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Économie
06.12.2010
12.11.2010
Blochers Abrechnung mit der Finanzwelt
Interview im «Magazin Stocks» vom 12. November 2010 Stocks: Die Person Christoph Blocher als Politiker polarisiert ungemein, fällt der Name Christoph Blocher als Unternehmer, applaudiert man anerkennend. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz? Christoph Blocher: Die Wirtschaft hat erfolgreiche Leute gern, die Politik nicht. Wie definieren Sie Erfolg? Im Gegensatz zur Politik ist der Erfolg in der Wirtschaft messbar. Ich bin seit 30 Jahren selbständiger Unternehmer und habe bei Null angefangen. Mit der Ems-Chemie habe ich ein Unternehmen übernommen, dass damals vor dem Bankrott stand – und habe dieses, auch mit Hilfe von Bankkrediten zum Erfolg geführt. Erfolg hat man als Unternehmer aber auch dann, wenn das Geschäft nach dem persönlichen Rückzug weiterläuft – und auch das ist mir gelungen. Ich habe tüchtige Kinder, die noch erfolgreicher sind als ich. Haben Sie nie Gegenwind gespürt? Natürlich war mein Vorgehen nicht immer unumstritten, doch der wirtschaftliche Erfolg wird letztlich auch von Gegnern akzeptiert. Gute Politiker – um auf Ihre Einstiegsfrage zurückzukommen – reifen erst dann zu Persönlichkeiten, wenn sie umstritten sind. Schauen Sie die Geschichte an, ohne dass ich mich mit diesen Namen messen will: Winston Churchill oder Helmut Schmidt, einer der besten Kanzler, die Deutschland je hatte, waren unglaublich umstritten. Als Politiker will ich etwas bewegen. Beispielsweise, dass die Schweiz nicht der EU beitritt und folglich auch keinen Euro hat. Bei den aktuellen Turbulenzen um die Einheitswährung lachen Sie sich sicher heimlich ins Fäustchen. Nein, ich habe Turbulenzen nicht gern. Wir sind mit diesen Ländern wirtschaftlich verbunden. Mich plagt lediglich, dass man das Dilemma nicht früher gesehen hat – das wäre möglich gewesen. Ich habe mich bisher noch nie so intensiv für etwas eingesetzt, wie für eine neutrale, unabhängige und direkt-demokratische Schweiz. Zu Beginn dieses Kampfes war ich nicht sicher, ob ich recht habe. Heute schon? In der Schweiz behaupteten Anfang der Neunzigerjahre namhafte Leute, darunter Ökonomen oder gar Bundesräte, dass die Schweiz ohne EU-Beitritt verarmen und untergehen werde. Und heute haben wir genau das gegenteilige Problem: Eine starke Wirtschaft und eine starke Währung. Alle beneiden uns um diese Situation. Die Schaffung des Euro war ein Fehler. Sind Sie in Euro investiert? Nein. Dann stört Sie der starke Franken nicht? Doch. Nehmen Sie Ems-Chemie als Beispiel: 96 Prozent des Umsatz werden im Ausland erzielt, zwei Drittel davon im Euroraum. Vielleicht ist es ein Vorteil des Alters, dass ich die Frankenstärke trotzdem nicht so ernst nehme. Für den Moment bedeutet sie Gewinnschmälerungen, über die Jahre gleicht es sich wieder aus. Für die Schweizer Wirtschaft ist der Franken aber zu einem echten Problem geworden. Der starke Franken hat uns gezwungen, gescheite Massnahmen zu treffen. Wenn eine Wirtschaft nur wegen der schwachen Währung stark wird, ist das kurzfristig vielleicht vorteilhaft, aber auf die Länge eine gesunde Entwicklung. Namentlich die Schweizer Maschinen-Industrie profitierte in den vergangenen Jahren von einem schwachen Franken – aber das ist keine industrielle Grundlage. