Wir müssen vermeiden, Partei zu ergreifen

Zum ersten Mal äussert sich Bundesrat Christoph Blocher zur Terrorgefahr. Dank der Polizeihoheit der Kantone und der Neutralität verfüge die Schweiz über zwei Trümpfe, sagt der neue Polizeiminister. Und erklärt, warum er sich daneben auch noch für das Steuerpaket einsetzt.

11.04.2004, NZZ am Sonntag (Luzi Bernet und Markus Häfliger)

NZZ am Sonntag: An Ihrer Pressekonferenz in Buchs haben Sie kein Wort über den Terrorismus verloren. Ist das für Sie als Polizeiminister kein Thema?

Christoph Blocher: Es beschäftigt mich sehr, aber darüber sollte man an einer Pressekonferenz nicht reden.

Warum nicht?
Der Kampf gegen den Terrorismus ist stetig sehr intensiv in meinem Departement, aber es gibt nichts, das man an die grosse Glocke hängen muss. Dadurch schafft man unnötig Ängste. Die Schweiz nimmt den Kampf gegen den Terrorismus sehr ernst und unternimmt im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles, um die Sicherheit des Landes und seiner Bewohner zu gewährleisten. Ich will, dass die Schweiz ein sicheres Land bleibt und von unserem Territorium aus die Sicherheit anderer Staaten nicht gefährdet wird.
Der gesetzliche Handlungsbedarf wird zurzeit geprüft. Der Bundesrat hat in der Lage- und Gefährdungsanalyse Schweiz vom Juni 2002 Lücken bei der präventiven Überwachung festgestellt. Zur Diskussion steht namentlich, ob präventive Telefonüberwachungen zugelassen werden sollen.

Bereiten Ihnen als liberalem Menschen solche Massnahmen keine Mühe?
Doch. Wir stehen im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit. Mit der Terrorismusbekämpfung lässt sich jede Freiheitsbeschränkung begründen. Besonders deutlich sieht man das in den USA. Wir leben in einer ungewissen Zeit und die Gefahr besteht, dass man sich vom Moment zu stark beeindrucken lässt und überstürzt Massnahmen trifft. Wenn die Polizei neue Mittel fordert, muss man das deshalb genau prüfen. Diese Güterabwägung führen wir zurzeit durch.

Ist die Schweiz genügend gegen den Terrorismus gewappnet?

Gefahren kann man nie hundertprozentig ausschliessen. Wir sind aber sehr wachsam. Als Vorteil erachte ich die Polizeihoheit der Kantone und die damit verbundene Kleinräumigkeit der Überwachung. Ein Vorteil ist auch unsere Neutralität. Die präventiv-polizeilichen Mittel befinden sich in meinem Departement in Prüfung.

Sie glauben, Neutralität schützt vor Terroranschlägen?
Neutralität schützt den Kleinen, weil er sich nicht in die Machtkämpfe der Grossen einmischt. Terrorismus ist eine Kriegsform in einer Auseinandersetzung zwischen grossen Machtgebilden: Zum einen zwischen Israel und Palästina, zum anderen zwischen islamistischen Kräften und dem Westen. Jedoch kann auch die Schweiz von Anschlägen betroffen werden.

Neutralität hin oder her: Der islamistische Terror richtet sich gegen den Westen, zu dem auch die Schweiz gehört.
Es ist anzunehmen, dass die Islamisten ihre Ziele auswählen. Ihr Kampf richtet sich gegen jene, die Partei nehmen. Dass es Spanien getroffen hat, war vermutlich kein Zufall. Als kleiner Staat müssen wir radikal gegen jeden antreten, der unsere Rechtsordnung verletzt. Gleichzeitig müssen wir vermeiden, Partei zu ergreifen. Natürlich können auch Schweizer, wie in Luxor oder Bali, unschuldige Opfer von Terroranschlägen werden.

Islamisten sind auch in Inland aktiv. Welche Gefahr geht von ihnen aus?
Zum Kampf gegen den Terrorismus gehört, dass wir jene Kreise, die dafür empfänglich sind, besser beobachten. Aber wir dürfen uns nicht in Auseinandersetzungen ausserhalb unserer Landesgrenzen einmischen und dort Position beziehen. Die Schweiz ist zurzeit kein Ziel des internationalen Terrorismus.

In der inneren Sicherheit wird immer mehr Militär eingesetzt. Verursacht das Ihnen keine Bauchschmerzen?
Nein, denn das Militär ist für gewisse Aufgaben der inneren Sicherheit gar nicht geeignet. Es leistet einfache Hilfs- und Bewachungsdienste. Wenn die Polizei zum Beispiel beim WEF und bei anderen kurzfristigen oder grösseren Einsätzen mit vielen Leuten verstärkt werden muss, ist ein Armeeeinsatz sinnvoll.

Kurzfristig? Die Botschaften werden seit Jahren durch die Armee bewacht und sollen es nun dauerhaft bleiben.
Ja, aber wir haben momentan auf der Welt eine spezielle Situation. Ich gebe auch zu, dass wir diese Lösung haben, weil sie kostengünstig ist und der Bund keine andere Möglichkeit hat. Wenn diese Situation jedoch 20, 30 Jahre lang dauern sollte, müssten die Polizeikräfte in den Kantonen aufgestockt werden.

