Das Kapitel Bundesrat ist abgeschlossen

Interview mit den Schaffhauser Nachrichten vom 15. Oktober 2011 mit Norbert Neininger

Der aus dem Weinland stammende Christoph Blocher über den Wahlausgang und seine Chancen, Ständerat zu werden.

Schaffhauser Nachrichten: Noch zehn Tage bis zur Wahl und daher die Frage: wie wird es ausgehen?
Christoph Blocher: Wir spüren einen Trend zur SVP, die SVP wird kaum zu den Verlierern gehören. Die Leute haben erkannt, dass es gut ist, zur Schweiz zu stehen, so wie dies die SVP stets tat. Wie es aber wirklich enden wird, wissen wir natürlich erst am Abend des 23. Oktober.

Die Frage lautet doch: wird Ihre Partei weniger oder mehr als einen Wähleranteil von 30 Prozent erreichen…
Die SVP hat jetzt schon einen einmalig hohen Wähleranteil. Und sollten wir die Resultate der Wahlen vor vier Jahren noch übertreffen, wäre das noch ausserordentlicher, hat sich doch der EU-freundliche Teil der Partei abgespaltet. Allein diesen Schwund auszugleichen, käme einem Erfolg gleich. Ob wir dann knapp unter oder knapp über 30 Prozent zu liegen kommen, ist dabei nicht so wichtig. Ueber 30 Prozent ist allerdings ein Signal, das nicht ohne Folgen bliebe.

Welche Folgen?
Zunächst inhaltlich: Die Anbindung der Schweiz an die EU dürfte dann für die andern schwierig werden. Wenn CVP und FDP verlieren sollten, werden sich die Konservativen unter ihren Mitgliedern den EU-freundlichen Kurs nicht mehr gefallen lassen und sich beispielsweise innerhalb der CVP fragen, warum sie dem Linkskurs ihres Präsidenten Darbellay weiter folgen sollten. Wenn also die SVP gewinnt und die anderen verlieren, dürfte es in der Folge zu einer Stärkung der bürgerlichen Kräfte über die Parteigrenzen hinaus kommen. Und dann könnte man die Fehler der Vergangenheit korrigieren und eine bürgerliche Schweiz restaurieren.

Die Themen der SVP haben die anderen ja im Wahlkampf bereits aufgenommen: Zuwanderung, Staatsverschuldung und plötzlich lieben ja auch alle die Schweiz. Und ein Beitritt zur EU steht nicht mehr zur Debatte. Warum soll man da noch SVP wählen?
Schön wäre es, wenn sich unsere Ideen durchgesetzt hätten. Aber das ist nicht der Fall. Es stimmt zwar, dass beispielsweise die Freisinnigen auch feststellen, dass die Massenzuwanderung ein Problem für die Schweiz ist. Aber sie fügen dann sofort an: Man kann dieses Problem nicht lösen, die EU biete dazu nicht Hand. Interessant ist , dass die FDP vor den Wahlen nun gegen einen Beitritt zur EU ist, nachdem sie 20 Jahre dafür gekämpft hat. Aber man verschweigt, dass man die Schweiz in die EU einbinden will. Still eingliedern will.

Einbinden?
Ja, es liegt das Communiqué unserer Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey vom 11.10.2011 vor, in dem sie verlautbaren lässt, dass sie beim Besuch in Brüssel darauf bestanden hätte, die Schweiz werde die « bilaterale Integrationspoltik » festsetzen. Das ist eine neue Therminologie. Es ist das Eingeständnis, dass die bilateralen Verträge dem Zweck dienen, die Schweiz in die EU « zu integrieren, » d.h. einzubinden!

Der EU-Beitritt ist also nicht vom Tisch?
Der EU-Beitritt schon, weil sie damit vor’s Volk müssen. An dessen Stelle tritt die Integration! Also noch schlimmer. Es geht noch weiter, Frau Calmy-Rey soll in Brüssel auch erklärt haben, die SVP-Initiative, mit welcher die Zuwanderung begrenzt werden soll, sei « eine dumme Initiative ». Die schweizerische Bundespräsidentin redet so vor unserem Verhandlungsgegner! Nein, nein, machen wir uns nichts vor: nach den Wahlen geht der Marsch Richtung Brüssel weiter. Bereits drei Tage nach den Wahlen findet die Bundesratsretraite zum Verhältnis Schweiz/EU statt. Also wieder ein Geheimplan! Darum müssen Schweizer SVP wählen und ich mich mit ganzer Kraft dafür einsetzen, dass die Schweiz unabhängig bleibt – gleichgültig ob ich gewählt werde oder nicht.

