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22.12.2004

Ein Marschhalt ist nicht schlecht

22.12.2004, Der Bund (Patrick Feuz, Jürg Sohm) Das Jahr 2004 war für den Bundesrat ein relativ erfolgloses Jahr. Das Stimmvolk hat Avanti, Mietrecht, AHV-Revision und Steuerpaket abgelehnt. Ist der Aufbruch zur «bürgerlichen Wende», wie sich diese die SVP erhofft hat, schon gestoppt? In dieser Frage ist so viel falsch, dass man zuerst die Frage korrigieren müsste. Das mit der «bürgerlichen Wende» stammt jedenfalls nicht von mir. Aber von der SVP. Die SVP hat lediglich gesagt, die Wende wäre nötig. Ich selber habe nie daran geglaubt. Nur weil eine Partei einen Vertreter mehr in der Regierung hat, ist das noch lange keine Wende. Festzuhalten ist, dass das Volk ausnahmslos Vorlagen von der alten Regierung und dem alten Parlament abgelehnt hat. Die Vorlagen vom 16. Mai wurden von bürgerlichen Politikern durchaus als Aufbruch zu einer rechteren Politik aufgegleist und interpretiert. Sie haben Recht. 2003/2004 hat das Volk alle Vorlagen mit Veränderungen von links und rechts abgelehnt. Es könnte die Botschaft sein: Wir trauen neuen Lösungen nicht. Vielleicht ist das gar nicht so schlecht. Die Schweiz ist in einer Umbruchsituation. In solchen Zeiten ist es es zunächst nicht so schlecht, wenn einmal vorerst nichts ändert. Wenn es einem Unternehmen schlecht geht und die Richtung nicht stimmt, ist auch ein Marschhalt nötig. Was kommt nach dem Marschhalt? Jetzt muss man die einzelnen Probleme isoliert anschauen und überlegen, wie man die Polarisierung überwinden kann. Der Bundesrat muss vermehrt das Gespräch mit den Parteien suchen. Natürlich bringt das nicht überall Erfolg. Bei der AHV gibt es dringenden Handlungsbedarf. Da kann man nicht allzu lange warten. Wie müsste eine mehrheitsfähige Vorlage aussehen? Ein Fehler war wohl, dass man zu viel auf einmal bringen wollte. Einzelteile wie zum Beispiel das AHV-Alter 65 für alle hätten vermutlich Chancen, angenommen zu werden. Also ein gestaffeltes Vorgehen? Ja.Wenn man zu viel in eine Vorlage packt, ist die Gefahr natürlich grösser, dass sie verworfen wird. Sie wollen den Druck aufrechterhalten, dass der Staat die Steuern senkt. Wie muss hier eine mehrheitsfähige Lösung aussehen? Hier gilt das gleiche wie bei der AHV. Die Entlastung der Familien und der Hauseigentümer - wobei es für bestimmte Gruppen auch Mehrbelastungen gegeben hätte - war vermutlich zu viel auf einmal. Am dringendsten wäre eine Unternehmenssteuerreform. Das brächte der Wirtschaft am meisten und würde Arbeitsplätze schaffen. Für sich allein wäre dies wahrscheinlich auch mehrheitsfähig. Sie beklagen die «Verregulierung» als Haupthindernis für das Wirtschaftswachstum. Warum aber wehren Sie sich gegen Parallelimporte etwa im Medikamentenbereich, also gegen eine Deregulierung? Weil dies ein grosser Eingriff in die Eigentumsfreiheit wäre. Ein Unternehmer muss bestimmen können, was mit seinen Produkten passieren soll. Wenn man den Patentschutz schwächt, wird niemand mehr forschen und entwickeln. Wo wollen Sie denn mit der Deregulierung konkret ansetzen? Bauen Sie einmal ein Haus oder eine Fabrik: Die Vorschriften, die Ihnen dabei gemacht werden, sind unglaublich. Oder schauen Sie einmal, was den Unternehmern im Umweltschutz alles auferlegt wird. Sie wollen die Umwelt nicht mehr schützen? Die Frage ist, ob man die Umwelt nicht einfacher schützen kann als mit solchen Regulierungen. Nehmen Sie die CO2-Abgabe: Da werden die Unternehmen mit einer gewaltigen Bürokratie konfrontiert. Wir können das alles machen, aber dann darf man sich nicht beklagen, wenn die Wirtschaft nicht wächst. Soll den späteren Generationen schlechte Luft zugemutet werden? Nein. Es braucht Verbote und Grenzwerte. Das ist einfacher. Verbote? Klar. Man kann festschreiben, wie viel CO2 ausgestossen werden darf. Ich war auch nie gegen die Katalysatorpflicht bei Autos. Das ist eine kleine Regulierung. Wir verstehen die Idee mit dem Verbot gegen schlechte Luft nicht. Sie können im Bauwesen jedes Detail vorschreiben und Einsprachen ermöglichen, oder Sie können einfach die Grenzwerte und Grenzabstände vorschreiben und fertig. Bei der schlechten Luft können Sie auch sagen, wieviel ausgestossen werden darf. Aber der CO2-Ausstoss ist doch nicht mit Verboten zu regulieren. Warum nicht? Vielleicht nicht mit Verboten im herkömmlichen Sinn. Aber man kann eine Ausstossmenge definieren und dann Anreize schaffen, dass mehr mit Klima schonendem Diesel statt mit Benzin Auto gefahren wird. Beim Auto haben wir die Schadstoffe durch die Katalysatorpflicht reguliert. Autos ohne Katalysator sind verboten. Das Ziel der CO2-Abgabe ist es, dass weniger Auto gefahren wird, weil das Benzin verteuert wird. Das ist auf den ersten Blick bestes liberales Verursacherprinzip. Erstens stimmt es aber wahrscheinlich nicht, dass dann weniger Auto gefahren wird. Und zweitens profitiert von dieser Lösung nur, wer in Zürich neben dem Hauptbahnhof wohnt. Der aus dem Münstertal ist der Dumme. Das CO2-Gesetz ist zudem ein gutes Beispiel für die unglaubliche Beratungsfirmen-Bürokratie in der Verwaltung. Auf dem Papier sieht alles schön aus. Aber für die Unternehmen ist dies hinderlich. Wir können es machen, aber dann schwächen wir unsere Wettbewerbsfähigkeit. Auf Ihren Antrag hin will der Bundesrat abklären lassen, wie die Bundesausgaben um bis zu 40 Prozent gekürzt werden könnten. Was soll eine so realititätsfremde übung bringen? Wenn Sie die Staatsausgaben senken wollen, müssen Sie wissen, was im Staat wichtig ist und was nicht. Im Laufe der Jahre sammelt sich immer Unwichtiges an. Um das herauszufinden, müssen Sie mit einer hohen Sparvorgabe starten. Nur so gibt es den Zwang, die Kosten der einzelnen Aufgaben herauszufinden und diese Aufgaben dann zu bewerten und zu gewichten. Sie können dann immer noch sagen, wir begnügen uns mit Einsparungen von 20 oder 10 Prozent. Wo sehen Sie vertretbare, kräftige Schnitte? Ich will diese Frage nicht beantworten. Sobald einer ruft, das ist die Lösung, ist die Übung schon gestorben. Deshalb müssen Sie das Ziel vorgeben und in einem Prozess Varianten erarbeiten. Damit setzen Sie sich dem Vorwurf aus: grosse Sparsprüche, keine konkreten Vorschläge. Wer das Richtige will, muss diesen primitiven Vorwurf ertragen. Sie möchten am liebsten öffentliche Bundesratssitzungen. Mehr Transparenz in Ehren: Wenn alle Bundesräte einfach auf ihren Showpositionen beharrten, wäre