Das Autogewerbe – ein hoch innovativer und anpassungsfähiger Wirtschaftszweig

Rede von Bundesrat Christoph Blocher an der Generalversammlung der ESA (Einkaufsorganisation des Schweizerischen Auto- und Motorfahrzeuggewerbes), 16. Mai 2006 in Interlaken

16.05.2006, Interlaken

Interlaken, 16.05.2006. An der Generalversammlung der Einkaufsorganisation des Schweizerischen Auto- und Motorfahrzeuggewerbes ESA pries Bundesrat Christoph Blocher das marktwirtschaftliche, kapitalistische Wirtschaftssystem. Dieses habe im Verlauf der Zeit zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen aller Gesellschaftsschichten geführt, während der Sozialismus ganze Staaten und Völker in den wirtschaftlichen Ruin getrieben habe. Es gebe wohl kaum einen Wirtschaftszweig, der so sichtbar die Vorzüge des Wettbewerbs aufzeige wie das Autogewerbe.

Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen.

1. Vielfalt dank Marktwirtschaft

Der Automobilmarkt ist ein Milliardengeschäft. Täglich sind Millionen von Fahrzeugen in dieser Welt unterwegs. Man braucht kein Prophet zu sein: Auch die Chinesen möchten ihr Velo so bald wie möglich gegen einen Personenwagen eintauschen. Damit erschliesst sich ein neuer, gewaltiger Markt. Das Auto ist in diesen Ländern Zeichen des Wohlstandes. Auf der ganzen Welt aber eben auch Ausdruck von Mobilität und Wirtschaftskraft.

Dieser Milliardenmarkt Auto ist hart umkämpft.

Es gibt wohl kaum einen Wirtschaftszweig, der so sichtbar die Vorzüge des Wettbewerbs aufzeigt wie das Autogewerbe.

Asiatische, europäische und amerikanische Hersteller kämpfen um alte und neue Kunden. Dieser Wettbewerb zwingt zur permanenten Weiterentwicklung und führt zu immer neuen Errungenschaften.

Ich habe den Titel des heutigen Referats nicht zufällig gewählt: Das Autogewerbe ist tatsächlich einer der innovativsten und anpassungsfähigsten Wirtschaftszweige überhaupt.

Der Druck, das Produkt zu verbessern, die Sicherheitsstandards zu erhöhen, das Design zu erneuern, die Innenausstattung auszubauen und vieles mehr – und erst noch zu kundenfreundlichen Preisen – ist gewaltig.

Und wenn wir von der Automobilbranche reden, dann sind die abertausenden von Zulieferern mitgemeint.

Gerade im Zuliefererbereich hängen auch in der Schweiz viele Betriebe und somit auch viele Arbeitsplätze von einer florierenden Autoindustrie ab.

Es gibt heute eine kaum mehr überblickbare Zahl von Motorfahrzeugen. Der Kunde kann aus unzähligen Marken und Modellen auswählen. Das ist immer ein Zeichen dafür, dass die Marktwirtschaft funktioniert. Innerhalb von hundert Jahren hat das Automobil einen vergleichslosen Siegeszug angetreten, obschon die Skeptiker der ersten Stunde dieser Erfindung wenig Zukunft prophezeiten. Diese horrenden Fortschritte in der Entwicklung sind nur in einem zwar harten, aber gleichzeitig weitgehend freien Wettbewerb möglich. Zugleich erfüllt das Automobil ein Bedürfnis, das offenbar eine sehr grosse Mehrheit der Menschen umtreibt: sich schnell, bequem und individuell fortzubewegen.

2. Vom Luxus zum Alltäglichen

Mein Vater, ein protestantischer Landpfarrer, besass ein Fahrrad. Heute würde man sagen, ein Militärvelo. Das Velo verfügte über einen Gang, wog ziemlich schwer, war aber für die Ewigkeit konstruiert. Mein Vater konnte sich Zeit seines Lebens kein Auto leisten. Dafür brachte er elf Kinder durch und jedes durfte eine Ausbildung absolvieren. Hier war die Rechnung relativ schnell gemacht. Ein Auto stand gar nie zur Diskussion – „es lag nicht drin“, wie man so schön schweizerisch sagt – und als die Jungen auszogen und eine Anschaffung finanziell vielleicht möglich geworden wäre, war der Vater in einem Alter, in dem man sich besser nicht mehr auf solche Experimente einliess.

Was vor wenigen Jahren also ein absoluter Luxusgegenstand war, gehört mittlerweile praktisch in jeden Haushalt.

Man muss kein Historiker sein, um mit aller Deutlichkeit festzuhalten: Der heutige ungelernte Hilfsarbeiter darf heute die wesentlich besseren Lebensbedingungen für sich beanspruchen als vor fünfhundert Jahren der deutsche Kaiser persönlich. Dies verdanken wir einzig einem marktwirtschaftlichen, kapitalistischen Wirtschaftssystem.