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat das Problem drastischer gesehen und Euro-Stützungskäufe getätigt. Ich war immer gegen diese Interventionen. Es wurden ja unglaubliche Summen eingesetzt. Aus Schweizer Optik ja, für den weltweiten Devisenmarkt fast vernachlässigbar. Genau. Kommt hinzu, dass der Markt, seit die SNB mit den Interventionen aufgehört hat, viel ruhiger verläuft. Eine Studie der UBS kam kürzlich zum Schluss, dass der Euro nur durch einen Austritt Deutschlands zu retten wäre. So absolut würde ich das nicht formulieren, aber die Aussage geht in die richtige Richtung. Die Konstruktion einer gemeinsamen Währung ist verrückt – man hat aus politischen Gründen etwas geschaffen, das in der Weltgeschichte noch nie Bestand gehabt hat. Es wurden Konvergenzkritierien definiert, die heute niemand mehr einhält – das kann nicht funktionieren. Wie haben Sie das Säbelrasseln namens «Währungskrieg» erlebt? Das ist für mich kein neues Phänomen. Gebärden sich aber nicht die USA äusserst scheinheilig? Natürlich, die USA profitieren von einem schwachen Dollar. Aber China steht länger je mehr auf die Hinterbeine – und sie machen das geschickt, indem sie für Dollar Rohstoffe auf 30 bis 40 Jahre hinaus kaufen. Die USA konnten bisher trotz grosser Verschuldung immer wieder neue Kredite aufnehmen und genossen hohes Vertrauen. Dieses ist nun am Bröckeln, weil die grössten kreditgebenden Länder mit dem Dollar viel verloren haben. Hören wir Sympathien für China heraus? Ich kenne das Land sehr gut und war einer der ersten, der nach der Öffnung dort war. Zwischen 1983 und 2003 haben wir dort 117 Fabriken gebaut. Sympathien für einen sozialistischen Staat. In der Wirtschaftspolitik sind die Chinesen alles andere als Sozialisten. Da macht jeder was er will und kann. Das muss nicht unbedingt positiv sein. Einverstanden. Sie erlebten keine negativen Auswüchse? Die Anarchie ist grundsätzlich bewunderswert, weil sie die höchste Form der Freiheit darstellt. Aber am Schluss kann es auch im Chaos enden. Deshalb greift in China der Staat mit wesentlichen marktwirtschaftlichen Methoden durch, bändigt die Überhitzung und reguliert die Geldmenge. Gutes Stichwort: Die Drosselung der Geldmenge ist in Europa und den USA derzeit kein Thema. Ihre Einschätzung? Das ist sehr gefährlich. Wie lange kann die Tiefzinspolitik noch verfolgt werden? Die Frage ist vielmehr: Haben die Notenbanken die Grösse, um das Geld wieder zurücknehmen zu können? Ihre Antwort? Ich befürchte: Nein. Die europäischen Länder haben ja keine eigenen Notenbanken mehr. Deutschland müsste jetzt eigentlich handeln und Geld abschöpfen können, der Wirtschaft geht es gut. Doch die Europäische Zentralbank wird nichts unternehmen. Deshalb noch einmal: Die EU ist eine intellektuelle Fehlkonstruktion. Sie liefern das Stichwort Fehlkonstruktion. Passt dieses auch zu den neuen Banken-Regulatorien? Der internationale Ansatz «Basel III» konzentriert sich auf mehr Eigenmittel – das begrüsse ich. Wenn weltweit alle mitmachen, kann man ungleiche Konkurrenzverhältnisse nicht mehr als Ausrede gelten lassen. Glauben Sie daran, dass alle mitmachen? Das ist eine berechtigte Frage. So oder so muss die Schweiz ihren Weg gehen. Ich bin Industrieller: Mir käme es doch nie in den Sinn, mit 10 oder 14 Prozent Eigenkapitalquote wirtschaften zu wollen – ich habe aus Sicherheitsgründen immer 40 bis 60 Prozent angestrebt. Die Regulatorien werden zur Folge haben, dass Bankenkrisen weniger schnell ausbrechen – sie werden aber nicht verunmöglicht. Mit dem «Swiss Finish» sind Sie zufrieden? Fakt ist: Die Schweiz muss eigenmächtig