konstruktive Regierungsarbeit viel schwieriger. Ich weiss natürlich, dass es kaum je öffentliche Bundesratssitzungen geben wird. Ich will mit dieser Forderung nur sagen: Es gibt nichts zu verbergen. Die heutige Praxis führt zu Indiskretionen, die nur die halbe Wahrheit enthalten und in der öffentlichkeit zu Fehlbeurteilungen führen. Eine Regierung, die öffentlich wäre, würde an Vertrauen gewinnen. öffentliche Positionen sind nicht Showpositionen. Die Bundesräte wären unter ständigem Druck ihrer Partei und Klientel und könnten viel weniger Hand bieten zu mehrheitsfähigen Lösungen. Der einzige Unterschied zwischen dem Bundesrat und Parlament liegt darin, dass der Bundesrat kleiner ist als das Parlament. Wie die Parlamentsfraktionen fahren auch die Bundesräte oft mit Maximalpositionen ein. Am Schluss geht es darum, einen Kompromiss zu haben. Die Bundesräte müssen genau wie die Parlamentarier Konzessionen machen. Die Positionen und ihre Verfechter darf man kennen, und auch die Abstriche an diesen Positionen sollten öffentlich sein. Sie sagen, bisher hätten die Parteien nicht die profiliertesten Köpfe in den Bundesrat geschickt. Sie sagen damit, Sie seien der einzige profilierte Kopf im Bundesrat. So einen Unsinn habe ich nie behauptet und werde es auch nie tun. Im Bundesrat sitzen heute sieben verschiedene Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Positionen und unterschiedlichem Charakter. Das ist ein schwieriges Gremium. Das war schon immer so. Wir müssen jetzt nicht so tun, als seien früher sieben Gleichgesinnte Fritzen in einem Saal gesessen und hätten sich gegenseitig gelobt. Es gab schon früher Zeiten, da ging es im Bundesrat heftig zu und her und solche, da ging es weniger heftig zu - letztere waren nicht die besten Zeiten. Am Anfang meiner Bundesratstätigkeit gab es eine gewisse Reserve gegenüber einer harten Diskussion. Heute ist das nicht mehr so. Es wird gestritten und gerungen. Das ist gut und führt zu besseren Ergebnissen. Ihre Frau hat öffentlich die Idee lanciert, das Parlament solle eine rein bürgerliche Regierung wählen. Kann die Konkurrenz in der schweizerischen Referendumsdemokratie funktionieren? Natürlich kann sie funktionieren. Die Frage ist, ob man das will. Die Konkurrenz wie die Konkordanz haben ihre Vor- und Nachteile. Aber es ist langsam langweilig, dass wir immer wieder darüber sprechen. Die Frage wurde eigentlich bei den letzten Bundesratswahlen entschieden. Die SVP forderte damals zwei Sitze und sagte, andernfalls ginge sie in die Opposition. Die anderen wollten die SVP verständlicherweise nicht in die Opposition ziehen lassen, weil das für sie eine unangenehme Situation gewesen wäre. Wo liegen die Vorteile der Konkurrenz? Jene regieren, die gleicher Meinung sind - wenn sie es dann wirklich wären. Sie müssen ihre Entscheide dauernd an der Opposition messen. Diese starke Rücksichtnahme gibt auch gute Entscheide. Vor allem weiss man in der Konkurrenz, wer die Verantwortung trägt. Das ist heute nicht immer so klar. Später kann dann das Volk wenn nötig als Korrektiv wirken. Aber die Konkordanz hat natürlich auch grosse Vorteile: Die Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Positionen findet schon im Bundesrat statt - wenn sie stattfindet. Man kann mit beiden Regierungsformen leben. Wären Sie persönlich als Bundesrat für eine Konkurrenzregierung zu haben? Jetzt nicht. Ich bin heute in der Konkordanz. Aber wenn das Parlament sich für die Konkurrenz entscheidet, würde ich sagen, dann bin auch ich dafür. Sei es in der Regierung oder in der Opposition. Das ist ja im Grunde das gleiche. Die Unterschiede sind nur graduell. Wer glaubt, die Arbeit in der Opposition sei ganz anders als in der Regierung, versteht weder die Opposition noch die Regierung. Die Opposition hat im Gegensatz zur Regierung weniger Verantwortung. Natürlich. Die Regierung trägt die Verantwortung. Darum sollte man die Opposition in die Regierung nehmen. Das macht man ja. Die Parteien haben es in der Opposition aber viel schwieriger als in der Regierung. Sie müssen alles selbst erarbeiten, haben keinen Zugang zum Verwaltungswissen und im Gegensatz zum Ausland keine eigenen Medien. In den letzten Jahren war die Presse auf jeden Fall immer auf Seite der Regierung. Wie müsste die Schweiz aussehen, damit Sie als Bundesrat eines Tages mit Genugtuung zurücktreten könnten. Ich werde wahrscheinlich nie mit Genugtuung zurücktreten können. Ich war 30 Jahre Unternehmer und bin nie mit Genugtuung vor die Presse getreten, sondern habe immer über Probleme gesprochen, die wir gelöst haben oder noch lösen mussten. Dann fragen wir so: Wie müsste die Schweiz aussehen, dass Sie wenigstens mit ein bisschen Genugtuung zurücktreten? Wenn die Schweiz sagen würde: Wir sind bereit, eine bessere und erfolgreichere staatliche Ordnung zu machen als die anderen Staaten. Das heisst weniger Geld ausgeben, den Bürgern mehr Freiheit geben, eine höhere Selbstverantwortung haben und damit ein höheres Wirtschaftswachstum und viele Arbeitsplätze erreichen - also ein ökonomisches Wunderwerk gegenüber den anderen Staaten schaffen, die immer noch regulieren und hohe Ausgaben machen. Diese Schweiz würde zweitens die direkte Demokratie beachten. Heute ist das nicht Mode. Gewisse Wirtschaftsleute wollen die Demokratie einschränken, und Herr Couchepin hat auch seine eigenen Demokratie-Ideen. Drittens müssten wir die Kraft haben, unser Land in Selbstbestimmung aufrechtzuerhalten und nicht grossen Organisationen beitreten. Sie sagen, die direkte Demokratie sei kein Hindernis für eine florierende Wirtschaft. Gleichzeitig bekämpft die SVP das Verbandsbescherderecht. Es ist nicht die direkte Demokratie, die verantwortlich ist für die hohe Regulierung, wie das Wirtschaftsvertreter behaupten. Diese haben nicht erkannt, dass die Zahl der Interventionisten in Bern viel grösser ist als in der Bevölkerung. Das Volk hat zu vielen Interventionen gar nie etwas sagen können. Und viele Interventionen hat es verworfen, darunter manche Steuererhöhung. Das Verbandsbeschwerderecht ist kein Instrument der Demokratie. Sie glauben also, das Volk für Ihre Vision eines schlanken Staates gewinnen zu können? Sicher nicht in allen Teilen. Der Schritt, der zu tun wäre, ist relativ gross. Vor allem dort, wo die Leute auf etwas verzichten müssen. Es ist mir klar, dass es schwierig ist, den Leuten etwas wegzunehmen. Es ist aber schon gut, wenn wir nicht dauernd Neues verteilen.

