Sofort entlasten!

Interview in der «Weltwoche» vom 23. Juni 2011 mit Roger Köppel

Herr Blocher, die Schweizer Exportindustrie leidet unter der Frankenstärke. Sie waren jahrzehntelang im Export tätig. Was muss getan werden?

Nachdem die Kernenergie aus den Schlagzeilen verschwindet, wird der Franken zum Drama aufgeblasen. Die Frage lautet zunächst: Warum ist der Franken so stark?

Ihre Antwort?

Weil wir eine bessere wirtschaftliche Situation haben in der Schweiz als in anderen Ländern. Wir haben tiefere Schulden, die vernünftigere Wirtschaftspolitik. Vertrauen auch, weil die Schweiz nicht Mitglied der EU und nicht im Euro-Raum ist.

Sie wollen doch nicht leugnen, dass exportorientierte Schweizer Unternehmen massiv unter Druck geraten gegenüber der Konkurrenz mit Billigwährungen?

Natürlich schmälert der starke Franken den Gewinn – vor allem kurzfristig. Trotz Euroschwäche liefert unser Export zur Zeit aber hervorragende Ergebnisse. Auf lange Sicht ist der Frankenkurs nicht das Problem.

Wie belegen Sie diese Aussage?

Was wir erleben, ist nicht neu. in den 70er-Jahren erlebte ich den Übergang von festen zu flexiblen Wechselkursen. Der Dollar lag damals bei 4,30 Franken. Am Sonntag wurden die Kurse freigegeben, und der Dollar fiel am Montag gleich auf 3,80 Franken. Ich musste damals ein Verwaltungsratsprotokoll schreiben, mit den schlimmsten Voraussagen. Der Verwaltungsrat glaubte damals tatsächlich, dass die EMS-Chemie als Exportunternehmen in der Schweiz keine Zukunft mehr habe. Zu dieser Zeit war der Umsatz rund 200 Millionen, davon 30 Prozent im Export. Heut liegt der Dollar bei etwas über 80 Rappen, und EMS macht 1,2 Milliarden Franken Umsatz, davon 96 Prozent im Export. EMS hat trotz starkem Franken überlebt. Der starke Franken machte die Firma stärker, weil er die Firma forderte – auf der Innovations- und Kostenseite; es dämpft auch deutlich die Inflationsrate.

Ist der starke Franken ein Segen für die Exportwirtschaft?

Das nicht gerade. Aber auf längere Sicht stärkt dies, und wenn die Konjunktur sich verschlechtert, wird der Kurs wieder sinken. Die Teuerung wird gebremst, weil Rohstoffe, z.B. Oel, Benzin, Eisen etc. billiger werden. Ohne Frankenaufwertung hätten wir eine Überhitzung und in guten Zeiten werden die Firmen übermütig. Man macht keine Kostensenkungen und der Innovationsdruck nimmt ab. Heute läuft es vielen Exportfirmen enorm, und hier hat der starke Franken eine disziplinierende Wirkung. Er zwingt die Unternehmen, produktiv und innovativ zu bleiben. Zudem: Wegen des starken Frankens hört die Schweiz auf, Dinge zu produzieren, die sie nicht produzieren sollte, zum Beispiel Billigstprodukte.

Was halten Sie von Negativzinsen? Wer sein Geld in die Schweiz bringt, solle Zinsen bezahlen dafür.

Das wurde bereits einmal gemacht. Es hat sich nicht bewährt. Es hatte genau den gegenteiligen Effekt: Ein Staat, der Negativzinsen verlangt, sendet ein falsches Signal aus; nämlich unsere Währung ist extrem stark und solide und das Vertrauen und die Nachfrage werden erst recht nach oben getrieben. Der Kurs des Schweizer Frankens steigt.

Gibt es nichts, was der Staat vernünftigerweise tun sollte?

Auf jeden Fall nichts tun, was die Konjunktur jetzt noch anheizt: Im Ausland jetzt Unternehmen in die Schweiz zu locken, und erst noch mit direkten oder indirekten Wirtschaftshilfen, ist Unsinn. Hingegen sind die « hiesigen » Unternehmen vom Staat nicht mit Steuern, Abgaben, Gebühren und Bürokratie zu belasten sondern zu entlasten!

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