Articles

 

11.09.2006

Neues Ausländer- und Asylgesetz; Wirtschaftliche Aspekte des neuen Asyl- und Ausländergesetzes

Referat von Bundesrat Christoph Blocher anlässlich der Generalversammlung der Union Suisse des Professionels de l’Immobilier vom 11. September 2006 in Paudex 11.09.2006, Paudex Paudex. Auch an der heutigen Generalversammlung der Union Suisse des Professionels de l’Immobilier sprach Bundesrat Christoph Blocher über die Ziele der beiden Vorlagen. Er hielt fest, dass die Lösung der Asyl- und Ausländerproblematik von gesamtschweizerischem Interesse sei. Es seien letztlich die Bürgerinnen und Bürger, die Fehlentwicklungen erdulden müssten; sei es finanziell, sei es durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes, sei es, weil beispielsweise das Bildungswesen unter der verfehlten Immigrationspolitik leide. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. 1. Zum Wohl der Bürger Die Ausländer-, aber insbesondere die Asylpolitik, beschäftigt die Schweizerinnen und Schweizer seit Jahren. Nicht die Aufnahme von Flüchtlingen, nicht die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte, welche in der Schweiz ordnungsgemäss eine Aufenthaltsbewilligung erhalten haben, sind Stein des Anstosses: Nein, all jene, die sich über den Asylantrag oder auf andere Weise einen illegalen Aufenthalt erschlichen haben. Diese Zahl ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Und hier wollen die beiden Gesetzesvorlagen entgegen wirken. Es ist das Anliegen jedes Staates, für seine Bürger zu sorgen. Darum bestimmt heute auch jede Regierung auf dieser Welt, wann Ausländer eine Aufenthaltsbewilligung erhalten – und wann nicht. Mit Ausländern, welche eine Aufenthaltsbewilligung korrekt beantragten und eine solche Bewilligung auch erhielten, hat die Schweiz im Grossen und Ganzen keine Probleme. Wir stehen mit einem Ausländeranteil von rund 22 Prozent an der Spitze der europäischen Staaten. 2. Zur Lösung verpflichtet Sie haben mich gebeten, vor allem auch über die wirtschaftlichen Aspekte dieser beiden Vorlagen zu sprechen. Es ist unschwer einzusehen, dass Gesetze von so grosser gesellschaftlicher Bedeutung auch volkswirtschaftlich von Bedeutung sind. Wir haben folglich auch ein wirtschaftliches Interesse an der Lösung der Asyl- und Ausländerproblematik. Und zwar ein gesamtschweizerisches Interesse, weil es sich letztlich um ein Problem handelt, das vor allem die Bürgerinnen und Bürger mittragen müssen. Sie sind es letztlich, die Fehlentwicklungen erdulden müssen. Sei es finanziell, sei es durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes, sei es, weil beispielsweise das Bildungswesen unter der verfehlten Immigrationspolitik leidet. Wenn unser Asylwesen, das offensichtlich in grossem Stil missbraucht wird, jährlich eine Milliarde Franken kostet (dazu kommen noch Hunderte Millionen allein für den Strafvollzug krimineller Asylbewerber), müssen wir doch wenigstens den Versuch unternehmen, diese Missstände zu beheben. Dazu sind wir verpflicht, das gebietet uns die Verantwortung, die uns der Souverän als Politiker übertragen hat. 3. 21,9 Prozent Ausländeranteil Beginnen wir mit dem Ausländergesetz. Die Frage, wie gehen wir mit jenen Menschen um, die in unser Land kommen wollen, ist alt. Dass in der Schweiz das Zusammenleben zwischen einheimischer Bevölkerung und Ausländern im Grossen und Ganzen so gut funktioniert hat, ist zwei Hauptgründen zuzuschreiben: Erstens, hat die Schweiz immer dafür gesorgt, dass die Zuwanderung nach bestimmten Regeln abläuft. Ich erinnere an das Saisonier-Statut, mit dessen Hilfe die Wirtschaft flexibel Arbeitskräfte ins Land holen konnte, die aber nur so lange kommen durften, so lange auch tatsächlich Arbeit vorhanden war. Zweitens, ist der schweizerische Arbeitsmarkt bis anhin genügend stark gewesen, die Mehrzahl der arbeitswilligen Ausländer zu beschäftigen. Wir stehen mit einem Ausländeranteil von 21,9 Prozent oder 1'656'721 Personen (Stand April 2006) nach Liechtenstein und Luxemburg an der Spitze der westeuropäischen Staaten! Trotzdem kennt unser Land keine gettoähnlichen Banlieues mit schwerwiegenden Ausschreitungen und fremdenfeindlichen Übergriffen. Das verdanken wir vor allem einer funktionierenden Wirtschaftsordnung, die es fertig bringt, überhaupt so viele Menschen zu beschäftigen. 4. Liberale Wirtschaftsordnung Jedes Jahr reisen rund 95'000 Menschen – was etwa der Bevölkerung von Winterthur entspricht – neu in unser Land ein. Die Schweiz nimmt gemessen an ihrer Grösse wesentlich mehr Zuwanderer auf als viele so genannte klassische Einwanderungsländer. Die Schweiz ist zu einem Einwanderungsland geworden. Trotz des hohen Ausländeranteils blieb die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren eine der niedrigsten in Europa. Aber – und auch das gilt es in diesem Zusammenhang zu erwähnen – die Arbeitslosigkeit unter Ausländern ist konstant etwa drei Mal so hoch wie diejenige von Schweizerinnen und Schweizern. Die Arbeit ist der beste Weg zur Integration. Darum ist es auch wichtig, dass der Anreiz zu arbeiten höher ist, als sich um staatliche Leistungen zu bemühen. Damit sind wir mitten im Thema: Wir haben ein existentielles Interesse an einer Wirtschaftsordnung, die eine Vollbeschäftigung möglich macht. Darin liegt der Kern einer erfolgreichen Integration. Das Ziel lautet: Sprache und Bildung für junge Ausländer, Sprache und Arbeit für ältere Ausländer, gepaart mit einer liberalen Wirtschaftsordnung, die auf Eigenverantwortung baut und Leistung belohnt. 5. Ein massvolles Gesetz Also: Nicht die zahlreichen ausländischen Arbeitskräfte, welche in der Schweiz ordnungsgemäss eine Aufenthaltsbewilligung erhalten haben, sind Stein des Anstosses: Nein, all jene, die sich ungerechtfertigt, illegal in unserem Land aufhalten, mit schlimmen Belastungen für Bund, Kantone und Gemeinden. Zeit, Kraft, Geld werden verbraucht. Behörden, Gerichte, Gefängnisse, soziale Dienste unnötig stark belastet. Das soll sich ändern. Im September stimmen wir nun über ein neues Ausländergesetz ab. Dieses regelt im Wesentlichen, unter welchen Voraussetzungen die nichteuropäischen Bürger eine Arbeitsbewilligung beantragen und unter welchen Voraussetzungen sie den Familiennachzug geltend machen können. Ebenso soll mit neuen Regelungen die illegale Einreise wie auch der illegale Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern bekämpft werden. Dabei müssen wir eines beachten: Mit der Personenfreizügigkeit gegenüber der EU haben theoretisch ab 1. Mai 2011 450 Millionen Menschen die Möglichkeit hier zu wohnen und zu arbeiten. Da versteht es sich doch von selbst, dass völlig offene Grenzen gegenüber allen Staaten der Welt nicht in Frage kommen können. Eine totale Personenfreizügigkeit würde unser ganzes Sozialsystem kollabieren lassen. Eine verantwortungsvolle Politik gegenüber der eigenen Bevölkerung sieht anders aus. 6. Ausgangslage im Asylwesen Heute nimmt die Schweiz jährlich etwa 1'500 an Leib und Leben verfolgte Flüchtlinge aus der ganzen Welt auf Unsere humanitäre Tradition gegenüber Flüchtlingen bestreitet keiner. Und das soll und wird auch so bleiben. Aber, meine Damen und Herren, was wir nicht gelöst haben, sind die enormen Missbräuche, die im Bereich Asylwesen wuchern. Über 85 Prozent aller Asylsuchenden sind keine Flüchtlinge. Viele davon möchten vom hohen Lebensstandard in der Schweiz profitieren. Sie leben von der Sozialhilfe und sind nicht selten in einträgliche Schleppergeschäfte und die organisierte Kriminalität, namentlich in den Drogenhandel, verwickelt. Das ist Asylrechtsmissbrauch. Nichts anderes. Ich will Ihnen die Verhältnisse an einem Beispiel verdeutlichen: Im Kanton Zürich sind bei einem Bestand von 4'250 Asylbewerbern letztes Jahr 1'258 Personen der Justiz übergeben worden. Das entspricht fast dreissig Prozent! 