22.12.2004

Das Regieren ist ihm zur Freude geworden

22.12.2004, Neue Zürcher Zeitung (Martin Senti) Herr Blocher, seit einem Jahr sind sie kein freier Unternehmer mehr sondern Mitglied der Kollegialbehörde Bundesrat, gefällt Ihnen Ihr neuer Job? Gefallen wäre etwas viel gesagt, aber es geht mir auf jeden Fall besser als am Anfang. Wenn man sich in die Arbeit vertieft und die Aufgabe ernst nimmt, dann wird sie auch interessant und man bekommt auch Freude daran. Lässt sich ein Departement wirklich wie ein Unternehmen führen? Grundsätzlich bleiben Führungsaufgaben immer die gleichen, ob in der Wirtschaft oder in der Politik. Doch wird in der Politik Vieles, das führungsmässig bewältigt werden sollte, fälschlicherweise politisch angegangen. In der Verwaltung fehlt der Bezug zur Realität: Man gibt sich rasch zufrieden oder glaubt, die Realität sei so, wie man sie gerne hätte. Eine gute Problemanalyse ist immer schon die halbe Problemlösung, erst bei der Umsetzung zeigt sichder Unterschied: Die Entscheidungswege in der Politik sind länger und komplizierter. Sie haben gestern an Ihrer Medienkonferenz in Biel die Verwaltung offen kritisiert, müsste man hier anders rekrutieren? Nein, ich spüre auch viel Lernfähigkeit. Wenn man die Leute richtig in die Führung einbezieht, erkennen Sie rasch den Ernst der Vorgänge. Ich verlange zum Beispiel stur in allen Fragen klar und kurz formulierte Anträge mit verschiedenen Lösungsvarianten. Sie haben eine neue Streitkultur in den Bundesrat getragen. Da ecken Sie auch an, provozieren vielleicht Retourkutschen, die gar nicht nötig wären. Sie haben selbst das Bild vom Fuchs im Hühnerstall genannt - führt das nicht zu unnötigem Wirbel, der Konstruktives auch verhindert? Streit sollte eben nicht bloss als Angriff verstanden werden. Streit muss nichts Schlimmes sein, er ist immer auch ein Zeichen dafür, dass man eine Sache ernst nimmt. Am Anfang hat man das im Bundesrat vielleicht nicht so empfunden, aber es hat sich gebessert. Ich bin jedenfalls nicht ausgegrenzt worden. Dieser Prozess der Anpassung war ja wohl ein zweiseitiger? Ich habe im Leben oft in verschiedenen Gremien gearbeitet. Man passt sich immer auch einem Gremium an, das ist eine Frage der Gruppendynamik. Man kennt sich jetzt auch besser. Ist Ihrer Meinung nach das Kollegialprinzip für das Funktionieren des Bundesrates noch wichtig? Die Kollegialität ist die Voraussetzung, dass der Bundesrat funktioniert. Aber was bedeutet sie genau? Ich bin der Auffassung dass die Kollegialität nur besagt, dass der einzelne Bundesrat eine Entscheidung, die einmal getroffen worden ist, nicht mehr bekämpft. Das heisst aber nicht, dass man auch die Begründung für eine Entscheidung vertreten muss oder gar Einschätzungen der Auswirkungen eines Entscheides. So weit darf man nicht gehen, sonst kann man keine Persönlichkeiten in ein solches Gremium wählen. Denn nur wer keine Meinung hat, kann alles vertreten. Sie halten mit eigenen Einschätzungen nicht zurück, etwa bei der Personenfreizügigkeit. Ich habe im Ständerat die Vorteile aufgezählt, habe aber auch gesagt, dass dies Druck auf die Löhne nach sich ziehen wird und eine höhere Arbeitslosigkeit. Am Nachmittag hat mir dann ein Ständerat gesagt, ich dürfe das nicht sagen, denn es stehe nicht in der Botschaft. So etwas finde ich Unsinn. Bei der Freizügigkeit haben Sie deutlich gemacht, dass Sie den Schritt wagen würden. Anders bei Schengen: Diesen Vertrag haben Sie vor der eigenen Partei klar abgelehnt. Das habe ich nicht. Ich habe einfach auch die Nachteile dargelegt, nachdem Botschafter Ambühl alle Vorteile blumig aufgezählt hatte. Man kannte meine Meinung zu Schengen schon vor meiner Wahl. Aber ich bekämpfe Schengen heute nicht mehr, ich nenne bloss auch die Schattenseiten und die Probleme, die wir zu lösen haben. Es stellt sich generell die Frage nach der Rolle des Bundesrates in Abstimmungskämpfen. Beim Steuerpaket waren Sie sehr aktiv, bei den Einbürgerungsvorlagen nicht. Wirkt das Engagement des Bundesrates so nicht etwas willkürlich. Ich finde das nicht so schlimm. Wenn ein Bundesrat von einem Geschäft überzeugt ist, das der Gesamtbundesrat vertritt, dann soll er auch sagen dürfen, wie er denkt. Und wenn er anderer Meinung ist, dann muss er halt auf den Mund sitzen. Vorträge halten habe ich nie als unerlaubte Propaganda des Bundesrates empfunden. Ich habe aber die überbordende Propagandatätigkeit der Verwaltung kritisiert. Und da hat der Bundesrat jetzt auch einen Riegel geschoben. In Ihrem Departement lobt man Sie dafür, dass Sie die Stäbe abgebaut haben, dass keine Entourage mehr als Filter wirkt - mit viel Einfluss aber ohne Verantwortung. Ich bin es gewohnt, direkt zu führen. Ich arbeite direkt mit den Amtsdirektoren, und diese haben dadurch mehr Arbeit und mehr Verantwortung. Sie müssen häufiger antreten, dafür können sie aber auch ihre Anliegen direkter vortragen als früher. Umgekehrt sehe ich auch direkter in die Amtsführung, denn der Filter wirkte auch von oben nach unten. Generell werden Entscheidungswege dadurch kürzer. Die vielen Anträge und Lösungsvarianten, die Sie verlangen bedeuten doch aber auch Mehraufwand. Man hört, dass sie alles ins Deutsche übersetzen lassen. Führt das alles nicht zu mehr Bürokratie? Also, das mit dem übersetzen ist ein Ammenmärchen. Klar, dass wichtige Anträge auch einmal übersetzt werden. Und es geht mir auch nicht um viel Papier. Die Arbeit besteht im Gegenteil darin, langfädige Berichte auf kurze Anträge zu reduzieren, die auf zwei Seiten Platz finden. Sie haben vor Ihrer Wahl angekündigt, Sie würden sich zu 50 Prozent mit departementsfremden Geschäften beschäftigen, tun Sie das? Ja, wenn ich das überschlage, dann sind das etwa 50 Prozent. Ich trage dabei aber nicht einfach Mitberichte aus der Verwaltung in den Bundesrat, sondern befasse mich gezielt mit Geschäften, die mich interessieren. Sie haben sich vor Ihrer Wahl für die Konkordanz ausgesprochen. Wie steht es heute? In Bezug auf die Frauenemanzipation bin ich natürlich meilenweit weiter als die NZZ vermutet (lacht): Ich habe da gelesen, Blocher lasse seine Konkordanzkritik via seine Frau ausrichten. Meine Frau denkt in dieser Beziehung etwas anders als ich - radikaler, wie Frauen eben radikaler denken. Und Sie, wie denken Sie? Wir haben uns vor den letzten Wahlen klar zur Konkordanz bekannt und zwar in einem Ausmass wie es keine andere Partei tat. Wir haben jetzt die Konkordanz, und es ist müssig, ständig ihre Vor- und Nachteile aufzuzählen. Die Voraussetzungen für die Konkordanz sind heute nicht schlecht. Man muss aber als Politiker für einen allfälligen Wechsel zum Oppositionsmodell bereit sein, sonst wird man abhängig. Wie steht es um das Verhältnis zu ihrer Partei? Dieses Verhältnis ist heute zu locker. Am Anfang habe ich mich ganz von der Partei gelöst. Ich bin heute aber der Auffassung, wir verkehren zu wenig mit den Parteien, nicht nur mit der eigenen, auch mit den andern. Immerhin beraten Sie Ihre Kantonalpartei in Personalfragen. . . Das war eine Sitzung (lacht). Ich nehme praktisch an keiner Parteileitungssitzung mehr teil. In der Zürcher SVP trägt man sich mit dem Gedanken, Sie wieder auf die Nationalratsliste zu setzen, was für einen Bundesrat nicht gerade üblich wäre. Würden Sie dazu Hand bieten? Das ist eine Frage, mit der ich mich nicht vor 2007 beschäftige. Die Idee ist aufgekommen, weil es im Parlament namhafte Exponenten gibt - vor allem in der CVP, die sagen, dass man den Blocher nächstes Mal mit Unterstützung der Linken aus dem Bundesrat wählen soll - damit er von der politischen Bühne weg ist, als Oppositioneller ohne Mandat. Deshalb die Idee. Ausschliessen würden Sie das also nicht? Ich möchte das jetzt weder aus- noch einschliessen. Das liegt in weiter Ferne.