handeln. Was müssen Banken vortreffen, damit sie, wenn es ihnen schlecht geht, untergehen können und der Staat nicht verpflichtet ist, Garantien zu leisten. Ich sehe mit Freuden, dass mein Denkansatz zu greifen beginnt, nachdem ich anfänglich als Schwarzmaler bezeichnet worden bin. Wie hat sich die ausgedrückt? Noch vor nicht allzu langer Zeit behauptete die Credit Suisse, eine Bank von dieser Grösse könne nicht untergehen. Das ist Schwachsinn: Jedes Unternehmen muss untergehen können, sonst fehlt jegliche Triebfeder zur Rettung. Die Banken sind aber auch mit dem «Swiss Finish» unverändert gross und folglich ein Systemrisiko. Die Banken müssen aufgegliedert werden. Genau das passiert nicht. Aber es kommt Bewegung in die Sache. Als UBS-Chef Oswald Grübel kürzlich gefragt wurde, was passieren würde, wenn die von Blocher vorgeschlagene Holding-Struktur umgesetzt werden müsse, antwortete er: «Die Aktienkurs wird steigen.» Begründet hat er es mit dem zusätzlichen Vertrauen in die Bank. Ich bin fast vom Stuhl gefallen... Auch die CS liess durchblicken, dass mit Clariden Leu oder der Neuen Aargauer Bank eine solche Holding-Struktur möglich wäre. Eben. Es findet allmählich ein Umdenken statt. Anders sind die US-Investmentbanker nicht in den Griff zu bekommen. Erst wenn sie bei einer unabhängigen Bank Kredite zu marktkonformen Zinsen holen müssen, wird der Erfolgsdruck grösser. Sie sprechen darauf an, dass beide Grossbanken zuletzt wieder Verluste im Investmentbanking verzeichneten... ... und dort unter dem Strich noch nie Geld verdient haben. Auch Grübel musste in der bereits erwähnten Gesprächsrunde zugeben, dass er mit der CS immerhin einmal «Breakeven» erreicht habe. Wenn dies das Erfolgsrezept der Banken ist, dann gute Nacht. Aber – und jetzt komme ich zum Positiven der Finanzkrise: Alles ist vernünftiger geworden. Ist das Ihr Ernst? Ja. Wenn ein Bankenpräsident zugibt, dass in einem Bereich noch nie Gewinne gemacht wurden, ist das ein erster Schritt. Die Banken wären ja zudem dumm, wenn sie das «Too-big-to-Fail»-Problem nicht zugeben würden. Es braucht doch keine Instanz des Staates: Dieser will Einblick und redet bei jeder Gelegenheit mit. Die Bankenaufsicht wird aber auch weiterhin nicht funktionieren – sie hat das auf der ganzen Welt noch nie getan. Aber sie wird weiter dreinreden. Natürlich, so sind Politiker. Es kann doch in Bern niemand das Risiko einer Bank beurteilen, wenn er nicht selbst drinsitzt. Sie kritisieren die Finma, obwohl die Banken selbst bewiesen haben, dass sie das Risiko auch nicht einschätzen konnten. Fehler sind doch ganz natürlich: Auch in der Industrie läuft jedes Unternehmen stets Gefahr, dass es zu Grunde geht. Ich kenne kein Unternehmen, dass 2000 Jahre Bestand hat. (lacht) Doch: Eine Ausnahme gibt es – die katholische Kirche. Aber die legen die Bilanz erst im Himmel vor – und dann bin ich gespannt, was alles zum Vorschein kommt... Die Banken hatten den Erfolgsdruck nicht – sie sagten sich: Wir sind so gross, man lässt uns nicht fallen. Und das geht nicht. Hätte man also in den USA, wo die Banken weniger systemrelevant sind, mehr als nur Lehman Brothers fallenlassen sollen? Eindeutig. Das würde die Banken dazu bringen, vorsichtiger zu geschäften. Ich bin gegen die Rettung von Unternehmen. Glauben Sie daran, dass die Banken heute kostenbewusster geworden sind? Ich zweifle noch dran, die Banken sind in diesem Punkt wenig hellhörig. Es ist zu einfach, wenn man behauptet, dass die Leute mit