Nun zu Ihrem persönlichen Wahlkampf – werden Sie in den Ständerat gewählt im Kanton Zürich?
Das wäre eine grosse Überraschung. Man muss ja gegen amtierende Ständeräte antreten. Im besten Fall kommt es zu einem zweiten Wahlgang, dann werden sich alle Parteien von der FDP bis zur SP gegen die SVP verbünden.

Keine Chancen also?
Eine geringe Chance nur.

Wenn Sie in den Ständerat gewählt werden, rechnet sogar die NZZ mit Ihnen als Bundesratskandidat…
Nein. Ich kandidiere auf keinen Fall mehr für den Bundesrat. Ich habe mich 2003 zur Verfügung gestellt, habe die Verantwortung wahrgenommen und war vier Jahre Bundesrat. Dann wurde ich abgewählt, weil man mich nicht einbinden und damit lahmlegen konnte. Ich fühle mich jetzt nicht mehr dazu verpflichtet, noch einmal anzutreten.

Ist dieses Kapitel für Sie wirklich abgeschlossen?
Ja wirklich. In den kommenden Jahren werde ich auch anderorts gebraucht. Die grossen Fragen werden im Parlament und in der Volksabstimmung entschieden. Da will ich das Richtige vertreten können. Im übrigen ist das ja eine rein theoretische Frage: Das Parlament, das mich abgewählt hat, würde mich nie und nimmer wählen, diese Politiker müssen jetzt doch ihr Gesicht wahren.

Wenn nicht Sie, wer dann?
Wir haben eine ganze Reihe fähiger Kandidaten sowohl aus dem Welschland als auch aus der deutschen Schweiz. Daran mangelt es der SVP nicht.

Zum Wahlkampf, Herr Blocher: Es wird kritisiert, dass Sie und Ihre Partei derart viel Mittel einsetzen und die Schweiz mit Ihren Plakaten zu kleistern. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?
Leider muss die SVP viel Geld ausgeben, weil die anderen Parteien von den Redaktionen der Medien gehätschelt werden. Wer die Journalisten auf seiner Seite hat, braucht weniger Werbemittel. Wir hingegen müssen inserieren, damit die Botschaft gehört wird.

Würden Sie denn die Finanzierung offen legen?
Ich habe im Grundsatz nichts dagegen, wenn das alle tun. Aber ich weiss auch, dass die Partei dann weniger Beiträge bekommen. Wer beispielsweise als Gewerbetreibender der SVP 10’000 Franken spendet, würde das bei Offenlegung nicht tun, weil er zurecht fürchten muss, dass er Aufträge, vor allem der öffentlichen Hand, verlöre. Das ruft dann nach staatlicher Parteienfinanzierung, was wir strikte ablehnen.

Übertreiben Sie jetzt nicht?
Nein. Hinter den Kulissen wird manch trübes Spiel gespielt. Wenn es gegen die SVP geht – ist man dann ganz und gar nicht zimperlich.

Sie sind es ja auch nicht…
Nein, aber ich kämpfe gerne mit offenem Visier. Intrigen sind meine Sache nicht.

Sogar den SBB wurden Ihre SVP-Plakate zu viel…
Ja, ja – als eine andere Partei dasselbe eine Woche früher machte, gab es keinen Protest. Sehen Sie, man hat Angst vor der SVP. Viele fürchten um ihre Pfründen. Daher die heftigen, geradezu panischen Abwehrreaktionen…

Wir erlebten Sie den Wahlkampf, während dem Sie rund 100 mal öffentlich auftraten?
Das war doch kein Kampf. Unsere Siebner-Ständeratspodien waren von einer seltenen Langweiligkeit. Die wenigen Besucher konnten ruhig schlafen. Da tat man sich nicht weh, und zu siebt kann man keine Debatte führen.

Worüber hätten Sie denn gerne diskutiert?
Nun, es geht ja um die Zukunft der Schweiz, darüber muss man doch ringen und streiten, das ist doch wichtig. Auch hart debattieren, weil es ja um die Sache geht. Und da hätte man deutlich sagen müssen, dass die Massenzuwanderung ein grosses Problem ist, dass die Kriminalitätsrate mit Schengen auf europäisches Niveau geklettert ist, und wie die Parteien dies lösen oder nicht lösen wollen.

Letzte Frage, Herr Blocher: Fühlen Sie sich noch als Weinländer?
Ich bin der Landbevölkerung aus meiner alten Heimat sehr verbunden, bin ja nicht nur im Weinland aufgewachsen, sondern habe auch dort Bauer gelernt und setze mich daher noch heute für den Bauernstand ein. Heute, wo jeder urban sein will, sind wir von der SVP auch für die Anliegen der Landbevölkerung da. Das Weinland ist SVP-Land und damit auch politisch meine Heimat.

Besten Dank für das Gespräch.

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