22.12.2004

«Über Hirschhorn rede ich nicht»

Bundesrat Christoph Blocher will im neuen Jahr noch "mehr nach draussen gehen, ausserhalb vom Bundeshaus, wo das wahre Leben abläuft", wie er im Interview zum Theme "Ein Jahr Blocher im Bundesrat" sagt. Der Magistrat gesteht auch, es habe Situationen gegeben, "in denen ich gesagt habe: 'Ich mag nicht mehr'". 22.12.2004, Aargauer Zeitung (Martin Furrer) Wie wollen Sie am liebsten angesprochen werden: Als Herr Blocher oder als Herr Bundesrat? Eigentlich ist mir das gleichgültig. Ihre Kritiker sprechen Ihnen Bundesratsformat noch immer ab. Wann ist jemand ein richtiger Bundesrat? Das müssen Sie meine Kritiker selber fragen. Aber wie definieren Sie Ihre Rolle? Ein Bundesrat hat zu führen und zu regieren und nicht nur die Meinung der Verwaltung gegen aussen zu vertreten. Man soll seine eigene Meinung in die Regierung einbringen. Wer mir vorwirft, ich sei bloss Parteienvertreter, nimmt die Parteien nicht ernst. Ich vertrete nie eine Meinung, weil sie meine Partei vertritt, sondern weil es meine überzeugung ist. Sie haben in Ihrer Jahresbilanz am Montag erklärt, bisher seien stets Persönlichkeiten in den Bundesrat gewählt worden, die keinen allzu pointierten Standpunkt eingenommen hätten. Eine Kritik an ihren sechs Kolleginnen und Kollegen. Überhaupt nicht. Tatsache ist, dass in der Vergangenheit pointierte Persönlichkeiten, die ausgesprochene Parteiexponenten waren, nicht gewählt wurden. Wer zum Beispiel? Liliane Uchtenhagen. Umso erstaunlicher, dass das Parlament mich, den vielgescholtenen Oppositionsführer, gewählt hat. Sie haben auch gelobt, man gehe im Bundesrat den Problemen wieder auf den Grund. Musste erst jemand wie Sie in die Regierung gewählt, werden, damit die Gesprächskultur besser wird? Ich frage nicht immer, ob ich die Ursache für eine Entwicklung sei oder nicht. Mir sagen einfache einzelne Regierungsmitglieder, dass wieder wesentlich mehr diskutiert werde als vor meiner Zeit. Das ist sehr positiv. Denn das Ringen um Probleme und Lösungen ist eine der Voraussetzungen, dass etwas gut herauskommt. Es gehe an den Bundesratssitzungen mitunter lustig zu, sagten Sie. Ein Beispiel? Es gibt immer wieder lustige Argumente. Wir sitzen nicht griesgrämig am Tisch herum. Lustige Argumente - das meinen Sie natürlich ironisch. Keineswegs. Das Leben ist doch eine fröhliche Angelegenheit! Jetzt lachen wir beide. Sehen Sie, das ist ein gutes Zeichen. Pascal Couchepin war nicht zum Lachen zumute, weil Sie den Ausgang der Einbürgerungs-Abstimmung nicht kommentieren wollten. Er hat Sie als Gefahr für die Demokratie bezeichnet hat. Das klingt nicht gerade nach guter Stimmung. Pascal Couchepin legt Wert darauf, nicht gesagt zu haben, ich sei eine Gefahr für die Demokratie, sondern meine Auffassung von Demokratie sei gefährlich. Ich habe mit ihm deswegen auf der menschlichen Ebene keine Probleme. Er hat bloss seine Auffassung von Demokratie auf den Tisch gelegt, die ich für elitär halte. Schade, dass diese Diskussion nicht weitergeführt worden ist. Ihre Intervention hat nichts bewirkt: Die Bundesräte wollen Abstimmungsergebnisse weiterhin kommentieren. Warten Sie ab. Ich bin überzeugt, dass künftig das Volk nicht mehr als Dummkopf hingestellt wird, wenn es anders entschieden hat als vom Bundesrat gewünscht. Der Bundesrat will die Abstimmungsergebnisse ja nur analysieren ... ... Sie meinen "Kaffeesatz lesen" ... ... und werten, weil in der vielschichtigen Schweiz auch die Meinung der unterlegenen Minderheit wichtig ist ... ... und ich bleibe dabei: Wenn das Volk etwa bei den Einbürgerungen gegen den Mainstream von Parlament, Bundesrat und Medien votiert hat, ist das zu akzeptieren. Punkt. Man muss das Volk ernst nehmen. Ich bin übrigens auch dagegen, dass man das Volk lobt, wenn es einer Vorlage zugestimmt hat. Man beleidigt es, wenn sich die Regierung zum Massstab aller Dinge nimmt. Sie plädieren weiterhin für öffentliche Bundesratssitzungen. Meinen Sie das ernst? Es ist eine provokative Forderung, die vermutlich nie verwirklicht wird. Aber grundsätzlich wüsste ich nicht, was wir zu verbergen hätten. Heute ist die Bevölkerung sehr schlecht informiert über die Vorgänge im Bundesrat. Darum muss sie von Indiskretionen leben, also von gezielten Halbwahrheiten. Das ist ärgerlich. In der Ems-Chemie wären Sie auch nicht auf die Idee gekommen, Verwaltungsrats-Sitzungen auf dem Marktplatz der öffentlichkeit abzuhalten. Die Ems-Chemie ist kein öffentliches Unternehmen, und es gab dort auch keine Indiskretionen. In der Politik hat die Bevölkerung grösseren Anspruch darauf zu erfahren, was sich in der Regierung abspielt, als in einem Unternehmen. In der Presse erhielten Sie gestern nach Ihrer Bilanz tendenziell positivere Noten als nach den ersten hundert Amtstagen. Und im Parlament anerkannte sogar die Linke, dass Sie zentrale Themen wie den freien Personenverkehr oder Schengen/ Dublin gemäss Bundesrat vertreten haben. Geht die Rechnung Ihrer Gegner, Sie einzubinden, langsam auf? Davon merke ich nichts. Haben Sie das Gefühl, ich sei eingebunden und könne keine eigenen Gedanken mehr entwickeln? Das fragen wir Sie. Eingebunden wäre ich erst dann, wenn ich hinstehen und das Gegenteil dessen erklären würde, was ich früher vertreten habe. So ist es natürlich nicht. Man kritisiert mich ja im Gegenteil nach wie vor, weil ich Mühe hätte, die Meinung des Bundesrates als meine eigene auszugeben. Das haben Sie auch. Stimmt. Wenn ich etwas innerlich nicht tragen kann, merkt man das. Dies ist ein Zeichen von Glaubwürdigkeit. Nur jemand, der keine Meinung hat, kann alles vertreten. Sie lobten auch die Vorteile der Konkordanz. Erstaunlich: Als Befürworter von klaren Verhältnissen müssten Sie doch für das Konkurrenzmodell mit klaren Regierungsmehrheiten sein. Sie unterstellen mir etwas. Die Frage Konkordanz oder Opposition