weniger Lohn nicht halten sind. Ist das Lohnsystem mit den hohen variablen Komponenten falsch? Nein. Ich war der Erste, der Bonuszahlungen eingeführt hat. Aber: Leistungsbonus ist nicht das gleiche wie Gewinnbonus. Wenn der Bonus nur einseitig an den Gewinn gekoppelt ist, findet eine zu kurzfristige Denkweise statt. Das zu Ende gehende Börsen-Jahrzehnt war turbulent und auch geprägt von Ihrer Zusammenarbeit mit Martin Ebner und seinen Visionen. Welche Visionen haben Sie heute? Ich bin mit diesem Begriff sehr zurückhaltend. Alt-Bundeskanzler Schmidt sagte: Wenn einer Visionen hat, soll er zum Psychiater. Obwohl ich in die Pharma Vision sehr erfolgreich investierte, war ich beim Namen immer sehr skeptisch. Ihr Börsen-Erfolgsrezept? Kapital will investiert sein. Ich rate aber allen Leuten, die nicht genügend Geld haben, vom Aktienkauf ab. Das Thema «Volksaktie» ist vom Tisch? Absolut. Trotzdem wollen wir einen Investment-Tipp. Ich investierte in Firmen, die schlecht laufen... ... also beispielsweise die UBS. (lacht) In Banken investiere ich grundsätzlich nicht, ich suche den Industriesektor. Die UBS-Aktie wäre aber ein Kauf? Schon vor einem Jahr sagte ich: Die Bank kann nicht mehr viel falsch machen. Sie ist gewillt, es zieht Seriosität ein. Mit Grübel wurde der derzeit tüchtigste Banker an die Spitze geholt, den die Schweiz derzeit hat. Wie oft standen Sie selbst wieder davor, operativ irgendwo einzugreifen? In die eigenen Firmen komme ich sicher nicht mehr zurück. Meine neugegründete Firma konzentriert sich auf Investitionen und Beteiligungen – da kann es schon sein, dass ich auch mal aus dem Hintergrund führe. Wenn eine grössere Chance käme, würde ich nicht per se «Nein» sagen. Nach dem vorherigen Werbespot sehen wir, sollte es der Credit Suisse in zehn Jahren schlecht gehen, folglich das Duo Grübel/Blocher an der Spitze? Nein. Von Banken verstehe ich heute zu wenig. Dafür kennen Sie die Ems-Chemie. Sind Sie neidisch auf den Erfolg Ihrer Tochter? Nein, nicht neidisch, sondern stolz. Wenn ich heute behaupte, meine Kinder würden die Firmen besser führen als ich, dann soll das auch ein Provokation sein. Bei der Ems-Chemie stammen die heutigen Produkte notabene alle noch aus meiner Ära. Magdalena Martullo muss sich also erst noch beweisen? Ja. Jetzt müssen neuen Produkte her – aber dafür wird sie auf jeden Fall sorgen. Wir diskutieren über Ihre Kinder. Wie wichtig ist Ihnen die Familie? Ich bin ein konservativer Mensch. Für mich ist die Familie eine Rückzugsposition – ohne Familie vereinsamt man. Aber ich bin für Führung, auch in der Familie. Der Auftrag steht im Mittelpunkt, das ist mein Führungsgrundsatz und Erfolgsgeheimnis. Zu Hause ist meine Frau der Chef, in meinen Bereichen bin ich es. Gemeinsam Verantwortung tragen funktioniert nie. Selbstverwirklichung ist eine egozentrische Krankheit der Politiker... ... und Manager? Ja, immer dann, wenn es gut läuft. Und wenn es schlecht läuft... ... holt man die repräsentativen Figuren. Ihr Top-Ereignis im vergangenen Jahrzehnt? Die Erlebnisse mit Martin Ebner. Sie haben mir gezeigt, wie gefährlich es ist, wenn man von den traditionellen Grundsätzen abweicht. Die da heissen? Auf wenig konzentrieren – und mit viel Eigenkapital ausgestattet arbeiten. Das Gegenteil davon hat die weltweite Finanzkrise ausgelöst. Welche Schlagezeile lesen wir in zehn Jahren über die Wirtschaftsnation Schweiz? Nach wie vor ein Wunder... (kurze Pause) so lange wir unabhängig bleiben (lacht).