7. Missbräuche bekämpfen… Bis vor wenigen Jahren wurden diese Missbräuche von vielen Politikern rundweg bestritten – und noch heute gibt es Kreise, die diese unschöne Wirklichkeit leugnen oder verdrängen. Doch diese Probleme müssen ernsthaft angegangen werden, wenn man die Flüchtlingstradition wahrnehmen will. Viel zu hoch ist auch der Bestand im Vollzugsprozess. Und hier zeigt sich das Hauptproblem: Der Grossteil der Asylsuchenden kommt ohne gültige Reisepapiere. Warum ist das so? Weil derjenige, der seine Papiere nicht vorweist gegenüber den anderen im Vorteil ist, weil die Abklärung der Identität sehr viel Zeit beansprucht. Auch dieser Asylbetrüger handelt eigentlich ganz nach den Gesetzen der Ökonomie, indem er versucht, durch sein Verhalten für sich den grösstmöglichen Nutzen herauszuholen. Aber was sind die Folgen? Das Verfahren wird verzögert, der Aufenthalt verlängert und die Schweiz zahlt darüber hinaus Sozialhilfe. Selbst wenn das Gesuch negativ entschieden wird, kann die Person das Land noch lange nicht verlassen, da ihm die Dokumente fehlen oder weil sie sich schlicht weigert, freiwillig zurückzureisen. Dazu kommen die unzähligen Rekurse und Wiedererwägungsverfahren. Dumm sind nicht diejenigen, die dieses System ausnützen, sondern diejenigen, die dieses System zur Verfügung stellen. Darum ändern wir die gesetzlichen Grundlagen. Es soll nicht mehr wie bis anhin profitieren, wer seine Identität verschleiert und verleugnet oder mit den Behörden nicht kooperiert. Wer seine Papiere nicht innerhalb von 48 Stunden besorgen kann (oder glaubhaft nachweisen kann, warum sie nicht zu beschaffen sind), erhält einen Nichteintretensentscheid. Ich glaube, jeder echte Flüchtling ist bereit, seine Herkunft offen zu legen und konstruktiv mitzuwirken. Das sind keine unverhältnismässigen Forderungen. Und es ist auch tatsächlich so, dass von den anerkannten Flüchtlingen die grosse Mehrheit (rund 70 Prozent) mit gültigen Papieren einreist. Auch in Zukunft gilt nach wie vor: Wirklich an Leib und Leben Verfolgte werden weiterhin als Flüchtlinge aufgenommen, ob mit oder ohne Papiere. 8. … auch mit ökonomischen Mitteln Ich will Ihnen auch hier ein kurzes Beispiel geben, wie bei der Lösung des Problems mit ökonomischen Mechanismen gearbeitet werden kann. Es ist so, dass auch eine erstaunlich grosse Zahl von Asylbewerbern ohne Papiere bequem mit dem Flugzeug eingereist ist. Jetzt weiss jeder, der schon einmal geflogen ist, keiner kommt ohne gültige Reisedokumente in ein Flugzeug. Aber er kommt ohne Papiere raus. Das heisst, die Ausweise werden auf dem Weg zur Kontrolle vernichtet. Das neue Gesetz sieht vor, dass die Fluggesellschaften verpflichtet werden, dafür zu sorgen, dass dies nicht vorkommt. Sonst müssen sie die Leute wieder – gratis – zurücknehmen und bei wiederholten Vorfällen werden Bussen gesprochen. Sie können sicher sein, diese Massnahmen werden greifen. Weil auch die Fluggesellschaften eine Kosten-Nutzen-Rechnung anstellen werden. Generell sollte man bei der Bekämpfung von Asylmissbräuchen die Marktmechanismen studieren. Die Gesetze von Markt und Ökonomie spielen auch in der Verbrechenswelt. So kommt die grosse Mehrzahl der Asylsuchenden – vor allem die unrechtmässigen – mit Hilfe von Schleppern in die Schweiz. Das heisst, sie bezahlen Tausende Franken, damit sie in unser Land geschleust werden. Diese Asylbewerber sind – wenn Sie so wollen – Kunden eines kriminellen Dienstleisters. Aber auch hier gilt: Die Dienstleistung muss für den Kunden stimmen. Oder umgekehrt, aus der Sicht des betroffenen Staates, müssen wir uns fragen: Wie können wir den Schleppern die Geschäftsgrundlage entziehen? Ganz einfach: Wenn die Kosten für die illegale Einreise höher liegen als die erhofften Profite. Wenn ein Asylrechtsmissbraucher innerhalb weniger Wochen wieder in seinem Dorf ankommt ohne Geldmittel, ist der „Kunde“ unzufrieden und der Dienstleister wird keine oder wenigstens viel weniger neue Kunden gewinnen, weil sich die Unzufriedenheit schnell herumspricht. Was wir also brauchen – und dieser Ansatz versucht das Asylgesetz einzulösen – was wir brauchen, sind schnelle Verfahren und bei negativen Asylentscheiden soll nur Nothilfe – also minimale Unterkunft und Lebensmittel – geleistet werden. Nur so können wir die Attraktivität senken, nur so können wir die Profite der organisierten Kriminalität effektiv bekämpfen und damit dem Problem an die Wurzel gehen. 9. Verhängnisvolle Scheinlösungen Nehmen wir als weiteres Beispiel die Frage der Illegalen. Natürlich ist ihr Schicksal herzerweichend. Natürlich ist man versucht, deren Lage zu verbessern, indem man sie in einer generellen Amnestie naturalisiert, also ein Bürgerrecht vergibt. Nur lösen Sie damit das Problem der Illegalität nicht. Denn auch hier funktioniert ein Markt. Viele dieser Menschen werden beispielsweise als Hilfskräfte in Haushalten oder in ganz kleinen Betrieben beschäftigt (grosse Unternehmen dürfen sich solche Fälle nicht erlauben). Wenn nun ein illegales Hausmädchen naturalisiert wird, damit sie eine ordentliche Anstellung auf Mindestlohnniveau bekommt, wird sie sicher nicht mehr für diese vielleicht tausend Franken monatlich (plus Kost und Logis) arbeiten können. Also muss sie die Stelle aufgeben. Aber der Bedarf bleibt, der Markt ist trotzdem vorhanden, folglich rückt eine andere Person für sie nach. Vielleicht haben Sie sich schon gefragt, weshalb gerade Spanien als Hauptdestination dieser afrikanischen Bootsflüchtlinge ausgesucht wurde. Es ist nicht nur die geographische Nähe, sondern Spanien hat kürzlich in einem Akt, Zehntausende Illegale naturalisiert. Damit hat das Land ein doppeltes Signal ausgesendet: Erstens, nährt es die Hoffnung, auf eine abermalige Amnestie. Zweitens, die wohl konkretere Hoffnung, denken sich die illegalen Zuwanderer, sie könnten die nun in diesem Markt freigewordenen Stellen besetzen. Ein solcher Markt lässt sich nie ganz austrocknen, es sei denn, Sie wollen einen totalen Sicherheits- und Überwachungsstaat – damit zerstören Sie aber gleichzeitig die Freiheit und Demokratie in einem Land. Das wäre völliger Unsinn. 10. Fazit Wir haben als Staat ein Interesse, an einem möglichst freien Personenverkehr. Andererseits braucht es Regeln und Kontrollen, wenn es um die Immigration geht. Wer das nicht sehen will, drückt sich vor der Verantwortung. Wir können nicht gleichzeitig einen Sozialstaat pflegen und die Grenzen für alle öffnen. Das lässt sich nicht vereinbaren. Sie können mir glauben, als ehemaliger Industrieller weiss ich sehr wohl um die Vorzüge einer totalen Freizügigkeit. Aber wir müssen das Ganze sehen. Wir haben die Verantwortung zu tragen und darum auch Entscheidungen zu treffen, die im Einzelfall schwierig sind, aber gerechtfertigt. Die politische Herausforderung besteht darin, legitime Bedürfnisse – freier Personenverkehr und kontrollierte Zuwanderung – auszubalancieren und darüber hinaus, die humanitäre Tradition zu wahren. Das können wir nur, indem wir Regelungen finden, die unser Staat gesellschaftlich und volkswirtschaftlich tragen kann und indem wir die Missstände angehen, damit die Bereitschaft, echte Flüchtlinge aufzunehmen, in der Bevölkerung verankert bleibt. Die beiden Gesetzesvorlagen versuchen diesen Bedürfnissen und Anliegen gerecht zu werden.