Der Status der ärmeren Bevölkerung hat sich gerade in den Ländern, die eine freie Wirtschaftsordnung kennen, beständig verbessert. Während der Sozialismus ganze Staaten und Völker in den wirtschaftlichen Ruin führte.

Ob wir es wollen oder nicht: Wir haben dauernd für die Prinzipien der Marktwirtschaft zu kämpfen. Wo sich der Tüchtige und Erfinderische ungehindert entfalten kann, geht es vorwärts und aufwärts. Wo der Tüchtige und Erfinderische eingeschränkt, der Erfolgreiche mit Steuern bestraft, der strebsame Bürger übervorteilt wird, geht es konsequent in eine andere Richtung: nach unten. Die Forderung nach möglichst viel Marktwirtschaft ist der soziale Ruf unserer Tage!

3. Wettbewerb ist innovativ

Es wird permanent versucht, das Auto moralisch schlecht zu reden. Dabei wird mit Vorliebe auf die Verkehrsunfälle einerseits und die Umweltbelastung andererseits verwiesen.

Ich möchte auf beide Bereiche kurz zu sprechen kommen und nochmals festhalten: Die Errungenschaften in der Sicherheit sind in erster Linie die Frucht der Innovationsfähigkeit der Automobilbranche. Airbags, ABS, IPS (Intelligent Protection System), verbesserte Gurtentechnik, Knautschzonen haben entscheidend zur Senkung der schweren Unfälle beigetragen. Auch wenn gewisse Politiker nach wie vor überzeugt sind, sie hätten höchstpersönlich die Zahl der Verkehrstoten gesenkt. Nein, auch hier zeigen sich die Vorzüge der Marktwirtschaft. Der Kunde erwartet ein sicheres Gefährt. Also müssen ihm die Hersteller ein solches anbieten. Wer nicht mitzieht, wird vom Markt bestraft. Denn der Kunde wählt aus. Gnadenlos.

Kommen wir zur Umweltbelastung. Da besteht in der Tat ein Problem bei den Verbrennungsmotoren. Aber auch hier schafft der Markt bzw. die Nachfrage die entsprechenden Angebote. Ich garantiere Ihnen, die Aussicht der Autoindustrie durch verbrauchsarme Fahrzeuge oder alternative Brennstoffe gute Geschäfte zu erzielen, wird deren Entwicklung viel schneller vorantreiben als alle bisherigen und zukünftigen staatlichen Interventionen und politischen Predigten.

Ich bin überzeugt, dass der Privatverkehr seinen Siegeszug fortsetzen wird. Ob das Auto der Zukunft mit Benzin, Wasserstoff, Rapsöl, Ethanol, Hanf oder sonst was angetrieben wird – wer weiss das? Lassen wir die freie Forschung, lassen wir den Wettbewerb, lassen wir den Markt spielen. Dann kommt es gut. Viel problematischer wird es, wenn übermütige oder ideologische Politiker glauben, die Weichen selber stellen zu müssen.

Wir haben bereits benzinsparende Hybridmotoren auf dem Markt, welche Bremsenergie, die sonst verpufft, speichern und dem Motor wieder als Elektroenergie zuführen. Eine grandiose Leistung. Nur möchte ich auch bei diesem konkreten Beispiel darauf verweisen: Der Hybridantrieb ist durch einen privaten Autokonzern entwickelt und technisch umgesetzt worden – und nicht durch die Politik oder irgendein Gesetz. Verbieten, verteuern, verhindern sind keine kreativen Lösungen.

4. Ein Dank

Sie stehen alle in der Marktwirtschaft. Sie tragen alle dazu bei, dass die Schweiz mobil ist, dass die Schweizerinnen und Schweizer in jedem Sinn beweglich bleiben. Sie tragen alle mit ihrer Arbeit zur Wertschöpfung in unserem Land bei. Mit Ihrer Organisation ermöglichen Sie die kostengünstige und effiziente Belieferung von Ersatzteilen für das schweizerische Auto- und Motorfahrzeuggewerbe. Ich habe gelesen, dass sich über 7’000 Genossenschafter – vor allem PW- und LKW-Garagenbesitzer – in Ihrer Organisation zusammengeschlossen haben. Das haben Sie getan, weil Sie so besser, schneller, kostengünstiger Ihrer Arbeit nachgehen können. Das ist gelebte Marktwirtschaft. Aber zuoberst in den von Ihrer Organisation festgehaltenen Grundsätzen steht: „Alles dreht sich um unsere Kunden.“ Diese Einstellung gefällt mir. Auch in der Politik sollten es heissen: „Alles dreht sich um das Wohl unserer Bürger.“

← retour vers: Articles