31.10.2010
Der Teufel liegt im Detail
Interview mit der «NZZ am Sonntag» vom 31.10.2010 mit Stefan Bühler und Markus Häfliger NZZ am Sonntag: Hans-Rudolf Merz hat mit England und Deutschland Vereinbarungen über eine Abgeltungssteuer getroffen. Ist das ein Schweizer Sieg, wie viele Kommentatoren meinen? Christoph Blocher: Bisher haben wir erst zwei Absichtserklärungen. Das ist noch wenig. Die Verhandlungen - das Seilziehen - fangen erst an. Jetzt schon von einem Sieg zu sprechen, ist leichtsinnig und gefährlich. Die Stossrichtung der Verhandlungen ist bekannt – was halten Sie davon? Dass man für ausländische Guthaben auf Schweizer Banken eine Abgeltungssteuer analog unserer Verrechnungssteuer einführt, ist eine langjährige Forderung auch der SVP, denn wir wissen, dass das Bankkundengeheimnis für Steuerhinterziehung und -betrug missbraucht werden kann. Dadurch wird das Bankkundengeheimnis gewahrt. Erfreulich ist auch ein zweiter Punkt…. Welchen? Dass die Schweiz endlich mit den EU-Ländern direkt verhandelt, statt mit dem Bürokratie-Wasserkopf in Brüssel. Aber neben diesen positiven Punkten bleibt noch vieles im Dunkeln. Es müssen klare Bedingungen erfüllt sein. Welche? Problematisch ist die Amtshilfe: in unserem Staat gilt das Prinzip der doppelten Strafbarkeit: Fremde Staaten bekommen nur Rechts-oder Amtshilfe über Verdächtige, wenn deren Delikt auch in der Schweiz als Verbrechen strafbar ist. Darum hat die Schweiz bei Steuerhinterziehung, (in der Schweiz ein Vergehen), bisher keine Rechtshilfe geleistet. Leider wurde dieser Grundsatz bereits preis-gegeben, als der Bundesrat 2009 den OECD-Standard – gegen den Willen der SVP - akzeptierte. Wird jetzt auch noch das aufgeweicht, muss die SVP den ganzen Vertrag ablehnen. Es ist nötig, dass der ausländische Staat nicht nur den Namen eines Verdächtigen, sondern auch konkrete Verdachtsmomente glaubhaft machen muss. Sonst erhält die EU den automatischen Informationsaustausch durch die Hintertüre. Und Ihre weiteren Bedingungen? Dass mit diesem Vertrag, der automatische Informationsaustausch vom Tisch ist. Ebenfalls haben sich die Staaten zu verpflichten, weder gestohlene Bankdaten zu kaufen, noch solche als Beweise zu verwenden. Zwingend ist, dass die Schweizer Banken in Deutschland den vollen Marktzutritt erhalten. In diesen Punkten sind die Vereinbarungen neblig. Der Teufel liegt im Detail. Das ist bei solchen Verhandlungen naturgemäss so. Ja. Darum ist es zum Jubeln viel zu früh. Aber die nächsten Monate sind günstig: Die EU-Staaten brauchen dringend Geld. Das muss jetzt ausgenutzt werden für gute Abkommen. Derzeit sind die EU-Staaten eher bereit, ihre ideologischen Forderun-gen fallen zu lassen – wie alle Menschen in der Not. Wann ist der Punkt erreicht, an dem die SVP das Referendum ergreift? Man kann diese erst nach der Schlussabstimmung im Parlament entscheiden. Ist es für Sie nicht prinzipiell störend, wenn Schweizer Banken für ausländische Staaten Steuern eintreiben? Das wird die Schweiz nicht. Sondern es wird von den ausländischen Bankkunden – wie den Schweizern – ein Prozentbetrag abgezogen und pauschal an den auslän-dischen Staat überwiesen, wo es der Bankkunde zurückfordern kann. Neben der Abgeltungssteuer ist eine einmalige Sondersteuer zur Regularisierung unversteuerter Altgelder geplant. Das ist der problematischere Teil. Doch der Vorschlag für diese Sondersteuer kommt ja von den Bankiers selbst. Wenn sie das im Interesse ihrer Kunden wollen, ist die SVP sicher nicht dagegen. Es geht um enorme Summen. Deutsche Quellen rechnen damit, dass die Schweiz schon nächstes Jahr einmalig 30 Milliarden Euro überweist. Diese Beträge sind reine Vermutungen. Es weiss ja niemand, wie viel unversteuer-tes Geld in der Schweiz liegt und allein davon hängt die Höhe der Summe ab. Diese Summen haben die ausländischen Kunden aber nur zu tragen, wenn es unver-steuertes Vermögen betrifft. Sind Sie zuversichtlich, dass die Verantwortlichen in Bern Ihre Bedingungen erfüllen werden? Nein. Ohne gewaltigen Druck der SVP kommt das nicht gut. Sogar