beschäftigt mich seit Jahren. Beide Systeme haben Vor- und Nachteile. Jetzt haben wir die Konkordanz, und es ist müssig, immer wieder zu spekulieren, ob das Oppositionsmodell besser wäre. Machen wir jetzt das beste aus der Konkordanz. Erst wenn wir sehen, dass sie nicht mehr funktioniert, weil wir uns gegenseitig blockieren, müsste man erneut darüber diskutieren. Ihre Frau hat öffentlich Sympathien für das Konkurrenzmodell geäussert. Das stimmt. Frauen sind oft radikaler. Ihre Frau ist radikaler als Sie? Frauen sind konsequenter, und wenn meine Frau sagt, dass es sinnvoller sei, wenn Leute zusammen regieren, welche die gleiche politische Meinung haben, weil sie dann eher zu Entscheiden kommen, ist das nicht falsch. Aber der Nachteile ist, dass Dritte von der Macht ausgeschlossen werden. Das ist nicht nur gut. In Ihrem Büro hängt das berühmte Bild des Holzfällers von Ferdinand Hodler. Könnten Sie verstehen, wenn es vielleicht auf gewisse Betrachter ebenso bedrohlich wirken würde wie eine Installation von Thomas Hirschhorn? Über Herrn Hirschhorn rede ich nicht. Hodlers Bild drückt Kraft aus, Lebensfreude, Ursprünglichkeit. Das gefällt mir. Herr Hirschhorn kann ausstellen, was er will. Kunst muss frei sein. Wenn der Staat aber dafür Geld gibt, beginnt er sich wie kürzlich einzumischen. Darum bin ich gegen staatliche Kulturförderung. Ferdinand Hodler wurde aber auch gefördert. Ja, durch Mäzene. Ich bin sehr für das private Mäzenatentum. Die USA beispielsweise fördern das Mäzenatentum, indem sie dafür steuerliche Erleichterungen vorsehen. Also auch eine indirekte staatliche Subventionierung von Kunst. Wenn der Staat einem nichts wegnimmt, ist das noch lange keine staatliche Förderung. Sie schlagen ein hohes Tempo an und schlafen wenig. Keine Angst, einmal ausgebrannt zu sein? Es gab auch schon Situationen, in denen ich gesagt habe: Ich mag nicht mehr. Aber ich habe eine kurze Regenerationszeit. Ihr Rezept gegen Burnout? Vierzig Jahre lang ging ich jeden Morgen um halb sechs auf meine fünfeinhalb Kilometer lange Joggingstrecke. Jetzt in Bern ist das nicht mehr so oft möglich, aber zuhause jogge ich weiterhin. Es ist schon fast eine Sucht. Ich bin gern draussen in der Natur. Was wünschen Sie der Schweiz und sich selber zum neuen Jahr? Der Schweiz mehr Selbstbewusstsein. Und mir die Möglichkeit, noch mehr nach draussen zu gehen, ausserhalb vom Bundeshaus, wo das wahre Leben abläuft.

22.12.2004

«Ich bin für Verbote»

Nachdem er am Montag Bilanz gezogen hat, blickt Christoph Blocher im Interview nach vorn. Er äussert sich zur Sanierung von AHV und Staatshaushalt, kritisiert das CO2-Gesetz und plädiert für Verbote statt komplizierte Regulierungen. Sein Ziel? Ein «ökonomisches Wunderwerk». 22.12.2004, St. Galler Tagblatt (Heidi Gmür) Das Jahr 2004 war für den Bundesrat ein relativ erfolgloses Jahr. Das Stimmvolk hat Avanti, Mietrecht, AHV-Revision und Steuerpaket abgelehnt. Ist der Aufbruch zur «bürgerlichen Wende», den sich die SVP nach Ihrer Wahl erhofft hat, schon gestoppt? Die SVP sagte, dass die Wende nötig wäre. Ich habe nie an die Wende geglaubt, nur weil einer mehr von einer anderen Partei im Bundesrat ist. Die Frage ist, ob sich etwas zum Besseren gewendet hat. Und, wurde es besser? Es stimmt, das Volk hat relativ viele Vorlagen verworfen - aber sie stammten alle von der früheren Regierung und dem früheren Parlament. Vielleicht ist es auch gar nicht so schlecht, dass vorerst nichts geschieht. Die Schweiz ist in einer Umbruchsituation, das zeigt auch meine Wahl in den Bundesrat. Es ist wie bei einem Unternehmen, das in die falsche Richtung läuft. Da ist ein Marschhalt nötig, bis man weiss, wohin es geht. Trotzdem: Das Steuerpaket und die AHV-Revision wurden im Mai von den Bürgerlichen als Aufbruch interpretiert. Wie wollen Sie nun die AHV sanieren? Es ist schwer zu sagen, warum die AHV-Revision genau verworfen wurde. Vielleicht wollte man zuviel auf einmal, man könnte vielleicht Einzelteile bringen. Zum Beispiel das Rentenalter 65 für alle, da könnte man eine Mehrheit hinbringen. Ein gestaffeltes Vorgehen also. Ja, wenn man zehn Veränderungen bringt, ist die Gefahr grösser, dass es fällt. Auch das Steuerpaket, für das Sie selber aktiv geworben hatten, wurde abgelehnt. Wie müsste hier eine neue Vorlage aussehen? Hier gilt das gleiche. Wir haben verschiedene Dinge vermischt. Es gab Entlastungen der Familie und der Hauseigentümer, es gab aber auch Mehrbelastungen. Der Bundesrat hat jetzt von einem Marschhalt gesprochen, es soll eine Gesamtkonzeption geben. Das Dringlichste ist sicher die Unternehmenssteuerreform. Sie bringt Arbeitsplätze. Sie glauben explizit nicht, dass es ein Votum gegen Sozialabbau und Steuersenkungen war? Es war ein Votum gegen diese Steuersenkung und gegen diese AHV-Reform. Schauen Sie das Jahr 2003 an, da wurden alle sozialen Verbesserungen verworfen. Das war alles gegen links. Und nun war alles gegen rechts. Es ist eine gewisse Stillstandsituation eingetreten, weil man sagt, lieber machen wir nichts, als etwas Falsches. Und was kommt nach dem Stillstand? Auf parlamentarischer Ebene spricht man derzeit von Polarisierung, es heisst, man bringe nichts mehr zustande. Das wäre die einfache Schlussfolgerung. Aber ein Beispiel aus meinem Departement zeigt, dass es nicht so sein muss: Ich habe gesehen, dass man das Bundesgerichtsgesetz nicht durchbringen wird und habe es gestoppt. Jetzt hat das Parlament die neue Vorlage praktisch einstimmig gutgeheissen, ohne dass sie völlig anders wäre. Man kann die Polarisierung also auch überwinden, indem man das Gespräch mit den Parteien sucht. Zu oft aber hat der Bundesrat bisher isoliert beschlossen und gesagt: Vogel friss oder stirb! Ihr Gegenrezept tönt simpel. Es gibt sicher Fälle, wo das nicht möglich ist, dort muss man eben eine breite Koalition erreichen. Zum Beispiel