01.09.2006

Der Druck auf Europa bleibt bestehen

Es gebe etliche Flüchtlinge, die ihre Papiere innerhalb der geforderten Frist von 48 Stunden einreichen, betont der Justizminister. – Südostschweiz: Für Bundesrat Christoph Blocher ist klar: Echte Flüchtlinge werden auch nach einem Ja zum Asylgesetz Aufnahme in der Schweiz finden. Zugleich räumt er aber ein, dass man Fehlentscheide nicht ganz ausschliessen kann. 01.09.2006, Aargauer Zeitung/Südostschweiz: Christoph Brunner und Daniel Foppa Herr Bundesrat Blocher, wenn die Asylvorlage angenommen wird, hat die Schweiz eines der schärfs-ten Asylrechte Europas. Ist das unserer humanitären Tradition angemessen? Die Schweiz hätte nicht eines der schärfsten Asylrechte. Es gibt gewisse Bestimmungen, die sind strenger als in anderen Ländern, doch in anderen Bereichen sind wir grosszügiger. So gibt es Länder, die im Gegensatz zu uns abgewiesenen Asylbewerbern weder Nothilfe noch Sozialhilfe gewähren; oder eine unbefristete Ausschaffungshaft kennen. Aber alle Länder kämpfen mit demselben Problem: Dass Personen, die keine Flüchtlinge sind, sich via Asylrecht eine Aufenthaltsbewilligung verschaffen wollen. Deshalb verschärfen Länder mit largen Gesetzen nun ihre Bestimmungen, wie zum Beispiel Holland. Dass bei fehlendem Pass oder Identitätskarte gar nicht mehr erst auf das Asylgesetz eingetreten werden soll, gibt es nirgendwo sonst in Europa. Das wird es auch bei uns nicht geben. Gesuche werden weiterhin behandelt, wenn Asylsuchende aus entschuldbaren Gründen keine Reise- oder Identitätspapiere vorlegen können oder wenn Hinweise auf Verfolgung vorliegen. Der letzte Punkt steht zwar so im Abstimmungsbüchlein, nicht aber im Gesetz. Ist das nicht Täuschung des Stimmbürgers? Nein, das ist es nicht. Diese Kritik an den Erläuterungen im Abstimmungsbüchlein ist haltlos. Im Gesetz steht klar, dass ein Asylverfahren eröffnet wird, wenn der Gesuchsteller glaubhaft machen kann, weshalb er keine Papiere hat. Oder wenn zusätzliche Abklärungen zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nötig sind. Und das ist der Fall, wenn zum Beispiel Hinweise auf Verfolgung bestehen – so wenn etwa abgeklärt werden muss, ob ein vorgelegter Hinweis auch tatsächlich der Realität entspricht. Das bürgerliche Komitee gegen das Asylgesetz kritisiert weiter, dass gemäss Abstimmungsbüchlein beim Sozialhilfestopp der Situation von Minderjährigen oder Kranken Rechnung getragen wird. Doch auch das steht nicht im Gesetz. Das steht nirgends im Gesetz, weil es ein allgemeiner Rechtsgrundsatz ist, der gilt. Das neue Asylgesetz sieht jedoch auch vor, dass 15-Jährige in Ausschaffungshaft genommen werden können. Das stimmt. Ausschaffungshaft ist auch für 15 bis 18-jährige Jugendliche möglich. Oder auch für jüngere, die mit der Familie kommen und mit dieser gemeinsam über einen Raum verfügen. Im Weiteren wird bei Jugendlichen immer auch die Verhältnismässigkeit geprüft. Müsste die reiche Schweiz, das Land des Roten Kreuzes, nicht ein weniger toleranter sein? Die humanitäre Tradition der Schweiz wird gewahrt, und die Ausländer, die hier sind, sind gut zu behandeln. In der Schweiz leben 1,5 Millionen Ausländer, das sind fast 22 Prozent. Einen solch hohen Ausländeranteil gibt es abgesehen von Liechtenstein und Luxemburg nirgends in Europa. Trotz dieses hohen Anteils haben wir keine grosse Spannungen zwischen Schweizern und Ausländern. Wenn ich das mit Vertretern von Ländern bespreche, die einen weit tieferen Ausländeranteil haben und mit Problemen kämpfen, sind sie jeweils sehr erstaunt. Bei uns sind die Zustände besser, weil wir die Ausländersituation unter Kontrolle gehalten haben. Dort aber, wo wir Probleme haben, müssen wir die Gesetze anpassen. Das ist einerseits der Fall bei der Integration, namentlich wo der Ausländeranteil sehr hoch ist, und anderseits beim Asylrechtsmissbrauch. Sie sagen, dass der Ausländeranteil zu hoch ist. Was wäre für die Schweiz eine angemessene Zahl? Die Zahl ist nicht das entscheidende. Wenn wir Arbeit haben für diese Menschen und sie über eine Arbeitsbewilligung verfügen, dann können wir sie relativ gut integrieren. Das Problem stellt sich aber 2011, wenn die Personenfreizügigkeit voll in Kraft tritt. Das kann zu einem Zustrom von Arbeitskräften aus der EU und zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Schweiz führen. Deshalb müssen wir den Zugang für Menschen aus Nicht-EU-Staaten einschränken, so wie es das Ausländergesetz vorsieht. Die vorgesehenen Verschärfungen werden von kirchlichen Gegnern der beiden Vorlagen als «unchristlich» bezeichnet. Ich halte das Vorgehen der Gegner für «unchristlich». Die beiden Vorlagen entstanden aus Verantwortung gegenüber unserem Land. Wenn wir aber die Gesetze so gestalten würden, wie es die Gegner wünschen, und es zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und des Fremdenhasses käme – das wäre unchristlich. Natürlich wären es nicht die Moral-Verkünder von heute, die darunter leiden würden. Sondern diejenigen, die bereits heute die Lasten tragen. Schon Zwingli sagte: «Christ sein heisst nicht, christlich schwätzen.» Malen Sie nicht zu schwarz? Die Asylzahlen sind so niedrig wie seit zehn Jahren nicht mehr – auch ohne verschärftes Asylgesetz. Die Zahlen sind einerseits in ganz Europa zurückgegangen, weil es in Europa relativ ruhig ist. Sobald es aber zu Spannungen kommt, steigen die Zahlen wieder. Der Druck auf Europa bleibt bestehen, wie die zahlreichen Einwanderungsversuche von Afrika nach Spanien belegen. Auch wir würden diesen Druck früher oder später spüren, vor allem wenn wir nun falsche Signale aussenden. Anderseits gingen die Gesuchszahlen zurück, weil wir die Verfahren gestrafft haben und den Gesuchsstellern mit einem Nichteintretensentscheid nur noch Nothilfe und keine Sozialhilfe mehr erteilen. Ihre Schwester Judith Giovanelli-Blocher hat diese Woche in einem offenen Brief im «Blick» geschrieben, wer anständig sei, stimme zwei Mal Nein. Ich habe den Brief nicht