«Ich werde EMS abgeben»

Blocher über den Schritt vom Unternehmer zum Bundesrat

Interview mit der « SonntagsZeitung » vom 14. Dezember 2003

von Patrik Müller

SonntagsZeitung: Herr Bundesrat, warum trauen Sie Ihrer erst 34-jährigen Tochter Magdalena Martullo-Blocher zu, dass sie die Ems-Chemie gut führt?

Christoph Blocher: Ich konnte sie nun drei Jahre lang in leitender Funktion bei Ems beobachten. Seit 1. Januar ist sie für die strategische Planung alleinverantwortlich. Die Aufgaben erfüllte sie sehr gut. Sie verfügt über Initiative, Kreativität und Durchsetzungskraft. Auch ich war jung, als ich damals die Leitung übernahm, deshalb umgab ich mich mit älteren, erfahrenen Persönlichkeiten. So geschieht es auch jetzt, wo Dieter Klug das Verwaltungsratspräsidium übernimmt.

Ihre Tochter ist schwanger. Was sagen Sie dazu, dass sie als Mutter diesen belastenden Job ausübt?

Blocher: Ich freue mich auf ein weiteres Enkelkind. Meine Tochter muss sich entsprechend organisieren, und das hat sie bereits getan – sie hat ja schon eine Tochter. Dass sie nach der Geburt für einige Wochen aussetzen muss, ist kein Problem. Ich war mehr als tausend Tage im Militär und fehlte im Unternehmen. Das muss möglich sein.

Sie haben ein konservatives Frauenbild. Ihre Tochter entspricht dem überhaupt nicht.

Blocher: Ich habe kein konservatives Frauenbild – ich glaube, ein eher fortschrittliches. Ich frage nicht, ob Mann oder Frau.

Ist Ihre Tochter wie Sie gegen eine Mutterschaftsversicherung?

Blocher: Ich glaube schon. Sie dürfte kaum der Meinung sein, man dürfe jetzt eine weitere staatliche Versicherung einführen. Aber ich habe mit ihr nicht spezifisch über dieses Thema diskutiert.

Sie leiten die Ems-Chemie seit über zwanzig Jahren. Werden Sie sich nicht weiterhin in Firmenbelange einmischen?

Blocher: Nein. Natürlich bleibe ich dem Unternehmen gefühlsmässig verbunden, und wenn meine Tochter zu Besuch ist, werde ich sie fragen: Wie geht es dem Unternehmen? Aber die Verantwortung liegt nicht mehr bei mir. Ich werde dem Management nicht dreinreden. Mein Rückzug ist gut vorbereitet und erfolgt keineswegs schlagartig. Er wurde schon im Januar eingeleitet.

Sie versprachen, nicht nur die Führung, sondern auch das Eigentum am Unternehmen abzugeben. Ihre Kinder müssten dann rund zwölf Millionen Franken Vermögenssteuern pro Jahr bezahlen.

Blocher: Das ist ein Problem, für das wir derzeit nach Lösungen suchen. Bei einem Erbvorbezug müssten meine Kinder das Unternehmen aushöhlen, um die Vermögenssteuern zu zahlen. Aber so oder so: Ich werde das Eigentum abgeben.

Die Kinder könnten nach London auswandern, dort gibt es keine Vermögenssteuer.

Blocher:
Jeder Anwalt, den man nach einer Lösung fragt, schlägt vor, dass meine Kinder in ein Land ziehen sollten, in dem es keine Vermögenssteuer gibt.

Ziehen Sie diese Möglichkeit in Betracht?

Blocher: Nein, und meine Kinder möchten gern in der Schweiz bleiben.

Schliessen Sie aus, dass die Kinder ins Ausland ziehen?

Blocher:
Das kann ich nicht ausschliessen. Meine Kinder sind selbstständig und entscheiden selbst.

Kann es sein, dass Sie noch mehrere Jahre Eigentümer der Ems bleiben?

Blocher: Nein. In den nächsten Monaten werde ich eine Lösung treffen und das Eigentum abgeben.

Welche Werte und Prinzipien, die Ihnen als Unternehmer wichtig sind, wollen Sie in den Bundesrat einbringen?

Blocher:
Ich kenne die Sorgen der Wirtschaft, des Werkplatzes Schweiz. In den letzten Jahren entwickelte sich die Regulierung in einem unglaublichen Mass. Ich denke an das gesamte Statistikwesen, das die Unternehmen belastet. Oder an die Abrechnung der Mehrwertsteuer. Oder an das Bauwesen, wo die Vorschriften immer komplizierter werden. Ich werde mich einsetzen für eine starke Entbürokratisierung, damit die Unternehmen wieder investieren und Arbeitsplätze schaffen.

Weniger Bürokratie heisst automatisch auch weniger Beamte.

Blocher: Baut man die Bürokratie ab, braucht es natürlich weniger Beamte. Wie viele Stellen wegfallen, kann ich nicht sagen. Das steht auch nicht im Zentrum. Das Ziel heisst weniger Belastungen für Unternehmen und Bürger.

Wenn Sie die Steuern senken, werden die Defizite noch grösser.

Blocher:
Die Meinung, man beseitige Defizite durch Steuererhöhungen, ist falsch. Senkt man die Steuern, geben Firmen und Konsumenten mehr Geld aus und investieren. Wichtig ist auch, dass wir gute Unternehmen und Unternehmer in die Schweiz bringen. Das gibt Steuereinnahmen.

Aber vorübergehend würden Sie ein höheres Defizit in Kauf nehmen?

Blocher: Vorübergehend, ja.

Wollen Sie die Schweiz wie ein Unternehmen führen?

Blocher: Nein, die Schweiz ist kein Unternehmen. Aber die Führungsgrundsätze sind in einer Regierung dieselben wie überall, wo geführt wird: Wie analysiert man ein Problem sauber, wie kommt man zu Entscheidungen, was für gruppendynamische Prozesse spielen sich ab? Natürlich geht in der Politik alles viel langsamer und ist mühsamer, aber die Prinzipien sind dieselben.

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