Immer lauter wird kritisiert, dass Soldaten Wache schieben anstatt in ihrem Kernauftrag, der Landesverteidigung, ausgebildet zu werden.
Diese Gefahr besteht tatsächlich. Man muss aufpassen, dass die Politiker die Armee nicht missbrauchen. Wobei Bewachungsaufgaben wenigstens einen Sicherheitshintergrund haben – im Gegensatz zu Armeeeinsätzen bei Sportanlässen.

Bundesrat Schmid möchte die Armee, das Bundesamt für Polizei und das Grenzwachtkorps des Finanzdepartementes zu einem Sicherheitsdepartement fusionieren. Was halten Sie davon?
Heute dienen zu viele Akteure der Inneren Sicherheit: die Kantone, das Bundesamt für Polizei, der Bundessicherheitsdienst, die Bundesanwaltschaft, das Grenzwachtkorps, die Nachrichtendienste. Deshalb hat der Bundesrat beschlossen, dass unter meiner Leitung zusammen mit dem VBS und dem EFD geprüft wird, wie man die Kräfte, die der inneren Sicherheit dienen, zusammenfassen kann.

Ist es für Sie denkbar, das Bundesamt für Polizei ans VBS abzutreten?
Das ist eine Variante, muss aber nicht unbedingt sein. Sinnvoll ist es aber zu prüfen, ob einzelne Dienste zusammenzulegen sind. Ob im VBS oder in meinem Departement, ist sekundär.

Sie haben eine staatliche Verzichtsplanung gefordert. Bringt das neue Entlastungsprogramm dies?
Das Entlastungsprogramm 2004 besteht erst aus der Zielsumme von 2,5 Milliarden Franken. Meines Erachtens müsste es zu einer Verzichtsplanung führen. Die Gefahr ist jedoch gross, dass man lediglich Investitionsprojekte streicht. Eine Verzichtsplanung in dem Sinne, dass man staatliche Aufgaben nicht mehr wahrnimmt – davon spüre ich noch nichts.

Wo sehen Sie im Justiz- und Polizeidepartement Möglichkeiten, den Aufwand zu reduzieren?
Zwei Drittel der Ausgaben in meinem Departement betreffen das Asylwesen; es handelt sich insbesondere um Geld, das wir für Personen, die keinen Asylgrund haben, ausgeben. Im Moment kann ich noch nicht sagen, wo man hier abbauen kann, aber wir sind mitten in der Arbeit. Dann stellt sich die Frage, ob man gewisse Bundesämter privatisieren könnte. Das Institut für Rechtsvergleichung beispielsweise könnte man an Universitäten angliedern. Und schliesslich gibt es Dinge, auf die man schlicht verzichten müsste, zum Beispiel auf alle Unterstützungsmassnahmen zugunsten der Marktwirtschaft.

Vergangene Woche sagten Sie, auch beim öffentlichen Verkehr müsse man abbauen. Was meinten Sie damit?
Stellen Sie sich einmal an eine Eisenbahnstation mit Taktfahrplan. Da kommen Züge mit einer oder zwei Personen – ein unglaublicher Luxus. Da muss man sich schon fragen, ob man das weiter anbieten will oder ob man es nicht billiger haben könnte. Und dann haben wir natürlich zwei Alpentransversalen . . .

. . . die aber schon im Bau sind.
Richtig. Aber der Bundesrat will bei der Neat jetzt eine Auslegeordnung. Wir müssen wissen, wie es mit der Rentabilität steht. Die Tragik besteht darin, dass man wahrscheinlich feststellen wird, dass es kein Zurück mehr gibt. Und dann werden halt andere Projekte gestrichen. Darauf läuft es hinaus. Wir bauen einfach zwei zu grosse Bahnlinien. Man muss wissen, wie hoch die Betriebskosten sein werden.

Sie haben stets die Meinung vertreten, man müsse dem Staat Mittel entziehen, um ihn zum Sparen zu zwingen. Genau darum geht es am 16. Mai. Es sieht aber schlecht aus für das Steuerpaket.
Es sieht schlecht aus, weil die Bürger noch gar nicht wissen, worum es geht. Praktisch alle, die heute Steuern zahlen, werden mit dem Steuerpaket weniger Steuern zahlen. Wer weniger Steuern zahlt, hat mehr Mittel zum Ausgeben. Das hilft der Wirtschaft und verbessert das Investitionsklima.

Ist die Abstimmung noch zu gewinnen?
Ich hoffe, dass diejenigen, die die Kampagne führen, endlich damit anfangen. Es sind ja noch viele Bürger unentschlossen. Man muss ihnen erklären: Endlich weniger Steuern, und zwar praktisch für alle. Das werde ich in verschiedenen Vorträgen erklären.

Ihre Partei hat sich immer gegen Abstimmungspropaganda durch Bundesräte gewehrt.
Kampagnen und Abstimmungspropaganda durch Bundesbern, insbesondere mit Mitteln des Bundes, sind abzulehnen. Dass ein Bundesrat für die Vorlagen des Bundes spricht, hat mich nie gestört.

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