gelesen, kenne aber die Haltung meiner Schwester. Sie ist im Sozialbetrieb gross geworden und hat soziale Vorträge gehalten. Das ist ihr gutes Recht. Meine Schwester darf eine andere Haltung als ich vertreten – sie ist eine über 70jährige Frau. Würde sich meine Tochter so äussern, müsste ich mich wohl fragen, ob ich etwas mit der Erziehung falsch gemacht habe. Sie haben wiederholt betont: «Verfolgte werden aufgenommen, ob sie Ausweispapiere haben oder nicht. Daran gibt es nichts zu rütteln.» Wie können Sie garantieren, dass ein tatsächlich Verfolger ohne Papiere nach 48 Stunden nicht ausgeschafft wird? Diese Frist besteht ja heute schon, das ist nichts Neues. Zu Ihrer Frage: Ich halte es für ausgeschlossen, dass ein tatsächlich Verfolgter ohne Papiere nach 48 Stunden trotzdem ausgeschafft wird. Dass es einmal einen Fehlentscheid geben kann, das liegt in der Natur der Sache. Die 48 Stunden sollen dazu dienen, dass jene, die ihre Papiere versteckt haben, eine Chance haben, sie zu behändigen oder sich auf der Botschaft neue ausstellen zu lassen. Was, wenn jemand keine Papiere bringt? Das ist klar geregelt: Wenn jemand Name, Herkunftsland, Alter, Wohnort nennt, dann lässt sich nach einer Überprüfung dieser Angaben seine Identität feststellen und diese kann von der zuständigen Botschaft auch überprüft werden. Die Anhörungen finden in Anwesenheit eines Hilfswerks-Vertreters statt, und bei einem Nichteintretensentscheid besteht die Möglichkeit, vor die Asylrekurskommission zu gehen und eine Beschwerde einzureichen. Nochmals: Es besteht keine Gefahr, dass echte Flüchtlinge nicht aufgenommen werden. Wie viele kommen denn ohne Papiere in die Schweiz? 70 bis 80 Prozent der richtigen Flüchtlinge haben gültige Papiere. Wir haben aber sehr viele Asylsuchende auf den Flughäfen Genf und Kloten, die keine Papiere vorweisen. Neu wird es jetzt so sein: Die Fluggesellschaften sind dafür verantwortlich, dass Passagiere mit Papieren an den Zoll kommen – ansonsten sind sie verpflichtet, diese zurückzufliegen. Tun sie das nicht, werden sie mit bis zu 5000 Franken gebüsst. Sie sehen: Dieses Gesetz kann nur bekämpfen, wer Asylrechtsmissbräuche duldet oder fördert. Aber Sie gehen mit uns einig, dass die Frist von 48 Stunden etlichen Stimmbürgerinnen und -bürgern als äusserst kurz erscheint... Tatsache ist: Es gibt etliche Asylsuchende, die ihre Papiere innerhalb von 48 Stunden einreichen. Und wie gesagt, das gilt schon heute. Wenn jemand seine Identität nicht verschleiert und auf der Botschaft nachfragt, bekommt er Papiere ausgestellt, so dass er nach Hause reisen kann. Laut Bundesamt für Migration hatten 2005 70 Prozent aller anerkannten Flüchtlinge echte Papiere, aber nur 50 Prozent einen gültigen Pass respektive Identitätskarte. Wäre es also nicht fairer, man würde sagen, dass 50 Prozent aller echten Flüchtlinge diejenige Papiere haben, die nach der neuen Definition gültig sind? Nein, es geht darum, ob jemand gefälschte Papiere hat oder nicht. Wenn Fahrausweise und Geburtsurkunden nicht mehr zugelassen sind, wie viele bringen dann Pässe, und wie viele Identitätskarten? Wir wissen es nicht. Aber wie gesagt: Es geht um die 20 bis 30 Prozent der Flüchtlinge, die keine oder gefälschte Papiere haben, diese sind auch aufgenommen worden. Trotzdem kann man sehen, dass letztes Jahr 50 Prozent aller anerkannten Flüchtlinge keinen Pass und keine ID hatten... Wir wissen nicht, ob sie keine hatten. Weil andere Papiere akzeptiert sind, haben sie andere vorgewiesen – zu Recht. Besonders kritisiert wird auch der Sozialhilfestopp: Personen mit einem abgelehnten Asylgesuch bekommen mit dem neuen Asylgesetz keine Sozialhilfe mehr, sondern können Nothilfe beantragen. Ist doch noch zumutbar? Es geht um Leute, die sich illegal in der Schweiz aufhalten. Wie gesagt: In vielen anderen Länder bekommen diese Menschen nicht einmal Nothilfe gewährt, in der Schweiz bekommen sie zu essen und ein Dach über dem Kopf. Sehen Sie: Ein illegal anwesendes Ehepaar mit zwei Kindern kostet den Bund im Monat zum Beispiel 4800 Franken für Sozialhilfe. Die Sozialhilfe ist ein Hindernis für die freiwillige Heimkehr von illegal Anwesenden. Wir wollen diese mit der Nothilfe dazu bringen, dass sie von sich aus die Heimreise antreten. Stichwort Verlängerung der Ausschaffungshaft: Es gibt Untersuchungen, die sagen: Je länger sie dauert, desto unwahrscheinlicher ist ihr Erfolg. Bringt es also gar nichts? Das Ziel ist nicht, jemanden möglichst lange in Ausschaffungshaft zu stecken. Aber die Kantone müssen das durchführen, und man hat etwa 40 bis 50 schwierige Fälle pro Jahr. Die Verantwortlichen der Kantone waren nun klar der Meinung, dass 9 Monate zu kurz sind. 18 Monate wirken abschreckend, die Illegal Anwesenden werden früher gehen. Jeder Fall wird aber regelmässig von einem Richter überprüft. Wo steht die Schweiz punkto Rückübernahmeabkommen – müsste man solche nicht forcieren? Doch, und das tun wir auch, es bestehen im Moment 38 solcher Abkommen. Wir müssen aber aufpassen: Ein Rückübernahmeabkommen bedeutet, dass die Länder bereit sind, zwangsweise Ausschaffungen zu akzeptieren. Das kann nur bei ganz extremen Fällen angewendet werden. Warum? Wir haben vor kurzem 35 Personen in einen afrikanischen Staat ausgeschafft, was eine Organisation von 72 Begleitpersonen erforderte – Polizisten, Ärzte, Krankenschwestern – und etwa 70 000 Franken kostet. Wir sollten schauen, dass die illegal Anwesenden freiwillig zurückreisen. Wie sieht es mit Rückkehrhilfe aus? Das machen wir auch, es ist aber eine zwiespältige Sache, eine Gratwanderung. Wenn wir zu weit gehen, ziehen wir unweigerlich wieder neue Asylsuchende an. Was passiert politisch, wenn der Souverän am 24. September sowohl die Asylgesetzrevision als auch das Ausländergesetz ablehnt? Es würde die Schlepper animieren, ihrem Metier noch intensiver nachzugehen. Und die Zahl der Asylsuchenden, die keine Asylgründe haben, würde zunehmen. Die Arbeitslosigkeit und die Kosten würden steigen.

