Die SVP steht zur Konkordanz

Interview im «Tages-Anzeiger» und «Bund» vom 10. August 2010 mit Daniel Friedli

Die SVP hat im April beschlossen, bei der nächsten Vakanz im Bundesrat wieder anzutreten. Nun will sie plötzlich Gespräche darüber führen. Was ist los?

Die SVP hat klar festgehalten, dass sie zur Konkordanz steht und demnach die drei grössten Parteien zwei Sitze im Bundesrat haben sollen und die vierte einen. Fast ein Drittel der Wähler, welche die SVP vertritt, ist heute im Bundesrat untervertreten. Wenn die Konkordanz respektiert wird, muss dies ändern.

Die Frage ist: wie?

Die Doppelvakanz ist die Gelegenheit, um diese wichtigen Fragen mit den Bundesratsparteien grundsätzlich zu besprechen. Erstens: Stehen die vier grössten Parteien zur Konkordanz oder nicht? Zweitens: Sind sie bereit zu garantieren, dass man sich gegenseitig keine Vertreter in den Bundesrat wählt, die in der eigenen Partei nicht anerkannt werden? Und drittens: Sind die Parteien auch bereit, die Verantwortung für ihre Bundesräte zu übernehmen? Wir hatten nun in dieser Legislatur vier vorzeitige Rücktritte von Bundesräten, die sich für vier Jahre wählen liessen. Das zeigt, wie tief die heutige Regierungskrise ist.

Die Idee ist bereits durchgefallen…

Wenn die anderen Parteien nicht einmal solche Gespräche führen wollen, dann wäre das ein klares Zeichen, dass die Konkordanz nicht mehr gilt. Dann müssen wir in der Fraktion entscheiden, wie wir vorgehen. Wir sollten dann primär gegen jene Partei antreten, deren Konkordanzanspruch weniger ausgewiesen ist.

Also gegen die FDP?

Beide Parteien sind im Vergleich zur SVP klar übervertreten, die SP stärker als die FDP! Die SP hat 2007 Eveline Widmer-Schlumpf zur Wahl vorgeschlagen und gewählt, damit ist die Justizministerin nun ihre Vertreterin. Wir müssen also primär gegen die SP um den Sitz von Moritz Leuenberger kämpfen. Schlägt sich aber die FDP auf die Seite der SP und unterstützt uns nicht, so müssten  wir meiner Meinung nach dann auch um den Sitz der FDP kämpfen. Aber das muss die Fraktion noch beschliessen, es dürfte intern wohl umstritten sein.

Damit werden Sie die FDP verärgern, auf deren Unterstützung die SVP später wieder angewiesen ist.

Die Freisinnigen stehen uns politisch am nächsten. Didier Burkhalter und nicht der CVP-Vertreter wurde nur dank der SVP gewählt. Sollte nun die FDP mit der SP ein Päckli schnüren, und so die Konkordanz verletzen, tritt sie klar für eine Mitte-links-Regierung ein.

Was verlangen Sie konkret von der FDP?

Auch sie muss nach der Konkordanz handeln, wenn sie diese schon beschwört und der SVP deshalb zwei Sitze zusprechen.

Also pochen Sie faktisch auf einen freiwilligen Verzicht der FDP zu Gunsten der SVP?

Nein, sie hat die SVP zulasten der SP zu unterstützen. Wenn sie unseren Anspruch nicht anerkennt, geht sie ein Päckli mit der SP gegen die Konkordanz ein. Dann haben wir faktisch eine Koalitionsregierung von Mitte-Links. Das ist auch ein Entscheid.

Heisst das, Sie würden dann ihren Bundesrat Ueli Maurer zurückziehen und ganz in die Opposition gehen?

Dazu besteht kein Grund. Wenn die andern Parteien wenigstens einen Sitz der SVP belassen, soll uns dieses Regierungsscherflein recht sein.

Verheizen Sie mit faktisch chancenlosen Kandidaturen nicht Kandidaten, die dann fehlen, wenn die SVP wieder ernsthafte Chancen hat?

Gute Kandidaten, die wegen der Sache antreten, verheizt man so nicht,  nur die Schwachen. Ich selber bin 1999 sogar ohne jede Chance angetreten – und liess mich nicht verheizen.

Caspar Baader wäre so ein guter Kandidat?

Ja, wenn er denn nur wollte.

Haben er und sie Alternativen?

Wir haben eine Reihe guter Kandidaten. Aber es ist klar: Sie stehen bei dieser Ausgangslage weniger Schlange als das letzte Mal bei der Wahl von Ueli Maurer, als die Chancen viel besser waren. Es gibt Leute wie Jean-François Rime, man hat schon von Andreas Aebi oder Pirmin Schwander gesprochen. Ich will nun aber nicht über Namen spekulieren. Wir werden am Montag zunächst den Grund-satzbeschluss fällen, ob und wie wir antreten.

Kann es sein, dass Sie letztlich wieder als Winkelried in die Bresche springen?

Das hoffe ich nicht. Das Parlament will mich nicht als Bundesrat. Aber das müssen wir nun alles diskutieren.

Es gibt in der SVP Leute wie Oskar Freysinger, die sagen, man dürfe jetzt nicht erfolglos quengeln, sondern die Wahlen 2011 abwarten und dann gestärkt antreten.

Das hiesse ganz einfach: Man nimmt weder die Regierungstätigkeit noch die Konkordanz ernst, denn die SVP vertritt fast ein Drittel der Wähler. Für diese haben wir uns einzusetzen und nicht zu taktieren. Man will diese aber draussen haben. Ganz einfach, weil man ihre Meinung – namentlich den Widerstand gegen die EU – dort nicht haben will.

Wenn Sie für eine arithmetische Konkordanz plädieren, müssten Sie eigentlich auch einen Grünen in den Bundesrat wählen.

Die Konkordanz war in der Geschichte noch nie anders ausgelegt als arithmetisch. Wir haben einander nie gewählt, weil wir gleicher Meinung gewesen wären, sondern weil es die Wählerstärke gebot. Zu den Grünen: Wenn sie nach den Wahlen die viertstärkste Partei sind, dann steht ihnen ein Sitz zu.

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