deutsche Zeitungen sprechen von einem Triumph für Bundesrat Merz. Ich mag es ihm ja gönnen. Aber es schwächt die Verhandlungen, jetzt schon so zu tun, als wäre alles erreicht. Es liegen lediglich unverbindliche Absichtserklärungen vor. Gefragt ist jetzt Widerstand und nicht gegenseitige Beweihräucherung. Welche Auswirkungen hat eine Abgeltungssteuer für die Schweizer Banken? Der Schweizer Finanzplatz wird weniger konkurrenzfähig sein. Und trotzdem sind Sie dafür? Ja, weil es im zentralen Punkt nicht um die Banken, sondern um den Bürger geht: nämlich, dass sein Bankkundengeheimnis gewahrt bleibt. Das ist der Sinn der Ab-geltungssteuer. Ich bin überzeugt, dass die Schweizer Banken weiterhin erfolgreich geschäften können. Heute gibt es doch ganz andere Kriterien für die Geldanlage: Die Sicherheit, die politische Stabilität. Gerade wer heute sein Geld in die Schweiz bringt, tut es nicht mehr wegen dem Bankkundengeheimnis, sondern weil er dem Euro und der Politik nicht traut. Noch vor wenigen Monaten sagten viele, gegen die EU können wir die Abgeltungssteuer niemals durchsetzen . . . Jetzt sehen wir: Wenn man konsequent bleibt, bringt man eine gute Sache durch – selbst gegen die EU. Meinen 70. Geburtstag verbrachte ich unlängst in Namibia und hatte in der Wüste auch Zeit für die Rückschau. Ich habe mich gefragt, welche politi-schen Fehler ich in meinem Leben gemacht habe und kam zum Schluss: Ich habe viel zu wenig oft Nein gesagt – und ich habe ja weiss Gott oft Nein gesagt. Es ist halt so: Wer am längsten stur ist, gewinnt.
19.09.2010
Blochers Ohrfeige für die Linken
Interview im «SonntagsBlick» vom 19.9.2010 Die bereits beschlossene Erneuerung der Alters- und Hinterlassenenversicherung steht vor dem Aus. Nach den Linken will jetzt auch SVP-Stratege Christoph Blocher (69) die Vorlage versenken. Herr Blocher, am 11. Oktober stimmt der Nationalrat über die 11. AHV-Revision ab. Verhilft ihr die SVP zum Durchbruch? Christoph Blocher: Nein, ich werde der Fraktion am nächsten Dienstag beantragen, dass unsere Partei zur geplanten Revision Nein sagt – die Vorlage also abgelehnt wird. Das Rentenalter von Frauen und Männern sollte angeglichen und die Summe von 400 Millionen Franken für Frühpensionierungen bewilligt werden. Dieser Kompromiss, den die SVP mitverantwortet, wäre dann gescheitert. Wir haben jetzt eine neue Ausgangslage. Und wieso das? Die Linke hat diesen Kompromiss wie wir mitgetragen. Trotzdem kündigt sie jetzt an, das Referendum dagegen zu ergreifen. Die SVP ist nicht mehr bereit, eine Einigung in einem Abstimmungskampf zu verteidigen, die wir nur deshalb mitgetragen haben, damit kein Referendum ergriffen. Wie jetzt wieder bei der Revision der Arbeitslosenversicherung? Genau. Wir wollten keine zusätzlichen Lohnprozente. Jetzt müssen wir eine Lösung verteidigen, hinter der wir gar nicht voll stehen. Damit ist jetzt Schluss. Eine Nulllösung ist besser als ein Kompromiss, den nicht alle Beteiligten mittragen. Sie wollen doch nur Abstimmung über den AHV-Rentenabbau im Wahljahr 2011 verhindern. Die SP ist Regierungspartei. Sie soll sich an den verabredeten Kompromiss halten und sich nicht auf unsere Kosten profilieren. Ist es da nicht ein wenig kleinlich, wenn ein Milliardär wie Sie verhindert, dass sich kleine Leute mit einem Zustupf pensionieren lassen können? Ich bin gegen Frühpensionierungen. Wir können nicht immer älter werden und trotzdem früher aufhören zu arbeiten. Aber wenn es in einzelnen Fällen nötig ist, dann darf es nicht auf Kosten der AHV gehen. Sondern? Dann müssen andere Quellen angezapft werden. Wenn jemand so arm ist, muss halt die Fürsorge einspringen. Man kann nicht einfach Geld verteilen. Das spornt die Leute ja geradezu an, früher in Rente zu gehen. Apropos Pensionierung: Sie werden am 11. Oktober 70 Jahre alt. Wann ziehen Sie sich zurück? Ich bin gesundheitlich «zwäg» und bleibe aktiv. In meinem Alter kann sich das aber auch rasch ändern. Den Geburtstag werde ich aber ausser Landes verbringen. Meine Frau und ich vereisen für einige Wochen.
04.09.2010