in der Ausländer- und Asylpolitik. Da muss man fühlen, wo das Volk die Präferenz hat. Bei der Ausländerpolitik wird das eher eine bürgerliche sein, in anderen Fragen eher eine linke. Das wird das Vorgehen für die Zukunft sein. Ich sehe da nicht so schwarz. Sie kritisieren die «Verregulierung» der Wirtschaft, die Wachstum verhindert. Warum sind Sie gegen Parallelimporte? Weil es ein grosser Eingriff in die Eigentumsfreiheit ist. Wenn ich etwas entwickle und patentiere, darf ich doch sagen, wo man das verkauft. Ansonsten wird niemand mehr forschen. Wo wollen Sie denn die Deregulierung ansetzen? Ja, bauen Sie mal ein Haus, eine Fabrik! Da gibt es Vorschriften, Einsprachen, es ist unglaublich. Allein im Umweltbereich wird bis ins Detail reguliert. Oder stellen Sie privat eine Person an - und zwar legal, mit AHV, Pensionskasse und Ferienregelung. Das ist fast nicht möglich, das ist so kompliziert. Es sind immerhin Vorschriften zum Schutz der Umwelt und zum Schutz der Arbeitnehmer. Ja natürlich, es gibt immer etwas! Die Frage ist, kann man denn die Umwelt nicht einfacher schützen? Wie? Beispiel CO2-Abgabe: Da müssten sie mal sehen, was die Unternehmer alles machen müssen. Wir können das natürlich alles tun, aber man muss dann nicht klagen, wenn die Wirtschaft nichts wächst. Sollen die späteren Generationen die schlechte Luft erben? Nein. Aber ich bin natürlich für klare Grenzwerte oder Verbote. Für Verbote? Ja, man kann sagen, soviel darf man ausstossen und dann ist fertig. Ich war nie dagegen, dass man Autos mit Katalysatoren einführt, das ist eine kleine Regulierung. Autos ohne Katalysatoren sind verboten. Das müssen Sie schon genauer erklären. Also: Man kann sagen, du kannst da bauen, wenn du das bis ins Detail so machst und so machst und so weiter. Aber man könnte auch sagen: Wir haben hier ein Grundstück, hier die Abstände und die Höhe, darauf kannst du bauen. Punkt. Das wäre eine ganz einfache Regulierung. Und bei den Schadstoffen? Da kann man auch sagen: Diese Schadstoffe darfst du ausstossen, jene nicht. Das haben wir bei den Autos gemacht. Am CO2-Ausstoss ändert dies allerdings nichts. Nein, aber wenn Sie den nicht mehr wollen, dann sagen Sie es, dann darf man das eben nicht mehr machen. Aber es will ja niemand das Auto verbieten. Also haben Sie den CO2-Ausstoss. Es geht um Anreize, damit weniger Auto gefahren wird. Ja und wer profitiert davon? Der Zürcher, aber nicht der Münstertaler. Das CO2-Gesetz ist für die Industrie ein unglaubliches Beispiel für Regulierung, es ist ein Beraterfirma-Bürokratie-Gesetz. Das können wir tun, aber dann schwächen wir unsere Wettbewerbsfähigkeit massiv. Zurück zur Finanzpolitik: Auf Ihren Antrag soll der Bundesrat abklären, wie die Ausgaben um 40 Prozent gekürzt werden können. Das ist unrealistisch - was erreichen Sie damit? Ich sage nicht, wer welche Anträge stellt. Aber ich würde das machen. Die Frage ist: Geben wir zuviel Geld aus? Ich bin der Meinung ja, darum brauchen wir so hohe Steuern und Abgaben und lähmen unsere Wirtschaft. Wenn Sie die nun senken wollen, müssen Sie fragen, was ist wichtig und was nicht. Und wie finden Sie das heraus? Indem Sie sagen, jetzt nehmen wir mal an, der Staat gäbe 30 oder 40 Prozent weniger aus und schauen, was dann passiert. Man kann sich dann immer noch mit 10 oder 20 Prozent begnügen. Wo sind denn derart kräftige Ausgabenschnitte möglich? Ich möchte die Frage nicht beantworten. Sie ist bereits falsch gestellt. Sobald einer ruft, das wäre die Lösung, ist die übung bereits gestorben. Sie müssen das Ziel sehen, den Prozess, und Varianten erarbeiten. Sie reden von Sparen und zeigen keine Möglichkeiten auf. Ja, diesen Vorwurf muss man halt ertragen. Ich habe aber in meinem Departement 10 Prozent als Vorgabe genommen - und musste keine wesentlichen Aufgaben streichen. Die Vorgabe von 40 Prozent ist ein Tabubruch, wie Sie ihn bewusst gerne pflegen. Das löst vor allem Abwehrreflexe aus. Zunächst natürlich schon. Aber sie müssen den Vorgang den Leuten eben auch begreiflich machen. Die Vorgabe muss einfach relativ hoch sein, damit am Schluss nicht einfach überall ein wenig gespart wird. Wie müsste die Schweiz aussehen, damit Sie eines Tages mit Genugtuung zurücktreten könnten? Das werde ich nie tun können. Ich war 30 Jahre Unternehmer und habe immer noch über die Probleme gesprochen, die wir haben und lösen müssen. Wie sähe sie aus, damit Sie einigermassen zufrieden wären? Wenn die Schweiz sagen könnte: Wir sind bereit, eine bessere, eine erfolgreichere staatliche Ordnung zu machen als alle anderen, indem wir weniger Geld ausgeben, dem Bürger mehr Freiheit gäben, eine höhere Selbstverantwortung und mehr Arbeitsplätze hätten. Ein ökonomisches Wunderwerk also. Zweitens, dass wir die direkte Demokratie beachten, sie nicht einschränken. Und drittens, dass wir die Kraft haben, unsere Selbstbestimmung aufrechtzuerhalten und nicht in diese grossen Organisationen eintreten. Dann glaube ich, geht es der Schweiz gut. Glauben Sie denn, dieses Bild eines florierenden Unternehmens, das sie von der Schweiz zeichnen, sei mit der direkten Demokratie kompatibel? Durchaus. Viele sagen, es sei die direkte Demokratie die für die starke Regulierung verantwortlich sei, aber so einfach ist das nicht. Die Interventionisten sind in Bern viel zahlreicher als in der Bevölkerung. Sie glauben also, das Volk für ihre Vision eines sehr schlanken Staates gewinnen zu können? Ich sage nicht in allen Teilen. Der Schritt ist relativ gross, vor allem dort, wo die Leute auf etwas verzichten müssen. Sozial zurückzubuchstabieren ist schwierig, Nicht-Geben weniger. Ich hätte zum Beispiel nie gedacht, dass eine Mutterschaftsversicherung so viele Nein-Stimmen kriegt. Vor allem in der Deutschschweiz. Das zeigt, dass die Bevölkerung mit der Selbstverantwortung viel weiter ist als die Politiker in Bern.