01.09.2006

Bei einem Nein würden die Missbräuche zunehmen

Bundesrat Blocher zum Asyl- und Ausländergesetz 01.09.2006, NZZ, Monika Rosenberg und Christoph Wehrli Die Abstimmungsvorlagen werden von den Gegnern gerne als Blocher-Gesetze bezeichnet . . . Das ist eine bekannte Strategie; eine Person zuerst verunglimpfen, um dann die Gesetzesvorlagen mit dieser Person gleichzusetzen, in der Hoffnung, dass die Bürger aus Abneigung dann Nein stimmen. Aber in der Schweiz sind Abstimmungen keine Plebiszite. Sie haben aber die Revisionen doch ziemlich stark geprägt. In meiner Eigenschaft als Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements machte ich gleich nach Amtsantritt eine Analyse der Missstände im Asylwesen. An einer ganztägigen Aussprache wurde von allen Beteiligten, auch von den Hilfswerken, als Hauptproblem erkannt, dass die Asylsuchenden ihre Identität und ihre Reisepapiere nicht offenlegen. Warum? Ein hoher Beamter sagte, wer seine Identitätspapiere präsentiere, sei der Dumme im Umzug. Meines Erachtens ist aber derjenige der Dumme, der dies akzeptiert. Wird das nicht so bleiben? Welcher Anreiz sollte bestehen, die eigene Rückführung zu erleichtern? Es wird klare Verbesserungen geben. Es ist nicht zu viel verlangt, wenn man selbst von echten Flüchtlingen erwartet, dass sie sagen, wer sie sind und woher sie kommen. Sie haben in Zukunft ein Interesse, Papiere vorzuweisen, wenn sie welche haben. Echte Flüchtlinge werden aber auch ohne Papiere weiterhin aufgenommen, wenn sie ihre Identität offenlegen und glaubhaft machen, warum sie keine Ausweispapiere haben. Für die anderen erfolgt der Nichteintretensentscheid. Künftig wird man nicht mehr jahrelang nach der Identität suchen wie nach Ostereiern. Zudem: Wenn die illegal Anwesenden rascher zurückgeschickt werden können, wird den Schleppern das Handwerk gelegt. Zuerst sagten die Gegner, das revidierte Gesetz sei unmenschlich. Jetzt wird plötzlich gesagt, es werde kaum etwas nützen. Dann müssten die Gegner ja keine Angst haben. Es kommt natürlich darauf an, was die Praxis – auch die Rekursinstanzen – daraus macht. Umstritten ist zudem vor allem die Verschärfung der Zwangsmassnahmen. Die Verantwortlichen aus dem Vollzug legten dar, dass gewisse sehr resistente Personen – damals 40 bis 50 – die bisherige neunmonatige Ausschaffungshaft locker bis fast zum Ende absitzen und sich dann beim Einsteigen ins Flugzeug so verhalten, dass sich die Piloten weigern, sie mitzunehmen. Dann sind sie bei der heutigen Regelung wieder frei, weil die Zeit abgelaufen ist. Deshalb müsse die Ausschaffungshaft verlängert werden. Von der Verdoppelung versprechen sich die Leute an der Front, dass diese Leute dann früher von selbst gehen. Wenn man Weihnachten oder den Ramadan im Ausschaffungsgefängnis verbringen müsste, gehe man eher heim. Andere Länder kennen deshalb gar keine Obergrenze. Auch die Durchsetzungshaft wurde von den Kantonen verlangt, besonders nachdem das Bundesgericht entschieden hat, dass die Nothilfe auch dann gewährt werden muss, wenn die Betreffenden sich weigern, mit den Behörden zu kooperieren und ihren Namen preis-zugeben. Ich finde diesen Entscheid zwar nach wie vor falsch, aber wir haben uns daran zu halten. Kein Schweizer kann irgendwo soziale Unterstützung verlangen, ohne dass er sagt, wer er ist und wo er wohnt. Zum Konzept gehört auch der Sozialhilfestopp nach Ablehnung des Asylgesuchs. Wie soll von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden? Sobald ein Asylsuchender einen negativen rechtskräftigen Entscheid hat und er in seine Heimat zurückkehren kann, ist er verpflichtet, die Schweiz zu verlassen. Er hat dann keinen Anspruch mehr auf Sozialhilfe, kann jedoch bei Bedarf Nothilfe beantragen. Sie haben gesagt, Kirchen und Hilfswerke seien an der Verhinderung von Missbräuchen gar nicht interessiert. Wie meinen Sie das? Einzelne Vertreter von Hilfswerken haben jene, die sich weigerten, ihre Identität offenzulegen, beim Gang vors Bundesgericht unterstützt; sie zeigten sich stets erfreut über Gerichtsentscheide, die eigentlich den Missbrauch schützten. Die Hilfswerke müssten sich vielmehr um die echten Flüchtlinge und deren Integration kümmern. Es ist doch nicht in Ordnung, dass nur ein Viertel der erwerbsfähigen Flüchtlinge arbeitet. Hier fehlt es an der Integrationsarbeit. Wird es schon bald eine weitere Revision geben? Insgesamt sind wir mit der Revision des Asylgesetzes auf gutem Weg. Wir wahren die humanitäre Tradition der Schweiz, wir haben neu eine Härtefallregelung, Erleichterungen für vorläufig Aufgenommene beim Zugang zur Erwerbstätigkeit und beim Familiennachzug. Wir werden zudem viele Missbräuche verhindern können, ganz ausschliessen wird man sie aber nicht. Die bisherigen Revisionen haben diesbezüglich nicht viel genützt. Die erste wirksame Massnahme war der Sozialhilfestopp bei Nichteintretensentscheiden, was neu auch für Abgewiesene gelten soll. Ob dies die letzte Revision sein wird, hängt von der Praxis und den Umständen ab. Wir wissen nicht, was künftig im Bereich der Migration geschieht. Die vorgeschlage Lösung wird grosse Verbesserungen bringen, aber auch mit dieser Revision sind nicht alle Probleme gelöst. Wir haben das politisch Machbare getan. Wäre ein Nein zum Asylgesetz ein grosses Unglück oder einfach eine politische Niederlage? Bei einer Ablehnung würden die Asylgesuche mit Sicherheit ansteigen. Denn es würde sich sofort herumsprechen, dass man weiterhin aus wirtschaftlichen Gründen und ohne Asylgründe illegal in die Schweiz einreisen könnte und grosszügig Sozialhilfe bekäme. Die Missbräuche würden zunehmen. Zum Ausländergesetz. Neu werden aus Nicht-EU-Ländern nur noch Hochqualifizierte zugelassen. Was hat man sich darunter vorzustellen? Das ist nicht der zentrale Streitpunkt. Die Gegner haben eine völlig andere Vorstellung der Ausländerpolitik. Sie möchten der ganzen Welt Zugang zu unserem Arbeitsmarkt gewähren: Wer hier eine Arbeit findet, soll sie auch bekommen. Ab 2011 haben wir aber die volle Freizügigkeit mit der ganzen EU, und das müssen wir zuerst verkraften. Freizügigkeit auch mit dem Rest der Welt würde zu grosser Arbeitslosigkeit führen, die Sozialwerke belasten und enorme Spannungen im Land bewir-ken. Also muss man einschränken: Nur wenn man für eine bestimmte Arbeit niemanden in der EU findet, wird eine Bewilligung für jemanden ausserhalb der EU erteilt. Das ist dann eben der Fall bei den Lassen sich zwei Spezialisten. Weniger gut ausgebildete Arbeitskräfte werden wir noch lange in der EU rekrutieren können. ategorien von Ausländern in der Schweiz längerfristig aufrechterhalten? Wenn die Leute aus der EU den Schweizern gleichgestellt werden, gibt es halt Unterschiede zwischen EU-Angehörigen und den von ausserhalb der EU kommenden Staatsangehörigen. Schlechter gestellt als heute werden diese deswegen nicht. Was bringt das Ausländergesetz konkret für die Integration? Ich glaube, dass man wegkommen muss von gewissen romantischen Integrationsprojekten. Das Wichtigste ist die rasche Integration der Kinder bezüglich Sprache und Schule. In den USA müssen Kinder beispielsweise vor der Einschulung zuerst Englisch lernen. Es ist erstaunlich, dass die «Sozialen» jetzt plötzlich dagegen sind, dass Kinder möglichst vor dem 12. Altersjahr nachgezogen werden. Das war nämlich ein Begehren der Erziehungsdirektorenkonferenz zur besseren Integration der Kinder in der Schule, was später den Anschluss an den Arbeitsmarkt ermöglicht. Ich habe dem Bundesrat diese Woche einen Integrationsbericht vorgelegt. Hier gibt es noch sehr viel zu tun.

