Rede von Bundesrat Christoph Blocher zum 25. Nordostschweizerischen Jodlerfest

06.06.2004, Appenzell

Es gilt das gesprochene Wort

Liebe Jodlerinnen und Jodler
Liebe Alphornbläser und Fahnenschwinger
Liebe Festgemeinde

Sie haben zum Fest geladen. Und wiederum sind Tausende Freunde des Jodelgesangs der Einladung gefolgt. Zum 25. Mal findet das Nordostschweizerische Jodlerfest statt, heuer im schmucken Landstädtchen Bülach. Ein Zusammentreffen für freundschaftlichen Wettkampf und unbeschwerte Geselligkeit.

– Beeindruckende 492 Konzertvorträge sind angemeldet.
– Fast 3000 aktive Teilnehmer zählt das Verbandsfest.
– In 25 Wirtschaften und 6 Verpflegungsständen können sich die Besucher erholen und erlaben.
– Über 600 freiwillige Helferinnen und Helfer machen einen solchen Anlass überhaupt erst möglich.

Meine Damen und Herren, diese paar Angaben aus Ihren Veranstaltungs-unterlagen sagen es bereits: Das 25. Nordostschweizerische Jodlerfest bietet Substanz, Inhalt und steht stellvertretend für das vielfältige Kulturleben unseres Landes. Solche Feste bilden das Rückgrat einer gesunden Lebensgemeinschaft. Das Nordostschweizerische Jodlerfest gibt die Traditionen weiter und stärkt den Gemeinsinn – zum 25igsten Mal!

Ich glaube, solche Zusammenkünfte werden immer wichtiger: Je mehr die hohe Politik von Globalisierung schwärmt, je mehr das Heil in nicht fassbaren und nicht überschaubaren supranationalen Organisationen gesucht wird, umso mehr sehnen sich die Menschen nach Halt, nach Tradition und Heimat – denn dort ist der Ort des Vertrauten und des Überschaubaren.

Was wären wir ohne all die Vereine, ohne die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer, ohne die Volksfeste wie dieses heute? Was wären wir ohne Sängerinnen, Sänger, Jodlerinnen und Jodler, Alphornbläser und Fahnenschwinger? Arm wären wir! Wir wären Menschen in einer leeren, einsamen, grauen Welt.

Vorbildlichkeit

Sie bieten uns nicht nur Freude. Es ist imposant zu sehen, wie ein so grosser Anlass so hervorragend organisiert wird. Und nicht weniger beispielhaft ist, wie hier seriös budgetiert und in Eigenverantwortung abgerechnet wird. Dies müsste sich der Staat, der ja über ganz andere Mittel verfügt, zum Vorbild nehmen: Die letzte « grössere » Festveranstaltung, die über den Bund organisiert worden war, trug zwar einen kürzeren Namen als das « Nordost-schweizerische Jodlerfest », dafür wies die « Expo » ein paar Nullen Defizit mehr aus. Über eine Milliarde Franken kostete uns die « Expo ». Da hätten Sie hier vergoldete Gratisbratwürste verteilen können.

Festumzug

Für den Nachmittag ist ein grosser Festumzug angekündigt. Auch dieser verheisst Beeindruckendes:

– 70 Nummern bilden den Umzug
– dazu kommen 5 Blasmusikkorps
– 17 Kühe

Die letzteren fühlten sich wahrscheinlich eingeladen durch den wunderschönen Kinderchor, der vorher inbrünstig sang: « Gang rüef dä Bruune, gang rüef dä Gäle, sie söölid allsam nach Bülach cho. » (Das wäre vielleicht auch eine Werbeidee für unseren Fremdenverkehr – und erst noch billiger als die 200 Steuermillionen für die staatliche Tourismus-förderung).

Zum Volkslied

Ich war das 7. von 11 Kindern. Meine Mutter hat eine Fülle von Volksliedern am Klavier begleitet und uns so gelehrt. Die meisten kann ich heute noch auswendig und singe sie auch (am liebsten im Badezimmer, weil dort die Akustik die falschen Töne überschallt). Den tieferen Sinn dieser Lieder habe ich allerdings erst im Erwachsenenalter entdeckt. Wir finden darin all das Schöne, Lustige, aber auch Schwierige und Widrige des Lebens. In vielen dieser Weisen liegen versteckte Weisheiten. Es lohnt sich, etwas genauer hinzuhören. Das ist auch der Grund, warum ich in meinen Reden häufig aus einem Volkslied zitiere. So war einmal das Volkslied « Chumm Bueb und lueg dis Ländli aa! » das Leitmotiv einer wichtigen Rede.