22.12.2004

«Ich spüre eine gewisse Freude»

Am Anfang seiner Amtszeit tönte es noch anders. Heute ist Christoph Blocher gerne Bundesrat. «Ich merke, dass ich etwas bewegen kann.» Das Verhältnis zu den anderen Bundesräten bezeichnet er als «kollegial». 22.12.2004, Berner Zeitung (Raphael Prinz und Karin Burkhalter) Herr Bundesrat, zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Staaten sagten Sie: «Ich bin der Meinung, man sollte es wagen.» Dies ist die Aussage eines Magistraten. Haben Sie den Rollentausch vom Oppositionellen zum Bundesrat vollzogen? Es macht einen Unterschied, ob Sie sich mit Feuer und Flamme in eine Sache hineinstürzen oder ob Sie es wagen. Dieses Dossier ist und bleibt zwiespältig. Es bringt Vorteile, aber man muss auch über die Gefahren reden. Ich habe mich im Übrigen nie gegen die Personenfreizügigkeit aufgelehnt, bezeichnete sie aber auch nie als Ei des Kolumbus. Was meine Rolle als Oppositioneller anbelangt: Ich legte sie bereits bei Amtsantritt im Januar ab. Ich gebe zu, einfach war das nicht. Wie wichtig ist es für Sie, der Öffentlichkeit den anderen Blocher zu zeigen? Wir spielen auf den Dokfilm «Die Blochers» an. Ich habe mich immer so gezeigt, wie ich bin. Der Film stellt angeblich meine unbekannten Seiten dar. Darüber bin ich etwas erstaunt. Das war mir nicht bewusst. Natürlich haftet mir nach wie vor das Image des Oppositionellen an. Aber jetzt habe ich eine andere Aufgabe und gebe naturgemäss ein anderes Bild von mir ab. Das Bedürfnis, mich in Home Stories zur Schau zu stellen, habe ich aber wirklich nicht. Wie waren die Reaktionen auf den Film? Die, die mich gut finden, wurden in ihrer Haltung bestärkt und jene, die gegen mich sind, ebenfalls. Bei den «Neutralen» waren die Reaktionen durchmischt. Meine Waffe ist und war die Transparenz. Sobald diese fehlte, gab es immer Gerüchte und Hinterhältigkeiten. Über meine Familie kann man nach diesem Film nicht mehr irgend etwas erzählen. Ich glaube aber auch, das Volk hat Anrecht zu wissen, wer ich bin. Ihre Frau hatte einen prominenten Auftritt. Daran störten sich einige. Meine Frau hat in der Partei immer eine aktive Rolle gespielt - wenn auch im Hintergrund. Dank des Films weiss man jetzt, dass auch meine Frau - wie jede Frau - einen grossen Einfluss auf den Mann hat - einen grösseren als umgekehrt. Bevor ich als Unternehmer einen leitenden Mitarbeiter einstellte, wollte ich immer zuerst dessen Frau bei einem gemeinsamen Essen kennen lernen. War etwas suspekt, habe ich auch schon den Mann nicht eingestellt. Hab ich es trotzdem gemacht, ging es meistens nicht gut. Im Film sagen Sie über ihr erstes Bundesratsjahr: «Es läuft nach Drehbuch». Wie meinten Sie das? Über eine Strategie sollte man nicht reden. Aber ich gebe Ihnen ein Beispiel: Mir waren die moralinen Kommentare des Bundesrates nach Abstimmungen schon als Nationalrat ein Dorn im Auge. Und ich wusste, dass ich irgendwann einmal darauf reagieren musste. Entschieden, mich jeglichen Kommentars zu enthalten, habe ich mich ganz spontan, auf dem Weg nach Bern. An diesem besagten Sonntag gab es eine heilsame Erschütterung. Sie können sicher sein, Bundesräte werden das Volk nach einer Abstimmung nicht mehr massregeln. Mit meinem Drehbuch will ich solche verkrusteten Strukturen aufbrechen. Sie haben Spass an Ihrem Anderssein. Ja, doch. Die Welt lebt von Individualisten. Wenn alle gleich sein wollten, bräuchte es einen ja gar nicht mehr. Sie zeichnen ein harmonischeres Bild des Bundesrates als Aussenstehende. Die Landesregierung sei blockiert, heisst es. Sie hingegen reden von einer guten Streitkultur. Wer hat Recht? Ich merke, dass sich sehr viele Leute über den Bundesrat äussern, die gar nicht wissen wie es im Bundesrat zu und her geht. Meine Gegner werden auch in den nächsten Jahren behaupten, mit meiner Wahl in den Bundesrat sei alles schlechter geworden. Da, wo ich herkomme, gibt es wesentlich härtere Auseinandersetzungen als im Bundesrat. Dort geht es geradezu harmonisch zu. Ich halte Auseinandersetzungen für wichtig und meine, wir haben heute noch zu wenige. Ich stelle aber mit Freude fest, dass wir mehr diskutieren und das Kollegium dies gar nicht so schlimm findet. Wird der Bundesrat auf diese Weise das Land vorwärts bringen können? Ich glaube daran. Das Wichtigste überhaupt ist, dass der Bundesrat keine Fehlentscheide fällt. Und das hat er in diesem Jahr nicht. Wie erklären Sie sich, das sinkende Vertrauen in den Bundesrat seit Ihrer Wahl? Ich weiss nicht, was diese Umfragen wert sind. Ich höre aus der Bevölkerung eher das Gegenteil. Man merke, so heisst es, dass etwas gehe im Bundesrat. Vertrauen schenkt man einer Person, die sich voll und ganz für das Volk einsetzt, die sagt, was sie denkt und macht, was sie verspricht. Es ist für das Vertrauen nicht so wichtig, ob man Leuten eine Freude macht oder nicht. Nach anfänglicher Unzufriedenheit sehen sie in der Regel einen unpopulären Entscheid ein. Das habe ich als Unternehmer erlebt. Darum muss man etwas vorsichtig sein mit der momentanen Volksgunst. Kritiker sagen, Bundesrat Blocher hat nichts erreicht, er habe vor allem von Ruth Metzlers Vorarbeit profitiert? Sollen sie doch so urteilen. Ein Erfolg ist ein Erfolg - wem er zuzuschreiben ist - ist nebensächlich. Ich freue mich zum Beispiel über die ersten Erfolge in der Asylpolitik. Interessanterweise schreiben meine Gegner genau diese Erfolge meiner Vorgängerin zu, nachdem sie mich anfänglich wegen meiner zu restriktiven Asylpolitik kritisiert hatten. Die Hauptsache ist, dass ein Anfangserfolg da ist. Ich weiss, was wir in meinem Departement richtig gemacht und was wir noch zu tun haben. Das reicht. Etwas, dass Sie beschäftigen wird, ist die Zunahme von papierlosen Flüchtlingen. Wie gehen Sie dieses Problem an? Ich habe eine Vielzahl von Ideen. Es geht mir darum, dass diejenigen die Papiere haben, bevorzugt behandelt werden und