31.08.2006

«Ich will verantwortungsvoll handeln»

Er frage sich immer, ob seine Kritiker Recht hätten, sagt Bundesrat Christoph Blocher. Aber er kenne auch die Motive der Gegner. 31.08.2006, Berner Zeitung, Markus Eisenhut, Michael Hug, Andreas Z'Graggen Wie leben Sie eigentlich mit dem Vorwurf, ein Unmensch zu sein, der übermässig hart mit Flüchtlingen umgeht? Fragen Sie sich in stillen Momenten, ob daran etwas Wahres sein könnte? Sicher frage ich mich das immer wieder. Wenn ich kritisiert werde, frage ich mich immer, ob die Kritik berechtigt ist. Aber mit der Zeit weiss ich auch, wer mich auf diese Art angreift und warum. Viele Gegner wollen einfach in die Welt posaunen, welch gute und soziale Menschen sie sind, da ist es am Besten, die Andern zu erniedrigen. Aber das sind billige Bekenntnisse, denen nur selten Taten folgen. Und welche Ueberlegungen stellen sie bezüglich des eigenen Handelns an? Ich frage mich, ob ich verantwortungsvoll handle. Würde ich die Gesetze verschärfen, weil ich die Menschen nicht gern habe, dann wäre das nicht in Ordnung. Aber ich weiss doch, dass unser Land eine Personenfreizügigkeit für die ganze Welt - was die Gegner der Gesetze wollen - niemals verkraften könnte. Stellen Sie sich vor, was das für die Arbeitslosigkeit, unsere Sozialwerke, die Fürsorge bedeuten würde, welche Spannungen das gäbe. Die Schweiz ist nicht fremdenfeindlich. Bei uns leben 21,8 Prozent Ausländerinnen und Ausländer, das ist einer der höchsten Anteile in ganz Europa. Tiefgreifende Spannungen kennen wir heute nicht. Würden sich die Gegner durchsetzen, befürchte ich, wären Fremdenfeindlichkeit und Hass die Folge. Unterstützen Sie als Privatmann soziale Projekte? Ja, aber ich rede nicht gern darüber. Ich tue es, um zu helfen, nicht um den Gutmenschen ins Schaufenster zu stellen. Nicht alle meine Unterstützungen waren erfolgreich. Würden Sie es nicht mehr tun? Nicht mehr oder zumindest nicht so. Besser wäre ohnehin, die Industrialisierung armer Länder zu vollziehen. Das würde den Druck verringern. Das habe ich als Unternehmer auch getan. Aber nicht aus sozialem Engagement, sondern weil ich als Industrieller tätig war. Die Welt funktioniert nicht zuletzt dank Unternehmern, die investieren und Arbeitsmöglichkeiten schaffen. Die Moralisten, die ständig austeilen, würden besser Arbeit schaffen. Das schafft Wohlfahrt und mindert die Armut! Wie stimmen Sie eigentlich ab? Schriftlich oder an der Urne? In der Regel geh ich an die Urne, ich bin da ein wenig altmodisch. Wenns nicht geht, stimme ich auch ab und zu schriftlich ab. Jedenfalls stimme ich ab, diesmal sogar mit zweimal Ja. Wie gefällt es Ihnen in Bern? Ich wohne zwar unter der Woche in Bern, aber ich bekomme nicht allzuviel mit von der Stadt. Am Morgen gehe ich jeweils von meiner Wohnung ins Bundeshaus, das ist meine schönste Zeit des Tages. Wir, die um diese Zeit schon an der Arbeit sind, kennen uns mittlerweile, grüssen uns schon von Weitem und witzeln: "Wir sind die Schwerarbeiter". Nehmen Sie auch am kulturellen Leben teil? Nicht sehr viel. Ab und zu gehe ich ins Theater. Der Bundesrat hat dort eine eigene Loge. Aber ich habe wenig freie Abende und am Wochenende bin ich zuhause. Ich gehe auch gerne nach Hause, ich möchte nicht die ganze Zeit so nah beim Bundeshaus sein. Was sagen Sie zu den Ereignissen der letzten Tage um Swissfirst? Ich kann dazu nicht viel sagen, ich kenne die Angelegenheit nur aus der Zeitung. Es heisst, Sie hätten enge Beziehungen zu Swissfirst-Chef Thomas Matter. Kürzlich hat mir jemand aus einer Zeitung ein "Beziehungsgeflecht" von Swissfirst gezeigt. Bei meinem Namen stand: „Kennt ihn“. Darauf sagte ich: In dem Fall gehöre ich auch zum Beziehungsgeflecht von Jean Ziegler und Peter Bodenmann und von wem weiss ich was alles. Gut kenne ich den Vater von Thomas Matter, der nach seinem Rücktritt bei Roche zwei Jahre in meinem Verwaltungsrat war. Dadurch kenne ich auch den Sohn. Aber mehr als Sie weiss ich auch nicht, was dort geschehen ist. Aber die Amtsstellen klären jetzt ja alles ab. Muss die Insidernorm verschärft werden? Das muss sie unabhängig von diesem Fall. Voraussagen für Geschäftszahlen gehören in die Insidernorm, das wissen wir schon lange. Zu den Pensionskassen: Wenn es dort Probleme gibt, dann haben die Aufsichtsorgane den Chef zu kontrollieren. Neue Gesetze braucht es da nicht. Immer wenn einer Pleite macht, geht das Geschrei nach einer neuen Regulierung los. Ich frage dann jeweils: Wollt ihr ein Gesetz, Pleite machen sei verboten? Dabei hat hier gar niemand Pleite gemacht.

