeitsüberlast und danke Ihnen für Ihre enorme Leistung.

– Es gibt keine Alternativen zur Polizei: Weder private Sicherheitsdienste noch die Armee können die Rolle der Polizei übernehmen. Das Aufkommen privater Sicherheitsdienste müssen wir mit kritischem Blick begleiten, weil das Gewaltmonopol beim Staat bleiben muss. Die Armee erfüllt nun zwar dauernd und subsidiär Aufgaben, entlastet damit die Polizei, kann aber natürlich ihre Rolle nicht übernehmen.

– Die kantonale Polizeihoheit hat auch bei der Terrorismusbekämpfung einen Vorteil: Die Kleinräumigkeit ermöglicht eine wirkungsvolle Überwachung.

In der globalisierten Welt schützt uns auch die Neutralität in gewissem Mass vor Terrorismus. Auch nach den Anschlägen von Madrid haben wir keine konkreten Hinweise, dass die Schweiz ein direktes Angriffsziel der Terroristen ist. Aber: Wir sind im Gefahrenfeld und haben uns entsprechend vorzubereiten.

Den Terroristen geht es um Aufmerksamkeit. Brutalität ist ein Mittel dazu. Terroristen greifen deshalb sogenannt weiche Ziele an, die in ihrer Gesamtheit nicht zu schützen sind. Wir müssen uns darauf konzentrieren, Terrorakte zu verhindern und Terrornetze aufzuklären und so die Terroristen und ihre Unterstützer zu ermitteln. Verhaftungen in der Schweiz und mit Schweizer Hilfe belegen hier Erfolge.

Bei der Terrorbekämpfung geht es nicht nur darum zu verhindern, dass die Schweiz zur Zielscheibe von Terroristen wird. Die Schweiz soll auch nicht von Terroristen für ihre Zwecke benutzt werden können:

– Verschiedene Terrorgruppierungen haben die Schweiz als Beschaffungs- und Ruheraum missbraucht.

– Ebenso wurde die Schweiz von verschiedenen Gruppen als Transitroute und Unterstützungsraum missbraucht.

– Die Schweiz soll auch kein Finanzierungszentrum des Terrorismus werden. Bisher sind noch keine grossen Finanzströme über Schweizer Finanzinstitute in direkten Zusammenhang mit Terrorgruppen oder Terrorakten gebracht worden. Das soll auch so bleiben.

– Von der Schweiz aus werden auch Propagandaaktionen zugunsten terroristischer und gewaltextremistischer Gruppen durchgeführt.

Terrorismus ist international – auch seine Bekämpfung kann deshalb nur in internationaler Zusammenarbeit erfolgen. Vonnöten sind sowohl repressive wie vor allem präventive Massnahmen. So hat die Schweiz auch nach den Anschlägen von Madrid konkrete Massnahmen getroffen, ohne sie jedoch an die grosse Glocke zu hängen.

Aber auch nach den Anschlägen von Madrid gilt: Wir dürfen nicht in ungezielten Aktionismus verfallen. Zur Rolle der Polizei gehört es, professionell zu handeln und auch in gefährlichen Zeiten das Augenmass nicht zu verlieren. Dies sichert Ihnen auch das Vertrauen der Bevölkerung!

Ich spreche damit auch ein grundsätzliches Problem an: das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit. Wir dürfen keine überstürzten Massnahmen treffen. Es gilt hier, eine genaue Güterabwägung durchzuführen. Auch daran arbeiten wir gegenwärtig, und ich bin überzeugt, dass es uns gelingen wird, die Balance zu finden.

Auch wenn wir zum Schluss kommen sollten, dass die Behörden weitere Kompetenzen zur Gefahrenabwehr erhalten müssen, werden wir weiterhin Extremisten und Terroristen deutlich voneinander unterscheiden müssen.

Extremisten sind keine Terroristen. Sie lehnen die freiheitlich-demokratische Ordnung ab und missbrauchen die staatlich garantierte Freiheit. Sie stehen sowohl links wie rechts; sie sind Schweizer oder Ausländer. Immer mehr ist die Gewalt ein Ausdrucksmittel:

– Die Schweizer Linksextremisten sind wegen ihrer Gewaltbereitschaft im Lager der Globalisierungsgegner zunehmend isoliert. Diese Isolation könnte eine weitere Radikalisierung bewirken. Vor allem Ihnen, der Polizei, gegenüber ist der Schwarze Block gewalttätiger geworden, etwa wenn Aktivisten hoch konzentrierte Schwefelsäure gegen Beamte einsetzen.

– Zunehmende Gewalt gegen die Ordnungskräfte ist auch bei den Rechtsextremisten zu verzeichnen. Diese versuchen zudem, die Hooligans für ihre Zwecke einzuspannen.

– Ruhig, aber gespannt ist die Lage beim Ausländerextremismus. Einige Gruppen sind gewalttätig oder gewaltbereit. Sie führen von der Schweiz aus die Konflikte in ihrer Heimat oder unterstützen eine Konfliktpartei. Unsere Aufgabe ist es auch hier zu verhindern, dass die Sicherheit anderer Staaten vom Schweizer Territorium aus gefährdet wird.

Ich will abschliessend nochmals die Bedeutung der Polizei unterstreichen:

– Sicherheit wird gewährleistet durch Professionalität. Und Professionalität ist die Stärke der Polizei – Ihre Stärke.

– Sie, die Polizei, geniessen – und das ist mit Umfragen belegt – von allen Schweizer Behörden das höchste Vertrauen in der Bevölkerung.

Ich danke Ihnen!

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