beispielsweise früher zu arbeiten beginnen können als die Papierlosen. Ich habe nach drei Monaten im Amt gemerkt, dass bei der jetzigen Handhabung dumm ist, wer mit Papieren einreist. Das geht natürlich nicht. Von den echten Flüchtlingen reisen 80 Prozent mit Papieren an, bei den andern ist es gerade umgekehrt. Wie erklären Sie sich das? Die richtigen Flüchtlinge haben keinen Grund, etwas vorzuspielen oder die Papiere verschwinden zu lassen. Sie sind an Leib und Leben bedroht und wollen wirklich aufgenommen werden. Auch die Verwahrungsinitiative wird Sie im nächsten Jahr beschäftigen. Die Kritiken auf Ihren Umsetzungsvorschlag sind vernichtend. Wie soll es hier weitergehen? Nun, ich weiss gar nicht, woher Sie diese Informationen haben. Wir haben die Vernehmlassungsbilanz noch nicht veröffentlicht. Der Kanton Zürich beispielsweise beurteilt unseren Vorschlag positiv. Es ist aber sicher eine schwierige Frage, eine Gratwanderung. Insbesondere die Ärzte können die vorgeschlagene Lösung nicht mitragen. Das weiss ich schon. Die Ärzte wollen halt die Verantwortung für die Gutachten nicht tragen. Doch das werden sie früher oder später tun müssen. Ihre Bilanz über die Tätigkeit der Bundesverwaltung ist vernichtend. Sie arbeite ineffizient und deshalb müsse gespart werden. Wo liegt eigentlich die Schmerzgrenze beim Sparen in der Verwaltung? Solange die Verwaltung weniger kostet aber die gleiche Leistung bringt, tut das den Bürgern ja nicht weh. Natürlich schmerzt es die Angestellten, die man nicht mehr benötigt. Doch ich finde nicht, dass der Staat Leute beschäftigen muss, die er nicht braucht. Wie weit wollen Sie gehen? Eine Schmerzgrenze kann man nicht absolut festsetzen. Wenn man Leistungen reduzieren muss, kommt bald die politische Frage: Wie viele Aufgaben muss der Staat übernehmen. Wollen wir die Aufgaben um 10 oder 20 Prozent reduzieren? Ich möchte klare Ziele definieren und sagen: Wie war es eigentlich 1990? Alles was wir dort nicht gemacht haben, war ja auch etwas. Denn soweit ich mich erinnere, war es in der Schweiz in diesem Jahr nicht schlechter als heute. Um effizient zu sein, erwarten Sie von Ihren Angestellten den gleichen Einsatz, den Sie an den Tag legen? Nein, dass kann ich nicht verlangen. Aber innerhalb der normalen Arbeitszeit müssen Sie volle Leistung bringen. Das grössere Problem ist jedoch, dass die Leute ihre Aufgabe erfüllen, doch Sie nützen teilweise nichts. Dies, weil unter demselben Dach viele Leute ähnliche Dinge tun und nicht aufeinander abgestimmt sind. Können Sie ein Beispiel nennen? Die Personalabteilung. Beim Bund gibt es auf verschiedenen Stufen Personalabteilungen, die dasselbe tun. Hier muss man entflechten und Doppelspurigkeiten abbauen. In meinem Unternehmen mit 3000 Angestellten kam ich mit 22 Personalleuten aus. Hier sind es alleine in meinem Departement vier Mal so viele. Möchten Sie gerne als Bundesrat, der die Strukturen reformiert in die Geschichte eingehen? Weniger als Strukturreformer, aber als einer, der die Verwaltung verbessert. Als einer, der mit weniger Mitteln mehr erreicht, dass würde mir schon gefallen! Denn in der Bundesverwaltung leiden auch die Angestellten teilweise unter den Leerläufen. Die Bundesverwaltung ist das eine, der Bundesrat als Gremium das andere. Sie sprechen davon, dass Sie gut integriert sind. Wie erklären Sie sich das? Bei meinem Amtsantritt hatte ich den «worst case» vor Augen: der gefürchtete Blocher ist nun Bundesrat, also isolieren wir ihn. Ich fürchtete, dass alle meine Anträge abgelehnt und gar nicht diskutiert werden. Das ist nicht eingetreten. Es brauchte eine gewisse Anlaufzeit doch man kann zusammenarbeiten. Und dies, obwohl ich mich stark auch mit den Geschäften der anderen Departemente befasse. Ist das Verhältnis fast schon kollegial? Ja, und das ist für mich eine positive Überraschung. Obwohl ich weiss, dass einige der Kollegen meine Präsenz im Bundesrat auch heute noch nicht als angenehm empfinden. Wie ist die Zusammenarbeit mit Ihrer eigenen Partei, in der Sie vor Ihrer Wahl eine dominante Rolle gespielt haben? Nach wie vor sehr gut. Die Partei hat meinen Rollenwechsel zum Regierungsvertreter akzeptiert. Und Sie spüren ja weiterhin, dass sich die Auffassungen in groben Zügen decken. Sie haben einige Arbeitsbesuche im Ausland hinter sich. Gefällt Ihnen die diplomatische Welt mit ihren protokollarischen Gepflogenheiten? Diese Besuche gehören zu meiner Aufgabe. Sie sind weniger steif und formell, als ich gedacht habe. Bringen Sie etwas? Es ist wichtig, dass man sich kennt, weil man viel miteinander zu tun hat. Aber kritisch bin ich gegenüber grossen Kongressen. Gab es einen Minister, zu dem Sie einen speziell guten Draht gefunden haben? Ja, zum Österreichischen Innenminister Ernst Strasser, oder auch zum italienischen Kollegen Giuseppe Pisanu. Nach anfänglicher Skepsis und Reserviertheit wurde ich aber von allen gut aufgenommen. Wenn Sie so sprechen ergibt sich der Eindruck, ihr Amt mache Ihnen Spass? Ich muss sagen, es war zu Beginn sehr hart, sich in die Dossiers einzuarbeiten. Gerade in einem Departement, zu welchem ich als Mann der Wirtschaft keine direkte Beziehung habe. Doch heute spüre ich eine gewisse Freude und merke auch, dass ich etwas bewegen kann. Dann stellt sich die Frage nach einem baldigen Rücktritt von Bundesrat Blocher gar nicht. Nein, die Frage stellt sich zurzeit in der Tat nicht. Wenn alles gut geht, möchte ich bis 2026 bleiben. Bleiben wir mal im Jahr 2005. Was haben Sie für Vorsätze? Ich möchte versuchen, etwas weniger zu arbeiten als 2004. Ich hatte viele 20 Stunden-Tage und arbeitete auch am Sonntag oft. Das möchte ich nicht mehr. Einen Tag in der Woche sollte man sich freihalten. Der zweite Vorsatz ist, dass ich öfters aus dem Büro komme. Ich möchte wieder vermehrt mit Leuten sprechen, die an der Front arbeiten. In Gefängnissen, an der Grenze oder in Asylzentren.