Ja, die Schweiz ist ein kleines Land, aber ein reizvolles Land. Nur tüchtige Menschen konnten daraus etwas machen. Ich weiss auch, dass besonders viele Jodler aus Bauernfamilien stammen. Wer « üses Ländli aaluegt », und zwar mit offenen Augen, der erkennt, dass es gerade der Bauernstand ist, der für diese schönen Landschaften sorgt. Zu diesem « Ländli » wollen wir Sorge tragen, dass es auch weiterhin in Freiheit seine Zukunft bestimmen kann.

Nach meiner Rede « Chumm Bueb und lueg dis Ländli aa! » meldeten sich – wie immer – die Kritiker und sagten: Wieder typisch, der Blocher redet nur von den Bueben und vergisst die Frauen. Ein Jahr später, es war der Januar des letzten Jahres, sprach ich von den kommenden Wahlen und endete optimistisch mit den Worten: « Ich glaube, es beginnt zu tagen. Wer nicht gerade in die Niederungen der hohen Politik schaut, sondern hinausblickt ins Land und zum Volk, wer hinaufblickt zum Souverän, der wird mit Zuversicht erfüllt. Man fühlt sich an das alte Volkslied erinnert: « Es taget vor dem Walde, stand uuf Kätterlin! ». Und wenn ich in die Festrunde schaue, « nicht nur der Bueb luegt sis Ländli a », sondern auch die « Kätterlin isch ufgschtande ».

Aber weder der Bueb noch das Kätterli wollen Politiker, die wie Windfahnen politisieren. Auch die Fahnenschwinger, die hier auftreten, können ihre Fahnen nicht einfach in den Himmel werfen und dann schauen, wohin sie gerade fallen. Unser Land braucht Verlässlichkeit. Ein Volkslied hat aber auch an jene gedacht, die heute nicht wissen, was sie gestern sagten und was sie morgen denken.

Diese spezielle Hymne ist der Refrain von « Es Puurebüebli man i nit »: « Mal ufe mal abe, mal rächts, mal links, mal hindere mal füre, mal rächts mal links… », was nur für das Volkslied lustig ist.

Ich wundere mich immer über jene Leute, die in der ganzen Welt herumreisen und dann von den dortigen Kulturen schwärmen, aber dem einheimischen Brauchtum keine Beachtung schenken. Der Jodelgesang, das Alphornblasen und das Fahnenschwingen ist eine solche Volkskultur.
All denen, die glauben, die eigene Heimat sei zu wenig, hilft ein anderes Volkslied weiter: « …und zeigt üs d’Wält au allerlei: channsch nur ein Heimat gfindä ». (Uf em Heiwäg, Text: Karl Spring, Melodie: Jean Clémençon). Sie, – meine Damen und Herren, – besingen in Ihren Liedern unsere Heimat. Und Sie tun das in den verschiedenen Dialekten und Sprachen. Das grosse Palaver ist nicht Sache des Schweizers. Wir haben es gern kurz und bündig und weniger gerne schwülstig und ausführlich. Deshalb entspricht der Naturjodel so ideal dem Eidgenössischen Wesen.

Auf zum Feste

Also, auf zum Fest! Ich rufe auf zum Dank! Ich danke für die Tausenden Stunden Freiwilligenarbeit, ich danke den 3000 Jodlerinnen, Jodlern, Alphornbläsern und Fahnenschwingern, ich danke dem Fest mit seinen 156 Chören, dem üppigem Blumenschmuck, den 17 Kühen, den 4 Sanitätsposten und nur einem Bundesrat.

Geniessen Sie das noch verbleibende Fest und tragen Sie weiterhin Sorge zu unserem Brauchtum. Damit wir auch in Zukunft eine Heimat in uns finden.

Ich freue mich, speziell auf den angekündigten Appenzeller Naturjuiz.

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