31.08.2006

Heute ist es von Vorteil, seine Identität zu verschleiern

Auch nach einer Annahme des revidierten Asylgesetzes werde kein Flüchtling der Einschätzung einer einzigen Amtsstelle ausgeliefert sein, sagt Bundesrat Christoph Blocher. Die Änderung beschleunige nur das Verfahren. 31.08.2006, Berner Zeitung, Michael Hug, Markus Eisenhut, Andreas Z'Graggen Herr Bundesrat, warum erwarten Sie von uns als Stimmberechtigten, dass wir den Behörden am 24. September mehr Kompetenzen für den Vollzug der Asylpolitik geben? Bundesrat Christoph Blocher: Damit wir das Verfahren beschleunigen und die Schweiz als Asylland weniger attraktiv machen können. Heute ist es ein Vorteil für den Asylsuchenden, seine Identität nicht preiszugeben. Er kann lange im Land bleiben und Sozialhilfe beziehen, obwohl er kein Flüchtling ist. Wir können es diesen Leuten nicht einmal verübeln, wenn sie diese Chance zu nutzen versuchen. Aber es ist nicht richtig, wenn ein Staat sagt: "Du bist illegal hier, Du musst nach hause" - und gleichzeitig bezahlt man ihm trotzdem noch jahrelang grosszügig Sozialleistungen. Zudem ist es völlig richtig, wenn nicht mehr die Behörde, sondern der Asylsuchende selbst künftig seine Identität glaubhaft machen muss. Für ihn es einfacher, zu sagen wer er ist und wo er wohnt. Die heutige Situation ist unhaltbar. Trotzdem: Man kennt Sie als einen, der dem Staat misstraut. Und nun erwarten Sie von uns, dass wir dem Staat bei der Handhabung der Flüchtlingspolitik mehr Vertrauen schenken. Nein. Dem Staat gegenüber soll man immer misstrauisch sein. Aber wenn es Leute braucht, die darüber entscheiden, ob ein Asylsuchender aufgenommen wird, dann müssen sie auch mit sinnvollen Instrumenten ausgerüstet werden, ob das nun Staatsangestellte oder Private sind. Dazu kommt, dass die Anwendung von Rechtsmitteln im Asylbereich grosszügig ist. Wenn ein Asylsuchender gute Anwälte hat, dann sind viele Wege offen, um immer wieder neue Rechtsmittel zu ergreifen, um das Verfahren noch weiter zu verzögern. So dauert es oft jahrelang bis endgültig entschieden ist. Sie sagen, 80 Prozent der Asylsuchenden, die in die Schweiz einreisen wollen, hätten keine Papiere. Andere Quellen behaupten, es seien nur wenig mehr als die Hälfte. Was ist nun richtig? 70 bis 80 Prozent, diese Zahlen schwanken immer ein wenig, haben keine gültigen Identitätspapiere. Rund ein Viertel der Leute legen zweitrangige Papiere - etwa einen Führerausweis oder einen Geburtsschein vor. Der allergrösste Teil dieser Dokumente ist gefälscht. Unter dem geltenden Gesetz müssen diese Papiere anerkannt werden. Ob sie echt oder gefälscht sind, weiss man dann erst bei der Ausreise, wenn die Botschaft des betreffenden Landes mitteilt, dass die Person oder die Adresse gar nicht existiert. Dagegen sehen wir aus der Statistik, dass von den anerkannten Flüchtlingen rund 70 bis 80 Prozent Papiere vorgelegt haben. Bei den abgewiesenen Asylsuchenden ist es umgekehrt. Also Pass oder Identitätskarte? Nein, heute anerkennen wir wie gesagt auch Führerausweise oder Geburtsscheine. Bei den Afrikanern hatten in den letzten vier Monaten nur fünf bis zehn Prozent gültige Papiere vorgelegt. Tatsache ist, dass Leute, die wirklich bedroht sind, ein Interesse daran haben, ihre Identität zu klären. Ist es denn nicht selbstverständlich, dass jemand der kommt und etwas will, seinen richtigen Namen, Wohnort und Alter bekannt gibt? Und dass er gültige Reisepapiere vorweist und diese nicht vorenthält? Was passiert mit einem, der überstürzt und ohne Papiere flüchten musste. Erhält er einen Nichteintretensentscheid, weil er seine Papiere nicht innert 48 Stunden vorlegen kann? Nein. Wenn er glaubhaft darlegen kann, warum er keine Papiere hat, erhält er trotzdem ein reguläres Asylverfahren. Und selbst wenn ein Fehler passiert, kann er den Nichteintretensentscheid noch vor die Asylrekurskommission ziehen. Auch unter dem neuen Gesetz ist kein Flüchtling der Einschätzung einer einzigen Amtsstelle ausgeliefert. Es gibt sicher auch traumatisierte Leute, die sich vor einer Behörde nicht artikulieren können. Wie ist sichergestellt, dass solche Menschen nicht durch die Maschen fallen? Unsere Befrager haben eine grosse Erfahrung im Umgang mit Asylsuchenden. Sie können mit solchen Menschen umgehen. Auch hier ist einiges Gespür nötig, weil es solche gibt, die traumatisiert sind. Aber oft werden die unglaublichsten Fluchtgeschichten erzählt. Unsere Leute kennen die vorbereiteten Versionen natürlich auch. Ein anderes Problem ist das Alter: Viele sagen, sie seien 17. Kürzlich hatten wir eine über 50jährige Frau, die behauptete, sie sei 17 Jahre alt. Wenn die Flüchtlingseigenschaft unsicher ist und es weitere Abklärungen braucht, gibt es keinen Nichteintretensentscheid. Wird das neue Asylgesetz verhindern, dass die Behörden erfundenen Geschichten auf den Leim gehen? Nein. Es gibt sicher Leute, die wir zu unrecht aufgenommen haben und das wird es auch weiterhin geben. Aber immerhin werden wir bei jenen, die ihre Identität unentschuldbar nicht preisgeben, rascher entscheiden und sie ausweisen können. Das ist eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem jetzigen Zustand und es wird dazu führen, dass weniger unechte Flüchtlinge versuchen, überhaupt in die Schweiz zu kommen. Bedeutet das auch, dass auf Seite der Behörden Personal abgebaut wird? Ja, wenn man weniger benötigt, muss dies geschehen. Allein im Bundesamt für Migration haben wir bereits 200 Stellen reduziert. Ebenso konnten wir die Aufwendungen des Bundes für das Asylwesen von einer Milliarde auf rund 850 Millionen verringern. Die Asylgesetzrevision wird das System um weitere 100 Millionen Franken entlasten. Womit ein weiterer Stellenabbau zu erwarten ist. Klar, wenn weniger Leute zu unrecht kommen, können auch die Strukturen bei Bund und Kantonen zurückgefahren werden. Nicht nur dort: Es werden auch weniger Anwälte, die in grosser Zahl vom Asylverfahren leben, Aerzte, Psychologen, Mediatoren, Betreuer etc. gebraucht werden. Darum ist der Sturmlauf gegen die Gesetzesrevision von dieser Seite auch begreiflich. Was glauben Sie: Wenn im Bundesamt für Migration eine Abstimmung über das neue Asylgesetz durchgeführt würde, würde es sich für oder gegen das Gesetz aussprechen? Es würde sicher angenommen, weil es eine Verbesserung gegenüber dem heutigen Zustand bringt. Diese Leute haben das Gesetz ja gemacht, bis jetzt habe ich keine Anzeichen dafür, dass sie mit dem Resultat nicht einverstanden wären. Immerhin würden sie sich mit einem Ja auch einen weiteren Stellenabbau verordnen. Ach so. Möglich, dass es einzelne gibt, die so denken. Leute, deren Asylgesuch abgelehnt wurde, sollen künftig ebenso wie jene mit einem Nichteintretensentscheid keine Sozialhilfe mehr erhalten. Wir haben jetzt zwei Jahre Erfahrung mit dem Sozialhilfestopp für Asylbewerber mit einem Nichteintretensentscheid. Anfänglich hiess es, das werde furchtbar, die Leute würden abtauchen und in die Kriminalität abgleiten. Nach zwei Jahren wissen wir: Die Kriminalität bei diesen Leuten ist geringer als bei der Gesamtheit der Asylsuchenden und die Leute