Alle Parteien mit klarem Profil möchten lieber alleine regieren

Bundesrat Christoph Blocher über SVP, Konkordanz und Bürgerblock

04.04.2004, SonntagsZeitung (Denis von Burg und Andreas Windlinger)

Sie haben als Ort für das Interview Schloss Rhäzüns ausgesucht…

…das Schloss gehört der Ems-Chemie. Seit ich nach meiner Wahl in den Bundesrat die Firma an meine Kinder abgab, habe ich hier ein Wohnrecht.

Wie oft waren sie seit Ihrer Wahl in den Bundesrat schon hier?
Ich bin seither zum ersten Mal im Schloss. Wegen des hohen Arbeitsrhythmus hatte ich in den ersten drei Monaten bisher keine Zeit, hierhin zu kommen. Hin und wieder einen Ruheaufenthalt strebe ich aber an. Die Ruhe ist grossartig. Ich kann mich hier hervorragend erholen.

Sie haben eine Wohnung in Bern.
Dort übernachte ich etwa drei Mal pro Woche. Mein Zuhause ist aber Herrliberg.

Ihre Frau hat sich schon Sorgen gemacht, weil Sie wegen der Arbeitsbelastung am Morgen nicht mehr joggen gehen konnten.
Das ist in der Tat ein Problem. Doch jetzt kann ich dann wieder damit anfangen. Ich habe zuerst die Örtlichkeiten in Bern etwas rekognoszieren müssen. Der Morgenlauf ist für mich sehr wichtig: Natur, frische Luft und Bewegung. Früher machte ich immer die gleiche Strecke, 5,7 Kilometer.

Was macht Ihre Frau, wenn Sie in Bern sind?
Wenn ich in Bern übernachte, kommt sie auch. Sie kocht dann, und wir essen zusammen. Es ist für mich wichtig, dass ich als Bundesrat mit jemandem über meine Arbeit sprechen kann, ohne dass ein solcher Gedankenaustausch gleich an die Öffentlichkeit kommt.

Anders als angekündigt, haben Sie in Ihrem Büro nun offenbar doch einen Computer. Warum?
Es handelt sich bloss um ein Laptop, auf dem meine Sekretärin schreiben kann, wenn ich ihr etwas diktieren will. Ich bin nicht gegen Computer, habe selbst aber keinen. Wenn ich etwas schreiben muss – eine Rede oder einen wichtigen Antrag an den Bundesrat – , dann mache ich das immer mit dem Bleistift und lasse es niederschreiben.

Es wurde spekuliert, Sie liessen einen Teil Ihrer Anträge an den Bundesrat von Parteikollegen schreiben. Wie eng ist Ihr Kontakt zur Partei noch?
Noch nie war es der Fall, dass Anträge ausserhalb des Departements verfasst wurden! – Wir haben ein wöchentliches halbstündiges bis stündiges Treffen mit der Parteispitze. Das gab es schon, als Samuel Schmid noch einziger SVP-Bundesrat war. Ich habe einen recht lockeren Kontakt zur Partei, vielleicht einen zu lockeren.

Ist Bundesrat Schmid inzwischen politisch auf Ihrer Linie?

Wir haben – und das ist keine Floskel – eine sehr gute Übereinstimmung.

Wie arbeiten Sie mit den Sozialdemokraten Micheline Calmy-Rey und Moritz Leuenberger zusammen?
Im Bundesrat müssen Vertreter von vier Parteien mit unterschiedlicher Gesinnung gemeinsame Lösungen finden. Das ist selbstverständlich nicht einfach. Aber sicher ist es nicht so, dass immer fünf Bürgerliche den beiden Sozialdemokraten gegenüber stehen. Sozialismus und Liberalismus ist nicht eine Frage der Parteizugehörigkeit.

Sie sind enttäuscht von ihren bürgerlichen Bundesratskollegen, weil der erhoffte Bürgerblock nicht spielt?
Ich habe schon vor meiner Wahl nicht an einen solchen Bürgerblock geglaubt. Die FDP, CVP und SVP und deren Vertreter sind doch kein Block! Wir haben 130 Milliarden Schulden. Das Wirtschaftswachstum ist zu gering, weil der Staat der Wirtschaft zu viel Geld entzieht. Das wird übereinstimmend anerkannt. Aber bei den Massnahmen besteht doch keine Einigkeit!

Haben Sie schon resigniert?

Nein, ich hatte diesbezüglich keine Illusionen. Und ich will ja auch nicht schwarzmalen. Die Diskussionen im Bundesrat sind besser, als behauptet wird. Bei so vielen Geschäften im Bundesrat muss ja auch oft rasch entschieden werden. Aber bei sehr wichtigen Themen gibt es schon heftige Diskussionen. Das halte ich für einen gesunden Prozess.

Ist eine Regierung ohne SP immer noch Ihr Ziel?
Alle Parteien mit klarem Profil möchten lieber alleine regieren. Das ist ein anderes System. Aber meine Tätigkeit im Bundesrat ist sicher nicht darauf angelegt, die Sozialdemokraten aus der Regierung zu werfen.

Wie gehen Sie mit der Doppelrolle um, dass Sie Regierungsmitglied und zugleich Vertreter einer Pol-Partei sind?
Damit habe ich überhaupt kein Problem. Das sind zwei Gremien mit zwei verschiedenen Funktionen. Ich würde meine Partei tadeln, wenn sie aus Rücksicht auf ihre beiden Bundesräte ihre Auffassungen nicht mehr vertreten würde. Und umgekehrt: Die Partei müsste mich tadeln, wenn ich nicht die Regierung vertreten würde.

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