reisen rascher aus. Können Sie Zahlen nennen? Bei den Bezügern von Nothilfe liegt die Kriminalität bei rund acht Prozent. Bei der Gesamtheit der Asylsuchenden liegt sie bei rund 30 Prozent, wobei wir hier nur Zahlen aus dem Kanton Zürich haben. Die Zahlen beziehen sich auf Aufgegriffene, nicht auf Verurteilte und sie sind nicht vollständig vergleichbar. Aber sie geben doch einen Anhaltspunkt. Sicher richtig ist, dass die Kriminalität durch den Sozialhilfestopp nicht angestiegen ist. Zwei Drittel der Betroffenen beziehen gar nie Nothilfe und wir haben viele Anzeichen dafür, dass sie grösstenteils ausreisen und nicht untertauchen. Und auch die rund 30 Prozent, die Nothilfe beziehen, nehmen im Durchschnitt lediglich 113 Tage lang Nothilfe in Anspruch. Das heisst, sie beziehen dreimal weniger lange Geld, als sie vorher Sozialhilfe bezogen. Die Erfahrungen sind also gut und das bestätigen mittlerweile auch die Gemeinden und Kantone. Von der Sozialhilfe sollen selbst Kinder, Kranke und Alte nicht mehr profitieren können. Ist das nicht sehr hartherzig? In der Praxis gibt es einigen Spielraum. Die Kantone sind frei, wie sie mit ihren Asylsuchenden umgehen. Es ist vorgesehen, dass die Kantone für jeden abgewiesenen Asylsuchenden einen Pauschalbetrag für die Nothilfe erhalten. Es ist aber ihre Sache, wie lange sie Nothilfe gewähren und wen sie mit welcher Härte behandeln. Wir wollen bloss verhindern, dass findige Anwälte hier wieder Ansprüche einklagen, indem sie sich auf irgendeinen Ausnahmepassus berufen. Jugendliche zwischen 15 und 18 sind zum Teil schon kräftige Burschen, aber ein dreijähriges Kind oder eine kranke Person wird sicher anders behandelt. Reicht der Pauschalbetrag, den der Bund den Kantonen bezahlt, aus? Da gibt es grosse Unterschiede. Kantone, die gut arbeiten haben unter dem Strich einen Ueberschuss, den anderen, die bei den Ausschaffungen trödeln, reicht es natürlich nicht. Welchen Kantonen reicht es nicht? Ich möchte keine Namen nennen. Die stadtbernische Regierung hat erklärt, sie sei gegen das Asylgesetz. Alle rot-grünen Regierungen sind dagegen. Das ist eine ideologische Frage. Kommt dazu, dass das Gesetz jenen, die untätig bleiben, tatsächlich Mehrkosten verursacht. Daraus schliessen wir, dass der Kanton Bern zu jenen gehört, denen das Geld nicht reicht. Das stimmt nicht. Der Kanton Bern steht nicht schlecht da, das muss ich sagen. Das Problem ist natürlich in den Städten akut und auch dies ist nicht nur deren Schuld. Die Ausgewiesenen zieht es in die Städte, sie haben dort mehr Möglichkeiten. Aus diesem Grund werden wir die Städte künftig auch besser entschädigen müssen, da reklamieren sie zu Recht. Aber ich bin dagegen, dass wir einfach so viel bezahlen, wie es sie kostet, wenn sie nichts tun. Wenn die rotgrünen Regierungen ihre Leute nicht zurückschicken wollen, müssen sie diese Kosten eben selbst bezahlen. Wie viele Menschen sind betroffen, wenn nach Annahme des Gesetzes die Sozialhilfe gestrichen wird? Im Moment leben über 9'000 Personen hier, die ausreisen müssten. Für über 6200 suchen wir die Papiere, weil wir ihre Identität nicht kennen. Alle diese Leute könnten nach Hause, wenn sie wollten. Die Botschaften geben ihnen Papiere. Sie müssen nur ihre Identität offenlegen. Beziehen über 9'000 Leute mit einem negativen Asylentscheid Sozialhilfe oder sind in dieser Zahl auch jene eingeschlossen, die nach einem Nichteintretensentscheid nur Nothilfe erhalten? Die sind nicht eingeschlossen. Wenn sie von 6200 Leuten keine Papiere haben, dann sind immer noch 3000, von denen sie vorhanden sind. Warum reisen diese Leute nicht aus? Sie sind einfach hier, weil es ihnen nicht schlecht geht, weil ihnen Zeit gelassen wird und sie heute Sozialhilfe beziehen können. Das hat unterschiedliche Gründe, warum die Kantone sie noch nicht ausgeschafft haben. Zum Teil sind sie schon jahrelang hier. Wird sich das von einem Tag auf den andern ändern, wenn das Gesetz angenommen wird? Nein. Es gibt Übergangsregelungen für Personen, die bereits einen rechtskräftigen negativen Entscheid haben. Wir müssen den Kantonen etwas Zeit geben, diese Menschen sind teilweise in festen Wohnungen eingemietet, haben Kinder in der Schule, da müssen wir etwas beweglich sein. Deshalb erhalten die Kantone auch eine höhere Entschädigung von 15'000 Franken. Auch bei der Einführung des Sozialhilfeausschlusses für Personen mit einem NEE hatten wir damals eine grosszügige Übergangsregelung vorgesehen: Der Bund bezahlte damals den Kantonen für diese so genannten Übergangsfälle noch während neun Monaten die ordentliche Sozialhilfe. Je nachdem wie schnell die Kantone das Gesetz vollziehen, reicht das Geld oder eben nicht. Dieses Modell ermöglicht es den Kantonen auch, Alte oder Kranke anders zu behandeln, als kräftige Junge. Sie stellen einfach den Geldhahnen des Bundes ab. Aber wenn ein Kanton mit einem besonders hohen Nein-Anteil zum Asylgesetz aus der eigenen Kasse einen weniger strengen Vollzug finanzieren will, dann kann er das? Jaja, aber das machen sie nicht, wenn sie es selbst bezahlen müssen. Das hat bisher noch kein Kanton gemacht. Mehrkosten verursacht aber auch die die Verlängerung der Ausschaffungshaft. Nein. Erstens sind das sehr wenige, schwierige Einzelfälle die so lange in Haft bleiben. Und zweitens werden es noch weniger werden, weil sie Angst haben, sie müssten 18 Monate bleiben. Falls Ihre Prognose nicht stimmt, wäre es aber günstiger, den Leuten Sozialhilfe zu bezahlen, statt sie einzusperren. Die Alternative ist nicht Sozialhilfe oder Ausschaffungsgefängnis. Die Alternative ist Sozialhilfe oder heimschicken. Das Gefängnis spielt erst eine Rolle, wenn die Massnahme anders nicht durchgesetzt werden kann. Gibt es andere europäische Länder mit ähnlich scharfen Gesetzen? Natürlich. Oesterreich macht gerade gute Erfahrungen mit einer Verschärfung, Holland, Dänemark, Norwegen, alle gehen in die selbe Richtung. In zahlreichen Ländern gibt es nach einem ablehnenden Entscheid überhaupt keine Entschädigung mehr für die Asylsuchenden - auch keine Nothilfe mehr. Die müssen wir nach dem Entscheid des Bundesgerichtes in der Schweiz weiterhin gewähren, sogar wenn jemand nicht einmal den Namen bekannt gibt. Auch bei der Ausschaffungshaft gibt es Länder, die überhaupt keine zeitliche Höchst-Limite kennen. Bei uns ist diese begrenzt. Spanien hat in mehreren Wellen den Aufenthalt sogenannter Sans-Papiers legalisiert. Warum nicht die Schweiz? Diese Leute sind nicht ohne Papiere da, wie man meinen könnte. Die sind einfach illegal hier, arbeiten irgendwo schwarz, aber sie kosten den Staat nichts und sind nicht kriminell. Deshalb bereiten sie uns auch keine grossen Sorgen. Aber sie haben keine Aufenthaltsbewilligung, bezahlen keine Sozialabgaben. Sie müssen das Land verlassen. Aber wenn man ihren Aufenthalt - wie in Spanien - legalisiert, dann kommen sie aus ihren Verstecken heraus, gehen zu einem wesentlich höheren Lohn in den allgemeinen Arbeitsmarkt. In die freigewordenen illegalen Arbeitsplätze rücken sofort neue Sans-Papiers nach. Das ist die Crux. Es bleibt dabei: Wer illegal hier ist, muss nach Hause.